Hand aufs Herz – die meisten Physikstudis (und auch viele Laien) träumen davon, neue Naturgesetze zu entdecken. Aber warum ist das so schwierig? Wie funktioniert das Entdecken neuer Gesetze überhaupt. Im letzten Kapitel seines Buches macht sich Feynman darüber Gedanken – Pflichtlektüre für alle, die schon immer die Wissenschaft umkrempeln wollen. (Und seit ich einen Blog habe, bekomme ich öfters mal eine mail von irgend jemandem, der eine neue “bahnbrechende” Idee hat, die Physik zu revolutionieren – auch hier in den Kommentaren ja keine Seltenheit.)

Nach einem kurzen Exkurs über die unterschiedlichen Arten von Teilchen, aus denen die Welt besteht (auf die müssen sich unsere Gesetze ja beziehen), geht Feynman zur Sache und erklärt, wie der Prozess funktioniert:

In general we look for a new law by the following process. First we guess it. Then we compute the consequences of the guess to see what would be implied if this law that we guessed is right. Then we compare the result of the computation to nature, with experiment or experience, compare it directly with observation, to see if it works. If it disagrees with experiment it is wrong. In that simple statement is the key to science. It does not make any difference how beautiful your guess is. It does not make any difference how smart you are, who made the guess, or what his name is – if it disagrees with experiment it is wrong.
[Im prinzip suchen wir neue Gesetze auf folgende Weise: Erst raten wir sie. Dann berechnen wir die Konsequenzen unseres Rateversuchs um zu sehen, was daraus folgen würde, wenn unser geratenes Gesetz stimmen würde. Dann vergleichen wir das Ergebnis dieser Berechnung mit der Natur, mit dem Experiment oder der Erfahrung, vergleichen es direkt mit mit der Beobachtung, um zu sehen, ob es klappt. Wenn es mit dem Experiment nicht übereinstimmt, ist es falsch. In diesem einfachen Satz steckt der Schlüssel zur Wissenschaft. Es spielt keine Rolle wie schön die Idee ist. Es spielt keine Rolle, wie klug man ist, wer die Idee gehabt hat oder wie sein Name lautet – wenn es mit dem Experiment nicht übereinstimmt, ist es falsch.

Diesen Abschnitt des Vortrags könnt ihr auch direkt auf Video anschauen. Man kann anscheinend die gesamten Vorträge bei Youtube finden – leider versagt die Seite zumindest bei mir und liefert ständig Fehlermeldungen, aber vielleicht seid ihr ja erfolgreicher.

Klingt ganz einfach und vermutlich auch ein bisschen naiv. Natürlich ist auch Feynman klar, dass es nicht immer so einfach ist, herauszufinden, ob etwas mit dem Experiment übereinstimmt oder ob eine Theorie tatsächlich eine bestimmte Vorhersage macht (und nicht durch eine Zusatzannahme dahin gebracht werden kann, eine andere Vorhersage zu machen). Trotzdem ist dieser Satz entscheidend – er enthält die Kernidee der Wissenschaft, wenn auch vereinfacht.

Feynman weist – fair den Experimentatorinnen gegenüber – gleich darauf hin, dass natürlich auch neue Phänomene entdeckt werden können, ohne dass jemand explizit danach gesucht hat. Sein Beispiel dafür ist das Myon – ein Elementarteilchen, von dem Rabi gesagt hat “who ordered that” (“wer hat das bestellt?”); andere Beispiele sind die Supraleitung oder der Quanten-Hall-Effekt.

Es ist auch nicht immer einfach, die Konsequenzen einer Theorie zu berechnen (Feynman zitiert die Yukawa-Theorie der Kernkraft, ein modernes Beispiel wäre die Berechnung der Massen von Elementarteilchen innerhalb der Quantenchromodynamik, die über 20 Jahre gedauert hat, bis man zu zufriedenstellenden Ergebnissen kam) oder diese Konsequenzen tatsächlich experimentell zu überprüfen – so wie mit der Stringtheorie, die messbare Vorhersagen vor allem in Bereichen macht, die experimentell nicht zugänglich sind. Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt die Idee des Widerlegens einer Theorie durch Experimente der Kernaspekt der (Natur-)Wissenschaft.

