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Einmal hopp – einmal drop. Während manche Studien enorme Überlebens-Vorteile durch die Influenza Impfung suggerieren, sehen andere – so wie jetzt wieder im Journal Lancet – keinen Effekt. Immer mehr Experten fordern deshalb eine randomisierte kontrollierte Studie, um das Rätsel endlich zu klären.

Der finanzielle Aufwand, der von öffentlicher und privater Seite zur Influenza-Vorsorge betrieben wird, ist beträchtlich. Als erste Risikogruppe gelten die Senioren. Die Zahl der jährlichen Influenza-Todesopfer wird von Experten meist mit 12000 bis 15.000 angegeben, vom Robert Koch Institut aber salopp auch schon mal auf „bis zu 20.000″ aufgerundet. Wer nicht zum Impfdoktor geht, so die implizierte Botschaft, ist entweder lebensmüde oder asozial. Wahrscheinlich aber beides.

Diese enorme Zahl an Todesopfern ist insofern suspekt, weil sie die gesamte Übersterblichkeit in der kalten Jahreszeit umfasst. In den Wintermonaten sterben in Deutschland etwa 20.000 Menschen mehr als im Jahresschnitt. Es ist aber völlig absurd, dass diese Übersterblichkeit ausschließlich durch Grippe verursacht wird.

Wenn es nach den Angaben auf den Todesurkunden geht, sind es je nach Heftigkeit der Grippewelle – gar nur zwischen 100 und 300 Personen pro Jahr. Grippe ist eine meldepflichtige Krankheit. Entweder die Ärzte vertuschen hier also etwas, oder die Grippe ist nicht ganz so brutal, wie das Behörden und Impfpromotoren behaupten. Außer natürlich die Influenza-Todesfälle verbergen sich unter anderen Indikationen.

Auf die vom RKI genannten Zahlen käme man, wenn auch der Großteil der Todesfälle durch Lungenentzündung in Wahrheit von Influenza verursacht würde.
Lungenentzündung ist die häufigste Todesursache im Greisenalter. Die Mehrzahl der Opfer ist älter als 85 Jahre.

Nehmen wir mal an, es wäre so, dass die Grippe hinter diesen Todesfällen steckt. Dann stellt sich folgende wichtige Frage:
Kann die Influenza-Impfung vor Lungenentzündung – einer bekannten Komplikation der Influenza – schützen?

Eine ganze Reihe von Arbeiten hatte diese Frage bislang bejaht. Geimpfte haben demnach ein um 30 bis 50 Prozent niedrigeres Risiko an Lungenentzündung zu erkranken. Der Schutz geht aber weit darüber hinaus.
So haben Grippe-Geimpfte laut einer Arbeit aus dem Vorjahr sogar dann ein um satte 70 Prozent geringeres Sterberisiko, wenn sie trotz Impfung an Lungenentzündung erkranken. Die so genannte “All-cause-mortality”, also die Sterblichkeit an allen Ursachen, ist bei Geimpften dramatisch reduziert.

Derartige Ergebnisse werden von Experten wie Tom Jefferson, Leiter des Vaccine-Field der unabhängigen Cochrane-Collaboration, aber auf die Tatsache zurück geführt, dass sich Menschen mit guter Gesundheit eben häufiger Impfen lassen. „Sonst müsste man nämlich aus derartigen Studien folgern, dass die Grippe Impfung auch noch vor Diabetes, Schlaganfall, Vergiftungen oder Verkehrsunfällen schützt”, sagte Jefferson in einem Interview, das ich kürzlich mit ihm geführt habe. „Und das wäre natürlich völlig absurd.”

Ob die Grippeimpfung für Menschen mit vergleichbarer Gesundheit einen Vorteil bietet, diese Kernfrage untersuchte nun ein Team vom „Center for Health Studies” in Seattle. Dabei handelt es sich um das Forschungsinstitut einer großen US-Krankenkasse, die Antwort auf die Frage haben wollte, wie viel Behandlungsaufwand für Lungenentzündung sich mit einer gratis verabreichten Grippe-Impfung einsparen lässt. Die Arbeit erschien vergangenen Samstag im Journal „The Lancet“.
1173 Versicherte, die während einer Grippesaison an einer Pneumonie erkrankt waren, wurden mit einer doppelt so großen Kontrollgruppe ohne Pneumonie verglichen. Fälle und Kontrollen wurden in Bezug auf Alter, Geschlecht, Raucherstatus und andere Pneumonie-begünstigenden Faktoren gematcht. Zudem wurde auch noch die Frage untersucht, ob Menschen, die sich impfen lassen, gesünder sind als solche, die nicht zur Grippe-Impfung gehen.

