In der letzten Zeit konnte man viel über die Zunahme von Burnout lesen. Exorbitante Steigerungsraten wurden berichtet, von mehreren hundert Prozent in den letzten 10 Jahren war die Rede. Das scheint gut zu den Forschungsergebnissen über die Zunahme von Stress und anderen psychischen Belastungen in der Arbeitswelt zu passen.

Aber so eng ist der Zusammenhang nicht. Psychische Belastungen können sich auch „nur” auf der körperlichen Ebene auswirken und die Psyche intakt lassen, oder die Beschäftigten zu Anpassungsreaktionen anderer Art bringen. Der Anstieg der Burnout-Fälle relativiert sich zudem etwas, wenn man bedenkt, dass Burnout keine eigenständige ICD-Diagnose ist, sondern von den Ärzten als Zusatzcode zu den eigentlichen Diagnosen angegeben werden kann. Das haben sie in den letzten Jahren häufiger gemacht und in der ärztlichen Diagnostik damit einen Grund für Depressionen und andere Erkrankungen sichtbarer gemacht als früher. Aber von den speziellen Problemen der Burnout-Diagnosen einmal abgesehen: Nehmen psychische Störungen in der Bevölkerung nun zu oder nicht? Im Deutschen Ärzteblatt wurde mit Hinweis auf die steigenden Krankschreibungen infolge von psychischen Störungen schon vor einigen Jahren gefragt, ob es sich bei den psychischen Störungen um die „Epidemie des 21. Jahrhunderts” handelt. Gute Frage.
Schaut man sich Indikatoren wie die Rentenzugänge, die Krankenhausbehandlungen oder die Krankschreibungen infolge von psychischen Störungen an, so zeigen sich in der Tat beeindruckende Steigerungsraten:

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Andererseits kam eine Arbeitsgruppe um den Dresdner Psychiater Hans-Ulrich Wittchen vor kurzem auf der Grundlage einer Durchsicht des verfügbaren Studienmaterials in Europa zu der Schlussfolgerung, dass bei den meisten psychischen Störungsbildern kein Anstieg zu beobachten sei (Wittchen HU et al (2011) The size and burden of mental disorders and other disorders of the brain in Europe 2010. European Neuropsychopharmacology 21: 655-679).
Was nun? Nehmen die psychischen Störungen zu oder ist alles nur Einbildung? Oder gibt es nur eine Zunahme der diagnostizierten Fälle durch mehr diagnosenstellende Therapeuten? Oder, wie beim Burnout, vielleicht eine Offenlegung der bereits früher vorhandenen Krankheitslast, begünstigt durch eine schrittweise Enttabuisierung psychischer Störungen? Oder von allem etwas?

Kommentare (135)

  1. #1 Wb
    11. November 2011

    Oder, wie beim Burnout, vielleicht eine Offenlegung der bereits früher vorhandenen Krankheitslast, begünstigt durch eine schrittweise Enttabuisierung psychischer Störungen?

    Beim Burnout ist es zu einer deutlichen Steigerung, nach unterschiedlichen Angaben von bis zu 800% (!) gekommen in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts. – Die Pathologisierung des Erschöpftseins hat hier sicherlich Krankheitsereignisse evoziert, man ist heutzutage auch wesentlich lockerer sich als dbzgl. krank zu erklären, auch Arbeitsverhältnisse in kommender Auflösung generieren auf Arbeitnehmerseite dbzgl. Krankmeldungen. – Und manche sind natürlich auch wirklich überzeugt (worden) krank zu sein.

    Ischt viel Mode und Wirtschaftliches (siehe auch die verlinkte Grafik) bei diesen Krankheitsereignissen (oder manchmal auch: “Krankheitsereignissen”) im Spiel…
    Die Frage “Nehmen psychische Störungen in der Bevölkerung nun zu oder nicht?” ist also eindeutig zu bejahen, so oder so, “psychische Störungen” werden heutzutage anders verstanden als früher.

  2. #2 s.s.t.
    11. November 2011

    Wer ist schon normal (was auch immer das sein mag)?

    Bei 100 Personen kann ich mir durchaus bei den einzelnen ein ‘normales’ (rationales?) einzelnes Verhaltensmuster herauspicken. Nur wird keine einzelne Person, me inclusive, dem idealen Gesamtmuster gerecht. Bei 101 Personen spinnen 101 Personen mehr oder minder stark.

    Psychische (und physische) Befindlichkeiten sind auch wohlstandsgeschuldet, ohne in Abrede stellen zu wollen, dass es echte Krankheitsbilder gibt. In früheren Zeiten musste man halt die Zähne zusammen beißen oder man verreckte, hier und heute zahlt die Gemeinschaft. Und alles ist für Püschologen auch kein schlechtes Geschäft.

  3. #3 ilona
    11. November 2011

    *Augenroll*
    Ja genau, wer einfach alle seine Freunde nicht mehr besucht, sich abkapselt, und nurnoch das tut was er wirklich tun muss ist nur eine faule Sau! Und wenn er selber nichtmal in der Lage ist sich darum zu kümmern die Medikamente die er braucht zu besorgen bevor Absetzerscheinungen von Betablockern/Antidepressiva/etc auftreten, dann ist er auch nur faul..!
    Ein Depressiver soll einfach optimistischer sein! Genau! Und der Rollstuhlfahrer kann auch laufen – er muss es nur wirklich probieren! Oder wie -.-‘

  4. #4 celsus
    11. November 2011

    @s.s.t

    In früheren Zeiten musste man halt die Zähne zusammen beißen oder man verreckte, hier und heute zahlt die Gemeinschaft. Und alles ist für Püschologen auch kein schlechtes Geschäft.

    Das klingt ja, als könnte man sich eine psychische Krankheit aussuchen oder sie einfach wegarbeiten.
    In meiner Branche (IT) sind es die kleinen unversicherten Selbständigen, die serienweise zusammenklappen. Und die können oft nicht mal zum Arzt, weil sie nicht den Weg dort hin finden. Die Scham über das eigene Versagen verhindert auch, jemanden um Hilfe zu bitten. Man “muss” ja immer stark sein.
    Es ist eher so, wie es ilona beschreibt. Totaler Rückzug. Manche tauchen irgendwann wieder auf. Andere werden tot aufgefunden. Wer Glück hat, der wird von Freunden und Familie aufgefangen.
    Und ich rede da von etwa einem Drittel meiner Kollegen.

  5. #5 s.s.t.
    11. November 2011

    @ celsus

    In meiner Branche (IT) sind es die kleinen unversicherten Selbständigen, die serienweise zusammenklappen.

    Eben, genau das war mein Argument. Sofern Du entsprechend versichert bist, wird jede ‘Schrägleistung’ als Krankheit anerkannt.

  6. #6 Wb
    11. November 2011

    In meiner Branche (IT) sind es die kleinen unversicherten Selbständigen, die serienweise zusammenklappen.

    Gibt’s da nicht seit einigen Jahren eine Krankenversicherungspflicht in D?

    Und ich rede da von etwa einem Drittel meiner Kollegen.

    Beeindruckend.

  7. #7 nihil jie
    11. November 2011

    @s.s.t


    In früheren Zeiten musste man halt die Zähne zusammen beißen oder man verreckte, […]

    Ja… und sie verreckten auch. Aber ist es erstrebenswert sich an vergangenen Zeiten zu orientieren ?

    Mal ganz spekulativ gesehen… gäbe es früher so etwas wie einen Psychologen im heutigen Sinne, hätten nicht auch schon damals viele bei ihnen Hilfe gesucht ?

  8. #8 nihil jie
    11. November 2011

    Nachtrag:

    Sorry… wie ich gerade gesehen habe habe ich ziemlichen Kokolores mit dem Zitieren gebaut 🙂 Mein Kommentar bezog sich auf Folgendes Zitat.

    In früheren Zeiten musste man halt die Zähne zusammen beißen oder man verreckte, […]

  9. #9 Dagda
    11. November 2011

    @ s.s.t.
    Das ist Bockmist. Schizophrenie ist ein echtes Krankheitsbild, genauso wie Neurosyphilis (“früher”, also vor der Entdeckung des Penicilins war es eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen ) und beide gab es in allen Geselschaftsschichten und gerade die Schizophrenie in allen Ländern, unabhängig vom Entwicklungsgrades.

  10. #10 michael
    11. November 2011

    > In früheren Zeiten musste man halt die Zähne zusammen beißen oder man verreckte,

    Ja Ja, was uns nicht hart macht, bringt uns um.

  11. #11 MJ
    12. November 2011

    @ Joseph Kuhn

    Ich habe ein paar Fragen:

    1) Ich habe die Quelle der hier wiedergegebenen Graphik nicht gesehen, vielleicht ist die Frage dort schon beantwortet. Inwiefern ist die Graphik für demographische Prozesse “korrigiert” oder normiert? Rein fiktives Beispiel: Sollten psychische Erkrankungen im Alter häufiger werden, werden dann in solchen Statistiken Altersverteilungen mitberücksichtigt?
    2) Gibt es irgendwelche Modelle bezüglich der “Evolution” der Prävalenz von psychischen Erkrankungen? (Ich meine mich in Bezug auf Typ-1-Diabetes auf Diskussionen erinnern zu können, in denen eine Verbreitung aufgrund der teilweisen Prädisposition in Verbindung mit der schlichten Tatsache, dass Typ-1-Diabetiker heute überleben, für möglich gehalten wurde. Allerdings finde ich dazu nichts Stichhaltiges, vielleicht bilde ich mir das schlicht ein.) Also: Gibt es irgendwelche Statistiken zur Prädisposition spezifischer psychischer Krankheiten und der Kinderzahl darunter leidender, die in Verbindung mit einer etwaigen Ausbreitung in Verbindung gebracht werden könnte (evtl auch in der Folge besserer Behandlungen)?

  12. #12 AndreasM
    12. November 2011

    Was wird hier eigentlich erwartet, in einer Zeit in der die Hoffnungslosigkeit vieler Menschen zunimmt?
    Die Unsicherheit hat immer mehr zugenommen und der Druck am Arbeitsplatz auch.
    Der Preis dieser gesellschaftlichen Entwicklung ist die Zunahme derjenigen, die dem nicht mehr gewachsen sind und irgendwann mit psychischen Schäden zusammenklappen.

  13. #13 s.s.t.
    12. November 2011

    @Dagda

    Das ist Bockmist. Schizophrenie ist ein echtes Krankheitsbild, genauso wie Neurosyphilis (“früher”, also vor der Entdeckung des Penicilins war es eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen ) und beide gab es in allen Geselschaftsschichten und gerade die Schizophrenie in allen Ländern, unabhängig vom Entwicklungsgrades.

    Pack den “Bockmist” mal dahin, wo er hingehört. Ich habe überhaupt nicht in Abrede gestellt, dass es “echte Krankheitsbilder” gibt (oder gab). Nur hier und heute kann man es sich leisten jede Befindlichkeitsstörung zu einem echten Krankheitsbild hoch zu stilisieren, was auch nicht zuletzt von den Medien gefördert wird.

  14. #14 michael
    12. November 2011

    > Nur hier und heute kann man es sich leisten jede Befindlichkeitsstörung zu einem echten Krankheitsbild hoch zu stilisieren,

    Nun anscheinend sinkt der Krankenstand in D :

    https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Krankenstand_Deutschland_1974_2004.gif&filetimestamp=20051101222802

    und wenn ich hier schaue, ist der Anteil der psychischen Erkrankungen auch nicht so hoch .
    Und wenn der Anteil in der letzten Zeit steigt, kann es ja auch daran liegen, dass in den Berufen, die schwere köperliche Arbeit verlangen, immer weniger Leute arbeiten.

    Und früher, als man noch die Zähne zusammen biss, soff man sich zu Tode, verprügelte Frau und Kinder und konnte so seinen Frust abbauen.

  15. #15 Wolf
    12. November 2011

    @Joseph:”[…], dass Burnout keine eigenständige ICD-Diagnose ist, sondern von den Ärzten als Zusatzcode zu den eigentlichen Diagnosen angegeben werden kann[…]”

    Möööp! (das Geräusch, welches in Gameshows einen Fehler anzeigt 🙂 )
    Nein!
    Das Burnout Syndrom lässt sich durchaus im ICD 10 GM abbilden. Der Kode ist nach §301 SGB V und §295 SGB V für die Abrechnung ärztlicher Leistungen zugelassen.

    Die Eingabe von “Burn Out ICD 10” in google führt zu Wikipedia, wo rechts steht “Z73(.0 gilt nur in der WHO Version!) Burn-Out Syndrom”, wobei es in der ICD 10 Online Version des DIMDI (Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information; nicht zu Verwechseln mit dem InEK : Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) “Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung” benannt wird: https://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2011/block-z70-z76.htm

    Es ist auch mitnichten ein “Zusatzkode” der von den Ärzten zur genaueren Spezifizierung einer Erkrankung angegeben werden kann, sondern es ist ein Primärkode. Zusatzkodes (oder auch optionale Kodes) sind im ICD System mit einem “!” gekennzeichnet (wobei es durchaus “!”-Kodes gibt, die obligat anzugeben sind) und können niemals alleine stehen (z.B: Erreger “B96.2! Escherichia coli [E. coli] und andere Enterobakteriazeen als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind”).

    Des Weiteren ist der Kode auch als Hauptdiagnose zulässig, so dass auch eine G-DRG ermittelt werden kann, in diesem Fall die “Z64B Andere Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und Nachbehandlung nach abgeschlossener Behandlung ohne komplexe Radiojoddiagnostik” mit einem cost weight von 0,404, was bei einer Baserate von 2.500€ gerade mal 1.010€ Erlös gibt.

  16. #16 Joseph Kuhn
    12. November 2011

    @ MJ:

    zu 1) Die Daten finden Sie unter http://www.gbe-bund.de sehr einfach, geben Sie dort das Suchwort “Psychische Störungen” ein, oder suchen Sie nach den zugrundeliegenden Statistiken (Krankenhausfälle, Rentenzugänge, Arbeitsunfähigkeit), sie kommen dann auch zu den Tabellen mit den Daten.

    Die abgebildeten Daten sind nicht altersstandardisiert, aber die Verwendung altersstandardisierter Raten würde nichts an dem Anstieg ändern, der Anstieg ist für die Gesamtgruppe der psychischen Störungen kein bloßer Alterseffekt. Für die Krankenhausfälle können Sie auch alterstandardisierte Raten bei http://www.gbe-bund.de abrufen. Gleichwohl spielt das Alter bei der Häufigkeit psychischer Störungen natürlich eine wichtige Rolle. Ein besonderer Fall sind hier übrigens die Demenzen, deren Zunahme wohl ausschließlich durch die Alterung der Gesellschaft bedingt ist. Allerdings sind die Demenzen* in den dargestellten Daten nicht enthalten, sie werden in der Regel im ICD nicht unter den psychischen Störungen (F-Kapitel), sondern bei den Erkrankungen des Nervensystems (G-Kapitel) codiert.

    * Edit: Genauer: Die Alzheimer-Demenzen

    zu 2) Die zweite Frage verstehe ich nicht ganz. Falls gemeint ist, ob psychische Störungen auch von körperlichen Primärerkrankungen ausgelöst werden können: eindeutig ja, aber das ist ein weites Feld, hierzu muss ich Sie auf die Literatur verweisen.

    @ Wolf: Sie sprechen verschiedene Probleme an. Die Abrechnungsmöglichkeiten, vor allem in Krankenhäusern, und die ICD-Kodierung sind nicht ganz deckungsgleich und darum ging es in dem Beitrag auch nicht. Was das Z-Kapitel und die Frage der eigenständigen Codierung angeht, so lauten die Ausführungen des DIMDI zum Z-Kapitel:

    Das Kapitel XXI darf zur alleinigen Verschlüsselung des Behandlungsanlasses nur verwendet werden, wenn Leistungen abgerechnet werden, die nicht in einer Erkrankung begründet sind.

    Das gilt z.B. für Impfungen, bei Burnout wird das im allgemeinen nicht der Fall sein.

  17. #17 Wolf
    12. November 2011

    @Joseph:
    Die Abrechnung in den Krankenhäusern basieren auf der Kodierung nach ICD 10 GM und OPS 301 , unter Beachtung der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR).

    In den Auführungen des DIMDI heißt es aber auch:”[…]Die meisten Schlüsselnummern dieses Kapitels werden nur zusammen mit Schlüsselnummern aus anderen Kapiteln der Klassifikation zur Spezifizierung einer Diagnose verwendet.[…]”. Die meisten Schlüsselnummern, nicht alle.
    Auch wenn ich bestätigen kann, dass Z-Kodes im Bereich der Kodierung als Hauptdiagnose nicht so gerne genommen werden (ebenso die R-Kodes, welche nur Symptome darstellen), weil sie einfach zu unspezifisch sind, ist es dennoch möhglich sie als Hauptdiagnose zu benutzen.
    Es gibt Z-Kodes, welche im Rahmen des DRG Systems zu der DRG “961Z unzulässige Hauptdiagnose” führen, was dem Kodierenden ausreichend Hinweis geben sollte seine Kodierung zu prüfen.
    Der Kode Z73 ist aber kein ausschließlicher Zusatzkode, welcher nicht alleine stehen dürfte. Sicher wird versucht einen möglichst spezifischen Kode zu finden, was aber leider nicht immer möglich ist (was will man auch machen bei einem 35jährigen Mann, der ins Krankenhaus kommt und nach eigenen Angaben “einfach fertig” ist, und der keine relevanten Diagnosen hat).

    “[…]Das gilt z.B. für Impfungen, bei Burnout wird das im allgemeinen nicht der Fall sein. […]”
    Na ja, so zwei bis drei Mal habe ich diesen Kode verwendet, und bisher hat noch keine Krankenkasse gemeckert.

    Gerade für das Burn out Syndrom gibt es keine andere Kodierungsmöglichkeit. Der Kode F48.0 Neurasthenie wird

  18. #18 Wolf
    12. November 2011

    sorry, bin irgendwie auf absenden gekommen 🙂

    Gerade für das Burn out Syndrom gibt es keine andere Kodierungsmöglichkeit. Der Kode F48.0 Neurasthenie wird das Burn Out Syndrom als Exklusivum geführt, und der Kode Z73 ist als korrekter Kode aufgeführt.

    Auch das Alphabetische Verzeichnis weist den Kode Z73 als korrekten Kode für das Burn out Syndrom aus.

    Die Aussage :”[…]wenn man bedenkt, dass Burnout keine eigenständige ICD-Diagnose ist, sondern von den Ärzten als Zusatzcode zu den eigentlichen Diagnosen angegeben werden kann.[…]” ist also nicht korrekt.

  19. #19 Joseph Kuhn
    12. November 2011

    @ Wolf: Interessant. Kann es sein, dass es beim Umgang mit Z73 Unschärfen der Codierregeln und vielleicht auch eine Grauzone zwischen Codierregeln und Codiergewohnheiten (bzw. Codierhilfesystemen) gibt? Hingewiesen sei dazu auf den HTA-Bericht des DIMDI zur Differentialdiagnostik des Burnout. Wenn ich die Ausführungen dort recht verstehe, sehen die Autoren Burnout nicht als eigenständige Diagnose. Ich kann versuchen, das zu recherchieren, aber vielleicht liest hier ja auch jemand mit, der diese Spezialfrage definitiv beantworten kann.

  20. #20 Dagda
    12. November 2011

    @ s.s.t.
    Das ist immer noch Bockmist
    Zuerst: warum die echten Krankheitsbilder in Anführungszeichen?
    Dann was genau sind für dich den Befindlichkeitsstörungen? Depression? Bipolare Störungen? Schizophrenie? Alkoholismus? das Hyperkinetische Syndrom (ADHS)? Persönlichkeitsstörungen? Angststörungen?
    Welche davon ist denn jetzt eine Befindlichkeitsstörung?

  21. #21 Wolf
    12. November 2011

    @Joseph:
    Jetzt kommen wir doch der Sache näher. 😉

    Laut dem Bericht gibt es keine einheitliche (medizinische) Definition des Burn-Out Syndroms, so dass es (noch) nicht im Kapitel V “psychische und Verhaltensstörungen” eingeordnet ist. Die Eingruppierung in das Kapitel XXI “Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen” (Resteklasse 🙂 ) zeigt das es sich um keine “Krankheits ICD” im eigentlichen Sinne handelt (z.B. im Gegensatz zur Alkoholabhängigkeit die mit F10.2 zu kodieren wäre).

    Das DIMDI schreibt dazu “[…]Weder die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) noch das Diagnostische und Statistische Handbuch psychischer Störungen (DSM-IV) führen Burnout als eigenständiges Krankheitsbild.[…]”.

    Aus Kodiersicht ist das erst mal egal. Wir können das Burn Out Syndrom mit dem Kode Z73 abschließend abbilden, diese Zuordnung besteht und diese Kodierung wird nicht durch die Kodierrichtlinien untersagt. Das dies aus medizinischer Sicht unbefriedigend ist, nun ja, ist auch erst mal egal 😉 . Ich gehe aber davon aus, das es im Zuge folgender Revisionen der ICD 10 GM da noch Änderungen geben wird.