Man kann auf diese Weise aber nur gut definierte und spezifizierte Theorien widerlegen. Vage Theorien, deren Konsequenzen sich nicht genau berechnen lassen, sind nicht überprüfbar, weil sie durch Experimente nicht widerlegt werden können, und deshalb zur Erklärung wertlos. Als Beispiel führt Feynman die Psychologie an: A hasst seine Mutter. Der Grund dafür ist natürlich, dass sie ihn als Kind nicht genügend umsorgt hat. Wenn sich aber herausstellt, dass sie sich sehr intensiv um ihn gekümmert hat, dann lag es wohl daran, dass sie A mit ihrer Liebe erdrückt hat. Auf diese Weise kann man immer alles erklären – und damit kann man gar nichts erklären.

Nachdem Feynman also dieses fiesen Seitenhieb auf die Psychologen abgelassen hat – gibt er zu, dass es in der Physik manchmal ganz ähnlich ist, beispielsweise im Zusammenhang mit bestimmten Symmetrien in der Elementarteilchenphysik, die eben oft gelten, aber nicht immer. Wenn man aber vorsichtig genug ist, dann kann man auf diese Weise trotzdem etwas herausfinden – auch wenn dieses “Herumtappen” natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss ist.

Und wie “rät” man nun neue Gesetze? Das ist nicht so einfach, wie es aussieht. Man kann zum Beispiel nicht einfach mit allen bekannten Naturgesetzen anfangen – denn die widersprechen sich. Irgendeins der bekannten Gesetze muss also fehlerhaft sein (vermutlich im Sinne eines Grenzfalls einer besseren Theorie). Aber welches? Als Beispiel führt Feynman an, dass viele Leute sagen “Vielleicht ist der Raum nicht kontinuierlich, sondern so eine Art Gitter.” Nette Idee – aber ziemlich offensichtlich und wenig hilfreich.

Um eine echte Idee daraus zu machen, die man auch prüfen kann, muss man sagen, was genau an die Stelle des Raumes (oder der Raumzeit) treten soll. Ein Punktgitter? Aber wie bekommt man mit dem Punktgitter Invarianz gegen Rotation, oder eine Übereinstimmung mit der Relativitätstheorie? Sollen wir die auch für falsch erklären? Dann aber müssen wir sagen, was an deren Stelle treten soll – und angesichts der überwältigenden Evidenz für die Relativitätstheorie dürfte das noch schwieriger werden.

Feynman selbst sagt etwas später, dass er nicht glaubt, dass der Raum kontinuierlich ist – aber da er keine Idee hat, wie es stattdessen sein könnte (die konsistent mit bekanntem Wissen wäre), nützt das nicht viel.

Die meisten Ideen, die – gerade von Nicht-Physikern – vorgebracht werden, haben eines dieser Probleme: Entweder sind sie zu unspezifisch und vage, so dass ihre Konsequenzen nicht berechnet werden können, oder sie stehen im Widerspruch zu bekannten Experimenten.

Vielleicht kann man ja etwas lernen, wenn man schaut, wie andere Naturwissenschaftler in der Vergangenheit neue Gesetze gefunden haben? Feynman wirft einen kurzen Blick auf Newton, Maxwell, Einstein und auf moderne Entdeckungen und stellt dabei eins fest: Die neuen Ideen, die zum Beispiel für Einstein oder Maxwell funktioniert haben, funktionieren heute nicht mehr. Warum nicht? Weil jede Physikstudentin sie bereits gelernt hat – würden sie funktionieren, hätte sie schon längst jemand erfolgreich angewendet.

Grundlegend neue Gesetze werden also immer auch grundlegend neue Ideen erfordern, wie man die bekannten Gesetze verändern oder erweitern muss – die alten Tricks funktionieren nicht mehr.

Feynman kommt anschließend noch einmal darauf zurück, dass wir in der Naturwissenschaft Gesetze immer in Bereichen anwenden, in denen wir sie noch nicht getestet haben. Als ein Beispiel führt er die Biologie an:

It is very hard to believe that the wiggling of the tentacle of octopus is nothing but some fooling around of atoms according to the known physical laws. But when it is investigated with this hypothesis one is able to make guesses quite accurately about how it works. In this way one makes great progress in understanding. So far the tentacle has not been cut off – it has not been found that this idea is wrong.
[Es ist schwer zu glauben, dass das Winden eines Oktopus-Tentakels nichts anderes ist als das Herumtoben von Atomen nach bekannten physikalischen Gesetzen. Aber wenn man es mit dieser Hypothese untersucht, kann man ziemlich genau erraten, wie es funktioniert. Auf diese Weise machen wir große Fortschritte im Verständnis, Bis jetzt wurde der Tentakel nicht abgetrennt – wir haben nicht entdeckt, dass die Idee falsch ist.