Tatsächlich gab sich hierfür ein starker Hinweis. Geimpfte – so zeigte sich – haben nämlich auch im Zeitraum vor der Grippesaison, also ohne Beteiligung der Influenza-Viren, ein um 40 Prozent niedrigeres Lungenentzündungs-Risiko.

In der Grippezeit selbst unterscheidet sich das Risiko dann allerdings kaum. Geimpfte erkrankten während der Grippewellen bloß um 8 Prozent seltener als Ungeimpfte. Das Konfidenzintervall lag zwischen 0,77 und 1,10 im nicht signifikanten Bereich. Der ohnedies marginale Unterschied könnte also auch zufällig sein.

Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kamen kanadischen Public Health Experten der University of Alberta in Edmonton in einer Publikation vom vergangenen Juni. Auch hier zeigte sich, dass das geringere Sterberisiko Geimpfter mit dem unterschiedlichen Gesundheitszustand der Patienten zusammen hängt und nichts mit der Grippeimfpung zu tun hat.

Die Conclusio der Kanadier lautet demnach:

The 51% reduction in mortality with vaccination initially observed in patients with pneumonia who did not have influenza was most likely a result of confounding. Previous observational studies may have over-estimated mortality benefits of influenza vaccination.

Experten wie Tom Jefferson fordern seit langem vehement eine unabhängig finanzierte, randomisierte placebokontrollierte Studie, die den Effekt der Influenza-Impfung bei Älteren objektiv misst. „Damit würden endlich auch die Nebenwirkungen der Impfung erfasst, die umso mehr ins Gewicht fallen, je geringer die Schutzwirkung ist.”

Auch Michael Jackson, der Hauptautor der Lancet Arbeit sieht laut Deutschem Ärzteblatt die Zeit für ein solches Vorhaben gekommen, „weil die Verunsicherung über den tatsächlichen Wert der Grippe-Impfung wohl nur durch eine randomisierte klinische Studie behoben werden könnte.”

Bleibt nur noch die Frage, wer sich dieses heißen Eisens, das wohl weltweit mit großem Interesse verfolgt würde, annimmt?
Etwa gar die deutschen Kassen, das IQWiG? Man wird sehen.

Kommentare (7)

  1. #1 E. Berndt
    August 7, 2008

    Bin ich hier in einem esoterischen Werbeforum?

  2. #2 RainbowNet-Blog
    August 8, 2008

    Hut ab, dass es jemand wagt, die Heiligkeit von Impfungen zu hinterfragen. Manchmal kommt es mir vor als ob man jene am liebsten auf dem Scheiterhaufen verbrennen möchte, die es wagen, den Sinn von Impfungen in Frage zu stellen.

    Ich für meinen Teil kann und will nicht beurteilen, ob beispielsweise die Grippe-Impfung sinnvoll ist. Aber ich wünsche mir, dass Nutzen/Risiken endlich in unabhängigen Studien überprüft werden. Egal wie das Resultat herauskommt, die Patienten haben ein Recht auf dieses Wissen.

  3. #3 Ingo
    August 24, 2008

    Ich setze mich seit dem Beginn meiner Ausbildung zum Krankenpfleger, vor 16 Jahren, mit dem Thema Impfen, bzw. Imfkritik auseinender. In all den Jahren habe ich zu spüren bekommen, dass selbst die kritische Betrachtung des “goldenen Kalbs” der Medizin und der pharmazeutischen Indusrie mich oft ins Abseits gedrängt hat. Ich habe mittlerweile meinen Weg gefunden, dieser hat nichts mit esoterischem Firlefanz zu tun, sondern beruht auf gesundem Menschenverstand und dem Hinterfragen der Absichten anderer. Den uneingeschräkten Impfbefürwortern sei gesagt, die pharmazeutische Industrie ist kein Wohltätigkeitsverein, sie wollen unser Bestets, unser Geld.

  4. #4 Ulrich Berger
    September 12, 2008

    @ Ingo:

    Richtig! Ebenso verhält es sich mit der Schuhindustrie. Das ist wohlgemerkt keine Nonprofit-Branche, alles Gewinnmaximierer und Profitgeier. Sehr suspekt. Ich kaufe keine Schuhe mehr.

