Der stressige und belastende Arbeitsalltag von Wissenschaftlern war hier schon Thema und Jörg rief sogar zum Streik auf, weil manche Forschergruppen fast gemobbt werden. Hier mal ein paar lose Gedanken dazu:

Tatsächlich gab es das mal, dass Wissenschaftler gestreikt haben. Und zwar in Israel. Das war im Jahr 2007 und ein Kollege von der Universität in Tel Aviv war daran beteiligt und plauderte aus dem Nähkästchen. Er erzählte, dass er auf die Hälfte seines Salärs verzichtete und die Lehre einstellte.

Denn genau das wurde bestreikt: die Lehre. Publikationen wurden weiter geschrieben. Erstens interessiert es die Regierung und den kleinen Mann auf der Straße exakt null, ob man eine Publikation mehr oder weniger schreibt, zweitens schadet man sich nur selbst, wenn man nicht publiziert, und drittens haben die betreffenden Forscher die freie Zeit gerne genutzt, um mal endlich überhaupt zum Schreiben zu kommen. Schließlich wird es bei denen nicht viel anders mit der Arbeit aussehen, wie bei mir. Viel zu viel in viel zu kurzer Zeit.

Tatsächlich hat der Protest was gebracht. Die Medien berichteten darüber und merkten, dass da etwas Wichtiges fehlte, Verhandlungen mit der Regierung wurden aufgenommen und im Januar 2008 eine Verständigung erreicht.

Wäre das auch hier möglich? Ich meine jetzt nicht den typischen Studentenstreik wie kürzlich/bzw. noch laufend “Uni brennt”.

Die gesamte Hochschul- und Forschungsriege sollte streiken und nicht nur ein Teil davon. Es geht ja nicht wie 1968 darum, verkrustete Strukturen innerhalb der Uni aufzubrechen. Es geht darum sicher zu stellen, dass Unis und Forschungseinrichtungen vernünftig ihre Aufgaben erledigen können. Und die heißt nun mal Forschung und Lehre. Wobei…Immerhin kommt uns zumindest in Köln das Konjunkturpaket zu Hilfe. Daraus werden Mittel verwendet, um die hoffnungslos veraltete und teilweise völlig marode Baustruktur zu erneuern. Wir können also hoffen, das solche Zustände weniger werden.

Wenn ich von “gesamter Hochschul- und Forschungsriege” spreche, wird es bei uns in Deutschland sehr kompliziert. Viele Professoren sind immer noch Beamte. Aber auch Beamte haben in der Vergangenheit diese Klausel geschickt umgangen. Wenn die Professoren wirklich nur “Dienst nach Vorschrift” schieben würden, würden so einige Unis ihr blaues Wunder erleben.

Doch was ist mit den “anderen”, die oft die Lehre und die Forschung gerade erst ermöglichen? Studentische Hilfskräfte, Doktoranden, die so genannten “wissenschaftlichen Angestellten”? Viele werden gar nicht von der Uni, sondern über so genannten Drittmitteln bezahlt. Sie beziehen ihr Geld z.B. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Uni ist also für diese Gruppe gar nicht der richtige Ansprechpartner für einen Streik. Und die DFG ist im Grunde auch nur ein Geldverwaltungsorgan des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Eigentlich müsste die Gewerkschaft Bildung und Forschung (GEW) daher einen bundesweiten Streik organisieren. Oder doch Verdi? Schon verwirrend zwei Gewerkschaften zu haben, die prinzipiell für einen verantwortlich sein könnten.

