So einfach ist Finanzmathematik.

Kevin Slavin von Area/Code letzten Mittwoch bei TED: “How Algorithms shape our World”

Kommentare (12)

  1. #1 Christian A.
    24. Juli 2011

    Das ist schon ein bißchen irre, was er da erzählt. Für einen 3ms-Zeitvorteil gräbt man also einen Riesengraben von Chicago nach NY? Aber ich stell mir das ziemlich interessant vor, nach diesen Algorithmen zu suchen.

  2. #2 AndreasM
    24. Juli 2011

    In diesem Talk werden Dinge in einen Topf geworfen, die nicht in einen Topf gehören.
    Einerseits Algorithmen, die reale Probleme lösen wie der Aufzugsalgorithmus und andererseits Algo Trading.
    Algo Trading fügt den Finanzmärkten keine Fundamentalinformationen hinzu. Es führt nicht zu korrekteren Preisen, sondern es nutzt nur parasitär Eigenheiten der Finanzmärkte aus. Dadurch wird dann wiederum das Verhalten der Finanzmärkte verändert und irgendwann spielen die Algorithmen hauptsächlich in einer selbsterfüllenden Prophezeiung gegeneinander. An dem Punkt gewinnt der Schnellste natürlich.
    Das ändert aber nichts daran, dass das alles Wahnsinn ist. Es wird viel an Rechenkapazität und Manpower in diese Algorithmen investiert aber dabei kommt nicht wirklich etwas heraus in der Summe, da jeder solche Gewinn der Verlust eines anderen ist.

    Es wird Zeit, eine Transaktionssteuer einzuführen, um solchen Algorithmen die Grundlage zu entziehen (inklusive aller Abarten des Daytrading).
    Nur wenn aufgrund von Fundamentaldaten nach guter Überlegung gehandelt wird, sind auch die Preise am Ende sinnvoll.

  3. #3 Henry
    25. Juli 2011

    Kann mir jemand ein gutes Buch über Algo-trading empfehlen? Ich würde mich gerne näher mit der Materie beschäftigen.

  4. #4 Pyramus
    25. Juli 2011

    @AndreasM: “Es führt nicht zu korrekteren Preisen, sondern es nutzt nur parasitär Eigenheiten der Finanzmärkte aus.”

    Nun, ohne Begründung bleibt eine Behauptung halt nur eine Behauptung. Der aktuelle Stand der Forschung ist da differenzierter, siehe z.B. die Arbeiten von Menkveld, Kearns oder Brogaard. Es scheint einen wissenschaftlichen Konsens zu geben, dass die positiven Aspekte des High Frequency Trading überwiegen.

  5. #5 vonjd
    25. Juli 2011

    @Henry: Das beste Buch für den Einstieg in Program Trading, Algo Trading und High-Frequency-Trading (HFT) ist definitiv: Inside the Black Box: The Simple Truth About Quantitative Trading (Wiley Finance) v. Rishi Narang https://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/0470432063/348-62-21

  6. #6 Henry
    25. Juli 2011

    @vonjd: Vielen Dank! Das werd ich mir mal ansehen.

  7. #7 AndreasM
    25. Juli 2011

    @Pyramus:
    Der Fundamentalzweck von Finanzmärkten ist die Bestimmung von Preisen. Die Annahme ist, dass es einen “wahren” Preis gibt und dass die Akteure alle einen wahrgenommenen Preis haben. Liegt der momentane Preis über diesem, verkaufen sie, liegt er darunter, kaufen sie. Dann sollte sich aus dieser Mischung von Preiswahrnehmungen ein “wahrer” Preis ergeben.
    Gesteuert werden sollten diese Preiswahrnehmungen von externen Informationen.
    Und zwar eigentlich nach langfristigen Überlegungen.

    Im Hochfrequenzhandel ist aber nicht das, was belohnt wird. Insbesondere nicht, sobald ich eine Unmenge an algorithmischen Händlern hinzufüge, die von internen Informationen wie Kursverlauf dominiert werden. Dazu kommen dann noch Algorithmen, die externe Informationen nach ritualisierten Schemata verarbeiten.
    Die Folge davon ist, dass das beste Verhalten ist, das Gleiche wie die anderen Algorithmen zu tun, nur schneller. Es kommt nicht darauf an, ob das eine sinnvolle Evaluierung externer Information ist oder nicht.

    Wie soll so ein Verhalten zu besser bestimmten Preisen führen, wenn die selbsterfüllende Prophezeiung über die Fundamentalinformationen dominiert?
    Schlimmer noch: eine Menge solcher algorithmischer Agenten bildet ein Gesamtsystem, das chaotisches Verhalten an den Tag legen kann (sieht u.a. den Flash Crash, der auch im Talk erwähnt wird).

    Letztendlich ist das aber natürlich nur ein Teilaspekt eines Finanzsektors, der sich über alle Maße vergrössert und von der realen Wirtschaft mehr und mehr abkoppelt.