  5. #5 Thilo
    September 12, 2008

    Na ja, die Frage ist weniger, ob man keine Schuhe mehr kauft, sondern ob man jeden in der Werbung angepriesenen Schuh auch unbedingt selbst haben muß. http://www.textatelier.com/index.php?id=996&blognr=1615
    (Der Vergleich bezieht sich jetzt nicht aufs Impfen, aber allgemein auf die Zunahme von Medikamenten-Verschreibungen.)

  6. #6 Wolfgang
    September 17, 2008

    Bert du mußt einfach sauberer arbeiten. Du zitierst hier einen Kommentar zu einer Arbeit von Jackson über Influenza Impfungen (erschienen im gleichen Lancet Heft).
    Da gibt es eine Gruppe Influenza Geimpfter und eine Gruppe nicht Influenza Geimpfter, es wird argumentiert, dass die Nicht Influenza Geimpften kaum mehr Lungenentzündungen haben als die Influenza Geimpften. Das ist aus dem Ergebnis auch erkennbar.
    Nur wie kommts zu diesem Ergebnis? Und da muss man sich halt das Originalpaper anschauen und die Charakteristika beider Gruppen Influenza Geimpfte und Kontrollgruppe.
    Und da stellt sich heraus, dass beide Gruppen zu 92% gegen Pneumokokken Lungenentzündung (sehr häufig) geimpft waren- Ja und diese Impfung schützt schützt halt auch vor Lungenentzündung- ist ja nicht überraschend.
    Und es ist bekannt, dass bei nicht Pneumokokken und nicht Influenza Geimpften eine Pneumokokken Pneumonie gerne auf eine Influenza Lungenschädigung folgt und umgekehrt. Bei Pneumokokken geimpften wird so ein Ereignis ja wohl nur selten stattfinden.
    Und dann kann man auch nicht vom Healthy vaccinee effect mehr sprechen, weil für die Kontrollgruppe würde dieser Effect ja auch zutreffen- und ein healty vaccinee effect im healty vaccinee effect ist ja schon etwas weit hergeholt.

    Was mich wirklich wundert, dass das niemand bemerkt hat- die Diskussion der Arbeit hätte eine ganz andere sein müssen. Aber so ist das mal angesehenes Journal, da reichts dann wohl den Kommentar zur Arbeit zu überfliegen- ich bin halt immer dafür auch die Originalarbeit anzuschauen und nicht nur deren Abstract, sonst flopts.

  7. #7 Bert Ehgartner
    September 29, 2008

    Wolfgang, bitte!
    Überlege das nächste Mal etwas länger, bevor Du jemand unsauberes Arbeiten vorwirfst.
    Das ist ja peinlich, was Du hier von Dir gibst.

    Die Tatsache, dass in beiden Gruppen ein ähnlich hoher Anteil von Pneumokokken-Geimpften enthalten waren, beweist nicht, dass die Arbeit schlecht war, oder der Kommentator die Studie nicht verstanden hat, sondern genau das Gegenteil:

    Die beiden Gruppen wurden ja eben danach ausgesucht, dass sie ähnliche Schutz- und Risikofaktoren haben. Nur damit war ein gültiger Vergleich bezüglich des isolierten Impacts der “Influenzaimpfung” möglich. Das war also durchaus Absicht und erfolgte aus gutem Grund. (sonst wären nämlich die Abweichungen zwischen den beiden Gruppen auf die Pneumokokken-Impfung geschoben worden, verstehst?)

    Es ist schon ziemlich absurd, dass Du versuchst, die Pneumokokken-Impfung nun dennoch als Confounder darzustellen: Sie sei der Hauptgrund, warum die Influenza-Geimpften während der Grippesaison nur unwesentlich weniger Lungenentzündungen abbekamen als die Ungeimpften.

    Dabei übersiehst Du, dass dies – außerhalb der Grippesaison ganz anders ist: Hier haben die Grippe-Geimpften – gänzlich ohne Einfluss der Influenza-Viren – nämlich ein deutlich geringeres Lungenentzündungs-Risiko.

    Also ein deutlicher Hinweis, dass sich gesündere Menschen häufiger gegen Grippe impfen lassen – und der Effekt der Grippe-Impfung (bezogen auf den Schutz vor Pneumonie) in der beobachteten Altersgruppe im nicht-signifikanten Bereich lag.

    Darum gings in dieser Arbeit: Der Vergleich einer – bis auf die Influenza-Impfung – weitgehend identen Personengruppe, in und außerhalb einer Grippesaison.