Die Forschungslandschaft ist ähnlich fragmentiert. Ein Streik sollte nicht nur die Unis einbeziehen, sondern auch Forschungsreinrichtungen wie die Fraunhofer- und Max-Planck-Institute und Aninstitute. Aninstitut? Was is’n das? Da arbeite ich z.B. derzeit. Aninstitute sind seltsame Zwittergebilde. Nominell an eine Uni angeschlossen – wie wir hier an die Uni Köln – in der Praxis aber mit eigener Finanzierung und teilweise sogar eigenen Räumlichkeiten. (1) Manche Forscherguppe hat diesen Weg gewählt, um den restriktiven Vorgaben des öffentlichen Dienstes zu entkommen. Ich erinnere da an das unselige Hochschulrahmengesetz, das im Grunde ein Berufsverbot für Forscher des Mittelbaus darstellte. Irgendwie scheint es nach diesem Gesetz zwischen Professor und Doktorand gar nichts mehr zu geben. Was gerade in Gruppen mit hochspezialisierten Experimenten absoluter Schwachsinn ist und das defacto-Todesurteil für solche Arbeitsgruppen bedeutet. Wie soll man solche Experimente mit unerfahrenem und alle paar Jahr wechselndem Personal betreiben? Der Professor kann es nicht, weil der genügend andere Dinge zu tun hat. Aninstitute erlaubten es da den dringend notwendigen Mittelbau zu halten. So manche Arbeitsgruppe ist auch in ein An-Institut “geflüchtet”, weil neue Institutsleiter in eine andere Richtung mit der Forschung wollten und auf einmal für die Arbeitsgruppe kein Platz mehr da war. Aninstitute sind auch freier in der Finanzierung. Außer über die klassischen rein staatliche Drittmittel, können die sich auch teilweise von der Wirtschaft und auch über Stiftungen finanzieren. Wir können sogar Geld- und Sachspenden von Privatpersonen und Firmen annehmen.

Das Ganze wird noch komplizierter, weil die Kompetenzen für die Gebiete, auf denen wir arbeiten, Bildung und Forschung innerhalb von Bund- und Ländern unterschiedlich verteilt sind. Raumfahrt wird außerdem seit einigen Jahren verstärkt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie [sic!] gefördert. Es ist ein heilloses Durcheinander. Die GEW nennt die Strukturen sogar dysfunktional.

Ich denke aber, es würde schon helfen, wenn so eine Horde Forscher mit Transparenten vor dem Kanzleramt stünde und mal darauf aufmerksam machen würde, unter welchen Bedingungen wir arbeiten. Wie unser Arbeitsalltag aussieht. Wieviel wir wirklich verdienen. Wir sollten uns auch stärker in Gewerkschaften und in der Politik zu engagieren. Wenn wir nicht für Bildung und Forschung Lobbyarbeit machen, wird es kein anderer tun.
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(1) Was in unserem Fall eine deutliche Verbesserung war. Keine alle paar Woche stinkenden Klos, keine Gefahr des Hitzschlages im Hochsommer, Fenster, die sich öffnen lassen, W-Lan-Anschluss. Wahnsinn.

Kommentare (16)

  1. #1 Christian Reinboth
    März 29, 2010

    Sehe da ähnliche Probleme wie Du: viele Beamte, keine einheitliche gewerkschaftliche Organisation, teils unterschiedliche Zielstellungen…

    Aninstitute sind auch freier in der Finanzierung. Außer über die klassischen rein staatliche Drittmittel, können die sich auch teilweise von der Wirtschaft und auch über Stiftungen finanzieren. Wir können sogar Geld- und Sachspenden von Privatpersonen und Firmen annehmen.

    Richtig, allerdings muss man sich als Gegenleistung für die vielen Freiheiten auch meist selbst um die Geldbeschaffung kümmern. Nach fast vier Jahren in einem An-Institut kann ich nur feststellen, dass man für das “Fundraising” enorm viel Zeit aufwenden muss, die dann für Forschung oder Publikationen nicht mehr zur Verfügung steht. Hat also alles seine Sonnen- und seine Schattenseiten…

    Ich denke aber, es würde schon helfen, wenn so eine Horde Forscher mit Transparenten vor dem Kanzleramt stünde und mal darauf aufmerksam machen würde, unter welchen Bedingungen wir arbeiten. Wie unser Arbeitsalltag aussieht. Wieviel wir wirklich verdienen. Wir sollten uns auch stärker in Gewerkschaften und in der Politik zu engagieren.