Wieder ein anderes Beispiel – hier auf den Scienceblogs ja oft beliebt: UFOs. Man kann nicht behaupten, dass Ufos unmöglich sind – sie sind nur sehr sehr unwahrscheinlich. In Feynmans Worten:

Listen, I mean that from my knowledge of the world that I see around me, I think that it is much more likely that the reports of flying saucers are the results of the known irrational characteristics of terrestrial intelligence than of the unknown rational efforts of extra-terrestrial intelligence.
[Hör mal, was ich meine ist das: Nach meiner Kenntnis der Welt um mich herum ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass die Berichte über fliegende Untertassen ein Ergebnis der bekannten irrationalen Eigenschaften irdischer Intelligenz sind als das von unbekannten rationalen Anstrengungen nicht-irdischer Intelligenzen.]

Aber ist es wirklich wahr, dass der einzige Test einer Theorie die Übereinstimmung mit dem Experiment ist? Was ist mit Dingen wie Einfachheit oder Schönheit? Als Beispiel führt Feynman die Maya an – nein, nicht weil sie den Weltuntergang vorhergesagt hätten – die astronomische Konstellationen oder Sonnenfinsternisse vorhersagen konnten, ohne eine Idee zu haben, dass da Planeten um die Sonne kreisen. Wenn da jemand ankäme, mit der Idee, die Planeten könnten doch um die Sonne kreisen, dann würden sie vermutlich sagen “Kannst du damit so gute Vorhersagen machen wie wir? Wenn nicht, was soll es dann?” (Erinnert mich ziemlich an diesen Text von mir.)

Aber unterschiedliche Betrachtungsweisen derselben Phänomene (selbst unterschiedliche Beschreibungen derselben Theorie) können trotzdem wichtig und nützlich sein – das hatten wir schon in früheren Kapiteln gesehen. Wenn man eine neue Theorie erraten will, dann muss man ja eine alte Annahme fallen lassen oder erweitern – das mag in unterschiedlichen Formulierungen der Theorie unterschiedlich schwierig sein. Beispielsweise kann man vom Prinzip der kleinsten Wirkung relativ einfach zur Quantenmechanik weiterkommen (in der Pfadintegralformulierung) – dasselbe ist in anderen Formulierungen der klassischen Mechanik nicht so leicht umzusetzen (dafür funktionieren da wieder andere Techniken).

Und was ist mit einer “Weltformel”? Ist unsere Welt die einzig mögliche und logische, so wie das von einigen Stringtheoretikern angenommen wird (natürlich Jahrzehnte, nachdem Feynman die Vorträge gehalten hat)? Feynman sagt dazu

I believe that sounds like wagging the dog by the tail. … I do not think that you can get the whole thing from arguments about consistencies.
Ich glaube das klingt als ob der Schwanz mit dem Hund wedelt…. Ich glaube nicht, das man alles aus Schlüssen über Konsistenz ableiten kann.

Wird die Forschung ewig so weitergehen, mit immer neuen fundamentaleren Theorien? Vermutlich wird sie das nicht. Entweder werden wir eines Tages eine grundlegende Theorie finden, die keine Fragen mehr offen lässt (jedenfalls, was die fundamentalen Phänomene angeht), oder wir werden immer mehr Phänomene erklären können, so dass es nur winzige Unstimmigkeiten gibt, die immer schwieriger zu messen und zu erklären sind, und dann werden wir vielleicht irgendwann das Interesse verlieren und aufhören . (Manche mögen argwöhnen, dass wir mit dem Standardmodell diesen Punkt schon erreicht haben.)

Solange die Suche nach neuen Gesetzen weitergeht, solange werden wir immer wieder mutig von Bekanntem auf Neues schließen und dadurch neue Gesetze finden. Warum das überhaupt möglich ist?