    Können wir folgendes festhalten:
    1. das Burn Out Syndrom ist medizinisch noch nicht umfassend definiert

    2. im ICD 10 System hat das Burn Out Syndrom keinen eigenen ICD Kode zugewiesen bekommen, wegen Nr. 1

    3. das Burn Out Syndrom wird über den Kode Z73 abgebildet, dem es, bis es einen eigenen ICD 10 Kode bekommt (wovon ich ausgehe), zugeordnet ist

    4. der Kode Z73 ist kein Zusatzkode, sondern kann auch ganz alleine stehen, sowohl im Krankenhaus als auch im Bereich der niedergelassenen Ärzte

    5. wir stimmen darin überein, dass das irgendwie unbefriedigend ist 🙂

    Viele Grüße

  22. #22 MJ
    12. November 2011

    @ Joseph Kuhn

    Danke für die Antworten und den Link. Was ich mit der zweiten Frage meinte: angenommen ein bestimmtes Krankheitsbild ist teilweise erblich, wirkt sich aber auf Betroffene auch so aus, dass sie durchschnittlich weniger Kinder haben als Gesunde. Durch bessere Behandlung des Krankheitsbildes nivelliert sich dieser Unterschied jedoch und das Krankheitsbild nimmt daher im Laufe der Zeit in der Bevölkerung zu. Die unpräzise Fragestellung tut mir leid, mir fehlt hier eindeutig der Jargon.

    Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Ich habe dazu keinerlei Anhaltspunkt – ich wüsste auch gar nicht, wonach ich suchen sollte – und will keine Behauptung aufstellen.

  23. #23 s.s.t.
    12. November 2011

    @Dagda

    Das ist immer noch Bockmist
    Zuerst: warum die echten Krankheitsbilder in Anführungszeichen?
    Dann was genau sind für dich den Befindlichkeitsstörungen? Depression? Bipolare Störungen? Schizophrenie? Alkoholismus? das Hyperkinetische Syndrom (ADHS)? Persönlichkeitsstörungen? Angststörungen?
    Welche davon ist denn jetzt eine Befindlichkeitsstörung?

    Behalte Deinen “Bockmist” weiterhin für Dich und lern bitte mal lesen: ” ” steht für Zitat, ‘ ‘ steht für ist nicht so ganz wörtlich zu nehmen; die ursprünglichen “echten Krankheitsbilder” (s.s.t.· 11.11.11 · 20:29 Uhr) hatten keine “Anführungszeichen” und ich habe sie auch ausdrücklich nicht in Abrede gestellt.

    Unter Befindlichkeitsstörungen verstehe ich etwas, das sich sehr kurz gefasst mit “Ich hab keinen Bock” zusammenfassen lässt. Dass “Depression” et. al. nicht darunter fällt, sollte nunmehr offensichtlich sein.

  24. #24 Dagda
    12. November 2011

    @ s.s.t
    Aber es geht in dem Blockpost um psychische Störungen und deren Zunahme

    Nehmen psychische Störungen in der Bevölkerung nun zu oder nicht? Im Deutschen Ärzteblatt wurde mit Hinweis auf die steigenden Krankschreibungen infolge von psychischen Störungen schon vor einigen Jahren gefragt, ob es sich bei den psychischen Störungen um die „Epidemie des 21. Jahrhunderts” handelt. Gute Frage.

    Darauf das Kommentar:

    Psychische (und physische) Befindlichkeiten sind auch wohlstandsgeschuldet, ohne in Abrede stellen zu wollen, dass es echte Krankheitsbilder gibt. In früheren Zeiten musste man halt die Zähne zusammen beißen oder man verreckte, hier und heute zahlt die Gemeinschaft. Und alles ist für Püschologen auch kein schlechtes Geschäft.

    Und das stimmt für wesentliche psychische Störungen einfach nicht.

  25. #25 s.s.t.
    12. November 2011

    @Dagda

    Offensichtlich hast Du in Deinem zweiten Zitat das kleine Wörtchen “auch” überlesen. Mein Punkt war, hier und heute kann man kostenlos bei jedem subjektivem Unwohlsein zum Arzt rennen und sich ‘behandeln’ lassen und wenn es der erste Arzt nicht macht, rennt man zum zweiten, dritten und vierten, nicht zuletzt, wenn einen die Langeweile plagt.

    Erinnert irgendwie an den alten Witz von dem Mann mit den drei Eiern oder an das tatsächliche Schild in einer Praxis: “Aus gegebenen Anlass werden die geehrten Patienten gebeten nicht ihre Symptome auszutauschen.”

  26. #26 Joseph Kuhn
    12. November 2011

    @ MJ: Ob sich erbliche Dispositionen für Krankheiten durch die besseren Behandlungsmöglichkeiten der Krankheiten verbreiten: Anfang des letzten Jahrhunderts war man davon überzeugt, das war ein Grund für den späteren Krankenmord im Nationalsozialismus. Was die Wissenschaft heute dazu sagt, weiß ich nicht, das müssten Populationsgenetiker beantworten. Mit Sicherheit hat der Anstieg der psychischen Störungen bei den Behandlungsfällen aber mit solchen Dingen nichts zu tun, das sieht man schon an kurzen Zeit, in der diese Störungsbilder zugenommen haben.

    @ Wolf: Ich bin nicht sicher, ob wir bei Punkt 3 und Punkt 4 schon alles zusammengetragen haben, es bleibt ja die oben zitierte Ausführung des DIMDI, dass das Kapitel XXI zur alleinigen Verschlüsselung des Behandlungsanlasses nur verwendet werden darf, wenn Leistungen abgerechnet werden, die nicht in einer Erkrankung begründet sind. Zusammen mit Ihren Codiererfahrungen und Ihrem Beispiel des 35-jährigen Mannes, der “einfach fertig ist und keine relevanten Diagnosen hat”, könnte das bedeuten: Z73 darf allein verwendet werden, wenn damit Leistungen abgerechnet werden, die nicht in einer Erkrankung begründet sind, wenn also mit dem Burnout keine anders zu codierende Krankheit (also z.B. keine Depression, keine Angststörung, kein Tinnitus etc.) behandelt wird. Eine kleine Umfrage dazu in einer Psychotherapeuten-Mailingliste, die ich mitlesen durfte, ergab, dass Z73 im Therapiealltag aber wohl eher kombiniert mit einer F-Diagnose verwendet wird, eine Antwort aus dem stationären Bereich berichtet sogar von Abrechnungsproblemen bei alleiniger Verwendung von Z73. Das bestätigt meine “Grauzonenvermutung”. Aber wie gesagt, diese spezielle Thematik müsste ich recherchieren, ich will mich dazu nicht zu viel auf spekulativem Boden bewegen.

  27. #27 MJ
    12. November 2011

    @ s.s.t.

    Jetzt käuen Sie hier bis hin zum Wortlaut dasselbe Unkraut wieder wie bei JKs Gastbeitrag bei UB vor ein paar Wochen. Kann man Ihre Position so zusammenfassen: Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ich meine nebulose Idee so konkretisieren kann, um Sie mit bekannten Daten und Fakten abzugleichen, aber mein persönlicher Eindruck ist sehr stark, und deswegen sage ich es immer und immer wieder – sogar den Witz mit den drei Eiern. – ? Denn persönliche Eindrücke kleben, wie Hundekot an der Schuhsohle.

    Es geht dabei nicht einmal um glauben oder nicht: aber als treuer SB-Leser haben Sie für Ihre Behauptungen doch sicher ein besseres Backing als Ihren persönlichen Eindruck und einen nachweisbar grottig recherchierten Spiegel-Artikel, der das Thema verfehlt. Könnten Sie dem interessierten Mitleser etwa für Behauptungen wie

    “Mein Punkt war, hier und heute kann man kostenlos bei jedem subjektivem Unwohlsein zum Arzt rennen und sich ‘behandeln’ lassen und wenn es der erste Arzt nicht macht, rennt man zum zweiten, dritten und vierten, nicht zuletzt, wenn einen die Langeweile plagt.”

    IRGENDETWAS Stichhaltiges referenzieren? Und nein, ich interessiere mich nicht für Ihr Weltbild und Ihre Meinung zum Umgang mit Krankenkassenbeiträgen, und bin auch nicht auf eine persönliche Abrechnung aus: nur stellen Sie in mehreren Kommentaren in zwei Kommentarthreads Behauptungen auf, für die sie jedweden Beleg schuldig bleiben. Und diese Belege, die würde ich jetzt gerne einmal sehen.

  28. #28 MJ
    12. November 2011

    @ Joseph Kuhn

    OK, Danke, mal sehen ob ich fündig werde. Wäre auch interessant zu wissen, ob alleine meine Idee dazu sich noch auf Reste überlieferten braunen Gedankenguts zurückführen ließe…

  29. #29 Dagda
    12. November 2011

    @ s.s.t.

    Was meinen sie mit subjektivem Unwohlsein?
    Das es so etwas wie einen sekundären Krankheitsgewinn gibt sei mal dahin gestellt, so etwas würde ich gerade bei der Steigerung der Frühberentung annehmen, aber dass heißt ja nicht das die zugrunde liegende Krankheit nicht trotzdem schwerwiegend und behandlungsbedürftig ist und “sich zusammenreißen und die Zähne zusammenbeißen” irgend einen Sinn hätte.

  30. #30 s.s.t.
    12. November 2011

    @MJ
    Soll Ihr Beitrag tatsächlich etwas aussagen? Und wenn ja, was?

    Nur so mal als Hinweis, einen Spiegel-Artikel habe ich hier nie erwähnt, evtl. mal über diesen Lapsus nachdenken; lesen bildet übrigens.

  31. #31 Wolf
    12. November 2011

    @Joseph:

    So, auch wenn ich Wochenende habe 🙂

    Habe eben mal die Psych KR angeschaut.
    Darin zu finden:
    “PD004a Syndrome
    Wenn es für ein Syndrom in den ICD-10-Verzeichnissen einen spezifischen Kode gibt, so ist er für dieses Syndrom zu verwenden.
    Sehen die ICD-10-Verzeichnisse keine spezifische Schlüsselnummer für das Syndrom vor, so sind die einzelnen Manifestationen zu verschlüsseln.”
    https://www.g-drg.de/cms/content/view/full/3199

    Der normale Ablauf ist jetzt das alphabetische Verzeichnis der ICD 10 nach dem Begriff zu durchsuchen und dann in der Systematik nachzuschlagen, ob dort irgendwelche Exklusiva aufgeführt sind.

    Alphabetisches Verzeichnis:
    Burn-out-Syndrom Z73

    Ich finde also, auch wenn das Burn-out Syndrom (medizinisch) noch nicht eindeutig definiert ist, einen spezifischen Kode.

    Blick ins systematische Verzeichnis unter “Z73”:
    Z73 Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung
    Inkl.:
    Akzentuierung von Persönlichkeitszügen
    Ausgebranntsein [Burn out]
    Einschränkung von Aktivitäten durch Behinderung
    Körperliche oder psychische Belastung o.n.A.
    Mangel an Entspannung oder Freizeit
    Sozialer Rollenkonflikt, anderenorts nicht klassifiziert
    Stress, anderenorts nicht klassifiziert
    Unzulängliche soziale Fähigkeiten, anderenorts nicht klassifiziert
    Zustand der totalen Erschöpfung
    Exkl.:
    Probleme mit Bezug auf Pflegebedürftigkeit (Z74.-)
    Probleme mit Bezug auf sozioökonomische oder psychosoziale Umstände (Z55-Z65)

    Keine Ausschlüsse, ich MUSS also den Kode Z73 verwenden.

    Allerdings muss ich auch beachten, was der Arzt denn diagnostiziert hat. Sagt er nicht explizit, dass es sich um ein Burn-out Syndrom handelt, dann muss ich die einzelnen Punkte

  32. #32 Wolf
    12. November 2011

    irgendwie spinnt mein Notebook…

    Allerdings muss ich auch beachten, was der Arzt denn diagnostiziert hat. Sagt er nicht explizit, dass es sich um ein Burn-out Syndrom handelt, dann muss ich die einzelnen Symptome aufzählen. (wie in der KR gefordert)

    In den KR steht ja auch:
    “PD001a Allgemeine Kodierrichtlinien
    Die Auflistung der Diagnosen bzw. Prozeduren liegt in der Verantwortung des behandelnden Arztes. […]”

    Habe ich schon erwähnt, dass mir mein Job auch nach neun Jahren immer noch Spaß macht?! ;-))

  33. #33 s.s.t.
    12. November 2011

    @dagda

    Was meinen sie mit subjektivem Unwohlsein?

    = Ich hab keine Lust, ich mache blau. Heutzutage und hier kein Problem, die Krankheitsmeldungen Mo. und Fr. sind höher als an anderen Wochentagen. Wenn es mir passt, kann ioch mich an einem dieser Tage sehr unwohl fühlen und es mir ggf. durch irgendeinen Arsch bestätigen lassen.

  34. #34 MJ
    12. November 2011

    Nur kurz etwas off-topic, weil ich weiter oben Diabetes angesprochen habe in Verbindung mit meiner Frage, ob die vermehrte Prävalenz damit zusammenhängen könnte, dass Betroffene durch die zur Verfügung stehenden Behandlungen heute schlicht nicht sterben. Folgenden Artikel habe ich gefunden, der im weitesten Sinne das Thema behandelt:

    https://www.jci.org/articles/view/24758

    Der Artikel zeigt:

    a) Dass man sich mit dem Thema ein bisschen auskennen sollte, wenn man Fragen formulieren will: meine Frage war viel zu einfach gestellt, als das sie bei einem solche komplexen Thema eine klare Antwort erwarten ließe.
    b) Meine Frage geht am eigentlichen Thema vorbei: die genetischen Ursachen für Diabetes zu verstehen führt nicht zu einem schlichten Verständnis, ob sich die Krankheit nun aufgrund genetischer Faktoren ausbreitet oder nicht, sondern zu einem breiteren Verständnis eines Sets von Risikofaktoren einer so komplexen Krankheit, das uns erlaubt, viel besser – präventiv und therapeutisch – damit umzugehen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch dieser WHO-Bericht:

    https://www.who.int/genomics/about/Diabetis-fin.pdf

    Dass ist zwar bezüglich des Themas dieses Blog-Eintrags nur mäßig von Relevanz, gibt aber, wenn auch anders als erwartet, doch eine Antwort auf meine Frage, was die eventuelle Prädisposition für psychische Erkrankungen und deren Ausbreitung in der Bevölkerung angeht: Ich habe das Thema verfehlt.

  35. #35 MJ
    12. November 2011

    @ s.s.t.

    Ja, mein Kommentar will etwas aussagen: dass Sie für jede einzelne Ihrer Aussagen hier auch nur den Hauch eines Beleges schuldig geblieben sind. (Mit dem Spiegel-Artikel haben Sie versucht, idente Aussagen in einem anderen Kommentarthread zu decken – soll ich auf Ihren Lapsus dazu verlinken, zur Erinnerung?). Weiter: Belege würden mich nach wie vor interessieren. Lesen bildet: Belege lesen, etwa, und das haben Sie doch sicherlich getan, oder? Eventuell darüber nachdenken. Stellen Sie sich an dieser Stelle noch ein paar überhebliche Empfehlungen anstatt eines konkreten Beitrags vor.

  36. #36 Geldaufklärer
    12. November 2011

    Statt Burn-Out könnte man auch den Begriff “Nichtsnutzigkeit” einführen, als Eindeutschung, ausserdem viel treffender wie ich meine. Denn schliesslich geht es beim Burn-Out darum dass jemand nicht mehr so tut wie er hätte sollen um sein Leben als Zweckmensch weiter zu bestätigen.

  37. #37 Dagda
    12. November 2011

    @ s.s.t.
    Was hat das mit psychischen Erkrankungen zu tun?
    @ Geldaufklärer
    Naja Nichtsnutz hat aber doch so einen negativen Beiklang

  38. #38 ilona
    12. November 2011

    @Dagda
    vielleicht meint s.s.t. ja man könne einfach Freitagmittags zu seinem Hausarzt rennen, sich ne Krankschreibung für Freitag weil ja “ADHS” holen – und dann am Montag einfach wieder arbeiten gehen und das nie wieder gegenüber dem HA erwähnen.
    Und das ist einfach ganz ganz kollossales Unwissen darüber wie so eine Krankheit wirklich aussieht, was es für Vorzeichen gibt, wie lange sie dauert, etc…

    KLAR werden Krankschreibungen missbraucht. Aber wieoft gibt es schwere Unfälle und Probleme weil Leute _obwohl_ sie krank sind zur Arbeit gehen? Ganz abgesehen davon dass Arbeiten bei vielen Krankheiten (ob physisch oder psychisch) nicht unbedingt positiv für die Genesung ist..

    Übrigens, s.s.t. : an Sonntagen sind signifikant weniger Menschen krankgeschrieben als an einem Montag. Was folgern wir daraus? Die Leute wollen blaumachen? Nö, die haben sich nur beim freitäglichen Grillfest ne wunderbare Infektion geholt, und haben eben bis Montagfrüh gewartet dass es besser wird. Wer Sonntags krank ist (z.b. etwas kurzfristiges wie Migräne) der lässt sich doch nicht krankschreiben – wer Montagfrüh mit unerträglichen Schmerzen aufwacht dagegen schon eher..

    Mfg

  39. #39 Dr. Webbaer
    13. November 2011

    @Kuhn
    Wie ist das eigentlich genau gemeint, wenn Epidemien, also im engeren Sinne Infektionskrankheiten, über nicht-infektiöse psychische Krankheiten, wie bereits in der Artkelüberschrift geschehen, projiziert werden? – War das auch Medienkritik?

    MFG
    Wb

  40. #40 M.
    13. November 2011

    Abgesehen von der Frage, ob sich die tatsächlichen Gemütszustände von Menschen sich nun verändert haben oder nicht (was sich so sicherlich auch nicht wirklich erheben lässt), kann ich mir schon vorstellen, dass psychisch kranke heute eher und schneller ärztliche Hilfe suchen als früher.
    Schließlich sind Krankheitsbilder wie Depressionen, Erschöpfungszustände, Angstzustände heute viel bekannter. Diejenigen, die so krank sind, dass sie dauerhaft nicht in der lange sind, ihren Alltag zu bewältigen, sind früher so wie heute in der Statistik gelandet, aber Menschen, die einfach temporär ausgebrannt oder leicht depressiv sind, es aber trotzdem “irgendwie” schaffen, da liegt denke ich heute die Hemmschwelle niedriger, wirklich einen Psychiater aufzusuchen und sich helfen zu lassen.
    Außerdem nimmt natürlich auch die Sensibilität der Hausärzte durch die wachsende Erfahrung mit psychischen Krankheiten zu. Von dieser Seite kann man denke ich im übertragenen Sinn durchaus von einer epidemienähnlichen Verbreitung sprechen.

  41. #41 Dr. Webbaer
    13. November 2011

    Außerdem nimmt natürlich auch die Sensibilität der Hausärzte durch die wachsende Erfahrung mit psychischen Krankheiten zu. Von dieser Seite kann man denke ich im übertragenen Sinn durchaus von einer epidemienähnlichen Verbreitung sprechen.

    Irgendwie so könnte es sein, die Epidemie könnte, im übertragenden Sinne, vom med. Personal ausgehen, das mittlerweile angemessen geschult auch bisher unerkannte psychische Krankheiten zu entdecken vermag.

    Zu alter Zeit galt bereits: “Die Jugend ist eine Krankheit! [1]”
    Zum Glück sind Fachkräfte und Sozialarbeiter auch hier bereits verstärkt “am Mann” oder jungen Patienten…

    MFG
    Wb

    [1] die jeden Tag besser wird

  42. #42 Ludger
    13. November 2011

    Manche Menschen tragen die Diagnose Burnout auf einem Silbertablett vor sich her und heischen Anerkennung. https://www.welt.de/vermischtes/article5585415/Anne-Wills-Lebensgefaehrtin-beichtet-Burnout.html Weil das Syndrom nicht sauber beschrieben ist, verfälschen solche Berichte die Epidemiologie, was Meinungsverschiedenheiten Raum bietet. Mich interessiert neben dem gerade dikutierten Krankheitsbild Burnout die Entwickelung der Krankheitshäufigkeiten von 1.) Angsterkrankungen und 2.) psychische Borderlinestörungen. Hat jemand Daten?

  43. #43 Joseph Kuhn
    13. November 2011

    @ Ludger: Für Angststörungen finden sich in der Literatur vergleichsweise hohe Prävalenzraten, in dem obem verlinkten Artikel von Wittchen et al. sind es bei Erwachsenen 12 % im Verlauf eines Jahres, Frauen deutlich häufiger als Männer, Angaben in gleicher Größenordnung machen auch andere Quellen. Borderline-Störungen sind dagegen vergleichsweise selten, man geht man von einer Prävalenz von 1-2 % aus, bei Heranwachsenden etwas mehr. Daten zur Zahl der behandelten Fälle finden Sie unter der schon genannten Adresse http://www.gbe-bund.de.

    @ Webbär: Ob die Verwendung des Begriffs “Epidemie” bei den psychischen Störungen Anlass zu Medienkritik sein müsste, hängt auch etwas davon ab, wie man die Frage nach dem Ausmaß ihrer Zunahme beantwortet. Die Übertragung aus dem Bereich der Infektionskrankheiten würde ich dagegen nicht so kritisch sehen.

  44. #44 s.s.t.
    13. November 2011

    @Mj

    (Mit dem Spiegel-Artikel haben Sie versucht, idente Aussagen in einem anderen Kommentarthread zu decken – soll ich auf Ihren Lapsus dazu verlinken, zur Erinnerung?)

    Ja bitte.

