Heute wurde in Rom der Welternährungsgipfel fortgesetzt. Seit gestern beraten hochrangige Politiker und renommierte Experten über Konzepte im Kampf gegen die weltweite Lebensmittelkrise. Neben Sofortmaßnahmen gegen die akuten Versorgungsengpässe, sind nun auch mittel- und langfristig wirksame Strategien gefragt.

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Doch an welchen Stellschrauben kann man ansetzen? Ist am Ende alles nur ein Verteilungsproblem? Oder brauchen wir besseres, ertragreicheres Saatgut? Liegt die Zukunft in hochindustrialisierter Landwirtschaft oder liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Unterstützung von Kleinbauern in den einzelnen Ländern? Und welcher Zusammenhang besteht zwischen der steigenden Nachfrage nach Biosprit und der Preisexplosion bei Nahrungsmitteln?

Soforthilfeprogramm angekündigt: 1,2 Milliarden Dollar für den Kampf gegen den Welthunger

Solche und ähnliche Fragen werden zur Stunde in Rom debattiert. Und mit Sicherheit gehen die Meinungen darüber weit auseinander. Ein erstes (erfreuliches Zwischenergebnis) wurde vor wenigen Stunden bekannt: die UNO kündigte an, daß Soforthilfen in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar bereitgestellt werden sollen. Diese Gelder sollen rund 75 Millionen Menschen in ca. 60 Ländern zugute kommen, die am stärksten von der derzeitigen Krise betroffen sind.

Als Signal ist dieses Sofortprogramm sicher zu begrüßen. Die offene Frage, wie mittelfristig die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung sichergestellt werden kann, bleibt jedoch bestehen. Und egal, wie die Akzente gesetzt, welche Programme aufgelegt werden: es wird Geld kosten. Sehr viel sogar. Die heute in Aussicht gestellten 1,2 Milliarden Dollar reichen tatsächlich nur, um die akuten Krisensymptome zu bekämpfen.

1200 Milliarden Dollar betragen die jährlichen Rüstungsausgaben. Schon mit mit 30 Milliarden besiegen wir den Hunger.

Jacques Diouf, in seiner Eigenschaft als Generaldirektor der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) gleichzeitig Gastgeber der Konferenz, erklärte gestern, daß rund 30 Milliarden Dollar pro Jahr notwendig seien, um den Kampf gegen den Welthunger erfolgreich zu führen. Eine Riesensumme. Wenn man allerdings bedenkt, daß die weltweiten Rüstungsausgaben sich jährlich auf 1200 Milliarden Dollar summieren, so relativiert sich diese Zahl recht schnell.

Eigentlich müßten sich die Konferenzteilnehmer von Rom doch nur vor Augen führen, daß (wie neueste Schätzungen der Weltbank zeigen) die Zahl der Hungernden schon bald um 100 Millionen auf 950 Millionen anzusteigen droht. Und daß es – wenn man keine nachhaltigen Rezepte findet – nicht bei den verhältnismäßig harmlosen Protesten bleibt, wie wir sie im Frühjahr in Haiti, Ägypten oder Mexiko erlebt haben, liegt auf der Hand.

Schluß mit Agrarprotektionismus, Stärkung von Kleinbauern vor Ort

Sicher ist ein ganzes Maßnahmenbündel nötig, das verschiedene (ökonomische, soziale, technologische) Faktoren berücksichtigt. Und ebenso sicher ist viel Mut und Durchsetzungskraft erforderlich, um sich gegen die Besitzstandswahrer und Nutznießer des aktuellen Systems durchzusetzen.

Welche Punkte wären innerhalb dieses Maßnahmenpakets wünschenswert und denkbar?

  1. Beendigung des klassischen Agrarprotektionismus der Industrieländer. Der Irrwitz, daß die Industrienationen jährlich 370 Milliarden Dollar aufwenden, um ihre Landwirtschaft vor Agrarexporten aus den Entwicklungs- und Schwellenländern zu schützen, muß aufhören.
  2. Intensivierung der (wissenschaftlichen) Anstrengungen, um ertragreicheres Saatgut zu entwickeln. Zugleich muß das (lukrative) Saatgutgeschäft entzerrt werden – es hilft nichts, wenn man Forschung und Vermarktung des Saatguts ausschließlich in den Händen von Monsanto und Co. belässt. Daß die Biotechnologie – jedenfalls in ihrer heutigen (ökonomischen) Spielart – weniger ein Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist, habe ich bereits hier ausgeführt.
  3. Stärkung der lokalen, kleinteiligen Landwirtschaft, wie im IASSTD-Bericht gefordert. Kleinbauern und regionale Vertriebswege müssen gestärkt werden.
  4. Entwicklung geeigneter Konzepte, um zu verhindern, daß Lebensmittel und Rohstoffe auf den internationalen Märkten als Spekulationsobjekte strategisch eingesetzt werden. Nahrungsmittelpreise dürfen nicht in dem Maß wie derzeit ein Spielball von ökonomischen (Teil-)Interessen sein.
  5. Sicherstellung, daß Hilfsgelder nicht in dunkle Kanäle versickern. Nicht bei der FAO, nicht in den Empfängerländern.

Das meine kurze Liste. Vielleicht werfen die Damen und Herren in Rom einen kurzen Blick darauf? Wenn nicht, würde ich mich ja schon freuen, wenn Sie wenigstens die Empfehlungen ihres eigenen Expertenrats (vgl. Punkt 3) berücksichtigen würden.