I am going to give an unscientific answer. I think it is because nature has a simplicity and therefore a great beauty.
Darauf gebe ich eine unwissenschaftliche Antwort. Ich denke es liegt daran, dass die Natur Einfachheit besitzt, und deswegen große Schönheit.

Kommentare (21)

  1. #1 Dr. Webbaer
    14. August 2011

    Nur hierzu eine kluge Anmerkung:

    Wieder ein anderes Beispiel – hier auf den Scienceblogs ja oft beliebt: UFOs. Man kann nicht behaupten, dass Ufos unmöglich sind – sie sind nur sehr sehr unwahrscheinlich.

    Ob Feynman so richtig wiedergegeben worden ist? Wahrscheinlich ist ja in diesem Fall, dass die Beobachtungen in ihrer Interpretation falsch sind, also andere (Natur-)Ereignisse vorgelegen haben. Über die Existenz der bisher nicht nachgewiesenen UFOs kann aber keine Aussage getroffen werden bzgl. einer Wahrscheinlichkeit [1], nur deren Möglichkeit ist gegeben, weil sie eben denkbar ist.

    HTH
    Dr. Webbaer

    [1] vgl. auch mit diesem Schotter: “Ich schätze die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes auf etwa zwei Prozent” (Quelle)

    PS: Bemerkenswerte Artikelserie btw!

  2. #2 MartinB
    14. August 2011

    “Ob Feynman so richtig wiedergegeben worden ist?”

    Der Satz “I think that it is much more likely” war ein wörtliches Zitat.

  3. #3 Dr. Webbaer
    14. August 2011

    Es sind keine Nuancen, Feynman hat’s ja auch korrekt formuliert:

    Listen, I mean that from my knowledge of the world that I see around me, I think that it is much more likely that the reports of flying saucers are the results of the known irrational characteristics of terrestrial intelligence than of the unknown rational efforts of extra-terrestrial intelligence.

  4. #4 MartinB
    14. August 2011

    @Wb
    Ach so – es könnte also UFOs geben, die aber nicht die UFOs sind, die in den UFO-Berichten gemeint werden, die aber trotzdem UFOs sind…?
    Ja, das ist ein sehr überzeugendes Argument.

  5. #5 Dr. Webbaer
    14. August 2011

    Ist eine rein epistemologische Betrachtung – die Berichte über UFOs sind sehr wahrscheinlich gut erklärbar auch ohne UFOs. Aber da UFOs bisher nicht nachgewiesen sind, ist keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit deren Existenz möglich oder angeraten.

    Feynman hat’s ja korrekt formuliert.

  6. #6 Nob
    14. August 2011

    Um eine wissenschaftliche Behauptung zu untermauern oder weiter in die Tiefe gehende kritische Fragen zu provozieren, muss man immer ein gezielt auf die Fragestellung zugeschnittenes Experiment machen. Dadurch wählt man in bestimtem Maße die Bedingungen so, daß eine erwartete Beobachtung wahrscheinlich wird. Schon bei klassischen Experimenten ist dieser Einfluss nicht immer zu erkennen. Bei Beschleuniger-Experimenten könnte das eines Tages bedeuten, dass jede Theorie mit Versuchen plausibel gemacht werden kann, wenn man den nötigen Aufwand zu treiben bereit ist. Das wäre dann eine absolute Erkenntnisschranke.
    Sorry, unser Spamfilter mag dich einfach nicht. Ich habe ihm jetzt mal gesagt, er soll dir vertrauen, dass du keinen Spam schickst, ich hoffe, das klappt

  7. #7 MartinB
    14. August 2011

    “Aber da UFOs bisher nicht nachgewiesen sind, ist keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit deren Existenz möglich oder angeraten.”

    Ja klar: Die UFOs aus den UFObeobachtungen sind keine UFOs, aber es könnte ja noch andere Objekte geben, die auch UFOs sind, obwohl sie noch nie jemand beobachtet hat (und sie deswegen mit den UFOs, über die UFO-Berichte reden, nichts zu tun haben), und deren Wahrscheinlichkeit kann, obwohl sie noch nie jemand gesehen hat, sehr hoch sein.
    Da hilft auch die Verwendung von Fremdworten nicht…

  8. #8 Dr. Webbaer
    14. August 2011

    (…) und deren Wahrscheinlichkeit kann, obwohl sie noch nie jemand gesehen hat, sehr hoch sein.