  8. #8 Stefan W.
    25. Juli 2011

    Die Annahme ist, dass es einen “wahren” Preis gibt und dass die Akteure alle einen wahrgenommenen Preis haben. Liegt der momentane Preis über diesem, verkaufen sie, liegt er darunter, kaufen sie.

    Es gibt nur einen wahren Preis, und das ist der empirische Preis, zu dem nun mal gehandelt wird. Und da zu einem Kauf immer auch ein Verkauf gehört, gibt es zu steigenden oder fallenden Preisen auch nicht mehr Käufe oder mehr Verkäufe.

    Wenn aber der wahre Preis immer nur der aktuelle Preis ist, wie er sich darstellt aufgrund von Handelsentscheidungen, dann ist es auch richtig diesen Preis vorher zu bestimmen.

    Wenn die Mehrheit der Händler glaubt, im Sternzeichen Fische sollte mehr Gold gekauft werden, dann kann ich warten, bis der Preis gestiegen ist, und dann kaufen, oder ich kann versuchen denen, die im Sternbild Fische kaufen wollen, zuvorzukommen, und so bekloppt wie die Idee der Sternzeichen ist – sobald eine signifikante Menge das glaubt, steigen die Preise.

    Ob die Kurse aus falschen oder richtigen Gründen steigen – wer sollte denn entscheiden, was richtige Gründe sind, und was falsche? Wenn es einen richtigen Preis gibt, wieso kennt den dann keiner?

    Ich empfehle mal Marx zur Frage von Gebrauchs- und Tauschwert zu lesen.

  9. #9 AndreasM
    26. Juli 2011

    Es gibt einen “wahren” Preis. Natürlich nicht als Absolutwert. Nur das Verhältnis zwischen dem Preis aller Objekte zählt.
    Dummerweise ist dieser Preis von einer Unmenge von Informationen (je mehr, desto besser) und einer akkuraten Abschätzung aller möglichen Verläufe in der Zukunft abhängig und damit nicht direkt berechenbar.

    Mit dem aktuellen Kurs hat das nichts zu tun aber im Idealzustand kann man den Markt als Heuristik zur Abschätzung dieses “wahren” Preises sehen. Herdentrieb aller Art stört da nur, da die Einzelnen dabei nicht mehr eigene Informationen und Vorhersagen in das System einspeisen. Und wie du darstellst, wenn genügend Händler an etwas glauben, egal wie idiotisch, dann tritt es auch ein. Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.

  10. #10 Stefan W.
    26. Juli 2011

    Es gibt einen “wahren” Preis. Natürlich nicht als Absolutwert. Nur das Verhältnis zwischen dem Preis aller Objekte zählt.

    Es gibt keinen ‘wahren’ Preis, und der Preis ist das Austauschverhältnis im Vergleich zu allen anderen Waren.

    … und damit nicht direkt berechenbar.

    Nicht nur nicht direkt berechenbar – er ist auch nicht annähernd berechenbar, oder wie berechnet man den Preis? Als Grenzkosten der Produktion, bei vielen Gütern, aber bei vielen auch nicht.

    Und die Grenzkosten sind natürlich selbst wieder Preise, die man auch berechnen müßte, wodurch man in eine Rekursion gerät.

  11. #11 AndreasM
    26. Juli 2011

    Ja, er ist auch nicht annähernd berechenbar und ja, das Gleichungssystem lässt wahrscheinlich mehrere Lösungen bzw. Szenarien zu, aber eben bei weitem nicht alle möglichen Preiskombinationen.
    Die Randbedingungen sind u.a. die begrenzten volkswirtschaftlichen Resourcen. Aber natürlich auch die Abhängigkeiten, die auch in Grenzkostenberechnungen eingehen. Dazu kommen dann noch ein Haufen Einschätzungen von möglichen Zukunftsszenarien und ihrer Wahrscheinlichkeit.
    Ja, definitiv ein Horrorgleichungssystem.

    Was aber nichts daran ändert, dass man versuchen kann, näherungsweise Teile davon abzuschätzen.

  12. #12 Ulfi
    28. Juli 2011

    Ich muss AndreasM widersprechen. Um den “wahren” Preis anzunähern sind nicht nur neue Informationen noptwendig. Solange Informationen nicht über den Markt verteilt werden, sodass jeder Händler sie kennt, sondern nur wenige Händler sie haben, kann der wahre Preis nicht erreicht werden.
    Das Resultat ist ein Preisgefälle. Händler, die die Informationen bereits haben, werden den Preis anders festlegen, als Händler die sie nicht haben. Insofern ist es für den Markt positiv, wenn jemand dies ausnutzt und zum Beispiel bei einer Preissteigerung die günstigen Angebote aufkauft und zu einem höheren Preis wieder rein stellt. Die Händler mit den günstigen Angeboten haben dann zwar den “Schaden”, dafür wissen sie aber, dass sie ihre nächsten Angebote teurer rein stellen können. Und damit wurde die Information weiter verbreitet.

    Nichts anderes machen diese Algorithmen.