Anlass dieses Beitrags zur Klimasensitivität war ein Beitrag Matt Ridleys (hier oder hier) zu den Klimawissenschaften und warum und wie diese seiner Meinung nach durch eine sich zwanghaft immer wieder selbst bestätigende Wissenschaftselite zur Pseudowissenschaft verformt wurde. Das wäre nicht weiter beachtenswert, wenn Anthony-Mathe-ist-nur-ein-Wort-Watts zu diesem Schluss gekommen wäre. Matt Ridley aber hat nicht nur ganz allgemein eine Menge kluger Bücher verfasst, sondern eben auch mit “The Red Queen” wahrscheinlich eines der drei besten allgemeinwissenschaftlichen Bücher zum Thema Evolution. Es ist also besonders traurig zu sehen, dass absolut jede seiner “wissenschaftlichen” Aussagen zu den Klimawissenschaften auf oberflächlich zusammengegoogelten Käse von Klimaskeptikern handelt. Absolut jede ist falsch oder verdreht dargestellt, und nichtmals sonderlich tiefes Graben hätte Ridley darauf bringen können. Sein Schlussstatement “I’ve spent a lot of time on climate,” hat mich jedenfalls fast vom Hocker fallen lassen.
Ein Satz zur Klimasensitivität in Ridleys Aufsatz hat mich nun besonders aufhorchen lassen.
“For instance, earlier this year, a tenacious British mathematician named Nic Lewis started looking into the question of sensitivity and found* that the only wholly empirical estimate of sensitivity cited by the IPCC had been put through an illegitimate statistical procedure which effectively fattened its tail on the upward end”
Nic Lewis, auf den Riley sich hier bezieht, hat seine Schlussfolgerungen in der Tat bei Judith-Madre-Theresa-der-Skeptiker-dieser-Erde-Curry veröffentlicht. Im IPCC AR4 Bericht gibt es ein Kapitel zur Klimasensitivität und die verschiedenen Arten diese abzuschätzen (Chap. 9.6 im AR4). Eine dieser Arbeiten ist Forster und Gregory 2006. Die Autoren haben ERBE Satellitendaten benutzt, um aus der Strahlungsbilanz der Erde (wieviel kurzwellige Strahlung netto rein, wieviel langwellige netto raus) und aus den direkt beobachteten Temperaturschwankungen die Klimasensitivität auszurechnen.
Bild 1: Abschätzungen der Klimasensitivität aus verschiedenen empirischen und semi-empirischen Studien nach IPCC AR4, Chap 9.6.
Ridley, der sich intensiv mit dem Klima beschäftigt hat, und der von ihm geprüfte Lewis machen also drei Aussagen:
1) FG06 sei die EINZIGE rein empirische Abschätzung der Klimasensitivität, die im IPCC zitiert ist.
2) Diese sei durch ein unzulässiges statistisches Verfahren verfälscht worden.
3) Implizit wird nahegelegt, dass in dieser Verfälschung böse Absicht liegt, um ein bestimmtes gewünschtes Resultat zu erreichen. In Lewis Worten ” In the circumstances, the transformed climate sensitivity PDF for Forster/Gregory 06 in the IPCC’s Figure 9.20 can only be seen as distorted and misleading.”
Auch Ridley treibt den Nagel in seinem Beitrag noch ein wenig tiefer:
“this mistake exaggerates the potential warming.”
1) Gehen wir kurz die Punkte durch. Bild 1 zeigt die entsprechende Graphik aus dem IPCC. Handelt es sich bei FG06 tatsächlich um die einzige empirische Studie? Nun, tatsächlich sind ALLE gezeigten Abschätzungen der Klimasensitivität empirische Studien. Keine der gezeigten probability density function zeigt einfach platt die berechneten Klimasensitivitäten der GCMs. Allerdings benutzen einige von diesen Studien zusätzliche einfache Ozeanmodelle, um etwa den Wärmefluss in den Ozean zu berechnen. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Hegerl06 und Annan06 um rein empirische (“wholly empirical”) Studien basierend auf Paleodaten. Fazit: Falsch
2) In einer Bayesian Statistik, wie sie der IPCC hier zur Berechnung der PDFs benutzte, benötigt man einen Prior, ein sozusagen auf ungefähres Vorwissen basierende erste Abschätzung der PDF. Lange Zeit wurde für den prior der PDF der Klimasensitivität immer eine gleich wahrscheinliche Verteilung von der unteren Abschätzung von ca. 1°C bis 15°C bei 2*CO2 genommen (Die Klimasensitivität wird manchmal in °C/W/m2 angegeben, manchmal indem man die Gleichgewichtstemperatur bei 2*CO2 angibt. Letztere entspricht einem Forcing von 3.7W/m2) . Der auf den ersten Blick sehr neutrale Prior ist nicht der günstigste, wie verschiedene Arbeiten von James Annan gezeigt haben. “Falsch und richtig” sind aber trotzdem nicht die Kategorien, die hier am besten zu wählen sind. Und klar, wenn man sich für einen Prior bei einem Typ der Arbeiten entschieden hat, dann muss man das natürlich für alle durchziehen, zumindestens wenn man all diese Arbeiten zusammen darstellen will.