    Von diesen Kann-Aussagen will Dr. W ja gerade weg, wenn er hier unbestimmte Wahrscheinlichkeiten feststellt.

    MFG
    Dr. Webbaer (Fremdwörter wunschgemäß zurzeit meidend)

    PS: Ischt ja nicht der Punkt hier bei diesem Ihrem Aufsatz; war nur ne kleine und richtige Anmerkung.

  9. #9 ulfi
    14. August 2011

    >Grundlegend neue Gesetze werden also immer auch grundlegend neue Ideen
    >erfordern, wie man die bekannten Gesetze verändern oder erweitern muss – die alten
    >Tricks funktionieren nicht mehr.

    Ist das so sicher? In den Herleitungen ist es ja oft üblich, dass man nicht nur einen Trick braucht, sondern gleich eine Kette. Es könnte damit eine exponentiell ansteigende Menge von Trickkombinationen geben. Schwierig, da zu sagen, dass man alle bekannten Tricks ausschließen kann.
    Ich bin zwar in einem anderen Fachbereich tätig, aber auch dort gibt es sehr viele, hoch qualitative Paper wo gesagt wird: Author X hat Y bereits gelöst. Wir werden nun einen anderen Formalismus auf Y anwenden und auf ein viel besseres Ergebnis kommen.
    Ich halts deswegen nicht für soo unwahrscheinlich

  10. #10 MartinB
    14. August 2011

    @ulfi
    Guter Gedanke. Es mag möglich sein – meines Wissens ist es in der Physik bisher nie so gewesen (bei den wirklich großen Revolutionen), aber das muss ja in der Zukunft nicht so bleiben.

  11. #11 georg
    15. August 2011

    @Webbaer

    Deine “kluge” Anmerkung ist leider eher ein Ausdruck mangelnden Verständnisses für den menschlichen Sprachgebrauch, was man einem Bären aber nachsehen könnte, wenn er sich darauf nicht noch etwas einbilden würde.

    Zum besseren Verständnis der Verwendung des Begriff “Wahrscheinlichkeit” ein weiteres Mal ein paar Sätze aus Bunge/Mahner “Über die Natur der Dinge”:

    In der Alltagssprache ist Wahrscheinlichkeit ein vieldeutiger Begriff. Dasselbe gilt auch in den Realwissenschaften, obwohl wir dort oft stillschweigend annehmen, jeder Gebrauch des Wortes “wahrscheinlich” sei automatisch eine Anwendung der präzisen mathematischen Wahrscheinlichkeitstheorie.

    So wurde – wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit – Wahrscheinlichkeit betrachtet als ein Maß für:
    – die Plausibilität einer Hypothese,
    – den Bestätigungsgrad einer Hypothese,
    – den Wahrheitsgrad einer Hypothese (Wahrheitsnähe),
    – die Stärke von subjektiven Überzeugungen, Gewissheiten, Erwartungen usw.,
    – die Neigung oder Tendenz oder Propensität des Eintretens individueller Zufallsereignisse,
    – die langfristige Häufigkeit von Ereignissen

    Je besser bestätigt eine Hypothese ist, desto eher können wir davon ausgehen, dass sie zumindest näherungsweise mit der Realität übereinstimmt. Dem korrespondenztheoretischen Wahrheitsbegriff zufolge sagen wir, dass sie einen bestimmten Wahrheitsgrad bzw. Wahrheitswert hat. Wahrheitswerte werden also durch den Test von Hypothesen und den so ermittelten Bestätigungsgrad erkannt. Wenn wir sagen wollen eine Hypothese A stimme besser mit der Realität überein, als eine Hypothese B, sagen wir in der Alltagssprache oft, A sei “wahrscheinlicher” als B, obwohl eigentlich gemeint ist “A hat einen größeren Wahrheitsgrad als B”.

    Die entsprechende Aussage von Dawkins ist selbstverständlich auch in diesem Sinne gemeint. Aber für einen Bären ist das alles natürlich nicht so einfach zu verstehen …

    mfg georg

  12. #12 Thomas J
    15. August 2011

    @Webbi

    Wenn ich dich richtig verstehe…
    Man kann(darf?) keine Wahrscheinlichkeit der Existenz eines…. rosaroten Einhorns angeben.