  45. #45 Jan
    13. November 2011

    Das Problem bei sämtlichen psychischen Erkrankungen und deren “Therapien” ist aus meiner Sicht die mangelhafte Nachweis- und Beweisbarkeit. Die ganze Psychologie ist, vor allem verglichen mit der Physik, extrem schwammig. Und wenn ich mir die Psychologen (ich selbst bin Informatiker) anschaue, dann bezweifle ich in schöner Regelmäßigkeit, dass es es sich bei diesem “Feld” um eine Wissenschaft handeln soll. Was ich da schon zu hören bekommen habe, da tuen mir jetzt noch die Ohren davon weh. An der Psychoanalyse nach Freud hege ich allerhöchste Zweifel und mir ist nicht eine einzige Studie bekannt, die die Wirksamkeit zeigt. Zum Thema Burnout: Eine durch Biomarker abgesicherte Diagnose ist bis zum heutigen Tage nicht vorhanden. Ich persönlich sehe Burnout als Modeerscheinung an, deren Diagnose die wissenschaftliche Grundlage fehlt.
    Auch scheint es mir so zu sein, dass man als moderner gut versicherter und verdienender Manager gerne und gut mal auf Burnout spielen kann, schließlich zeigt man dadurch ja, dass man in der Vergangenheit so viel geleistet hat, dass man nun “erschöpft” ist. Der selbstständige Handwerker, dessen Familie auf ihn zählt, kann sich derlei Spirenzchen leider nicht leisten.
    Dies soll natürlich in keinerweise das Leid psychisch Kranker in Frage stellen. Mir ist durchaus bewusst, dass es da schlimme Dinge gibt. Um diese pathophysiologischen Zustände zu therapieren, dazu werden wir richtige Wissenschaft brauchen. Und richtige Wissenschaft bedeutet halt auch, dass man Dinge mal radikal in Frage stellt, was ich hiermit tue. Meines Erachtens gehört die ganze Kiste mal auf den Tisch und kritisch evaluiert. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass dann die Psychologen und Psychotherapeuten einiges ganz einfach über Bord schmeißen müssen.
    Andererseits bin ich recht hoffnungsvoll, dass die moderne Neurobiologie und Neuroinformatik neue Erkenntnisse für die Behandlung psychischer und psychiatrischer Erkrankungen erbringen werden. Das sind nämlich zwei richtige Wissenschaften und damit ist Fortschritt garantiert.

  46. #46 BreitSide
    14. November 2011

    xxx

  47. #47 Joseph Kuhn
    14. November 2011

    @ Jan:
    1. Über den Satz, dass die ganze Psychologie verglichen mit der Physik schwammig ist, könnte man aus verschiedenen Perspektiven schön diskutieren. Dazu passt auch der letzte Satz, dass Neurobiologie und Neuroinformatik “richtige Wissenschaften” seien, die Fortschritt garantieren, im Gegensatz wohl zu unechten (?) Wissenschaften wie der Psychologie. Das wäre was für einen eigenen Blogbeitrag, ist vorgemerkt.
    2. Mit der Behauptung, dass Burnout nur etwas für “gut verdienende Manager” ist, wäre
    ich vorsichtig. Die Studienlage sagt etwas anderes, demnach sind berufliche Gruppen quer durch alle Hierarchieebenen betroffen.
    3. Der Satz, dass wir, um echte “psychophysiologische Zustände” (was ist das eigentlich?) zu therapieren, “richtige Wissenschaft” brauchen, ist irgendwie nett, aber was machen wir mit den Kranken bis dahin? Sollen das Kind, das einen Waschzwang hat, der Zugfahrer, dem sich jemand vor den Zug geworfen hat und der dadurch eine posttraumatische Belastungsstörung davongetragen hat oder einer, der wahnhaft Stimmen hört, warten, bis die Neuroinformatik Therapieangebote machen kann?

  48. #48 Dagda
    14. November 2011

    @ Jan

    Andererseits bin ich recht hoffnungsvoll, dass die moderne Neurobiologie und Neuroinformatik neue Erkenntnisse für die Behandlung psychischer und psychiatrischer Erkrankungen erbringen werden. Das sind nämlich zwei richtige Wissenschaften und damit ist Fortschritt garantiert.

    Jetzt nicht ernsthaft? Vor allem die moderne Neurobiologie? Damit unterschlagen sie doch glatt 100+ Jahre an Neurowissenschaften. Unter anderem der Psychologie.
    Und die Leistungen von Wissenschaftlern wie ihm: https://de.wikipedia.org/wiki/Santiago_Ram%C3%B3n_y_Cajal

  49. #49 Dr. Webbaer
    14. November 2011

    Das mit den “richtigen” Wissenschaften ist so eine Sache, Dr. W kennt eigentlich nur die Skala “hart-weich” und die Kategorien “Humanities/Science”.

    Die Psychologie, also die humane (vs. ursuide) Seelenarbeit ist eine Erfahrungswissenschaft, deshalb kann man’s dort mit Hokuspokus (Homöopathie u.a. Esoterik) zumindest versuchen – und es gilt natürlich auch: “Wer heilt, hat recht!”
    😉

    LG
    Wb

  50. #50 Spoing
    14. November 2011

    Aus Erfahrung kenne ich einen Burn-Out Fall, welcher die Bezeichnung Krankheit auf jedenfall verdient. Diese Person hatte sich, trotz intaktem Sozialleben und Erfolg im Beruf, komplett zurückgezogen und zwischenzeitlich lieber mal einen tag gehungert als zur Mikrowelle zu gehen und sich was zu essen warm zu machen.
    Allerdings habe ich auch schon Studenten getroffen (bin selber auch Student) welche ein Urlaubssemester eingelegt haben, die sie seit einigen Tagen am “Burn-Out Syndrom” litten. Hier konnte man dann getrost von kein bock zum lernen reden.
    Eine andere Kommolitonen hingegen hat abends auf einer Party etwas mit einer anderen Kommolitonin angefangen, sich einen Tag später eine Glatze rasiert und ist aktuell auf einem Selbstfindungsjahr in Asien.

    Sagen will ich damit, dass es absolut subjektiv ist, ab wann eine psychische Störung wirklich eine Krankheit ist. Während ich bei dem letzten Fall ebenfalls eine “Krankheit” vermuten würde so sieht die betroffene Person das dort anders.

    Als Betreuer einer Jugendgruppe kenne ich dann aber auch den Fall, dass ein Kind welchem ADHS diagnostiziert wurde, auf mich herrvorragend gehört hat, da ich gerne hart durchgreife. Wenn es dann bei anderen Mist gebaut hat (auch bei den Eltern) kam von ihm immer die Ausrede er könne ja nichts dafür, weil er ja krank sei.
    Ein “verzogenes drecks Balg” (Entschuldigt die Ausdrucksweise) ist jedoch in erster Linie verzogen. Krankheiten liefern manchen Menschen schon im Vorfeld Ausreden sich von ihrer individuellen Verantwortung zu drücken! Das ist meiner Meinung nach auch jedes mal ein Schlag ins Gesicht all jener welche wirklich darunter leiden und dagegen ankämpfen.

    Oha, doch etwas länger geworden als ich es anfangs vor hatte, sorry.

  51. #51 Ludger
    14. November 2011

    Jan· 13.11.11 · 22:39 Uhr
    Das Problem bei sämtlichen psychischen Erkrankungen und deren “Therapien” ist aus meiner Sicht die mangelhafte Nachweis- und Beweisbarkeit. Die ganze Psychologie ist, vor allem verglichen mit der Physik, extrem schwammig. Und wenn ich mir die Psychologen (ich selbst bin Informatiker) anschaue, dann bezweifle ich in schöner Regelmäßigkeit, dass es es sich bei diesem “Feld” um eine Wissenschaft handeln soll. Was ich da schon zu hören bekommen habe, da tuen mir jetzt noch die Ohren davon weh. An der Psychoanalyse nach Freud hege ich allerhöchste Zweifel und mir ist nicht eine einzige Studie bekannt, die die Wirksamkeit zeigt. […]

    Zur Abgrenzung eine kleine Einteilung durch einen Aussenstehenden, Fachleuten mögen mir die Unschärfen der Formulierung verzeihen.
    Diplompsychologen lernen während ihres Studiums, psychische Eigenschaften von Menschen mit Hilfe der Statistik durch validierte psychologische Tests zu messen. Wenn sie das gelernt haben, machen manche Psychologen eine Ausbildung zum Klinischen Psychologen durch, Dabei lernen sie auch psychotherapeutische Verfahren. Die von niedergelassenen Klinischen Psychologen durchgeführte Verhaltenstherapie ist bei psychoreaktiven Erkrankungen nachweislich (messbar) effektiv.
    Psychiater sind Fachärzte, die sich mit organisch ausgelösten Krankheiten beschäftigen, z.B. mit Schizophrenien, Cyclothymien, Delirien, Demenz und anderen.
    Psychotherapeuten sind Menschen, die eine entsprechende Ausbildung abgeschlossen haben. Das können Pfarrer sein oder Ärzte oder Psychologen oder auch Pädagogen. Nicht jeder Diplompsychologe ist Psychotherapeut, auch nicht zwingend jeder Psychiater. Die Psychotherapie kann man in (sehr teuren) Psychotherapieschulen lernen. Beispielsweise in einer Schule nach Freud oder Jung oder Adler oder auch als Gestalttherapie oder Verhaltenstherapie. Dabei ist der Nutzen der Verhaltenstherapie meines Wissens als einziger Psychotherapie erwiesen. Nur ein Arzt/Ärztin darf rezeptpflichtige Medikamente verschreiben. Psychologe kann man sich auch nennen, wenn man Heilpraktiker ist. Bei denen gibt es aber keine staatlich überwachte Ausbildungsordnung. Soweit ich weiß, muss ein Theologe mit einer Ausbildung als Gestalttherapeut Heilpraktiker werden, damit er behandeln darf. Soweit meine Sicht der Dinge, für Korrekturen bin ich dankbar.

  52. #52 Zeroman
    14. November 2011

    Aktuell zum Thema in Spiegel-online:

    “Schluss mit dem Burnout-Gejammer!”

    Mit anderen Worten: Lob der Arschtritt-Verhaltenstherapie!

    https://m.spiegel.de/karriere/berufsleben/a-797368.html

  53. #53 MJ
    14. November 2011

    “Vielleicht überlegen Sie, sich endlich einen Job zu suchen, der besser zu Ihnen passt.”

    Großartig! Das sollte unbedingt auch der 50jährige Krankenpfleger wissen, dessen Ausbildung, nun, Krankenpfleger ist: Investment-Banker werden vielleicht, oder französischer Präsident! Oder etwas ruhigeres? Empfehlen Sie von Berufs wegen, wovon Sie keine Ahnung haben: Werden Sie Berufsberaterin! Am besten überhaupt ein berufliches Abenteuer suchen: in Kombination mit auszubildenden Kindern, finanziellen Sorgen und limitierter Ausbildung ein Garant für ein glückliches Leben – und ganz ohne Psychologe und Burn-out-Gejammere!!! Nicht dem Arbeitsmarkt die Schuld geben – und wer wirklich Burn-Out hat, der würde nicht jammern, sondern zum Arzt gehen. Denn wer Burn-out hat, der handelt! Also: Wechseln Sie den Job, der Arbeitsmarkt schreit geradezu danach. Schreiben Sie etwa für den Spiegel online: Jeder, wirklich jeder Nasenbohrer hat dort Anrecht auf eine Kolumne oder mehr pro Woche!

  54. #54 Zeroman
    14. November 2011

    @ MJ

    Sicherlich haben Sie in vielem Recht. Der Artikel spiegelt nicht meine Meinung wider, sondern ich habe ihn aufgrund seiner Aktualität nur zu ergänzenden Lektüre empfohlen.

    Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass es bei kaum einem Syndrom soviel Trittbrettfahrer gibt, wie beim Burnout-Syndrom.

    Die Formulierung “Arschtritt-Verhaltenstherapie” spielt übrigens auf das Buch eines Journalisten an, dem es gelungen ist, seinen Therapeuten zu entkommen.

  55. #55 MJ
    14. November 2011

    @ Zeroman

    Ich habe gar nicht angenommen, dass Sie mit dem Artikel d’accord sind, das war gegen den Artikel, nicht gegen Sie – Verzeihung für das Missverständnis.

    Der Artikel ist allerdings gaga. Die Autorin betreibt offenbar eine Art Firma für Motivationstraining, und Spon stellt ihr eine Plattform zur Verfügung, über die sie gratis Werbung in Form eines Pseudo-Artikels dafür machen kann. Es gibt auch Fallbeispiele auf Ihrer Homepage: da geht es um Mittdreißiger, die ein Medizinstudium beginnen, oder Akademiker, die den Job wechseln wollen. Nett. Die Autorin kann ja dann einmal eine Zeit lang mit Hartz-IV Empfängern verbringen (auch ein begehrtes Ziel für den Faulheits-Generalverdacht, leben von UNSEREN Steuern und WOLLEN nicht arbeiten, weil sie die Waschmaschine und den Fernseher auch so von UNSEREN STEUERN bla bla und wir müssen SELBER laber laber!!!11!). Oder einer 50jährigen Pflegehelferin mit Kreuzschmerzen, Schulden und 10 Pensionsjahren, die im Schichtdienst locker auf ihre 60 Stunden in der Woche kommt, erklären, wie sie nicht jammern soll, sondern den Beruf wechseln.

    Es wäre nett, wenn die Autorin irgendwo hätte durchblicken lassen, dass sie keine verwöhnte Ziege ist, sondern sich dessen bewusst ist, dass sie einen ziemlich exklusiven Service für eine vergleichsweise wohlhabende Klientel anbietet. Und wenn der Spiegel es unterlassen könnte, die wenigen werbefreien Seiten mit solchem versteckten Werbe-Humbug zuzumüllen.

    Ich habe übrigens nichts gegen die Annahme, dass da viele Trittbrettfahrer unter Burn-out mitlaufen – aber wie jede Annahme ist diese gegen die Faktenlage gegenzuchecken, um dann spezifische Aussagen zu machen (gleiches gilt für die Hartz-IV-Empfänger): die Empörung über Einzelfälle ist keine Rechtfertigung, alle derart zu verdächtigen, dass Sie gleichsam den Beweis antreten müssen, nicht verlogene Sozialbetrüger zu sein (‘wer nicht zum Arzt geht, dem kann’s nicht so schlecht gehen’). Was ich hier und in der medialen Diskussion immer mehr sehe, sind Lippenbekenntnisse à la “Ich weiß schon, dass nicht alle so sind”, um dann erst recht jedes einzelne verallgemeinernde und verächtlich-machende Pseudo-Argument hervorzukramen. Ich warte dann nur noch auf den Hinweis, dass sich die minderjährigen Untertage-Diamanten-Gräber im Kongo ja auch nicht so anstellen (und die haben kein gemütliches Büro!!!!) und dass Popper vor einer halben Ewigkeit gesagt hat, Psychologie sei keine Wissenschaft (das hat er übrigens auch einmal über die Evolutionstheorie gesagt – aber wer Popper sagt, hat Recht!). Selbe Soße, immer und immer wieder aufgewärmt. Aber die Empörung ist groß, wenn man nach Konkretem fragt: ‘Ich HABE ja gar nicht gesagt, dass, ABER…’ – und die Leier geht von vorne los…

  56. #56 Andreas
    14. November 2011

    Bei den heutigen Jobaussichten für den durchschnittlich gebildeten lautet die Perspektive doch: Einer sinnbefreiten Tätigkeit bis 67 nachgehen, wie etwa Maschinenlyrik verfassen, in einem miefigen Betonklotz Papiermüll produzieren oder veraltetem Menschenmaterial in den entsprechenden Käfigen zum verlängerten, aber nicht zwingend gewollten Metabolismus zu verhelfen, minutiös getaktet und sauber protokolliert obwohl man gern mal einfach länger für sie da wär (und mit der Perspektive, dass auch das in Zukunft japanische Roboter übernehmen werden), um danach noch ein paar Jahre sich selbst in einen solchen zu begeben. Ist es ein Wunder, dass viele einfach keine Lust mehr darauf haben? Äußert man das aber an falscher Stelle zu laut oder tritt in den stillen Hungerstreik, kommen die netten Herrn mit den legalen Drogen und arbeiten, bis BMI und Staatseinnahmenrelevanz wieder stimmen, bis man gegenüber allen Gedankenverbrechen ausreichend desensibilisiert ist. Hauptsache man funktioniert wieder, auch wenn alle Emotionen, positive wie negative, dabei auf der Strecke bleiben. Nur Mensch sein ist einfach nicht produktiv genug. Darauf einen Dujardin – und eine Zahnzusatzversicherung. Noch ein kleiner Hinweis für die mobilen Leser: Nicht nur für Diamanten verrecken Kinder, sondern auch für die seltenen Erden in jedem Smartphone. Welches Medikament hilft eigentlich bei Systemallergie?

  57. #57 BreitSide
    14. November 2011

    @Zeroman

    eines Journalisten an, dem es gelungen ist, seinen Therapeuten zu entkommen.

    Bitte? Das Problem ist ja heute wohl, einen zu bekommen. Szenen wie aus dem “Kuckucksnest” sind ja wohl nicht der Fall bei ambulanten Behandlungen.

  58. #58 FL
    15. November 2011

    Ich möchte mal als Psychologe etwas zu dem Thema sagen, zumal hier vieles kreuz und quer durcheinander geworfen wird, vor allem medizinisches und psychologisches und fachliches und laienhaftes. Das ICD Thema ist ja schon richtig gestellt worden, denn seit der letzten Auflage des ICD-10 ist Burn-Out als eigener Schlüssel diagnostizierbar. Wobei dies eh relativ unwichtig ist, weil das ICD in erster Linie der Abrechnung mit den Krankenkassen dient, als psychologischer Krankkeitskatalog ist das weder vorgesehen noch geeignet. Auch zur Qualifizierung seelischer Störungen ist das recht ungeeignet.

    Übrigens ist Burn-Out keine Epidemie, das ist nämlich nicht ansteckend 🙂

    Zweitens geht man bei Burn-Out nicht zum Arzt, sondern zum Psychotherapeuten, egal ob psychologischer oder medizinischer Psychotherapeut. Gerade das zum-Arzt-gehen ist sogar ein großes Problem, sowohl beim Burn-Out, weil die Burnouter dadurch ihre Erkrankung verschleppen und verstärken, als auch generell, weil viele Falschbehanfdlungen dadurch entstehen, da Ärzte nun mal keine psychischen Fachleute sind. Wen das interessiert, der kann sich gerne etwa mit dem ADHS Problem beschäftigen. In meinen Augen eines der größten ‘Skandale’ unseres Gesundheitssystems der letzten Jahrzehnte.

    Zudem wird hier kurioserweise zwischen ‘echten’ und ‘unechten’ Wissenschaften unterschieden. Wobei mit ‘echt’ natürlich die quantifizierenden Wissenschaften gemeint sind, die einen ‘dinglich/materialen’ Gegenstand haben. Diese wissenschaftliche Hochnäsigkeit der vorzugsweise Naturwissenschaften hat zwar eine lange Tradition, wird deswegen aber nicht richtiger oder plausibler. Ich lasse das mal so stehen, weil ich sonst einen ellenlangen Text schreiben müsste, und ausführlich Rückgriff auf die Wissenschafttheorie nehmen müsste.

    Hier werden zudem wild professionelle und Laiendignosen verwechselt, aber nicht jede Burn-Out Behauptung ist auch professionell ein Burn-Out, da muss man schon Unterscheiden. Und bei der ‘Laiendiagnose’ ist tatsächlich auch so etwas wie eine ‘Modeerscheinung’ sichtbar, bei der Manche ihre (Lebens- oder Arbeits-)Unlust mit einem Burn-Out als Alibi verdecken. Platt gesagt: wenn ein Arbeitskollege sagt, er habe Burn-Out, ist das erst mal nur eine Behauptung, und kann ganz andere Hintergründe haben.

    Professionell gesehen steigt der Burn-Out aber tatsächlich an, ebenso wie die mediale Berichterstattung darüber. Burn-Out ist aber nicht neues, sondern nur ein neuer Name für ein altes seelisches Phänomen. Früher nannte man diese Menschen z.B. Workaholics.

    Einfach gesagt ist Burn-Out eine Störung im Verhältnis von Anspannung und Entspannung, und diese Menschen schaffen es nicht mehr, sich Ruhe und Entspannung zu gönnen, oder zwischen Arbeit und Freizeit eine Trennung herzustellen. Sie laufen sozusagen ständig hochtourig, bis sie irgendwann zusammenbrechen. Und an dieser Stelle ist auch zu erwähnen, dass Burn-Out nichts mit Erschöpfung zu tun hat. Das wäre so, als würde man sagen, Depressionen seinen eine Traurigkeit. Hier geht es aber weder um ‘normale’ Erschöpfung oder Traurigkeit, sondern um pathologische Formen davon.

    Ich könnte jetzt noch etwas schreiben zum Hintergrund, warum dies so ansteigt, das erspare ich mir aber mal, und deute nur an, dass dies eng mit der ‘Grundangst’ zu tun hat, die sich in unserer Kultur entwickelt hat, durch die vielen Krisen in letzter Zeit (Wirtschaftskrise, Systemkrise, Okökrise, etc pp), im Verein mit der zunehmenden Leistungsorientierung und -druck ist dies eine ‘gefährliche’ und ‘pathogenschwangere’ Mischung.

