Ich hab meinen vierjährigen Postdoc in Barcelona hinter mir und eine neue Stelle angenommen. Und glücklicherweise hat es auch geklappt aus den Ergebnissen im sonnigen Süden ein Manuskript zusammenzuschreiben und dieses in einem Fachjournal zu publizieren. Und weil dem so ist will ich diejenigen, die sich für sowas interessieren damit unterhalten.

Der Titel der Arbeit lautet:
Intra-graft expression of genes involved in iron homeostasis predicts the development of operational tolerance in human liver transplantation.

Ich habe mich also mit Lebertransplantationspatienten beschäftigt, die mindestens drei Jahre zuvor ein Spenderorgan verpflanzt bekamen. In diesen Patienten ist es möglich die immunsuppressiven Medikamente schrittweise zu verringern, was zu einem immunologischen Tolerieren des Spenderorganes führt. Das weiß man, da es diverse non-konforme Patienten gab, die ihre Medikamente in Eigenregie absetzten, aber auch schwere Infektions- oder Tumorerkrankungen ein Absetzen unerlässlich machten. Dieser Zustand wird „Operational Tolerance” genannt, und wird wie folgt definiert: Mehr als 12 Monate ohne immunsuppressive Medikamente und ohne Abstoßungsreaktionen während dieser Zeit. Ein solches Vorgehen ist aber praktisch nur in Leberempfängern beschrieben und mit einer viel geringeren Anzahl in Nierenempfängern. In den Letzteren lässt sich ein Absetzen der immunsuppressiven Medikamente auch nicht gewollt klinisch durchführen, da eine Abstoßungsreaktion mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Verlust des Organs führt und damit nicht vertretbar ist. Daraus wurde in den letzten zehn Jahren die Praxis entwickelt, in Lebertransplantationspatienten ein graduelles und klinisch überwachtes Absetzen der Immunsuppressiva als potentielle Therapie zu erproben. Dies ist angebracht, da die Immunsuppressiva starke Nebenwirkungen besitzen und zu erheblich höheren Infektions- und Tumorerkrankungsraten führen können, da das unterdrückte Immunsytem nicht mehr mit diesen Situationen fertig wird. Wahrscheinlich macht dies die besonders hohe Regenerationsfähigkeit der Leber und deren immunprivilegierter Status erst möglich, da es im Falle einer Abstoßungsreaktion während der Entwöhnung relativ unproblematisch ist, die immunsuppressiveTherapie fortzuführen, ohne bleibende Schäden am wertvollen Spenderorgan zu verursachen.