    Wieso?

  13. #13 cero
    15. August 2011

    Schöner Artikel, ich hätte jedoch eine Frage. Glaubst du, dass das Überprüfen von Annahmen wirklich immer schwieriger wird?

    Ich denke, man kann davon ausgehen, dass mit steigendem Wissen auch immer mehr (technische) Möglichkeiten existieren. Und irgendwann kann man vielleicht das Higgs-Boson in einem Schulexperiment nachweisen.

  14. #14 MartinB
    15. August 2011

    @cero
    “Glaubst du, dass das Überprüfen von Annahmen wirklich immer schwieriger wird? ”
    Wenn man sich z.B. die Entwicklung der Teilchenbeschleuniger anguckt, (vergleich mal DORIS mit dem LHC) dann scheint das so schon zu sein, jedenfalls in der Grundlagenphysik, wo man mit echten fundamentalen Hürden (Synchrotronstrahlung) zu tun hat.

    In anderen bereichen ist das natürlich anders – heutzutage kann man z.B. ein schickes Rasterelektronemikroskop für ca. 100000Euronen kaufen, mit ner klicki-bunti-Bedienung und allem.

    “Und irgendwann kann man vielleicht das Higgs-Boson in einem Schulexperiment nachweisen.”
    Halte ich für unwahrscheinlich, weil man die hohen Teilchenenergien ja irgendwie auf sehr kleiner Strecke übertragen müsste. Wenn ich einen Linearbeschleuniger nehme, dann müsste der einige 100GeV haben – damit das auf nen Tisch passt, bräuchte ich also ne Beschleunigungsspannung von 10 hoch 11 Volt. Und nen Ringbeschleuniger auf Tischgröße würde vermutlich alle Schüler im Umkreis mit Synchrotronstrahlung braten.
    Damit das geht, müsste man schon irgendeinen neuen Prozess finden, um Teilchen auf Touren zu bringen.

  15. #15 MartinB
    15. August 2011

    @Nob (vom 14.8.)
    “Bei Beschleuniger-Experimenten könnte das eines Tages bedeuten, dass jede Theorie mit Versuchen plausibel gemacht werden kann, wenn man den nötigen Aufwand zu treiben bereit ist.”
    Ja, da muss man sicher sehr vorsichtig sein – wenn beim LHC ein großer Teil der Daten von Computern bereits vorgefiltert und ggf verworfen wird, ist die Gefahr natürlich vorhanden. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass die alles richtig machen, seit ich seinerzeit einen Sommer lang im ZEUS-Detektor-Seminar am DESY gesessen habe, wo dieser ganze Kram im Detail diskutiert wurde.

  16. #16 Dr. Webbaer
    16. August 2011

    Weil hier noch ein paar Nachfragen kamen: Jungs, wenn Ihr versucht eine Sache oder einen Verhalt als existent nachzuweisen, dann könnt Ihr epistemologisch aus der Anzahl der misslungenen Versuche nicht auf die (oder: eine) Wahrscheinlichkeit schließen, ob Sache oder Verhalt vorhanden.

    Politisch sieht’s natürlich anders aus, denn der die Ressourcen Verwaltende entwickelt dann natürlich oft gewisse Zweifel am eigenen Vermögen, am Team und an der Erfassungslage bzw. deren Sachnähe.

    So wie hier Dr. W ja auch, wenn er bestimmte Nachrichten hinterlässt und bestimmtes Feedback erhält. Aber das ist dann eben politisch (“städtisch”, das der Zivilisation (Bürgerwerdung) geschuldete vglw. neue angepasste Sozialverhalten).

    Dr. W weist zudem dezent gerne auch auf die binäre Entscheidbarkeit jeder Existenzfrage hin: Ein Dawkins entwickelt hier also lustigerweise seine persönliche (politische) Schrödinger’s Katze (BTW: Kennt jemand Dr. Webbaer’s Katze?).

    MFG
    Dr. Webbaer

  17. #17 georg
    16. August 2011

    @wb

    wenn Ihr versucht eine Sache oder einen Verhalt als existent nachzuweisen, dann könnt Ihr epistemologisch aus der Anzahl der misslungenen Versuche nicht auf die (oder: eine) Wahrscheinlichkeit schließen, ob Sache oder Verhalt vorhanden.