    Ausführlichere Anmerkungen zum Thema mythische Hoffnungen in die Neurowissenschaft, oder der angeblichen Nicht-Nachweisbarkeit psychotherapeutischer Behandlungen, oder zur kuriose Meinung es läge eine Wohlstandsproblem bei Psychotherapie vor, oder sonstiger positivistischer Vorurteile und Verzerrungen erspare ich mir ebenfalls. Und bitte nur darum, sich mal etwas mit den Themen zu befassen, bevor man sich darüber auslässt.

  59. #59 Ludger
    15. November 2011

    FL· 15.11.11 · 06:22 Uhr
    […] Übrigens ist Burn-Out keine Epidemie, das ist nämlich nicht ansteckend 🙂 […]

    Gleichwohl wird der Begriff Epidemiologie heute auch für die Erforschung der Häufigkeit nichtinfektiöser Erkrankungen verwendet. Wikipedia:

    Die Epidemiologie (von griech. epi „auf, über“, demos „Volk“, logos „Lehre“, ursprünglich: „Seuchenkunde“) ist jene wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den Ursachen und Folgen sowie der Verbreitung von gesundheitsbezogenen Zuständen und Ereignissen in Populationen beschäftigt.

  60. #60 Zeroman
    15. November 2011

    Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, einen Vortrag über “Burnout” zu besuchen. Referent war ein Facharzt für Nervenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie (also quasi für alle psychischen Störungen….)

    Daraus darf ich stichwortartig wie folgt zitieren:

    „Burnout“?:

    • Burnout = (ursprünglich) Brennschluss einer Rakete

    • Burnout = Energieverschleiß durch innere und äußere Überforderung

    • Burnout = Gefühlszustand mit übermäßigem Stress

    Formen:

    – „burn burn-out out“ = „Selbstverbrenner “, Können nicht nein zu sich sagen

    – „wear wear-out out“ = „Verschlissene“, Können nicht nein zu anderen sagen

    – „rost-out“ = „Durchgerostete“, Benutzen den Mitleid Mitleid-Bonus von Burnout für sich, ohne jemals „gebrannt“ zu haben

    Typische Phasen:

    • Phase 1 – Steigerung der Anstrengung z. B. nach abgelehntem Vorschlag

    • Phase 2 – Resignation, Innere Aufgabe, keine Aktivitäten für das Projekt bzw. den Betrieb mehr

    • Phase 3 – Leben auf Sparflamme „Eigentliches Leben“ nach Feierabend,
    Betrieb: „ohne mich“

    Vielleicht ergänzend noch der Hinweis, dass eine wichtige Ursache der zunehmenden Burnout-Vebreitung hohe Angstpegel bei Mitarbeitern von Unternehmen sind.

  61. #61 Dagda
    15. November 2011

    @FL
    An der Psychologie soll die Welt genesen?
    Da sie ja auch nicht alles immer so ausführlich ausführen können will ich mich auch kurz fassen:

    Wobei dies eh relativ unwichtig ist, weil das ICD in erster Linie der Abrechnung mit den Krankenkassen dient, als psychologischer Krankkeitskatalog ist das weder vorgesehen noch geeignet.

    Das ist so falsch, das ICD 10 ist ein Krankheitskatalog. (Und dient der Klassifikation und dann damit auch der Abrechnung). Ursprünglich war es mal zur Erfassung von Todesursachen gedacht.

    Zweitens geht man bei Burn-Out nicht zum Arzt, sondern zum Psychotherapeuten, egal ob psychologischer oder medizinischer Psychotherapeut. Gerade das zum-Arzt-gehen ist sogar ein großes Problem, sowohl beim Burn-Out, weil die Burnouter dadurch ihre Erkrankung verschleppen und verstärken, als auch generell, weil viele Falschbehanfdlungen dadurch entstehen, da Ärzte nun mal keine psychischen Fachleute sind. Wen das interessiert, der kann sich gerne etwa mit dem ADHS Problem beschäftigen. In meinen Augen eines der größten ‘Skandale’ unseres Gesundheitssystems der letzten Jahrzehnte.

    Aha Ärzte sind also keine psychischen Fachleute? Was soll das jetzt genau bedeuten? Abgesehen davon das Ärzte sehr wohl auch Erkrankungen der Psyche diagnostizieren als auch behandeln können, stellen sie eine ziemlich steile These in den Raum die sie dann auch gleich gar nicht belegen. Um dann noch eine steile These in den Raum zu stellen, das ADHS-Problem, die sie dann genau so wenig belegen. Gut so diskutiert es sich dann natürlich einfacher.
    Aber was meinen sie den genau mit dem ADHS-Problem? Abgesehen davon das vermutlich noch immer Kinder mit einem Hyperkinetischen Syndrom noch nicht behandelt werden, was ja auch ein Skandal ist, was ist den der Skandal?

  62. #62 Jan
    15. November 2011

    @ FL

    Die Wissenschaftstheorie anzuführen, ohne den Modus ponens gezeigt zu haben und die kanonische konjunktive Normalform zu kennen, ist etwas komisch. Der Irrglaube, man würde etwas von Wissenschaftstheorie verstehen, wenn man das mal in einer Vorlesung kurz anspricht, ist leider weit verbreitet.

    @ Joseph Kuhn

    1. Ich habe nie behauptet, die Psychologie sei keine Wissenschaft. Die Diskussion, ob es eine ist, überlasse ich gerne den Philosophen – oder Ihnen.
    2. point taken
    3. Sie haben sicher Recht damit, dass wir jetzt handeln müssen, um diesen Menschen zu helfen. Ich sage ja auch nicht, dass alles an der Psychologie schlecht ist. Teilweise wird hier ganz gut wissenschaftlich gearbeitet und die Therapien durch Studien gezeigt. Meines Wissens ist das gerade bei den von Ihnen genannten Beispielen der Fall. Also, nein, ich würde am Status quo derzeit nichts ändern und bin froh, dass diesen Leuten geholfen werden kann. Das heißt aber nicht, dass in der Psychologie allgemein viel Quacksalberei betreieben wird und dass die Dinge nicht optimierbar sind.

  63. #63 FL
    15. November 2011

    @Ludger
    Eine Epidemie ist aber nicht das gleiche wie Epidemiologie.

    @Dagda
    Sie sagen es selber, es ist ein Krankheitskatalog der Krankenkassen, nicht der Wissenschaften. Das muss nicht deckungsgleich sein, und ist es auch manchmal nicht. Und das ICD dient der Abrechnung bei den Krankenkassen, auch wenn dort natürlich Rückgriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse genommen werden.

    (Allgemein-)Ärzte sind qua Ausbildung keine Fachleute in seelischen Verhältnissen, sondern in körperlichen. Und wenn Sie sich bsw etwas über das ADHS Problem informiert hätten, dann wüssten sie dies, weil das dort auch lange und heftig diskutiert worden ist. Und Sie wüssten dann zudem, dass auch die Ärzte selber dies so sehen, deswegen auch die Umstellung bei der ADHS Diagnostik. Lesen sie einfach mal die Stellungnahmen der Ärztekammer oder der Psychotherapeutenkammern zu ADHS, oder auch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zu ADHS. Vielleicht wird ihnen das dann etwas klarer, was an den vielen Fehldiagnosen und der voreiligen Medikamentierung und Pathologisierung der Kinder ein Skandal ist.

    Und wenn sie sich etwas über Burn-Out informiert hätten, dann wüssten sie auch, das es ein Problem ist, das Burnouter oft erst zum Arzt gehen, um sich fit pharmakatesieren zu lassen, um so weiter zu machen wie zuvor. Und das dies auch das Problem verschärft, weil Ärzte (ich rede von Allgemeinmedizinern, nicht von Fachärzten wie medizinischen Psychotherapeuten oder Psychiatern) dies gar nicht diagnostizieren können, und dafür auch gar nicht zuständig sind. Sehen sie sich einfach mal die ‘Krankengeschichte’ von ‘Burnoutern’ an, um dieses Problem der Fitmachung statt Therapierung zu sehen.

    @Jan
    Ich weiss nicht, wie sie darauf kommen, dass ich von Wissenschaftstheorie nichts verstehen würde, da sie zugleich bemängeln, dass ich dies nicht begründen würde. Aber wenn sie bemängeln, dass man etwas nur andeutet, und es zugleich selber machen, sogar ausführlich, entbehrt dies nicht einer gewissen Komik. Aber anscheinend ist unser Humor sehr unterschiedlich, wenn ich mir ansehe, was sie so komisch finden 🙂

    Wir können aber gerne über Wissenschaftstherorie diskutieren, das ist eines meiner Steckenpferde. Nur befürchte ich, das Sie einige ihrer positivistischen Vorurteile über Wissenschaften revidieren müssen, auch das ihre kuriose Einteilung in “echte” und “unechte” Wissenschaften nicht lange Bestand hat, auch nicht die abgemilderte Variante, in der Sie das Unecht mit einem Fragezeichen versehen.

    Und übrigens, während sie noch auf die Einlösung des ungedeckten Schecks hoffen, nach dem angeblich die Neurowissenschaften das Heft in die Hand nehmen, wie auch immer das dann ausehen soll, wird Burnout schon lange erfolgreich psychotherapeutisch und medizintherapeutisch behandelt. Burnout ist sogar relativ einfach zu behandeln, vor allem wenn er früh genug erkannt wird.

  64. #64 Ludger
    15. November 2011

    FL·
    15.11.11 · 17:13 Uhr
    @Ludger
    Eine Epidemie ist aber nicht das gleiche wie Epidemiologie.

    Der Begriff Epidemie ist von der Wortherkunft nur auf Krankheiten im Volk bezogen, die nicht unbedingt infektiös sein müssen:

    Wikipedia:
    Eine Epidemie (von griechisch επιδημία „Aufenthalt, Ankunft; von Krankheiten: im Volk verbreitet“[1], zu επί „auf“ und δήμος „Volk“) ist die zeitliche und örtliche Häufung einer Krankheit innerhalb einer menschlichen Population, wobei es sich dabei im engeren Sinn um Infektionskrankheiten handelt. Aus epidemiologischer Sichtweise wird von einer Epidemie gesprochen, wenn in einem bestimmten Zeitraum die Inzidenz (als Anzahl der neuen Erkrankungsfälle) zunimmt.

    In Otto Dornblüth, Klinisches Wörterbuch 1927 wird sogar von der Psychischen Epidemie geredet. ( https://www.textlog.de/13597.html )

    Psychische Epidemie Verbreitung geistiger Störungen oder hysterischer Erscheinungen durch unwillkürliche, von der Gemütsbewegung ausgehende Nachahmung oder durch den Eindruck auf Schwächere. […]

    Da der Begriff “Epidemie” offenbar älter ist als die Wissenschaft der Infektiologie, ist die heute meistens aber nicht immer benutzte Einschränkung des Begriffes “Epidemie” auf die Ausbreitung von Infektionskrankheiten auch jüngeren Datums.

  65. #65 Ludger
    15. November 2011

    Nachtrag und Beispiel aus Wikipedia:

    Tarantismus – Der Ausdruck Tanzwut (lat. Epilepsia saltatoria), auch Tanzkrankheit oder Choreomania genannt, bezeichnet eine Erscheinung im 14. und 15. Jahrhundert, die von den Schriftstellern als Tanzwut oder Tanzplage beschrieben worden ist. Sie wurde als eine epidemische Volkskrankheit des Mittelalters bezeichnet.

  66. #66 Dagda
    15. November 2011

    @ FL
    Wo Anfangen…
    Also der ICD 10 ist immer noch ein Krankheitskatalog, der heißt auch so ICD 10 steht im Deutschen für Internationale Klassifikation der Krankheiten
    10. Revision (Auf Englisch International Classification of Diseases, daher auch ICD). Und verwaltet wird er nicht von den Krankenkassen, sondern von der WHO oder im Fall des ICD 10 GM vom DIMDI, einer eher unbekannten deutschen Behörde. Die Krankenkassen haben damit gar nichts zu tun; Der Grund warum man es bei denen angeben muss ist einzig, das dies die einzige gültige Klassifikation für Krankheiten in Deutschland ist (Wobei es dafür hier Experten gibt).
    Bei Allgemeinmedizinern unterschlagen sie einfach die “Hälfte” ihres Aufgabenbereichs, ich zitiere einfach mal aus der Wikipedia “Der Arbeitsbereich der Allgemeinmedizin beinhaltet die Grundversorgung aller Patienten mit körperlichen und seelischen Gesundheitsstörungen in der Akut- und Langzeitversorgung sowie wesentliche Bereiche der Prävention (Vorsorge) und Rehabilitation. Allgemeinärzte sind darauf spezialisiert, als erste ärztliche Ansprechpartner bei allen Gesundheitsproblemen zu beraten.”
    Hm so ich bin mir immer noch nicht sicher was sie mit ihren Andeutungen zu ADHS sagen wollen, ich vermute aber das sie auf die Betonung eines multimodalen Therapiekonzeptes anspielen /vgl. https://www.kinderpsychiater.org/pm/2009/pm_1_10_2009.pdf , wozu ich nur anmerken möchte das trotzdem eine medikamentöse Therapie häufig notwendig ist. (Dazu die entsprechende aktuelle Leitlinie: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-019l_S1_Hyperkinetische_Stoerungen_ADHS.pdf)

  67. #68 Zeroman
    15. November 2011

    Geht es hier eigentlich um Bürokratie oder Epidemie?P

  68. #69 Jan
    15. November 2011

    @ FL

    Ok, dann sind sie halt ein “wissenschaftlicher” Psychologe (Es gibt nur leider viele andere, die das nicht sind! Und damit habe ich ein Riesenproblem, denn im schlimmsten Fall kostet das Menschenleben.) So wir mir scheint, werden wir beide gar keine großen Meinungsverschiedenheiten haben, da Sie und ich den gleichen grundlegenden Wertekanon haben (zB Therapien sind durch Studien abzusichern, evidenzbasierte Medizin etc etc). Ich will doch auch nicht der Psychologie den Wissenschaftsstatus absprechen. Die Psychologie ist eine empirische Wissenschaft.
    “psychology, scientific discipline that studies psychological and biological processes and behaviour in humans and other animals.” sagt uns die Encyclopedia Britannica.

  69. #70 FL
    16. November 2011

    Irgendwie ist das interessant, dass beim Thema Burn-Out (und nicht nur dort, sondern das wird generell gerne bei seelischen Problemen gemacht) sich gleich auf Formalistisches gestützt wird, statt aufs eigentliche Thema einzugehen (etwa was Burn-Out eigentlich ist), worüber ich einiges geschrieben habe, was aber kurioserweise übergangen wird, um sich stattdessen an formale Nebenschauplätze festzubeissen. Ein Schelm, wer böses dabei denkt…

    @Ludger
    Epidemie bezieht sich aber auf Infektionskrankheiten, genauer gesagt, auf eine infektiöse Ausbreitung in einem begrenzten Bereich (im Gegensatz zu Pandemie). Dann sagen Sie mir doch bitte mal, wo denn die lokale Begrenzung beim Burn-Out vorliege, oder warum man nicht gleich von einer Pandemie sprechen solle, weil es ja weltweit zunimmt, zumindest in Industrienationen.

    Wenn man in der Psychologie von Pandemie spricht, was nur selten gemacht wird, dann meint man dies als analogisierendes Bild für die Häufigkeitszunahme, strenggenommen sind Epidemien aber auf Infektionskrankheiten beschränkt. Und nochmal: seelische Erkrankungen sind nicht ansteckend, es gibt keinen Burn-Out Virus, der sich auf einem bestimmten Übetragungsweg ausbreiten könnte 🙂

    @Dagda
    Das ICD ist ein Katalog, den man benutzt, um mit Krankenkassen abzurechnen, nicht mehr und nicht weniger. Das dies aber kein fachlicher oder gar fachlich bindender Katalog ist, sieht man schon daran, das Burn-Out nicht erst existiert, seit es im ICD aufgenommen ist.

    Und ich Wette um einen Heiermann, das sie nicht im Behandlungsbereich tätig sind, sonst wüssten sie nämlich etwas davon, dass es oft ein Problem ist, eigene Diagnosen in die ICD ‘Sprache’, bzw Einordnung zu übersetzen. Sehen sie sich einfach mal bestimmte Therapieformen an, etwa tiefenpsychologische, die ja ein ganz anderes pathologisches Einordnungssystem haben, als es das ICD vorsieht.

    Es mag ja sein, das sie Allgemeimediziner für verkannte Psychotherapeuten halten, die auch sachverständig in seelischen Fragen sind, nur sehen das alle Fachleute etwas anders. Psychotherapeutische Behandlungen gehören nun mal in die Hand von Fachleuten, die dafür ausgebildet sind. Womit wir beim ADHS Problem wären, das ja dadurch auch ‘skandalös’ geworden ist, das Allgemeimediziner wild mit der ADHS Diagnose um sich geworfen haben und dementsprechend etwa Ritalin verschrieben haben, obgleich keinerlei organische Störung vorliegt. Und man Kinder so pathologisisret und falsch behandelt hat, obgleich deren ‘Verhaltensaüffälligkeiten’ ganz andere Gründe hat. Deswegen macht man heute eben zuvorderst eine psychotherapeutische Behandlung und medikamentöse nur zur Unterstützung, wenn sie denn notwendig ist.

    Das medikamentäöe Behandlung kein Tabu ist, das ist gleichermassen selbstverständlich wie banal. Nur geht es um die Fälle, bei denen es nicht so ist, es aber dennoch gemacht wurde. Und da spielen Allgemeinmediziner eine wichtige Rolle, weil sie nun mal weder durch die Ausbildung noch durch das Abrechnungssystem in der Lage sind, dies zu diagnostizieren oder zu behandeln.

    Sehen sie sich einfach mal den (früheren) Diagnosebogen der Allgemneinmedziner an, und sie kommen aus dem Schmunzeln oder der Bestürzung (je nach Stimmungslage) nicht mehr raus, wenn sie sich ansehen, was dort alles so als ADHS verdächtig abgefragt wird. Mich wundert es da eher, das es Kinder geben soll, die kein ADHS haben 🙂

    Und noch etwas: wenn die Allgemeinmediziner so sachverständig sind, warum wurde denn dann ihrer Meinung nach das multimodale Behandlungskonzept eingeführt, das ja gerade den Schwerpunkt auch Psychotherapie legt (und damit die Behandlung aus der Hand der Allgemeinmediziner genommen).

    Aber das steht in epischer Ausführlichkeit in den Medien nachzulesen, und noch nicht mal auf die Fachmedien begrenzt, sondern auch in den Massenmedien.

    PS: Darf ich mal fragen, was Sie beruflich machen, weil sie so entschieden meinen, beurteilen zu können, wie die Psychologie oder Medizin mit dem ICD umzugehen habe, und was das ICD für die betreffenden Wissenschaften bedeutet? Oder beruht ihre Fachkenntnis nur auf Wikipedia und Google?

    @Jan
    Das wir von wissenschaftlicher Psychologie reden, dürfte klar sein. Und es dürfte ebenso klar sein, das wir bei psychotherapeutischen Behandlungen auch von anerkannten Behandlungsformen reden. Das müssen dann nicht unbedingt auch die Behandlungsformen sein, die unter das Psychotherapeutengesetz fallen und die eine Kassenzulassung haben, zumindest aber wissenschaftlich entwickelte und geprüfte Behandlungen sind.

    Das es da auch viel unprofessionelle Quacksalberei gibt, da stehen wir ganz beieinander, nur hat das dann nichts mit Psychologie oder Psychotherapie im fachlichen Sinne zu tun. Sie kreiden der Medizin doch auch nicht an, dass es Wunderheiler gibt, die sich im medizinischen Bereich befleissigen, aber eigentlich keine Ahnung vom Thema haben. Und in der Regel mehr Schaden als Nutzen produzieren.

  70. #71 Ludger
    16. November 2011

    FL·
    16.11.11 · 06:19 Uhr @Ludger
    Epidemie bezieht sich aber auf Infektionskrankheiten, genauer gesagt, auf eine infektiöse Ausbreitung in einem begrenzten Bereich (im Gegensatz zu Pandemie). Dann sagen Sie mir doch bitte mal, wo denn die lokale Begrenzung beim Burn-Out vorliege, oder warum man nicht gleich von einer Pandemie sprechen solle, weil es ja weltweit zunimmt, zumindest in Industrienationen.
    Wenn man in der Psychologie von Pandemie spricht, was nur selten gemacht wird, dann meint man dies als analogisierendes Bild für die Häufigkeitszunahme, strenggenommen sind Epidemien aber auf Infektionskrankheiten beschränkt. Und nochmal: seelische Erkrankungen sind nicht ansteckend, es gibt keinen Burn-Out Virus, der sich auf einem bestimmten Übetragungsweg ausbreiten könnte 🙂

    Oben hatte ich es schon mal zitiert:

    In Otto Dornblüth, Klinisches Wörterbuch 1927 wird sogar von der Psychischen Epidemie geredet. ( https://www.textlog.de/13597.html )

    Psychische Epidemie Verbreitung geistiger Störungen oder hysterischer Erscheinungen durch unwillkürliche, von der Gemütsbewegung ausgehende Nachahmung oder durch den Eindruck auf Schwächere. […]

    In der Überschrift war “Epidemie” mit “?” versehen. In der Definition von Dornblüth wäre das die Frage, ob sich ein Burn-out Kranker die Gemütsbewegung eines anderen nachgeahmt hat, wohlgemerkt mit Fragezeichen. Bei der Frage, ob es dann nicht eine Pandemie sei, brauchte man Daten von anderen Ländern und Kontinenten (China? Griechenland? Australien? Sibirien?)