    Meine Rede seit Jahren. Wobei ich bezweifle, dass eine einzige Demo viel bewirkt – mehr dürfte es bringen, die lokalen politischen Entscheidungsträger einfach mal einzuladen und ihnen den zerbröselnden Putz und die Arbeitsbedingungen live vorzuführen. Wobei sich natürlich bei jeder Form des politischen Engagements bei vielen Wissenschaftler/innen aufgrund der zeitlichen Beanspruchung ein Zielkonflikt ergeben dürfte…

  2. #2 Jörg
    März 29, 2010

    Die großen Forschungszentren sind auch vom Bund bezahlt…die ganze Sache ist einfach heillos verstrickt. Das hat man jetzt davon, dass die Wissenschaft so selektiv arbeitet, dass eigentlich nur noch die übrig bleiben die quasi bereit sind, ihr Leben der Wissenschaft zu opfern. Das sehe ich eigentlich als größtes Problem: Alles muss exzellent sein, jeder soll alles mögliche machen, aber belohnt wird fast nichts. Mit dieser organisierten Demotivation kann man recht sicher sein, dass Deutschland nach und nach an Bedeutung verlieren wird.

  3. #3 Ludmila
    März 29, 2010

    @Christian: Diesbezüglich hat sich kaum was geändert, seit wir ausgewandert sind. Es war auch an der Uni schon so, dass alle Stellen bis auf eine einzige über Drittmittel finanziert wurden. D.h. in der Einwerbemühle steckten wir auch drin. Und ich weiß, was Du meinst. Nach dem Antrag ist vor dem Antrag 😉

    Nur die Infrastruktur war an der Uni gestellt. Aber wie gesagt, war die nun wirklich nicht vom Feinsten.

  4. #4 Stefan
    März 29, 2010

    “Eigentlich müsste die Gewerkschaft Bildung und Forschung (GEW) daher einen bundesweiten Streik organisieren. Oder doch Verdi?”

    Hmm, also nach meiner natürlich ganz subjektiven Erfahrung, ist der gewerkschaftliche Organisationgrad der Akademiker nunmal sehr gering, also warum sollte sich ver.di um deren Probleme kümmern? Eine Gewerkschaft kümmert sich nunmal um ihre zahlenden Mitglieder. In meinem beruflichen Umfeld haben die Akademiker praktisch keine Allgemeinbildung was Gewerkschaftsarbeit anbelangt man muss da wirklich bei Adam und Eva anfangen, wenn es um Dinge wie Betriebsrat oder so geht. Stattdessen arbeiten die Akdemiker mit Verträgen, die jedem Gewerkschaftssekretär die Zornesröte ins Gesicht treiben würde. Woran liegt das? Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Uni karriereorientierte Einzelgänger hervorbringt, die sich lieber irgendwie durchwurschteln, statt sich für ordentliche Strukturen einzusetzen.

    So sehe ich das als Außenseiter.

  5. #5 Sven Türpe
    März 29, 2010

    Ich denke aber, es würde schon helfen, wenn so eine Horde Forscher mit Transparenten vor dem Kanzleramt stünde und mal darauf aufmerksam machen würde, unter welchen Bedingungen wir arbeiten. Wie unser Arbeitsalltag aussieht. Wieviel wir wirklich verdienen.

    Die Teilnahme am Arbeitsmarkt wäre eine Alternative. Dazu ist er nämlich da.
    Ich lass den Kommentar jetzt ausnahmsweise stehen. Auch weil er zeigt, warum Sie hier gesperrt sind. Der nächste Kommentar wird wieder ungelesen gelöscht.

  6. #6 Stefan
    März 29, 2010

    @Sven Türpe: WOW und ich hatte schon Angst, mein Kommentar sei unqualifiziert. Danke fürs unterbieten!

  7. #7 Ludmila
    März 29, 2010

    @Stefan: Ich beobachte eine Kultur der “Selbstausbeutung und auch noch stolz drauf sein.”