    Der Petz versteht es einfach nicht.

    Erstens versuchen “wir” nicht irgend etwas “als existent nachzuweisen”. Wieso sollten “wir” das denn tun?

    Und zweitens ist das kein “Schluss auf eine Wahrscheinlichkeit”, sondern die Formulierung mit einer Wahrscheinlichkeit ist ein Ausdruck für die Plausibilität bzw. den Wahrheitsgrad einer Hypothese, wie z. B. die, dass rosarote Einhörner nicht existieren.

    Dr. W weist zudem dezent gerne auch auf die binäre Entscheidbarkeit jeder Existenzfrage hin

    Stellst du dich jetzt absichtlich blöd oder meinst du das ernst? Dass allgemeine Existenzbehauptungen nicht widerlegbar sind, im Sinne eines klassischen Bewieses, sollte eigentlich auch schon in Bärenhöhlen angekommen sein. Trotzdem kann man sich zu Plausibilitäten äußern. Auch wenn’s der Petz nicht verstehen will.

    Mangelndes Sprachverständnis ist letztlich kein gutes Argument und schon gar nicht ein kluges, auch wenn es dem Petz so scheinen mag.

    mfg georg

  18. #18 Frank Wappler
    16. August 2011

    Martin Bäker schrieb (13.08.11 · 12:00 Uhr):
    > Feynman zur Sache und erklärt, wie der Prozess funktioniert:
    > In general we look for a new law by the following process. First we guess it. Then […]
    > [Im prinzip suchen wir neue Gesetze auf folgende Weise: Erst raten wir sie. Dann …]

    Typisch für Leute (Theoretiker?), die offenbar keinerlei Wert darauf legen, zunächst nachvollziehbare und einvernehmliche Begriffe zu finden, um irgendwelche Modell-Vermutungen auszudrücken.

    > […] Konsequenzen einer Theorie zu berechnen […] oder diese Konsequenzen tatsächlich experimentell zu überprüfen

    Gegenstand experimenteller Überprüfung sind bestimmte Erwartungswerte (Modelle) von bestimmten Messgrößen; nicht Theoreme, die sich aus den dafür erforderlichen Begriffen ergeben (insbesondere betreffend Zusammenhänge zwischen verschiedenen Messgrößen).

    > ein modernes Beispiel wäre die Berechnung der Massen von Elementarteilchen innerhalb der Quantenchromodynamik

    Die Massen von Quarks bzw. die “QCD Energie-Skala ΛQCD” sind nicht Konsequenzen der QCD; genausowenig wie demnach die Massen von Hadronen bzw. von “Glue balls” (ohne Quark-Konstituenten).

    Die Konsequenzen der QCD und entsprechender Berechnungen bestehen vielmehr darin, Quark-Massen und den Wert von “ΛQCD” zunehmend genauer Versuch für Versuch messen zu können,
    und somit zunehmend genauer das Standard-Modell (der Teilchenphysik) überprüfen zu können.

  19. #19 georg
    17. August 2011

    @wb

    Dr. W weist zudem dezent gerne auch auf die binäre Entscheidbarkeit jeder Existenzfrage hin

    Da leider Grund zu der Annahme besteht, dass “Dr. W” die zugrunde liegende Problematik auch jetzt noch nicht verstanden hat, möchten wir ihn doch mal bitten, anhand eines Beispiels zu zeigen, wie er eine Existenzfrage “binär entscheidet”, und zwar am Beispiel des Fliegenden Spaghettimonsters. Die Mühe wäre noch nicht mal umsonst:
    “Ebenfalls Aufsehen erregen die enormen Preisgelder, die auf eine Widerlegung der Idee ausgelobt werden.” ist da zu lesen.

    Falls ihm das zu schwierig erscheint, mag er es doch erstmal mit rosaroten Einhörner versuchen. Dafür gibt’s kein Geld, aber vielleicht lernt er ja was dabei.

    mfg georg

  20. #20 paule
    18. August 2011

    “Wie man neue Gesetze findet”

    Sollte dies nicht besser wahrheitsgemäß heißen:

    “Wie man neue Gesetze erfindet” ?

  21. #21 MartinB
    18. August 2011

    @paule
    Gääääähn.
    Geh woanders spielen.