  71. #72 Christian Glatze
    16. November 2011

    Einbildung?? halte ich für die falsche Diagnose. Eher für 2 verschiedene Faktoren:
    1) Wandel vom physischen zum psychischen Menschen (sprich: wer den ganzen Tag auf dem Feld ackert hat keine Zeit zum Grübeln),
    2) die zunehmende Bereitschaft der Medizin sich diesen Problemen zu widmen – was eigentlich gut ist
    Mit einem ADS-Kind kann ich nur sagen, daß ich nach vielen Jahren immer noch nicht weiss, ob das eine Krankheit oder eine Charaktereigenschaft ist.

  72. #73 Dagda
    16. November 2011

    @ FL
    Sie haben etwas dagegen ihre Behauptungen zu belegen oder?
    Welche “Fachleute” sehen es anders das Hausärzte auch für die Diagnose und Therapie psychischer Störungen zuständig sind? Sicher nicht die Hausärzte und auch die meisten anderen Ärzte, (Mal abgesehen von den üblichen Standesdünkeln, die aber zumeist durch ein Verzerrtes Verständnis der arbeit von Hausärzten unterliegt).
    Das die Psychotherapeutische Behandlung (von der wir mal davon ausgehen das sie Behandlung durch Psychotherapeuten bedeutet und nicht Therapie der Psyche) in irgendwelche Hände gehört habe ich übrigens nie behauptet. Aber wenn das ihren Bauch pinselt bitte
    Und nun zum ADHS: Wie kommen sie darauf das die Psychotherapeutische Behandlung in der Behandlung eines Patienten mit ADHS zuerst kommt? Das ist als so dahin geklatscht Behauptung ohne Belegung einfach nicht richtig. Sie kann als alleinige Therapie angemessen sein oder auch nicht, das hängt davon ab, die Leitlinie habe ich ja schon verlinkt.

  73. #74 Dr. Webbaer
    16. November 2011

    Ich könnte jetzt noch etwas schreiben zum Hintergrund, warum dies [“Ängste”, Angstsymptomatiken] so ansteigt, das erspare ich mir aber mal, und deute nur an, dass dies eng mit der ‘Grundangst’ zu tun hat, die sich in unserer Kultur entwickelt hat, durch die vielen Krisen in letzter Zeit (Wirtschaftskrise, Systemkrise, Okökrise, etc pp), im Verein mit der zunehmenden Leistungsorientierung und -druck ist dies eine ‘gefährliche’ und ‘pathogenschwangere’ Mischung.

    Die gute Laune ist im Wohlstand verloren gegangen, bedingt durch die tendenziöse mediale Beleuchtung und durch gehypte Krisen (die EURO-Krise ist real und bedrohlich, viele “Krisen” waren irreal oder zumindest nicht bedrohlich). Auch ein Grund für die geringe Fertilitätsrate und die zunehmende psychische Anfälligkeit. – Schwierig zu sagen, warum das so ist, die Welt ändert sich jedenfalls nach und nach ins Positive, gute Nachrichten (1989, allgemeine Implementation des Internets, billige Grundnahrungsmittel und Kleidung auch “wg. Globalisierung”) sind jedenfalls auch da.

    MFG
    Wb

  74. #75 FL
    16. November 2011

    @Ludger
    Wenn Sie ein medizinisches Wörterbuch von 1927 zum Masstab erklären, dann dürfen sie das natürlich, das fällt dann wohl unter Meinungsfreiheit. Nur ist der Epedemiebegriff in der Psychotherapie oder Psychologie absolut unüblich und auch unpassend, wie ich schon ausgeführt habe. Und selbst in der Medizin beschränkt die Verwendung sich fast ausschliesslich auf Infektionskrankheiten.

    Ich könnte jetzt noch inhaltlich auf diesen drolligen Wörterbuchbeitrag von 1927 eingehen, oder sie fragen, was diese Beschreibung denn mit Burn-Out zu tun haben soll, aber das erspare ich mir und Ihnen.

    @Dagda
    Ich habe Ihnen schon allerlei Stellen angegeben, in denen sie dies finden können, der Psychotherapeutenkammer, der Ärztekammer, der gemeinsame Bundesausschuss, etc. Anscheinen sind Sie nicht Willens selber zu suchen, deswegen ein Link zur neuen Verordnung, bzw eines Berichtes dazu:
    https://www.bptk.de/uploads/media/100924_pm_bptk_adhs_methylphenidat_g_ba.pdf

    Auch zu ihrer Behauptung, dass Allgemeinmediziner ADHS immer noch diagnostizieren dürfen, weil die ja angeblich so sachverständig in therapeutischen Dingen sind, steht im vorherigen Link etwas drin, aber ich kann ihnen gerne noch explizitere Aussagen geben:
    https://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.3161.3162
    https://www.netdoktor.de/Krankheiten/ADHS/Diagnose/
    Das Einzige, das Allgemeinmediziner noch dürfen ist Folgerezepte auszustellen, und auch dies nur in ländlichen Regionen, in denen die Versorgung mit Fachleuten eingeschränkt ist. Soll ich Ihnen auch da noch einen Link geben, oder finden Sie dies diesmal alleine? Und ich hoffe, dass Sie jetzt nicht ankommen, und eine Verschwörung wittern, weil nun plötzlich Fachleute in Form von Allgemeinmedizinern in ihrer beruflichen Entfaltung eingeschränkt werden 🙂

    Trotz Ihrer irrigen Meinungen zeigen ihre Beiträge immerhin, dass sie am ADHS Problem Interesse haben. Ich kann Ihnen da einen recht guten Grundsatzartikel dazu empfehlen: https://www.mwenke.de/ADHS_Vortrag_Schwerin.pdf

    Und darf ich Sie noch mal darum bitten, meine vorherige Frage zu beantworten, was sie beruflich machen?

  75. #76 Ludger
    16. November 2011

    FL·
    16.11.11 · 19:01 Uhr@Ludger
    […] aber das erspare ich mir und Ihnen. […]

    Gut so!
    Im Titel des Blogs wurde auf einen Artikel des Deutschen Ärzteblattes ( Dtsch Arztebl 2006; 103(13): A 834–41 ) Bezug genommen, der auch verlinkt wurde ( https://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=50968 ). Die Autoren kommen zu dem Ergebnis :

    “Die massiven Veränderungen von Arbeitswelt und Gesellschaft bewirken nach Meinung vieler Experten eine Zunahme psychischer und psychosomatischer Erkrankungen (insbesondere depressiver Störungen und Angststörungen) – diese Leiden können als „Epidemie des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet werden.”

    Man beachte die Anführungszeichen. Der verantwortliche Autor ist Mediziner. Ich bin auch Mediziner und verstehe sofort, was damit gemeint ist.

  76. #77 Dagda
    16. November 2011

    @ Fl
    Hm so ich möchte sie noch einmal auf die aktuell gültige Leitline zum ADHS Hinweisen:
    https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-019l_S1_Hyperkinetische_Stoerungen_ADHS.pdf
    und auf ihren eigenen Link
    https://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.3161.3162
    Bei beiden wird darauf Hingewiesen das eine frühzeitige medikamentöse Therapie wichtig ist:
    Sowohl internationale als auch deutsche Behandlungsleitlinien empfehlen eine frühzeitige medikamentöse Therapie bei Kindern ab dem Alter von sechs Jahren, bei denen eine sehr stark ausgeprägte Symptomatik vorliegt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindes und seines Umfeldes beiträgt. Eine medikamentöse Therapie muss immer in eine umfassende Beratung aller Beteiligten eingebettet sein. Häufig muss die medikamentöse Therapie durch andere psychologische Therapien oder pädagogische Maßnahmen ergänzt werden. Bei Kindern, die weniger stark von der ADHS-Problematik betroffen sind, sollte primär psychosoziale Maßnahmen einschließlich verhaltenstherapeutischer Verfahren durchgeführt werden. Erweisen sich diese nicht als erfolgreich, dann kann auch in solchen Fällen ergänzend eine medikamentöse Therapie notwendig werden.
    Das Hausarzte ein ADHS diagnostizieren oder behandeln können weil sie einen besonderen Sachverstand besitzen würden, habe ich nie behauptet, sondern nur ihrer Behauptung widersprochen, Hausärzte würden nur körperliche Störungen behandeln.
    Und Kinder und Jugendmediziner (der Hausarzt für Kinder) darf sehr wohl weiterhin Ritalin verschreiben- und die Änderungen der Arzneimittelrichtlinie war dem Nebenwirkungsprofil des Medikaments geschuldet, nicht etwa einer irgendwie gearteten Änderung der Bewertung des Nutzens der Pharmakotherapie der hyperkinetischen Störungen.

  77. #78 Dagda
    16. November 2011

    @ Ludger
    Ich vermute sie suchen so etwas; Die Definition einer Epidemie von der National Center for Biotechnology Information:
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/mesh/68058872
    “Sudden outbreaks of a disease in a country or region not previously recognized in that area, or a rapid increase in the number of new cases of a previous existing endemic disease. Epidemics can also refer to outbreaks of disease in animal or plant populations.”
    Implicit wird ein infektiöses Agens angenommen (daher auch endemische Erkrankungen), aber wenn man einen raschen Anstieg in den Erkrankungszahlen oder auch nur bei einem Risikofaktor beschreiben möchte ist der Begriff Epidemie vielleicht hyperbolisch, aber gut verständlich

  78. #79 FL
    17. November 2011

    @Ludger
    Wenn sie denn Begriff in Anführungszeichen setzen, dann dürfen Sie das natürlich, denn die Anführungszeichen deuten an, dass diese Begriffswahl nur eingeschränkt gilt. Auch zur Veranschaulichung oder hyperbolisch (oder sogar dramatisierend) dürfen sie von Epidemie sprechen, nur ändert dies alles nichts daran, dass dieser Begriff streng genommen nicht richtig ist, und aus gutem Grund auch völlig unüblich ist.

    Von mir aus können Sie das sogar Seuche nennen, ich würde aber vorschlagen es einfach bei dem Begriff zu belassen, der treffend ist: Zunahme. Auch wenn dieser Begriff unspektakulär, langweilig-sachlich, und noch nicht mal ein Fremdwort ist.

    @Dagda
    Kinderärzte sind aber keine Kinderpsychiater oder -psychotherapeuten, und auf die bezieht sich ihr Link. Der Unterschied dürfte bekannt sein. Es gilt aber generell die übergeordnete Verordnung des gemeinsamen Bundesausschusses. Wie dies dann die einzelnen Fachgebiete umsetzen, ist dann wiederum eine Frage der jeweiligen Fachgebiete.

    Und noch mal: niemand möchte, dass in den Fällen, in denen eine medikamentöse Begleitbehandlung notwendig ist, etwa bei organischen Befunden oder zur Ermöglichung einer pschotherapierbarkeit, diese Medikamentierung verbieten, das wäre auch absurd. Es geht um die Eindämmung der sozusagen “epidemieartigen” (Ich habe es in Anführungszeichen gesetzt :-)) Verschreibung von Psychopharmaka bei Kinder und der häufigen Fehldiagnosen bei ADHS. Siehe hierzu: https://www.bptk.de/presse/pressemitteilungen/einzelseite/artikel/adhs-medika.html Dem wird mit der neuen Verordnung Einhalt geboten. Und das ist gut so, damit Kinder nicht mehr so oft pathologisiert werden, oder für allerlei andere Probleme herhalten müssen.

    Zur Veranschaulichung ein paar Zitate aus den vorher angegebenen Links:

    “3.1 Wohin soll ich mich wenden?
    Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie sowie Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin sind die besten Ansprechpartner.” [Diese Empfehlung kann man zwar anzweifeln, aber dies ist auch die Empfehlung von der Ärztekammer, und ich möchte hier keinen Standeskampf lostreten]
    „Der G-BA hat damit der fahrlässigen Verordnung von Ritalin & Co einen Riegel vorgeschoben.“
    “Die geänderte Arzneimittel-Richtlinie schreibt jetzt vor, dass eine Behandlung von ADHS ohne Medikamente beginnen muss”
    “Bei der Diagnose von ADHS reicht es nicht mehr, ein oder zwei Symptome festzustellen und dann zum Rezeptblock zu greifen. Nutzen und Risiken einer medikamentösen Behandlung müssen jetzt sehr viel sorgfältiger beachtet werden”
    “„Jüngere Kinder sind selbstverständlich unruhiger als ihre älteren Klassenkameraden. Sie dürfen deshalb nicht als krank diagnostiziert werden.“ Liegt jedoch ADHS vor, reicht eine einseitige medikamentöse Behandlung nicht aus. Leitlinien (z. B. NICE Clinical Guideline, 2009) empfehlen eine multimodale ADHS-Therapie. Diese umfasst
      Aufklärung und Beratung der Eltern, des Kindes oder Jugendlichen und der Erzieher bzw. Lehrer,
      Elterntraining und Familientherapie,
      Interventionen im Kindergarten oder in der Schule,
      Psychotherapie des Kindes oder Jugendlichen,
      Pharmakotherapie unter sorgfältiger Abwägung des Nutzens und der Risiken. 
„Nun sollte die Chance genutzt werden, bei der Diagnostik und Behandlung der ADHS stärker auf die Kompetenzen von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zurückzugreifen“, empfiehlt Lehndorfer.”

    Die neue Verordnung sieht sogar vor, dass auch in den Fällen, in denen medikamentöse Unterstützung notwendig ist, diese Medikamente regelmässig einmal jährlich abzusetzen und neu zu überprüfen sind. Und warum dies sinnvoll ist, dürfte nicht schwer zu erraten sein.

    Das Primat hat jetzt eben nicht mehr die medikamentöse Behandlung, sondern die psychotherapeutische Behandlung (im weitesten Sinne), und bei Kindern bedeutet dies fast immer eine Familientherapie, weil Kinder nun mal in einer symbiotischen Einheit mit den Eltern leben, und noch keine autonomen Wesen sind. Platt gesagt: Kinder sind noch in der Entwicklung, und wie sie sind und ‘ticken’, hängt zuvorderst davon ab, wie man mit ihnen umgeht, sei es familiär, schulisch, etc. Kinder aber für krank und psychopharmakabedürftig zu erklären, nur weil sie mal nerven können, unruhig sind, laut sind, ungehorsam sind, anders-seltsam sind, etc, ist weit von einem kindgerechten Umgang entfernt.

    Hier kann man auch eine Verbindung zwischen ADHS und Burn-Out ziehen, um mal wieder zum eigentlichen Thema zurück zu kommen. Auch beim Burn-Out passiert es oft, dass die Betroffenen von Seiten der Allgemeinmediziner falsch behandelt und eingeschätzt werden, etwa indem man Ihnen Mittel zur Leistungssteigerung verschreibt, anstatt Ihnen etwa zu sagen: “Sie stellen ihren beruflichen Erfolg über die Gesundheit, und das geht nicht lange gut.” Es gibt Allgemeinmediziner dies dies können, und die sensibel genug sind, diese Instrumentalisierung zu merken. Nur ist das leider die Ausnahme, weil Allgemeinmediziner dafür weder ausgebildet sind, noch überhaupt die zeitliche Kapazität haben, dies eingehender diagnostizieren zu können. Und zur Diagnostik gehört dabei, sich mal ausführlich etwas aus dem Leben des Betroffenen beschreiben zu lassen, und das lässt das zuständige Abrechungssystem nicht zu.

    Und bevor sie mir jetzt wieder Standesdünkel unterstellen: das ist keine generelle Kritik an Allgemeinmediziner, sondern vor allem an die Umstände und Verhältnisse des Gesundheitssystems, unter dem auch die Allgemeinmediziner zu arbeiten haben. Und gerade Allgemeinmediziner haben es da schwer, weil sie nun mal als gesundheitliche ‘Schalt- und Verteilungsstelle’ vielen Anforderungen genügen müssen, und immer vor der Frage stehen: “Mache ich das jetzt selbst, oder überweise ich das an Spezialisten”. Und da ist auch immer das jeweilige hausärztliche Selbstbild entscheidend, wie er sich einschätzt, ob er sich über- oder unterschätzt. Aber damit kommen wir in spezielle Fragen der beruflichen Praxis und der unterschiedlichen Arbeitsstilen von Allgemeinmedizinern, und damit zu einem anderen Thema.

    PS: Sorry für dem langen Text.

  79. #80 Dagda
    17. November 2011

    @ FL
    Lange Texte sind ok
    Vorweg ich habe nie bestritten das eine multimodale Therapie Ziel der ADHS Behandlung ist. Diese Leitlinie habe ich oben schon mal verlinkt und sie hat auch die selbe Liste therpeutischen Ansatzpunkte, aber mit vollgendem Unterschied:
    Das ist der Absatz über Pharmakotherapie:
    Pharmakotherapie zur Verminderung hyperkinetischer Symptome in der Schule (im Kindergarten), in der Familie oder in anderen Umgebungen
    Über die Therapie von Schulkindern:
    Eine primäre Pharmakotherapie ist meist dann indiziert, wenn eine stark ausgeprägte, situationsübergreifende hyperkinetische Symptomatik mit einer erheblichen Beeinträchtigung des Patienten oder seines Umfeldes und einer ausgeprägten Einschränkung der psychosozialen Anpassung (z.B. drohende Umschulung in
    Sonderschule, massive Belastung der Eltern-Kind-Beziehung) vorliegt

    In der übrigens seit 2007 gültigen Leitlinie steht die Pharmakotherapie neben den anderen Therapieoptionen und die Multimodalität der Therapie zieht sich durch die gesamte Leitlinie. Im gegensatz dazu hebt die BtpK die Pharmakotherapie durch den im Rahmen der Presseerklärung seltsamen Satz ” unter Abwägung des Nutzens und der Risiken hervor. Warum? Abgesehen das es in der Pharmakotherapie immer um eine Nutzen/Risikoabwägung gilt, natürlich aber sonst? Auch sie betonen zwar das sie nicht grundsätzlich gegen eine Pharmakotherapie sind, aber nur als Begleittherapie, wenn es denn Notwendig ist. Letztlich ist aber doch die Pharmakotherapie, genau so wie meinet wegen die Verhaltenstherapie ein mittel um es den betroffenen Kindern zu ermöglichen zum Beispiel zur Schule (oder in den Kindergarten) zu gehen, darin Unterscheiden sich die Therapieformen nicht, was ist es dann?
    Und schließlich noch eins:
    Die Behauptung, dass es eine “Epidemieartige” Ausweitung der Verschreibung von Psychopharmaka gibt ist durch nichts belegt (vgl sie hierzu einfach ihren Link zur Bundesärztekammer:

    “Gibt es Hinweise für eine Überdiagnostik / Überbehandlung von ADHS? Frage 11
    Jüngste Untersuchungen von Krankenkassendaten in Hessen sprechen weder für eine generelle Überdiagnostik noch für eine Überbehandlung von ADHS bei Kindern und Jugendlichen. In einzelnen Fällen können jedoch diagnostische Fehleinschätzungen vorkommen.

    Wenn man die Zahlen der BtpK zur Grundlage nimmt spricht alles für eine generelle Unterversorgung von Kindern mit einem ADHS; Nichts anders habe ich in einem meiner ersten Kommentare an sie behauptet

  80. #81 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    Hier kann man auch eine Verbindung zwischen ADHS und Burn-Out ziehen, um mal wieder zum eigentlichen Thema zurück zu kommen.

    ADHS, Burn-Out und Asperger sind oft normale charakterliche Ausprägungen oder zeitweilige Zustandsformen; hier generell zu pathologisieren ist problematisch und zeugt davon, dass die Diagnose dbzgl. aus dem Ruder gelaufen ist.

    Die Ritalin-Vergabe an sich grundsätzlich normal verhaltende Jungen ist hier ein großes Thema, “Asperger” werden Sie im Unternehmensvorstand antreffen, jedenfalls wenn Sie ein wenig suchen, und Burn-Out ist alltäglich. Die Epidemie könnte in der Tat vom med. Fachpersonal ausgehen, wie der Artikel zumindest zum Nachdenken auch in den Raum stellt oder zu stellen scheint.

    MFG
    Dr. Webbaer

  81. #82 Dagda
    17. November 2011

    @ Wb
    Klar und das können sie alles auch Belegen?
    Sie werfen da 3 völlig verschiedene Diagnosen in einen Topf; Asperger gehört z.B. in das Autismusspektrum, damit ist es keine charakterliche Ausprägung und keine zeitweilige Zustandsform. Was das ganze mit dem Sinn/Unsinn der Therapie mit Ritalin zu tun hat ist völlig unklar. Und ob man mit irgenetwas in den Vorstand eines Unternehmens kommt, sagt nichts über den Krankheitswert aus; z.B. sind alle Teilnehmer der Jalta-Konferenz (Churchill, Roosevelt (der Polio hatte) und Stalin) an cerebrovaskulären Erkrankungen gestorben und hatten während des zweiten Weltkriegs bestimmt schon entsprechende Risikofaktoren, namentlich den Bluthochdruck. Damit sind das jetzt keine Krankheiten?

  82. #83 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    @dagda
    Nein, Belege kann Dr. W nicht beibringen, sondern nur pers. Erfahrungen. Die dbzhl. “Belegverwaltung” ist anderen überlassen und womöglich zurzeit in unguten Händen.