3) Der “böse Absicht Vorwurf” lässt sich natürlich durch nichts zurückweisen. Ist man erstmal von den bösen Absicht einer Gruppe von Menschen überzeugt, wird alles verdächtig.
Interessant ist aber wie Piers Forster, der Autor der Studie, dieser “Verfälschung” seiner Arbeit durch das IPCC wahrgenommen hat. Er antwortete in Judith Currys Blog :
Firstly, Thanks for the interest in our paper and much useful discussion.
I think the blog analysis is roughly correct, but I disagree completely with its interpretation. I disagree strongly that the IPCC authors were at fault for changing the priors and I disagree strongly that the uniform feedback prior is the best choice. Thirdly I disagree on the significance of all of this. I’ll deal with each in turn
1) I was fully aware about the use of our data and the choice of priors by the ipcc. However, my paper was published so I didn’t need to approve of it’s use by IPCC, as it was is the public domain. In fact to keep the chapter as objective as possible I did not get involved in the assessment of my own paper and was happy to let my expert colleagues decide on it’s merit or otherwise.
I also believe that the work put into assessing our paper by the IPCC authors is in fact a great testament of their professionalism. Rather than take our published numbers at face value, they looked very carefully at our paper and took the deliberative step, using their statistical and climate expertise, to modify our results to a uniform prior in sensitivity. They plainly state this in the report and are not trying to hide this. They also did this for sound science reasons based on the current literature at the time and acknowledge the problem of choosing the right prior in the chapter.
Like Nic, I personally really like Non-GCM ways of estimating sensitivity, but I quite understand why IPCC didnt give it any more weight than any other study. The major problems with FG06 are the short time period of observations, regression errors and satellite data errors. This was again a perfectly sound example of expert assessment.
2) Nic keeps mentioning OLS regression as the physics- based correct method, and that using this means that one should choose a uniform prior in feedback. If you read FG06 we infact spend a lot of time worrying about the choice of regression model. In the end we went for OLS, but this choice is not clearcut in complex systems where everything is interacting and isolating cause and effect becomes hard. All this means is that, as Annan Points out in his climatic change paper, the choice of prior isn’t an easy call and is very subjective. There is no one right answer for the best prior choice.
3)My third point is that in the meantime, just as Fred Moolten points out above, the science moves on. The work by James Annan shows clearly the effects of different prior choices and that there is not one “correct” answer. Gregory and Forster 2008 and other papers show how high sensitivities don’t really make any difference to current climate change rate, as high sensitivities slow down the system response. Finally, we have repeated FG06 with updated observations from ERBE and CERES in Murphy et al. (2010), JGR D17107 and got a median climate sensitivity estimate much higher, around 3. 0 C. Note that the murphy paper quotes a feedback value of 1.25 watts per square metre per K. We deliberately did not invert for sensitivity as we are unclear how representative these values are for the longer term climate response.
Der letzte Punkt nun setzt in gewisser Weise Ridley, der sich ja mit diesem Thema intensiv beschäftigt hat, das Krönchen auf. Abschätzungen, die wie FG06 auf modernen Satellitendaten beruhen, decken nur einen sehr kurzen Zeitraum ab. Die Ergebnisse variieren noch stark abhängig vom Beobachtungszeitraum und vom verwendeten Datensatz. Forster wiederholte also die Rechnungen nur 4 Jahre später und jetzt war die Klimasensitivität im Vergleich zur ersten Studie deutlich angestiegen. Auch das wird nicht das letzte Wort zu dem Thema sein. Matt Ridley hat zu dem Beitrag von Nic Lewis verlinkt und seine grosse Abrechnung zu den Klimawissenschaften, mit denen er sich intensiv beschäftigt hat, im Jahre 2011 veröffentlicht, ein Jahr nach der neueren Forster Studie. Er hätte das alles leicht wissen können, auch als Zoologe. Er hätte einzig der Diskussion, zu der er selbst verlinkt hat, ein wenig folgen müssen, das ist alles.
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