    Kollegen, die man trotz gesundheitlicher Probleme wahrscheinlich irgendwann mit den Füßen voraus aus dem Institut tragen muss, Kollegen, die erst nach massiven Druck seitens der Ehefrau mal länger Urlaub machen, Kollegen, die grinsend erzählen, wie sie bei der DLR zu Stechuhr-Zeiten, die Stechuhr abstempelten und wieder zurück zur Arbeit gingen. Das wird einem vorgelebt und mit größter Selbstverständlichkeit vom akademischen Nachwuchs erwartet. Beim Arbeitsschutz sieht es ähnlich aus. Das wird doch eher lasch gehandhabt. Da werden auch schon mal Kollegen bei einer Feurschutz-Übung alle Jubeljahre mal “vergessen” bzw. die gehen nicht raus, wenn der Alarm schrillt.

    Forscher sind schon komische Käuze 😉

  8. #8 Sven Türpe
    März 29, 2010

    Gelöscht.

  9. #9 Sven Türpe
    März 29, 2010

    Sie sind hier unerwünscht. Das hab ich Ihnen sicherlich zig-Mal gesagt.

  10. #10 Florian Freistetter
    März 29, 2010

    Mein Bürokollege hier in Heidelberg ist extrem engagiert was Gewerkschaften etc angeht. Vielleicht kann ich ihn überreden, mal einen Gastbeitrag zum Thema zu schreiben.

  11. #11 kecks
    März 30, 2010

    “Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Uni karriereorientierte Einzelgänger hervorbringt, die sich lieber irgendwie durchwurschteln, statt sich für ordentliche Strukturen einzusetzen.”

    …naja, das System produziert, jedenfalls in den Geisteswissenschaften, durch seine Struktur in der Tat Einzelkämpfer.

    Einzelkämpfer sind sie aber nicht, weil ihnen die Verbesserung der Strukturen gleichgültig wäre, sondern eher deshalb, weil sie sich dermaßen mit ihrem Job/Forschungsgegenstand identifizieren, dass sie bereit sind, Zustände (Zeitverträge, halbe Stellen, Beeinflussung durch Dienstvorgesetzte (–> Professoren) bei politischer Arbeit in Gremien, besagtes lächerliche Hochschulrahmengesetz usw.) hinzunehmen, die jeder andere derart qualifizierte Arbeitnehmer nicht mal im Ansatz akzeptieren würde.

    Anders gesagt: Das System züchtet keine egoistischen Einzelkämpfer, sondern einzelkämpferische Freaks, die sich voll und ganz mit ihrem Tun identifizieren.

  12. #12 Mathias
    März 30, 2010

    Wenn ich sehe, wie meine Freundin sich mit halben WM-Stellen durchschlägt, und nach einer Doktorantenstelle sucht, und nun Opfer des 5 Jahresklausel wurde, und nun in einem Loch ist, frage ich mich schon Lange, ob sich das alles lohnt.
    Lohnt es sich überhaupt noch zu studieren, und sich den ganzen Frust anzutun?
    Man muss doch heutzutage bescheuert sein, sich auf das ganze einzulassen.
    Forschung unter den derzeitigen Rahmenbedinungen lohnt sich nicht..
    Keine Planungssicherheit, nur befristete Stellen, miese Bezahlung, und dank WM-Stellen auch miserable Sozial abgesichert!
    Dazu ist es auch noch sehr schwer, wenn man im gleichen Forschungsgebiet arbeitet, da man ja nie weiß, ob man auch in der gleichen Stadt einen Job findet..und wenn ja, wie lange.. Beziehungen sind da auch schwer..

    Wenn man nicht die Forschung lieben würde…

  13. #13 Leoman
    März 30, 2010

    Geoman, haben Sie sich doch durch den Filter durchgemoggelt. Gesperrt ist und bleibt aber gesperrt.

  14. #14 Anika
    März 31, 2010

    Hallo

    wir kennen uns nicht, dennoch würde ich Ihnen gerne sagen das ich grossen Respekt vor ihrem Wissen habe!

  15. #15 Ludmila
    März 31, 2010

    @Anika: Na, dann hoffe ich mal, dass Dein Respekt nicht so groß ist, dass Du Dich nicht traust was zu fragen. Dafür ist der Blog nämlich da.

  16. #16 Das Blog
    März 31, 2010

    Und dass der Blog ein peinlicher Lapsus ist, lernen wir auch noch irgendwann.