    Betrachten Sie’s als politische Aussage einer nicht unerfahrenen bärischen Kraft.

    Es handelt sich um gesammelte Eindrücke aus pädagogischem Wirken, aus wirtschaftlicher Betätigung (vergessen wurde natürlich noch: Spezialisten, also nicht nur Entscheider, scheinen “Asperger”-anfällig) und aus eigener Erschöpfung. 🙂

    Verwechseln Sie psychische Auffälligkeiten, das dbzgl. Nonkonforme oft abseits der gesellschaftlichen Norm stehende, bitte nicht mit körperlichen Krankheiten. Vergleiche verbieten sich hier – solange man abstrakt und konkret die oben genannten drei Krankheitsbilder (oder “Krankheitsbilder”) bearbeiten will.

    Sie sehen sicherlich ein, dass wir bei “Grenzkrankheiten” einen politischen Besprechungsbedarf haben, gerade auch wenn’s um die lieben Kleinen (ADHS + Ritalin) geht.

    MFG
    Dr. Webbaer

  83. #84 FL
    17. November 2011

    @Dagda

    Erst mal ist es schön, das auch sie anerkennen, das die medikamentöse Behandlung nur zweitrangig zu sein hat, was sie bisher leider nicht war. Insbesondere bei den Allgemeinmedizinern, die ja überwiegend diejenigen waren, die Ritalin u.ä. verschrieben haben. Und das ganz ohne eine halbwegs sinnvolle und kompetente Diagnostik. Das Fachleute, und dazu gehören auch die Kinderpsychotherapeuten aus ihrem Link, damit weitaus verantwortlicher umgehen, das stand niemals in Frage, im Gegenteil, das habe ich explizit herausgehoben. Wer weiss, vielleicht liegen wir doch nicht so weit auseinander, sondern haben nur aneinander vorbei geredet 🙂

    Und dieser Satz, der für Sie unverständlich ist, meint etwas ganz einfaches: nämlich das die Verabreichung von Psychopharmaka nur nachrangig zu sein hat, und erst dann eingesetzt werden darf, wenn andere Interventionen ohne Erfolg sind. Das steht dort übrigens. Das macht man deswegen, weil eine psychotherapeutische Behandlung nun mal einen ‘klaren’ Kopf notwendig macht (klar im Sinne von nicht durch Medikamente oder Drogen verändert). Da schadet die Verabreichung von Methylphenidat u.ä., von speziellen Fällen zur Sicherstellung der Therapierbarkeit mal abgesehen.

    Und warum Psychopharmaka nicht bis kaum geeignet ist, und sogar höchst gefährlich ist, dazu habe ich schon einiges geschrieben (Stichworte: symbolische Einheit, Kindertherapie als Familientherapie, Pathologisierung der Kinder, etc.), und ihnen auch einen Link gegeben. Lesen Sie das einfach noch mal.

    Was die Psychotherapeutenkammer meint, ist, dass eine Unterversorgung mit psychotherapeutischer Behandlung vorliegt, nicht aber eine generelle Unterversorgung der Fälle (OK, eine Unterversorgung gibt es generell bei psychotherapeutischer Behandlung, aber das ist ein anderes Thema). Das steht in dem Kommentar aber auch drin (nur 3,7% der Fälle wurden bisher psychotherapeutisch behandelt, und nur 2,8% in einer Kombination auch Psycho- und Pharmatherapie. Wie die Behandlung der restlichen 94% aussieht, können Sie sich wohl denken). Unterversorgung meint da also nicht, das zu wenig behandelt wird (im Gegenteil), es wird nur falsch behandelt. Deswegen auch die Änderung bei der Verordnung durch den gemeinsamen Bundesausschuss, auch damit man von den 500.000 angeblichen ADHS Fällen alleine in der BRD mal runter kommt. Denn, wie erwähnt, sehen Psychotherapeuten und Psychiater das Problem nicht in einer angeblichen Hirnschädigung, sondern zuvorderst im Beziehungsgefüge, dem Lebensumfeld und dem Umgang mit und der Funktionalisierung von Kindern. Einfach gesagt, man sieht die ‘Zappeligkeit’ nicht als organischen Schaden, sondern als sinnvolle Sympom- und Reaktionsbildung. Das hatte ich schon mal mit symbiotischer Einheit angedeutet, und das eine Kíndertherapie letztlich fast immer ein Familientherapie bedeutet. Pointiert formuliert: Das ‘Aufmerksamkeitsdefizit’ liegt eher bei den Erwachsenen als bei den Kindern.

    Und zur Verschreibung von Psychopharmaka: Würden Sie eine Steigerung von 4200% in 15 Jahren keine explosible Steigerung nennen, oder, um ihre Vorliebe für den Epimemiebegriff zu verwenden, keine “epidemieartige” Steigerung? Auch dazu habe ich Ihnen einen Link gegeben, ich kann aber gerne noch einen anderen Link angeben, diesmal aber ein journalistischer statt eines wissenschaftlichen Beitrags: https://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=73388936&aref=image044/2010/08/21/CO-SP-2010-034-0132-0132.PDF&thumb=false

  84. #85 Dagda
    17. November 2011

    @ FL
    Anscheinend haben wir nicht aneinander vorbei geredet, mir ging es darum: Pharmakotherapie ist je nachdem eine gleichwertige, nachrangige oder aber auch höherwertige Therapie, dies hängt vom jeweiligen Patienten ab. Manchmal ist eine Pharmakotherapie vorrangig sinnvoll um dann weitere Interventionen anzuschließen, manchmal ist eine Verhaltenstherapie und eine Aufklärung und Schulung des Umfeldes wichtiger. Das meint multimodale Therapie (eine Pharmakotherapie ist keinesfalls nachrangig).
    Ihre Erklärung zur Genese des ADHS in allen Ehren, aber vermutlich ist die Entstehung komplexer als sie sich das vorstellen, auch wenn nicht ausgeschlossen ist das sich ADHD Fälle tatsächlich nur Extreme des Normalen sind, was heißt das dann, insbesondere was heißt das dann für die Behandlung? (meiner Meinung nach nicht so viel, insbesondere ist auch dann noch eine Pharmakotherapie gerechtfertigt)

  85. #86 Dr. Webbaer
    17. November 2011

    Ihre Erklärung zur Genese des ADHS in allen Ehren, aber vermutlich ist die Entstehung komplexer als sie sich das vorstellen, auch wenn nicht ausgeschlossen ist das sich ADHD Fälle tatsächlich nur Extreme des Normalen sind, was heißt das dann, insbesondere was heißt das dann für die Behandlung?

    Das heißt offensichtlich, dass man, wenn man normales Verhalten therapiert, ethisch schlecht dasteht. – Oder dastehen könnte, es bedarf jedenfalls in diesem Fall einer politischen Debatte. – In modernen Gesellschaftsystemen ist es bisher unüblich Gesunde zu medikamentieren, lol.

  86. #87 Dagda
    17. November 2011

    @ Wb
    Wenn sie mir jetzt noch erklären warum man einen Blutdruck von z.B. 145/87 zumindest diätisch und vielleicht auch schon mit einer Pharmakotherapie behandeln würde, obwohl der sicherlich “normal” ist, genau so wie ein Blutdruck von 160/90 oder 220/110 oder 120/75. Und wenn sie mir dann noch die psychopharmakologischen Effekte von Betablocker (z.B. Metoprolol) oder ACE Hemmern (Captopril vielleicht?) beschreiben. Würden sie dann noch sagen dass “wenn man normales Verhalten therapiert, ethisch schlecht dasteht.”? Normal ist kein Kriterium für die Behandlung von irgendetwas;negative Folgen eines Zustandes wären dann schon ein Grund zu behandeln, insbesondere wenn diese Behandlung eben diese negativen Folgen verhindert. Das ist für den sogenannten Bluthochdruck sehr gut belegt (negative Folgen z.B. der Schlaganfall oder der Herzinfarkt) aber das gleiche gilt auch für z.B. ADHS und Schulversagen, wo ist da ihrer Meinung nach der Unterschied?

  87. #89 BreitSide
    18. November 2011

    @Dagda: so fühlt es sich an, wenn man versucht, einen Pudding an die Wand zu nageln. Hier ist es eher Bärendreck.

  88. #90 Dagda
    18. November 2011

    @ BreitSide
    😉 Ja ich weiß, das geht aber genau so an FL und seine Abneigung gegen Ritalin. Um es mal flappsig zu sagen da weiß man was man hat;
    Naja mal schauen vielleicht bleibt was hängen, wobei…

  89. #91 Dr. Webbaer
    18. November 2011

    @Dagda

    Normal ist kein Kriterium für die Behandlung von irgendetwas

    Na!, wenn man I.E. auch psychisch Normale behandeln und medikamentieren sollte, dann ist doch das Wesentliche aus Ihren Vorträgen herausgearbeitet! Sie sehen wie schnell das geht, wenn zielgenau nachgefragt wird.

  90. #92 FL
    18. November 2011

    @Dagda
    Die pharmakologische Behandlung IST nachrangig nach der neuen Verordnung, es darf gar nicht mehr damit begonnen werden, sondern sie darf nur noch eingesetzt werden, wenn andere Behandlungen nicht gelingen (und selbst dann nur mit Unterbrechungen). Und das macht man nicht, weil die Fachleute nun die Allgemeinmediziner ärgern wollen, sondern weil sich herausgestellt hat (bzw es sich endlich als Erkenntnis durchgesetzt hat), dass ADHS eben keine (von Ausnahmen abgesehen) Organstörung ist, sondern eine seelische Ausdrucksbildung, die dann eben auch seelisch und nicht körperlich behandelt werden muss. Und da liegt eben auch der ‘Skandal’, das Hunderttausende Kinder Jahrzehnte falsche behandelt wurden, und man sie medikamentös ruhig gestellt hat. Von den körperlichen Folgen mal ganz abgesehen (Kleinwuchs, Sucht, etc).

    Wie kommen Sie darauf, dass ich mir die Entstehung einfach vor stelle? Das Gegenteil ist der Fall, nichts ist so kompliziert wie Zwischenmenschliches und die Sozialisation eines Menschen (fragen sie mal Eltern, ob Erziehung einfach ist :-)). Gegenüber einer psychotherapeutischen Behandlung ist die Vergabe von Medikamenten nachgerade Pippifax, und gerade in dieser einfachen Lösung liegt ja auch das zauberhafte Wirk-Versprechen: wirf eine Pille ein, und schon muss man sich nicht mehr mit den Kindern beschäftigen (um es mal pointiert zu sagen). Da haben Pillen heute ja oft auch eine ähnliche Funktion wie etwa das TV oder der Computer: diese ‘nervenden’ und das Leben der Erwachsenen immer wieder durcheinander bringenden Kinder mal an die Leine zu legen.

    Es scheint aber nicht ganz klar zu sein, was überhaupt der Unterschied zwischen einer psychotherapeutischen und einer pharmakologischen Behandlung liegt. Ich zeige dies mal kurz anhand der bekannten Geschichte des Zappelphilipp auf, das ja ein ‘Urbild’ des ADHS ist:

    Zappelphilip fängt in dieser Geschichte an zu stören, als der Vater eine neue Frau hat, der er seine ganze Liebe widmet. [Anmerkung: denken Sie an der Stelle mal an die vielen Patchworkfamilien, Trennungen, etc in unserer Kultur, und daran, ob dies an Kinder einfach so spurlos vorbeigeht] Der Vater kümmert sich in der Geschichte dadurch nicht mehr um Philip und vernachlässigt ihn. Da wird Phillip unruhig, zappelt rum, kurz: er ‘revoltiert’ heimlich. Da merkt man: Philips Verhalten ist sinnvoll und begründbar durch die Situation. Bei ADHS wird nun dem Kind die Schuld zugeschoben, weil man diese Lebensumstände gar nicht mehr in Betracht zieht, sondern man macht aus dem tatsächlichen Problem, der geänderten Familien- und Beziehungskonstellation, ein Problem des Kindes, und unterstellt dem Kind einen (physiologischen) Defekt. Deswegen ist es in der Psychotherapie so wichtig, sich die Lebensumstände anzusehen, denn wenn man das nicht macht, versteht man das Verhalten den Kindes ganz falsch, dann sieht man nur das Problem und das Ergebnis, aber nicht die Hintergründe und das Entstehen.

    Unterschiede auch bei der Behandlung: die (in der Regel Allgemein-)Mediziner verschreiben ein ‘Medikament’ gegen diese ‘Krankheit’, die Psychotherapeuten haben in der Regel gar keinen (bzw einen anderen) Krankheitsbegriff (das auch mal als Anmerkung zum ICD Problem), sondern sehen diese Unruhe und Hibbeligkeit als seelische Lösung an, mit der das Kind bestimmte eigene Lebensprobleme ‘behandelt’. Die psychotherapeutische Behandlung versucht an dieser Lebenskonstellation etwas zu verändern, weil da eben das Problem herkommt. Deswegen werden je nach Problemlage die Kinder oft fast gar nicht behandelt, sondern etwa nur oder vorzugsweise die Eltern, und das wirkt sich dann wieder auf das Verhalten und Erleben der Kinder aus. Die Psychotherapie sieht sich also an: wie gehen die Eltern mit dem Kind um, welche Rolle hat das Kind in der Familienkonstellation, welche Lebensgeschichte ist wirksam, was hat sich geändert in der Konstellation, etc. Das ist der Unterschied zwischen ‘verstehender’ Psychotherapie und ‘problemverdeckender’ Psychopharmaka-Behandlung. Den Ritalin o.ä. behandeln ja eigentlich nicht, sie versuchen nur die Symptome einigermassen erträglich zu machen (für die Familie, die Schule, das Kind, etc).

    Anmerkung: Das Problemverdeckende bezieht sich hier natürlich nur auf das ADHS Problem. Das Psychopharmaka generell gut und wichtig ist, ist selbstverständlich, nur ist sie nicht immer sinnvoll und hilfreich. Und darum geht es beim ADHS ‘Problem’.

  91. #93 Leander1
    18. November 2011

    @FL
    ” dass ADHS eben keine (von Ausnahmen abgesehen) Organstörung ist, sondern eine seelische Ausdrucksbildung ”
    Die Forschung hat in den letzten Jahrzenten genau das Gegenteil festgestellt.
    Das Ritalin ‘ruhig stellt’ stimmt nicht, und in der Regel macht Ritalin auch nicht abhängig.

    Folgende Videos eines ADHS-Forschers kann ich nur empfehlen(Englisch):
    https://www.youtube.com/results?search_query=dr+russell+barkley&oq=dr+russell+barkley&aq=f&aqi=&aql=&gs_sm=e&gs_upl=235l3007l0l3092l18l17l0l12l12l0l220l612l2.2.1l5l0

    Off-Topic:
    Wie zitiert man hier auf Scienceblogs richtig?

  92. #94 miesepeter3
    18. November 2011

    Als vor etwa 30 – 35 Jahren die Computer flächendeckend in die Arbeitswelt einzogen, konnte man mehr Arbeit in kürzerer Zeit erledigen, als man es bis dato für möglich hielt. Bedauerlicherweise führte das nicht dazu, dass die Arbeitnehmer mehr Pausen zwischendurch machen konnten (von den später gesetzlich vorgeschriebene Mindestpausen bei reiner Bildschirmarbeit mal abgesehen), sondern sie mussten erheblich mehr Arbeit in den üblichen acht Stunden pro Tag leisten. In dem Bereich “Handarbeit” wurden durch schnellerer Zuliefertechniken und vormontierten Einheiten die einzelnen Arbeitsschritte in immer kürzeren Zeitabschnitten verlangt. Der Bewegungsapparat ist aber nur für eine nicht besonders hohe Geschwindigkeit auf Dauer ausgelegt. Dazu kam, dass mit immer besserer Kommunikationstechnik eine Verfügbarkeit der Menschen möglich wurde, die nicht einmal den Sklaven im alten Rom in dieser Form abverlangt wurde. Diese immer weiter fortschreitende Verdichtung der Arbeit führte über lang oder kurz zu immer mehr Menschen, die dieser Belastung nicht mehr standhalten konnten. Und wer einen solchen Zusammenbruch erlebt, interessiert sich nicht die Bohne, wie man diesen Zustand nennt und ob die Psychoklempner ein wissenschaftlich sauberes Werkzeug für ihre Behandlung haben oder nicht. Sie sind auf jede Hilfe angewiesen, insbesonders deswegen, weil sie oftmals nicht mehr in der Lage sind, dieselbe für sich einzufordern.
    Wenn es 0,5 % Trittbrettfahrer gibt, die nur mal `ne Auszeit wollen, ändert das nichts am Zustand der wirklich Kranken. Heute noch eine Diskussion darüber zu führen, ob es dieses Krankheitsbild überhaupt gibt, ist angesichts der Erkenntnisse darüber und dem Leidensdruck der Kranken irgendwie elfenbeinturmmäßig überflüssig.

  93. #95 Dagda
    18. November 2011

    @ FL
    Passt noch immer nicht, hier sind einfach mal andere Leitlinien zur ADHS:
    https://www.ag-adhs.de/uploads/Leitlinie2009.pdf
    Und hier die Stellungnahme des zentralen ADHS-Netzes zur Novellierung der Arzneimittelrichtlinie zum Einsatz von Ritalin der G-BA;
    https://www.zentrales-adhs-netz.de/uploads/media/Modifikation_der_Arzneimittelrichtlinie_durch_den_G-BA__Nov._2010_.pdf
    Wichtig ist hier vor allem das die aktuellen Leitlinien nicht im Widerspruch zu der Änderung stehen.

  94. #96 Dr. Webbaer
    18. November 2011

    Wie zitiert man hier auf Scienceblogs richtig?

    <blockquote>Ich bin ein kleiner verschachtelter Kommentar</blockquote>

    @Miese
    Jaja, die Arbeitsverhältnisse sind immer unmenschlicher geworden!
    Da stört es ja auch nicht, dass viel weniger körperliche Arbeit anfällt, die Arbeitszeit reduziert worden ist und die Menschen im Prinzip oft nur noch auf Knöpfe drücken.
    Missbrauch von Krankheitsmeldungen auch sehr sehr selten, kleiner 1 Prozent.

    DENN moderne Arbeit ist unmenschlich geworden, so die Theorie. So die Theorie aus linkem Haus. Gähn.

    MFG
    Dr. Webbaer

  95. #97 miesepeter3
    18. November 2011

    @Dr. Webbaer

    Ja, die Anforderungen in vielen Berufen ist heutzutage oft wirklich höher, als ein durchschnittlicher Mensch zu leisten vermag. Das hat weder was mit linker, rechter oder sonstiger Besserwisserei zu tun.
    Schönes Beispiel : Autoindustrie, Einbau von Sitzen, Armatuerenbrettern etc. Da man aufgrund des Mangels an belastbaren jungen Leuten immer mehr auf Alte, oft auch jahrzehntelang im eigenen Haus beschäftigt, zurückgreifen muß, hat man für diese AN Sitze an Roboterarmen montiert, dass die “Alten” nicht wegen Überlastung so schnell zusammenbrechen. Früher kam man nicht auf die Idee, auf diese Weise seine AN vor Schaden zu bewahren, gab ja genug andere draußen.
    Auch wenn sich viele Arbeitsschritte auf “Knöpfendrücken” reduziert haben, ganz viel Drücken in kurzer Zeit mit ganz viel Monotonie ist auch nicht das, was einen vor Überarbeitung so richtig schützt. Wer solche Arbeit nicht zu machen braucht, kann sich jetzt wieder hinlegen, Gute Nacht Dr. W.

  96. #98 FL
    18. November 2011

    @Dagda
    Was sollte da nicht passen?

  97. #99 Dr. Webbaer
    18. November 2011

    @Miese
    Was Sie meinen, ist schon klar. Das Arbeitsleben ist sowohl monotoner als auch anspruchsvoller geworden, was die einzelnen Arbeitsschritte betrifft. – Früher hatten die Arbeiter regelmäßig sehr harte Arbeit zu leisten und die körperlichen Folgen ließen kaum Gelegenheit sich psychisch aufzuarbeiten. Bergwerk, Handwerk, ein Bekannter des Webbaeren wurde in den Siebzigern in den Prager Metro-Bau kommandiert wegen pol. Unbotmäßigkeit, kurz nach der Uni, lol, was da geleistet worden ist…, …, dennoch ist Arbeit zu einmal Arbeit und es scheint doch besser psychisch und intellektuell belastet zu werden als körperlich.

    Thema des Blogartikels scheint dann auch die Beschäftigung mit den psychischen Folgen zu sein. Hier wurde provokativ der Begriff der Epidemie eingeführt, der auch ganz gut gefällt, ADHS ist bspw. weiter oben beleuchtet worden, Burn-Out auch so eine Sache und Asperger (oder “Asperger”), nunja.

    Die Arbeitswelt ist jedenfalls aus Sicht des Webbaeren nicht unmenschlicher geworden, das Gegenteil ist der Fall, richtig natürlich, dass die psychischen Folgen aufgrund des höheren durchschnittlichen Lebensalters eine größere Rolle spielen, wie auch die mediale Beleuchtung, Burn-Out ist in D sicherlich auch eine Mode. Was auch ein wenig fehlt, ist die gute Stimmung, die scheint in modernen Gesellschaften oft verloren zu gehen, Ursachen unklar, mag was mit der allgemeinen Kinderlosigkeit zu tun haben (“Damit es unseren Kindern einmal besser geht.” – vielleicht schon mal gehört) und der schlechten politischen Kommunikation der Leistungen der modernen gesellschaftlichen Systeme.