Was habe ich also gemacht? Patienten, die eine Reihe von klinischen Auswahlkriterien erfüllen mussten, wurde im Rahmen einer klinisch überwachten Studie angeboten, die Immunsuppressiva über einen Zeitraum von 6-9 Monaten zu minimieren. Von diesen Patienten wurde vor Beginn der Studie eine Leberbiopsie entnommen und eingelagert. Im Falle einer Abstoßungsreaktion wurde erneut eine Lebergewebsprobe entnommen und am Ende eines 12monatigen immunsuppressionsfreien Follow-ups erneut. Aus einem Teil dieser Gewebsproben wurden die notwendigen histologischen Mikroskopiepräparate hergestellt, die den Pathologen dazu dienen ein Maß für die Leberschädigung zu ermitteln. Aus dem Rest extrahierte ich die RNA, also eine Mischung aus hauptsächlich ribosomaler (rRNA) und messenger RNA (mRNA). Die mRNA ist ein Spiegel der aktiv trankribierten Gene einer Zelle, also das Repertoire der Gene, die für die Homöostase der Zelle notwendig sind, aber auch Gene, die an potentiellen pathologischen Prozessen und Veränderungen beteiligt sind. Und genau das interessierte uns. Die Hauptfrage meiner Arbeit war: Gibt es Unterschiede im transkriptionellen Repertoire der Leberzellen dieser Patienten vor Beginn der Minimierung der Immunsuppression. Denn solche Unterschiede könnten den Erfolg dieses Therapieansatzes vorhersagen. Dies wäre enorm nützlich, da man dann Patienten vor der Medikamentenentwöhnung testen könnte und beim Vorhandensein spezifischer Biomarker gefahrlos ein Absetzen der Immunsuppression einleiten könnte. Außerdem interessierten uns die Parameter, die dies kausal ermöglichen, um diese zukünftig als potentielle Therapie zu verwenden um Patienten die keine Toleranz entwickeln therapeutisch in dieser Richtung zu behandeln. Denn letztendlich wäre dies der „Heilige Gral” in der Transplantationsforschung, da es den Einsatz der auf lange Sicht problematischen Immunsuppressiva, unnötig machen würde.
Als erstes wurden diese RNA-Proben einer Microarray-Analyse unterzogen, bei der die mRNA-Schnipsel mit repräsentativen Sonden, die praktisch das gesamte Genom abdecken, hybridisiert werden. Dabei binden die in der Probe vorhandenen mRNAs an die definierten Sonden des Chips und werden mit einem Fluoreszenzfarbsoff markiert, der deren Quantifizierung ermöglicht. Das ganze findet auf einem wenige Quadratzentimeter großen Glasträger statt, der die definierten Gen-Sonden in winzigen Mikropunkten trägt. Dies ergibt dann nach einer computergestützten Analyse, die verschiedene Filteralgorythmen und statistische Berechnungen umfasst, eine Liste mit den ca. 35 000 übriggebliebenen Genen, die die Qualitätskontrolle passierten. Und in dieser Liste kann man den Unterschied zwischen den beiden Gruppen, also den toleranten und den nicht-toleranten Patienten, als sogenannten fold-change, also einen x-fachen Unterschied, der Genaktivität, ablesen. Zusammen mit der statistischen und Signifikanz dieses Unterschiedes, lässt sich dann die sogenannte False Discovery Rate, also die Wahrscheinlichkeit der Falschentdeckung berechnen, die besagt, mit wieviel Pozent Wahrscheinlichkeit, dieser Wert für eine klassifizierung herangezogen werden kann. Und zu unserem Erstaunen waren in der Liste der am unterschiedlichsten regulierten Gene mehrere Kandidaten des Eisen-Stoffwechsels enthalten. Ein vollkommen neues Ergebnis, da wir eher Gene erwartet hätten, die eine Rolle in der Regulation des Immunsystems übernehmen. Doch nach einigem Wälzen der Literatur wurde genau dieser Link klar, denn das Regulationssystem des Eisenstoffwechsels ist eng mit der Immunantwort verbunden und diverse Signalgeber des Immunsystems beeinflussen direkt die Kontrolle der Eisenverfügbarkeit. Dies macht auch Sinn, da für viele Pathogene das Eisen direkt eine Wachstumslimitierende Rolle einnimmt. So kann die Entfernung des Eisens aus der Zirkulation beispielsweise direkt das Wachstum bakterieller Erreger eindämmen und diese so angreifbarer machen. Und auch viele andere sehr wichtige Prozesse wie die Vervielfältigung der DNA bei der Zellteilung und der mitochondrielle Energiehaushalt benötigen Eisen als Kofaktor enzymatischer Prozesse. Also eine sehr interessante neue Entdeckung.
Unabhängige Validierungsexperimente mittels quantitativer Realtime-Kettenreaktion bestätigten diese Ergebnisse und diverse Messungen von Eisen-Parametern im Blut und Serum und in den histologischen Leberpräparaten zeigten ebenfalls statistisch signifikante Unterschiede zwischen den beiden Patientengruppen.
Wir sind also auf einen neuartigen regulatorischen Einfluss des homöostatischen Eisenstoffwechsels in Lebertransplantationspatienten gestoßen, der eine prädiktive Klassifizierung dieser Patienten in potentiell tolerante und nicht-tolerante Organempfänger ermöglichte. Ob dies auch tatsächlich kausal an der Etablierung der Toleranz beteiligt ist oder eben nur einen „Bystander” Effekt darstellt muss nun durch weitere funktionelle Untersuchungen in geeigneten Tiermodellen nachgewiesen werden.

ResearchBlogging.orgBohne F, Martínez-Llordella M, Lozano JJ, Miquel R, Benítez C, Londoño MC, Manzia TM, Angelico R, Swinkels DW, Tjalsma H, López M, Abraldes JG, Bonaccorsi-Riani E, Jaeckel E, Taubert R, Pirenne J, Rimola A, Tisone G, & Sánchez-Fueyo A (2012). Intra-graft expression of genes involved in iron homeostasis predicts the development of operational tolerance in human liver transplantation. The Journal of clinical investigation, 122 (1), 368-82 PMID: 22156196

Kommentare (6)

  1. #1 SteterTropfen
    Januar 11, 2012

    Schöne Arbeit mit in der Tat interessantem Ergebnis, noch dazu mit gutem Impact publiziert.

    Glückwunsch!

  2. #2 Felix Bohne
    Januar 12, 2012

    @SteterTropfen: Herzlichen Dank!

  3. #3 Ludger
    Januar 12, 2012

    Ich kenne eine Frau, die vor ca 8 Jahren eine Lebertransplantation wegen einer Autoimmunhepatitis ( https://de.wikipedia.org/wiki/Lupoide_Hepatitis )gebraucht und bekommen hat. Seither hat sie unter Ciclosporin und co. etwa sechs Basaliome entwickelt. Leider wird man den kontrollierten Absetzversuch wohl nicht bei der o.a. Grunderkrankung wagen.

  4. #4 Felix Bohne
    Januar 12, 2012

    @Ludger: Ein Verdacht auf Autoimmunhepatitis war Ausschlusskriterium in dieser Studie, da betroffene Patienten leider viel schwieriger zu stabilisieren sind. Wenigstens sind es nur Basaliome, da kommt es m. W. ja sehr selten zu Metastasierung. Danke für dein Komentar

  5. #5 Theres
    Januar 13, 2012

    Mehr Absätze würden den sehr interessanten Text lesbarer gemacht haben …

  6. #6 Felix Bohne
    Januar 18, 2012

    Buahhh. Kommen die von Nature Reviews Gastroenterology Hepatology doch tatsächlich auf die Idee meine Arbeit als Research Highlight vorzustellen: https://www.nature.com/nrgastro/journal/vaop/ncurrent/full/nrgastro.2011.264.html
    Yipiehhh! Freu!!