    MFG + GN8
    Dr. Webbaer

  98. #100 miesepeter3
    18. November 2011

    @Dr.Webbear

    So kann ich Ihrer Meinung wieder mehr zustimmen.

  99. #101 Dagda
    18. November 2011

    @ FL
    Vieles; Die Pharmakotherapie wird mitnichten hinter andere Therapien zurückgestellt, sondern ist nachwievor ein zentrales Element in der Therapie des ADHS. Eine alleinige Pharmakotherapie war noch nie leitliniengerecht.
    Ihre Distinktion von psychisch und körperlich ist künstlich. Ritalin stellt nicht ruhig; Wie soll das auch funktionieren, ist es doch ein Amphetamin und wird zum Beispiel bei der Narkolepise eingesetzt und führt zu Schlafstörungen (Oh ja das ist ganz sicher vereinfacht, aber es wird offensichtlich das es nicht der Ruhigstellung dient).

    Das ist der Unterschied zwischen ‘verstehender’ Psychotherapie und ‘problemverdeckender’ Psychopharmaka-Behandlung. Den Ritalin o.ä. behandeln ja eigentlich nicht, sie versuchen nur die Symptome einigermassen erträglich zu machen (für die Familie, die Schule, das Kind, etc).

    Es gibt keine kausale Therapie des ADHS, auch keine psychotherapeutische. Alle bislang bei der ADHS empfohlenen Therapieoptionen sind symptomatisch! Wenn sie das gegenteil behaupten sollten sie besser gute Quellen angeben können, weil sie ansonsten gegen das bisherige wissenschaftliche Verständnis des ADHS segeln und dass könnte man dann als pseudowissenschaft auslegen.

  100. #102 FL
    18. November 2011

    Ich halte Ihnen zu gute, dass Sie offensichtlich kein Fachmann sind, und sich ihr ‘Wissen’ eklektizistisch zusammen googlen. Deswegen bringen Sie auch so oft etwas Durcheinender. Ich erkläre Ihnen das aber gerne nochmal.

    Eine Leitlinie ist keine Verordnung, ist also nicht verpflichtend. Und die neue Verordnung des gBA von 2010 ist verpflichtend, man darf es also gar nicht mehr anders machen, als dort vorgegeben ist! Und das gilt für alle Fachgebiete. Demgegenüber sind Leitlinien eher Empfehlungen für spezielle Fachgebiete, bindend sind die aber nicht.

    Und nochmal: in der Verordnung steht explizit, dass eine medikamentöse Behandlung erst dann kommen darf, wenn andere Behandlungen nicht anschlagen ([Der Einsatz von MPH-haltigen Präparaten ist verboten …] „ausgenommen bei hyperkinetischer Störung bzw. Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie, wenn sich andere Maßnahmen allein als unzureichend erwiesen haben, bei Kindern (ab 6 Jahren) und Jugendlichen“). Zweitens wird es unter einer fachlichen Oberaufsicht gestellt (“Die Arzneimittel dürfen nur von einem Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und/oder Jugendlichen verordnet […] und unter dessen Aufsicht angewendet werden. In Ausnahmefällen dürfen auch Hausärzte/Hausärztinnen Folgeverordnungen vornehmen, wenn gewährleistet ist, dass die Aufsicht durch einen Spezialisten für Verhaltensstörungen erfolgt.“), drittens wird auch die Diagnose professionalisiert (“So darf sich die Diagnose von ADHS nicht alleine auf das Vorhandensein eines oder mehrerer Symptome stützen, sondern sollte auf einer vollständigen Anamnese und Untersuchung des Patienten basieren.“). Alles das schränkt die Vergabe von Psychopharmaka deutlich (!) ein. Und jetzt sagen sie mir bitte, was sie an diesen Sätzen nicht verstehen, oder was Ihnen daran missverständlich vorkommt.

    Die Leitlinie, die Sie angeben ist übrigens nur für eine Berufsgruppe (genauer gesagt einer Arbeitsgemeinschaft innerhalb einer Berufsgruppe) und ist von 2007, muss also noch umgearbeitet werden, dazu erarbeiten die Kinder und Jugendärzte gerade eine neue Version aus, die soll aber bald fertig sein, und sie sind dabei, die Zusammenarbeit mit Psychotherapeuten, etc vertraglich neu zu regeln. Momentan wird sich aber noch eifrig ums Geld gestritten, weil es ja auch einige finanzielle Umstellungen durch die Verordnung gibt (den Kinderärzten (mit Zusatzqualifikation) fehlen EZM Abrechnungsmöglichkeiten, Psychotherapeuten fordern einen höhere Honorierung (psychotherapeutische Verbände fordern übrigens, das die Pharmaindustrie sich an den Kosten für die Behandlungen beteiligen soll), etc).

    Zudem wurde die Einschränkung von Psychopharmaka schon laaaaange von verschiedenen Standesorganisationen oder Arbeitsgruppen eingefordert oder gewünscht, weit vor 2007. Anfangs als Empfehlungen, später als Leitlinien, nachdem die Verschreibungspraxis vor allem bei den Allgemeinmedizinern so unglaublich in die Höhe geschossen ist, und man immer mehr um die sogenannten Nebenwirkungen gestoßen ist. Ein entscheidender Marktstein war dabei die Konferenz der Ministeriums für Bildung und Gesundheit 2002., seitdem gab es allerlei entschiedenere Versuche die gesundheitliche Versorgung bei ADHS zu verbessern, durch Leitlinien einzelner Verbände, Verträge mit Krankenkassen, etc. Vor der Konferenz waren es vor allem psychotherapeutische und teilweise psychiatrische Organisationen, die eine Revision der Behandlungsformen gefordert haben, sehen Sie sich nur mal die Empfehlungen der psychotherapeutischen Dachorganisationen schon in den 90ern an. Der tatsächliche Durchbruch kam aber erst vor einem Jahr durch die Verordnung 2010 (das Gesundheitssystem ist manchmal verblüffend träge).

    Zu ihrer seltsamen Auslegung der Ritalin Wirkung: Glauben Sie ernsthaft, man wollte ADHS Kinder weiter aufputschen? Wenn Sie das denken, verstehen Sie rein gar nichts von ADHS oder der Wirkung von Ritalin. Haben Sie eigentlich schon überhaupt mal ein ADHS Kind gesehen, oder haben Sie ihre Weisheiten ausschliesslich durch Google gewonnen? Sehen Sie doch einfach mal nach, wie unterschiedlich Ritalin wirkt, je nach Dosierung. Bei ADHS wirkt Ritalin nun mal anders als bei Gesunden (wobei auch hier die Dosierung entscheidend ist), zumindest diese Kenntnis sollten sie eigentlich besetzen, wenn sie über ADHS und dessen Pharmakologisierung mitreden wollen. Und wenn sie schon dabei sind, dann googlen Sie auch nach der paradoxen Wirkung von manchen Medikamenten ( wozu auch Ritalin u.ä. gehört).

    Mit kausaler Therapie beziehen Sie sich vermutlich auf die Formulierung in der von Ihnen verlinkten Leitlinie, Nur ist damit etwas ganz anderes gemeint, das bezieht sich auf eine biogenetische Behandlung, und die ist eben kausal nicht möglich. Sie dürfen auch hier wieder mal raten, warum dies so ist.

    Und eine Psychotherapie oder psychoedukative Maßnahmen sind symptomatisch? Wofür symptomatisch? 🙂 Vermutlich meinen Sie Sympombehandelnd, was natürlich stimmt, wäre auch seltsam, wenn man Sympome ausklammern würde. Sehen Sie einfach noch mal in die Leitlinie nach, an der Sie ja so hängen, die beschreibt, dass man auch die Eltern einbeziehen sollte. Und Eltern gehören eigentlich weniger zu den ADHS Symptomen , es sei denn, Sie greifen die Eltern psychotherapeutisch oder pädagogisch auf, da kann dies, wie erwähnt, durchaus sein 🙂

    Und noch etwas, was sie missverstehen, und das dazu führt, dass sie sich so an das Mulitimodale festbeissen: eine multimodale Behandlung ist nur dann notwendig und verpflichtend, wenn eine medikamentöse Behandlung erfolgt. Eine monomodale Behandlung ist dadurch immer noch möglich, nur eben keine medikamentös monomodale Behandlung mehr.

    Darf ich (zum x-ten mal) fragen, welche Beziehung Sie zu ADHS haben, beruflich oder privat, weil sie so beharrlich auf eine medikamentöse Behandlung bestehen?

  101. #103 Dagda
    19. November 2011

    @ Fl
    Ok ich dachte bislang sie hätten keine so gute Meinung der Pharmakotherapie und das hätte vielleicht mit der Tatsache zutun dass sie als Psychotherapeut und Psychologe ja auch kein Experte für die Pharmakotherapie sind. Soweit so gut.
    Aber

    Glauben Sie ernsthaft, man wollte ADHS Kinder weiter aufputschen? Wenn Sie das denken, verstehen Sie rein gar nichts von ADHS oder der Wirkung von Ritalin. Haben Sie eigentlich schon überhaupt mal ein ADHS Kind gesehen, oder haben Sie ihre Weisheiten ausschliesslich durch Google gewonnen? Sehen Sie doch einfach mal nach, wie unterschiedlich Ritalin wirkt, je nach Dosierung. Bei ADHS wirkt Ritalin nun mal anders als bei Gesunden (wobei auch hier die Dosierung entscheidend ist), zumindest diese Kenntnis sollten sie eigentlich besetzen, wenn sie über ADHS und dessen Pharmakologisierung mitreden wollen. Und wenn sie schon dabei sind, dann googlen Sie auch nach der paradoxen Wirkung von manchen Medikamenten ( wozu auch Ritalin u.ä. gehört).

    ist großer Quatsch. Methylphenidat ist ein Amphetamin-Abkömmling und ist ein indirektes Sympathomimetikum. Damit wirkt es unter anderem auch aufputschend, daran ist nichts paradox. Die Wirkung bei hyperkinetischen Störungen erklärt man sich durch eine Verbesserung (meint Steigerung) der Aktivität präfrontaler Netzwerke die für die Aufmerksamkeit wichtig sind und von denen man weiß das sie beim ADHS hypoaktiv sind.
    Das nur so mal als Einstieg.
    Die Behauptung eine monomodale Therapie wäre möglich habe ich nie bestritten, warum auch, wenn sich unter einer Therapie (Pharmakotherapie) eine zufriedenstellende Einstellung ergibt, muss keine weitere Therapie erfolgen, das Stichwort hier ist ein Therapiekonzept und das ist zumeist Multimodal.
    Das hat übrigens das NICE zur Pharmakotherapie zu sagen (hatten sie die nicht zitiert?):
    Treatment for school-age children with severe ADHD (hyperkinetic
    disorder) and severe impairment
    10.18.3.1 In school-age children and young people with severe ADHD, drug treatment should be offered as the first-line treatment. Parents should also be
    offered a group-based parent-training/education programme. (Key priority)

    Bevor sie sich an den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses zu sehr freuen sollte ihnen klar sein, dass diese strenggenommen nur für Vertragsärzte gelten.
    Und letztlich sind nicht die Arzneimittelrichtlinien (die für die Vertragsärzte der GKV gelten) sondern die entsprechenden Leitlinien der Fachgesellschaften entscheidend für die Therapie sind.

    Und zum Schluß noch ein Cochrane Review: Pharmakotherapie für ADHS plus Tic
    https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD007990.pub2/abstract
    Pharmakotherapie des ADHS gibt es scheinents nicht als Review bei der Cochrane Foundation oder mein Googlefoo ist schwach naja

  102. #104 FL
    19. November 2011

    @Dagda
    Zunächst mal habe ich keine “keine so gute Meinung der Pharmakotherapie”. Wenn sie meine Beiträge aufmerksamer lesen würden, wüssten Sie das auch. Es geht nur um falsche Behandlungen mit Psychopharmaka, und ich hab mehrmals gesagt, dass die Medikamentierung in machen Fällen sogar notwendig ist.

    Zweitens verstehen Sie aber auch gar nichts von dem Thema, wenn Sie tatsächlich meinen, das Ritalin bei Kindern aufputschend wirkt, das wäre auch reichlich absurd. Sie können aber gerne versuchen mir zu erklären, welchen Grund man haben sollte Hyperaktivität noch mehr aktivieren zu wollen? Tatsächlich wirkt das in den Fällen aber beruhigend und dämpfend, und das nennt man paradoxe Wirkung. https://www.netdoktor.de/Medikamente/CONCERTA-18-mg-36-mg-Reta-100011737.html und etwas ausführlicher https://www.maodes.de/erikasten/Neue_Dateien/PDF/srript%202%20Einf%FChrung%20in%20die%20Psychopharmakologie.pdf (Einschränkend muss erwähnt werden, dass es tatsächlich auch seltene Formen des ADHS gibt, die sich phänomenal auch in einer Trägheit, Schläfrigkeit, etc zeigen, und wo Ritalin dann auch belebend wirken kann).

    Und zum x-ten mal: Psychopharmaka kann und darf bei ADHS nicht mehr ohne andere Therapien verwendet werden. Da ist also nichts mit monomodaler Behandlung bei dieser Therapieform, und das ist die einzige Therapieform, die nicht monomodal verwendet werden darf, deswegen ist ihr Satz “wenn sich unter einer Therapie (Pharmakotherapie) eine zufriedenstellende Einstellung ergibt, muss keine weitere Therapie erfolgen” auch völliger Unsinn.

    Der gemeinsame Bundesausschuss ist das oberste Organ für Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenkassen, etc. Das mag Ihnen missfallen, ändert aber nichts daran, das deren Beschlüsse verbindlich sind. Natürlich gilt das nur für Vertragsärzte, aber das sind nun mal die Allermeisten. Und die Privatärzte werden den Beschluss auch nicht ignorieren, so es sie denn überhaupt betrifft. Aber grundsätzlich dürfen diese Ärzte oder Psychotherapeuten von den Vorgaben des gBA abweichen, wenn sie keine Kassenzulassung haben, oder nicht über die gesetzlichen Kassen abrechnen. Übrigens sind aber gerade Privatärzte und Privatkassen für psychotherapeutische Behandlungen aufgeschlossener als gesetzliche Kassen oder Vertragsärzte.

    Und was Leitlinien sind, habe ich Ihnen schon mal erklärt, ebenso, was diese von Verordnungen unterscheidet. Natürlich müssen sich die Leitlinien für die betreffenden Fachgebiete an den bGA Beschluss halten. Das viele Leitlinien schon angepasst sind, und sie teilweise auch vor dem Beschluss schon adäquate Behandlungen vorgesehen haben, habe ich Ihnen gleichfalls ausführlich erklärt. Viel wichtiger noch als Leitlinien sind aber vertragliche Regelungen, sei es die sogenannten Versorgungs- oder Modulverträge mit Krankenkassen oder direkte Verträge zwischen fachlichen Kooperationspartnern (etwa Kinderpsychotherapeuten und Kinderärzten). Gerade in den letzten Monaten hat sich bei den Verträgen viel getan, nicht nur was die Therapieregelung und Kooperation betrifft, sondern auch was die Honorierung betrifft (manche Tätigkeiten waren bisher ja gar nicht abrechnungsfähig oder grottenschlecht bezahlt. Da kann dann in einer Leitlinie alles mögliche drin stehen, wenn es nicht honoriert wird, wird es auch nicht umgesetzt. So einfach ist die Welt manchmal :-)).

  103. #105 Dagda
    19. November 2011

    @ Fl
    Also sie bestimmen also was gilt? Wenn eine Leitlinie ihnen wiederspricht ist sie veraltet? Wenn eine Stellungnahme der BKJPP ihnen widerspricht, kann die BKJPP ja nicht so wichtig sein.
    Hm und dann behaupten sie Mist über Pharmakotherapie: Also nochmal die Wirkung von Methylphenidat wirkt möglicherweise paradox, aber auch nur weil es vereinfacht als Aufputschmittel gilt. Eigentlich basiert seine Wirkung auf einer Hemmung der Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin, damit wirkt es einerseits aktivierend auf den Sympathikus, da Noradrenalin als Transmitter des S. länger wirken kann. Und auf der anderen Seite wirkt es auch auf die selben Transmitter im Großhirn (Cerebrum) und kann damit dann auch Einfluss auf die Bereiche nehmen, die für die Aufmerksamkeit zuständig sind- auch hier aktivierend. So jetzt kommt der Teil der nicht so gut verstanden ist, aber die Idee dahinter ist, dass die Hyperaktivität durch eine verminderte Aufmerksamkeit verursacht wird. Grob: Da sie ein Problem mit der Fokussierung auf einzelne Aktivitäten haben, machen sie einfach mehr. So und genau hier wirkt dann Methylphenidat, es steigert die Aktivität in den Aufmerksamkeitsnetzwerken, sodass die Betroffenen sich besser konzentrieren können und ruhiger werden. Das ist dann keine Paradoxe Wirkung mehr.
    Und nein Leitlinien sind wichtiger als vertragliche Regelungen- ansonsten könnte man mit der selben Logik auch Schlussfolgern das Akupunktur wirkt immerhin ist es für die Behandlung von bestimmten Schmerzen zugelassen und es wird sogar bezahlt; Auch wenn sie ganz sicher nicht wirkt

  104. #106 Ponder
    19. November 2011

    Zu dem Streit um Leitlinien und GBA hat hier das Zentrale ADHS-Netz eine Stellungnahme veröffentlicht, in der darauf hingewiesen wird, dass die GBA-Presseerklärung (sowie implizit diverse irreführende Presse-Verlautbarungen aus einer bestimmten Lobbyisten-Ecke..) zumindest missverständlich sind:

    https://www.zentrales-adhs-netz.de/uploads/media/Stellungnahme_zentrales_adhs-netz.pdf

    Bitte den genauen Wortlaut gründlich beachten, Herr Psychologe… 😉

    Diese Erklärung bezieht sich jedoch lediglich auf die Verordnung von MPH bei Kindern und Jugendlichen.

    Undiagnostiziertes und v.a. unbehandeltes ADHS führt in der Tat bei Erwachsenen häufig zu Erschöpfungszuständen, Depressionen etc., da sie aufgrund ihrer genetisch bedingten Vulnerabilität die stetig wachsenden Belastungen der Arbeitswelt (v.a. Wechselschichten, immer enger werdende Taktung der Arbeitsabläufe, überbordende Dokumentationspflichten…) schlechter kompensieren können als Menschen ohne diese Disposition.

    Womit der Bogen zurück zum eigentlichen Thema geschlagen wäre…

  105. #107 Dagda
    19. November 2011

    @Ponder
    Die Stellungnahme hatten wir glaube ich auch schon; Hat nichts genützt.

  106. #108 Ponder
    19. November 2011

    @ Dagda:

    Hat nichts genützt, weil der Herr Psychologe sie nicht gelesen hat, sondern nur rhetorisch fragte “Was soll da nicht passen?” – Daher mein freundlicher Hinweis an den Herrn, noch mal genau zu lesen…

    Bei einer bestimmten Fraktion von Psychologischen Psychotherapeuten meist älteren Jahrgangs und bevorzugt aus der Gruppe der Analytiker herrscht eine gewisse Scheu vor, sich mit den neurowissenschaftlichen Erkenntnissen der vergangenen 6 bis 10 Jahre zu befreunden.
    Dabei gibt es ein auch für Nichtmediziner gut verständliches Grundlagenwerk, nämlich “Neuropsychotherapie” (2005) von Klaus Grawe, welches sich für die eigene Fortbildung in Sachen Neurobiologische Grundlagen Psychischer Störungen hervorragend eignet und insbesondere auf die neurobiologischen Folgen von chronischer Inkongruenzerfahreung (=Stress) eingeht.

    Zum Thema “Stressdepression” (synonym für Burnout) und die zugrunde liegende Fehlregulation der “Stresshormon-Achse” – mit all ihren Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und die Regulation des Butzuckers etc. gibt es ein gut allgemein verständliches Buch vom Psychiater und Psychotherapeuten Otto Benkert:

    https://www.ottobenkert.de/stressdepression.html

  107. #109 Dagda
    19. November 2011

    @ Ponder
    Hm ich sollte mir ältere Kommentare vielleicht doch noch mal durchlesen.

  108. #110 FL
    19. November 2011

    @Dagda
    Erst mal ist der BKJPP eine psychiatrische Vereinigung, und damit habe ich nichts am Hut. 3 x dürfen Sie raten, für wen psychiatrische Leitlinien gelten. Ich geben Ihnen einen Tip: sie gelten nicht für Kinderärzte, auch nicht für Kinderpsychotherapeuten, auch nicht für Hausärzte. Ich weiß ja, das sie gerne Berufe durcheinander bringen, und Erklärungen einfach übergehen, deswegen erspare ich mir, Ihnen den Unterschied zwischen den verschiedenen Fachgebieten zu erklären.

    Immerhin rämen Sie ein, das die paradoxe Wirkung kein “Quatsch” ist, was zeigt, das Sie nicht völlig beratungstesistent sind.

    Von Akkupunktur habe ich zwar wenig Ahnung, aber ich habe mich eben mal reingelesen. Bei bestimmten Schmerzformen besitzt Akkupunktur eine Kassenzulassung, nach einem Beschluss des GBA. Und da das GBA dies auch prüft, bevor sie Therapien frei gibt, nehme ich an, das entsprechende Wirksamkeitsnachweise für diese Schmerzformen vorliegen, ansonsten hatte dies keine Zulassung bekommen. Übrigens wird es auch allerlei Leitlinien zur Akkupunktur geben, weil es auch dabei Dachorganisationen mit eigenen Leitlinien geben wird. Aber, wie gesagt, da kenne ich mich nicht aus, und ich bin noch nicht mal ein Freund der Akkupunktur, im körperlichem Bereich vertraue ich gänzlich der ‘Schulmedizin’. 

    @Pander
    Inwiefern sollte diese  Stellungnahme dem widersprechen,  was ich geschrieben habe? 

  109. #111 Dagda
    19. November 2011

    @ FL
    Äh ich widerspreche ihnen einfach mal.
    Leitlinien werden von Fachgesellschaften erstellt und sind Zusammenstellungen, der wissenschaftlich fundierten besten Praxis, damit sollten sie im Idealfall die Entscheidungsgrundlage sämtlicher Personen, die mit einer Krankheit zu tun haben, sein.
    Das gilt genau so für Ärzte (und zwar sämtlicher Fachrichtungen) wie auch für andere nicht-ärztliche Therapeuten.
    Wenn sie mehr über Leitlinien wissen wollen können sie sich über die deutschen Leitlinien z.B. auf https://www.awmf.org und https://www.leitlinien.de informieren.

    Und zur Akkupunktur: Die Studie die als Grundlage für die Entscheidung herangezogen wurde zeigt das Akkupunktur genau so gut wirkt wie Scheinakkupunktur (das Placebo) damit ist das kein Wirkungsnachweis und nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten wirkt sie damit nicht. Nur soviel dazu

  110. #112 Ponder
    19. November 2011

    @ FL

    Von “Widersprechen” war nicht die Rede. Ich schrieb: “…in der darauf hingewiesen wird, dass die GBA-Presseerklärung sowie implizit diverse irreführende Presse-Verlautbarungen aus einer bestimmten Lobbyisten-Ecke.. zumindest missverständlich sind…”

    Dies bezieht sich u.a. auf den mehrfach oben von Ihnen geltend gemachten Anspruch, dass eine Pharmakotherapie nur dann erfolgen könne, wenn eine psychotherapeutische Behandlung nicht die erwünschten Wirkungen gebracht hat.

    Diese eigenmächtige Interpretation (welche sich offenbar auch in der Presseerklärung des GBA finden lässt) wird in der Stellungnahme des Zentralen ADHS-Netzes ausdrücklich relativiert.
    Können Sie das PDF nicht öffnen, oder erwarten Sie ernsthaft von mir, dass ich Ihnen die Passage auf Seite zwei (unter den * * * ) auch noch hier zitiere?

    Ansonsten gibt es auch noch die Leitlinienempfehlung der Bundesärztekammer (nicht facharzt-spezifisch…)

    https://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.3161.3163.3167

  111. #113 Dagda
    19. November 2011

    @ Ponder
    Wobei Leitlinien nie facharztgebunden sind. Wie sollten sie auch, entweder die Wirksamkeit einer Therapie ist wissenschaftlich belegt oder aber nicht und dann sollte sie nicht empfohlen werden und nur im Rahmen von Studien angewendet werden. Dabei spielt der Facharzt keine Rolle.

  112. #114 Ponder
    19. November 2011

    @ Dagda:

    Schon klar.
    Nur weil der Herr Oberlehrer so drauf rumreitet…

  113. #115 Ponder
    19. November 2011

    @ Dagda:

    Schon klar.
    Nur weil der Herr Oberlehrer so drauf rumreitet…

  114. #116 FL
    19. November 2011

    @Dagda und Ponder
    Natürlich haben Fachgebiete eigene Leitlinien, es wurden hier schon allerlei unterschiedliche Leitlinien gepostet, und es gibt noch mehr, es gibt sogar oft mehrere innerhalb eines Fachgebietes, weil es mehrere Verbände gibt.

    Und die Leitlinie der Ärztekammer ist veraltet, und muss noch geändert werden, wie auch andere Leitlinien noch geändert werden müssen, und in Arbeit sind. 

    Ich weiß nicht, was an der Stellungnahme des zentralen ADHS Netzes meine Aussagen relativiert haben sollte. Beziehen Sie sich auf die Formulierng “langfristige Psychotherapie”? Natürlich muss die nicht langfristig sein. Die Kassenverträge spezifizieren dies ja, indem sie dort 3-6 Monate als frühesten Zeitpunkt für eine Medikmentöse Behandlung ansetzen. Alle Verträge die ich kenne benutzen diesen Zeitraum.

    Sie sind beide keine Fachleute, aber wenn Sie es wären, können Sie ja mal versuchen, mit einer  Medikamenten Behandlung zu beginnen. die werden Sich wundern 🙂

    Aber ich habe keine Lust mehr, das ständig erklären zu müssen. Bei so viel Sturrheit bin ich machtlos, und klinke mich hiermit aus.

  115. #117 Dagda
    19. November 2011

    @ Ponder
    Ich wollte es nur noch mal betont haben und so…

    Und nur um die Leitliniendiskussion auf die Spitze zu treiben, das sind die brandneuen Empfehlungen der American Academy of Pediatrics:
    https://aappolicy.aappublications.org/cgi/reprint/pediatrics;128/5/1007.pdf

    Nur mal so als Highlight:

    For elementary school–aged children (6–11 years of age) , the primary care clinician should prescribe US Food and Drug Administration–approved medications for ADHD (quality of evidence A/strong recommendation) and/or evidence-based parentand/
    or teacher-administered behavior therapy as treatment for ADHD, preferably both (quality of evidence B/strong recommendation). The evidence is particularly strong for stimulant medications and sufficient but less strong for atomoxetine, extended-release guanfacine, and extended-release clonidine (in that order) (quality of evidence A/strong recommendation). The school environment, program, or placement is a part of any treatment plan.
    [Hervorhebungen durch mich]

    Und ja das sind die Amerikanischen Empfehlungen und alles, aber das entspricht der wissenschaftlichen Sichtweise.

  116. #118 Ponder
    19. November 2011

    @FL:

    >>…Sie sind beide keine Fachleute…>>

    Sie sollten sich mit Unterstellungen besser etwas zurück halten, mein Gutester..
    Wie kommen Sie auf das schmale Brett?

    Und was wollen Sie mit dem nächsten Teilsatz konkret sagen?

    >>..aber wenn Sie es wären, können Sie ja mal versuchen, mit einer Medikamenten Behandlung zu beginnen. die werden Sich wundern :-)… >>

    Dass Sie selbst sich hier als Fachmensch gerieren, aber weiter oben ausgerechnet Matthias Wenke als Quelle angeben, ist schon sehr traurig,.

    Matthias Wencke gehört zu einer Gruppe von ADHS-Leugnern um den Psychologischen Psychotherapeuten Hans-Reinhard Schmidt,

    https://www.adhs-konferenz.de/1773432.htm

    die es sich zur Aufgabe gemacht haben, eine Anti-Konsensus-Erklärung zu ADHS fernab jeglicher evidenzbasierter Medizin zu veröffentlichen, darauf hin zu wirken, dass jede ADHS-Diagnose von Erziehern und Lehrern angezweifelt wird und Eltern verunsichert und stigmatisiert.

    https://www.ads-kritik.de/Konsens2.htm

    Des weiteren ist diese Truppe dafür verantwortlich, dass immer wieder manipulative und irre führende Berichte zum Thema ADHS in TV und Printmedien lanciert werden.
    Darauf sind sie auch noch stolz.

    https://f3.webmart.de/f.cfm?id=2411553&r=search&q=Deutschlandfunk

    Wollen Sie sich mit denen etwa auf eine Stufe stellen?
    Damit kippen Sie aber Ihr psychotherapeutisches Berufsethos ins Klo!!

  117. #119 Dagda
    19. November 2011

    @ Fl
    Ja ich weiß das sie nicht mehr mitspielen wollen und so, aber ich habe gegooglt und zwar nach den Verträgen der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen- Als Rahmen es gibt ein Neues Vertragskonzept der KBV für AD(H)S-Betroffene.
    Gefunden habe ich zum Beispiel den hier zwischen der KVBW und der BKK.
    Eines der Konzepte in dem Vertrag ist die Leitliniengerechte Therapie, aber die haben wir ja bereits verlinkt und kommentiert.
    Ein anderes ist in der Tat die Betonung der Psychotherapie und das dritte ist die umsichtige Pharmakotherapie:

    (4) Medikamentöse Therapie Bei der Therapie ist zuerst ein Behandlungsversuch ohne die Verschreibung von Medikamenten vorgesehen. Ausnahmen bei krisenhaften Situationen sind möglich. Sollte die psychosoziale Betreuung ohne Medikamente nicht erfolgreich sein, ist nach 3-6 Monaten die Notwendigkeit einer (zusätzlichen) medikamentösen Therapie zu prüfen. Vor einer medikamentösen Therapie und begleitend dazu sind psychoedukative, sozialpsychiatrische, psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen am individuellen Fall orientiert anzuwenden. Der im ADHS-Team teilnehmende Arzt hat die Verantwortung für den Medikamenteneinsatz sowie dessen Monitoring.

    Womit wir wieder bei dem sind was wir geschrieben haben. Die Pharmakotherapie ist selbst bei der KV nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Therapie des ADHS und kann natürlich auch weiterhin, wenn es erforderlich ist initial verwendet werden.

  118. #120 Ponder
    19. November 2011

    Noch mal zu Matthias Wenke und der “Konferenz ADHS” :

    Ein kleiner Blick in ihr Forum verdeutlicht die menschenfreundliche therapeutische Gesinnung hervorragend:

    https://f3.webmart.de/f.cfm?id=2411553&r=threadview&t=3206190&pg=11#16121944

  119. #121 Dagda
    19. November 2011

    @ Ponder
    Das ist ja eine schöne Gruppe von Menschenfreunden.

  120. #122 Muddi & theBlowfish
    20. November 2011

    Irgendwie spannend, da spricht ein, hmmm bestenfalls wenn Alles stimmt, Püschoannalüttiker zwei anderen Bloggern die Fachkompetenz ab (hallo, Kollegen 😉 ), erklärt die Leitlinien der Bundesärztekammer als veraltet
    um sich dann auf einen….Heilpraktiker und Yogalehrer (jaja und Püschoannalüttiker) als verlässliche Quelle zu berufen?
    Geht’s noch?

  121. #123 Ludger
    21. November 2011

    Es gibt eine neue Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt: Kaschka, Wolfgang P.; Korczak,Dieter; Broich, Karl , Modediagnose Burn-out – Burnout—a Fashionable Diagnosis, MEDIZIN: Übersichtsarbeit, DOI: 10.3238/arztebl.2011.0781
    https://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=113220

  122. #124 Muddi & theBlowfish
    23. November 2011

    @Ludger: danke, gar nicht schlecht der Artikel.

  123. #125 Joseph Kuhn
    23. November 2011

    @ Muddi & theBlowfish: Ja, der Artikel ist ganz informativ. Es ist die Kurzfassung des oben verlinkten HTAs zu Burnout.

  124. #126 Belzer
    24. November 2011

    Sehr geehrter Herr Kuhn!
    Ihre Kenntnis der Verschlüsselung von Krankheiten erscheint mir unzureichend.

    Zunächst einmal läßt sich jede Krankheit irgendwie per ICD10 verschlüsseln. In vielen Fällen lautet die ICD Diagnose dann: Krankheit XY nicht näher bezeichnet. Beispielsweise: F48.9 Neurotische Störung, nicht näher bezeichnet.

    Die Tatsache, dass eine Krankheit keinen alleinigen ICD-Code aufweist, bedeutet nicht, dass diese Krankheit medizinisch nicht anerkannt ist. Beispielsweise gibt es für viele seltene genetische Krankheiten keinen eigenständigen ICD-Code aus dem einfachen Grund, weil sie zu selten sind. Der andere Fall ist, dass die Krankheit erst in letzten Jahren als eigenständige Entität anerkannt wird. Der ICD10 ist schließlich die 10. Version der Internationalen Klassifikation der Krankeiten. Das heißt 9 frühere Klassifikationen haben Krankheiten anders gruppiert oder diagnostiziert.

    Das “Burn Out Syndrom” ist im weitesten Sinn eine von außen verursachte (exogene) Depression hervorgerufen durch ein Misverhältnis an eigener Erwartung an sich selbst und tatsächlicher Erreichung der selbstgesteckten Ziele.

    Früher wurde das “Burn Out Syndrom” einfach als Depression klassifiziert. Entweder als F32 Depressive Episode oder als F33 Rezidivierende depressive Störung oder als F34 anhaltende depressive Störung. Es gibt jedoch genügend Gründe für eine eigene Codierung und zwar nicht nur als Z-Codierung, wie Z73 Burn Out Syndrom. Im zukünftigen ICD11 werden Krankheiten wie Burn Out Syndrom (Ausgebranntsein) oder Mobbing sicher ihren eigen Code haben. Wobei ich nochmal anmerken möchte, dass sie grundsätzlich jede Krankheit (auch noch gar nicht entdeckte Krankheiten) mit dem ICD verschlüsseln können, weil dieser äußerst dehnbar ist.

    Als Gesundheitswissenschaftler sollten sie sich eigentlich etwas besser in dieser Materie auskennen. Schon allein um statistische Fehlschlüsse zu vermeiden.
    Grüße Belzer

  125. #127 Dagda
    24. November 2011

    @ Belzer
    Was veranlasst sie zu denken das die Diagnose Burn Out in zukünftigen ICD Revisionen aufgenommen wird?
    Soweit ich weiß ist Burn Out nicht im DSM IV enthalten, noch im DSM V. Auch ist es bislang nicht von anderen z.B. affektiven Störungen abzugrenzen, sodas es doch zumindest zur Zeit entschieden fraglich ist ob es der eigenständigen Diagnose Burn Out überhaupt bedarf

  126. #128 Ponder
    24. November 2011

    @ Belzer:

    >>…Ihre Kenntnis der Verschlüsselung von Krankheiten erscheint mir unzureichend….>>

    Die Problematik wurde bereits hier diskutiert:

    https://www.scienceblogs.de/gesundheits-check/2011/11/psychische-storungen-epidemie-des-21-jahrhunderts.php#comment271732

    und ebenfalls z.B. auf S.17 und 21 des verlinkten HTA-PDFs

    >>…Das “Burn Out Syndrom” ist im weitesten Sinn eine von außen verursachte (exogene) Depression hervorgerufen durch ein Misverhältnis an eigener Erwartung an sich selbst und tatsächlicher Erreichung der selbstgesteckten Ziele…>>

    Die Verwendung des Begriffs “exogen” ist, so wie Sie es hier formulieren, offensichtlich nicht zutreffend.

    Die Definition von Burnout, die Sie hier einführen, ist “reduktionistisch”.
    Auf welche Datenlage berufen Sie sich denn selbst?
    Haben Sie den von Herrn Kuhn verlinkten HTA-Bericht eigentlich gelesen?

  127. #129 Joseph Kuhn
    24. November 2011

    @ Belzer:

    Sehr geehrter Herr Belzer!
    Meine Kenntnis Ihres Anliegens erscheint mir unzureichend. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Und aus welchen Quellen ziehen Sie Ihre Kenntnisse, was im ICD 11 stehen wird, womöglich noch in der deutschen Version?

  128. #130 Wolf
    1. Dezember 2011

    Im AlphaBrowser der WHO ist das Burn Out Syndrom immer noch dem Kode Z73.0 zugeordnet. Ob es sich ändern wird weiß ich nicht. Siehe Hier

    https://apps.who.int/classifications/icd11/browse/f/en#/_4_who_3_int_1_icd_2_Z73_3_0

    aber bis dahin werden wir alle noch viel Wasser lassen ;-).

    Für mich interessanter ist die Frage, ob das Burn Out Syndrom als Folge einer Nebennierenschwäche anzusehen ist oder ob die Nebennierenschwäche die Folge des Burn Out Syndroms ist…

  129. #131 Dagda
    2. Dezember 2011

    Im Wissensteil der Zeit vom 01.12.2011 gibt es auch einen großen Artikel zum Burn-Out; Tenor: Keine gut definierte Krankheit sondern Catch all Phrase für seelische Krankheit, insbesondere die Depression.

    @ Wolf
    Hm was haben jetzt die beiden miteinander zu tun? Abgesehen das Cortisol in der NNR gebildet wird und Cortisol “irgendetwas” mit Stress zu tun hat?

  130. #132 Keoman
    4. Dezember 2011

    Gefühlte Epidemie / Markus Pawelzik

    Das Etikett Burn-out dient heute vielen als sozial akzeptierte Entschuldigung für Raubbau an den eigenen Kräften.

    https://www.zeit.de/2011/49/M-Burnout-Kontra

    “Folgt man diesen Beobachtungen, so lässt sich die gefühlte Burn-out-Epidemie wie folgt deuten: Wir sind nicht so fit und unerschöpfbar, wie wir es unserem kollektiven – nicht zuletzt durch Werbung, Unterhaltung und Gesundheitspropaganda beeinflussten – Selbstverständnis zufolge sein wollen. Nicht wenige unter uns leiden aufgrund ihrer bisherigen Stresskarriere an einer deutlichen, mit den Jahren immer spürbarer werdenden Stressbewältigungseinschränkung. Neu ist, dass wir dies nicht mehr einfach hinnehmen und notgedrungen kürzertreten oder uns um einen gesünderen Lebenswandel bemühen, wie frühere Generationen dies getan haben dürften. Nein, wir greifen das Etikett Burn-out bereitwillig auf, weil es uns Deutungs- und Rollenmuster erschließt, dank derer wir unsere bisherige, wenig achtsame und lebenskluge Identitätspolitik bestätigt sehen.”

  131. #133 Wb
    4. Dezember 2011

    Früher haben noch welche entnervt “Macht Euren S doch allein!” oder “Gerne! Aber ohne mich!!” gerufen (wir stellen uns hier eine Stromberg-typische Arbeitswelt vor [1]) bevor die Brocken hingeworfen wurden, heutzutage verabschiedet man sich gepflegt ins Burnout Syndrom. [2] Dieses ‘Etikett’ hat dem Markt also gefehlt, korrekt.

    MFG
    Wb

    [1] btw: Stromberg hat Erfolg, weil er Ressentiments bedient, keinesfalls weil er karikiert – so ähnlich wie mit Alfred Tetzlaff seinerzeit…
    [2] ‘Mobbing’ geht natürlich auch, bei behauptetem M. zahlen die doitschen Ämter nach Kenntnis des Webbaeren die Leistungen karenzzeitfrei

  132. #134 Joseph Kuhn
    14. Dezember 2011

    Nachtrag zur oben geführten Diskussion um die korrekte Verwendung des Codes Z73 – auf meine Anfrage dazu beim DIMDI habe ich heute folgende Antwort erhalten:

    “Grundsätzlich ist nach den amtlichen Klassifikationen (ICD-10-GM bzw. OPS) in der jeweils gültigen Version so spezifisch wie möglich zu kodieren, unabhängig vom Ergebnis der Gruppierung. Bei der Kodierung von Diagnosen und Prozeduren im Geltungsbereich des § 301 SGB V sind die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) und die Deutschen Kodierrichtlinien für die Psychiatrie/Psychosomatik (DKR-Psych) in der jeweils gültigen Fassung zu beachten.

    Zur Verwendung der Schlüsselnummern des Kapitels XXI führt die ICD-10-GM 2011 (am Anfang des Kapitels) folgendes aus:

    Die Kategorien Z00-Z99 sind für Fälle vorgesehen, in denen Sachverhalte als “Diagnosen” oder “Probleme” angegeben sind, die nicht als Krankheit, Verletzung oder äußere Ursache unter den Kategorien A00-Y89 klassifizierbar sind. Dies kann hauptsächlich auf zweierlei Art vorkommen:

    a. Wenn eine Person, wegen einer Krankheit oder ohne krank zu sein, das Gesundheitswesen zu einem speziellen Zweck in Anspruch nimmt, z.B. um eine begrenzte Betreuung oder Grundleistung wegen eines bestehenden Zustandes zu erhalten, um ein Organ oder Gewebe zu spenden, sich prophylaktisch impfen zu lassen oder Rat zu einem Problem einzuholen, das an sich keine Krankheit oder Schädigung ist.

    b. Wenn irgendwelche Umstände oder Probleme vorliegen, die den Gesundheitszustand einer Person beeinflussen, an sich aber keine bestehende Krankheit oder Schädigung sind. Solche Faktoren können bei Reihenuntersuchungen der Bevölkerung festgestellt werden, wobei eine Person krank sein kann oder nicht, oder sie werden als ein Zusatzfaktor dokumentiert, der dann berücksichtigt werden muss, wenn die Person wegen irgendeiner Krankheit oder Schädigung behandelt wird.”

  133. #135 Sabine Pointner
    30. August 2012

    Das sich die Burnouts so verbreiten liegt einerseits daran, dass es im beruflichem Umfeld immer mehr Konkurrenz gibt und man immer qualifizierter für teilweise gewöhnliche Arbeiten sein muss. Andererseits liegt es sicher auch daran, dass man viel eher als Burnout gefährdet eingestuft wird und viel eher ein Burnout festgestellt wird.

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