Fällt beides zusammen, ist Sonntag.

“Heimat des Regens! So möchte ich Dich, Mimigarda, benennen!
Dich, die Krone westfälischen Landes, ich bitte, verzeih mir;
Denn ich will Dich nicht schmähen. Sechs Jahre sinds nun, daß ich hier bin,
aber ich sah Dich nicht anders als triefend vor ständigem Regen.”

(Fabio Chigi aka Papst Alexander VII, 1649)

Über dieses Thema werden in Münster sogar Examensarbeiten geschrieben (nicht über die Korrelation von Niederschlagshäufigkeit und Kirchenbauten, sondern über die “Plausibilität subjektiver Eindrücke”), zum Beispiel letztes Jahr von Frank Weritz.

Diese Arbeit untersucht die Niederschläge in Münster im Vergleich zur übrigen Bundesrepublik für 1961-1990. Die erste Überraschung ist, daß bei der Niederschlagsmenge Münster unter dem Bundesdurchschnitt (wenn auch geringfügig über dem Median) liegt. Das ist aber nicht wirklich überraschend, weil es in Münster zwar häufig, aber nicht sehr stark regnet.

Worum es in der im Titel zitierten Volksweisheit geht, ist natürlich die Niederschlagshäufigkeit. Diese beträgt (für 1961-1990) 190 Tage im Jahr. Im Vergleich zum bundesweiten Durchschnitt (180 Tage) bzw. Median (182 Tage) ist das zwar mehr, aber auch nicht wirklich spektakulär.

Um noch mehr ins Detail zu gehen: Bei Regenfällen über 50 mm am Tag liegt Münster 23,1% unter dem Durchschnitt. Bei Niederschlagstagen zwischen 20 und 50 mm liegt Münster 6,6% unter dem Durchschnitt. Niederschlagswerte zwischen 1 und 20 mm liegen fast genau im Durchschnitt. Niederschlagswerte unter 1 mm liegen 13,9% über dem Durchschnitt. Niederschlagsfreie Tage liegen um 4,9% unter dem Durchschnitt. (Und wer sich jetzt wundert, daß die Prozentrechnung nicht aufgeht: in absoluten Zahlen sind die letzten drei Fälle natürlich die weitaus häufigeren und fallen deshalb stärker ins Gewicht.)

Das Fazit der Arbeit ist jedenfalls, daß die in der Überschrift zitierte Volksweisheit sich wissenschaftlich nicht bestätigen läßt. Wobei die Volksweisheit mit dem subjektiven Empfinden durchaus übereinstimmt. Die Arbeit zeigt also nicht nur eine Diskrepanz zwischen Volksweisheit und Wissenschaft, sondern vor allem eine Diskrepanz zwischen subjektivem Empfinden und objektiven Zahlen.
(Nach einer Umfrage des Soziologischen Instituts von 2006 glauben 19,3% der Münsteraner, daß es in Münster mehr, und nur 8,7%, daß es in Münster weniger regnet als in anderen Städten.)

Was jetzt eigentlich der aktuelle Anlaß für diesen Artikel war: gerade erscheint die EU-Statistik über Regenhäufigkeiten (für 2004) in der Presse. Auf den ersten beiden Plätzen liegen (überraschend, finde ich) zwei deutsche Städte. Allerdings, nicht Münster, sondern Halle und Köln. Münster hat es nicht einmal in die Nähe der Top Ten geschafft. Dort befinden sich neben Halle, Köln und der finnischen Stadt Tampere nur britische/irische Städte.

Übrigens wird in der zitierten Examensarbeit auch die Entstehungsgeschichte des Mythos vom verregneten Münster erörtert. Bekanntlich fanden ja 1643-48 in Münster/Osnabrück die Verhandlungen zur Beendigung des 30-jährigen Krieges statt. (Die katholischen Gesandten verhandelten in Münster, die evangelischen in Osnabrück.) Fabio Chigi,der spätere (ab 1655) Alexander VII., mußte (als Vermittler des Papstes zwischen katholischen Staaten) 6 Jahre in Münster leben und verarbeitete diese Zeit in damals bekannten Gedichten. Weritz vertritt die These, daß der Mythos vom verregneten (und glockenläutenden) Münster auf diese Gedichte zurückgeht. Ernsthafte historische Studien scheint es dazu aber nicht zu geben. Eine andere bekannte Erklärung (die die erste natürlich nicht ausschließt) ist, daß der Ausspruch seine Popularität dem Auftritt des (echten) Gymnasiallehrers Dr.Dr.Allerup im Schamoni-Film “Alle Jahre wieder” verdankt.

Nachtrag (25.9.): Daß Halle die regenreichste Stadt Europas sein soll wird in den Kommentaren auf dem weatherlog übrigens massiv angezweifelt.

Kommentare (1)

  1. #1 Oliver Lenz
    19. Oktober 2008

    Wieso denn eigentlich keine Examensarbeit über die Korrelation von Niederschlagshäufigkeit und Kirchenbau? Als Alexander VII läßt Fabio Chigi später an der Taufkapelle von San Giovanni in Laterano (wohl die älteste und “wichtigste” Taufkirche der Christenheit!) einen Sims anbringen, der in Form eines klassischen Architravs den sonst praktisch schmucklosen, achteckigen Außenbau der Kirche direkt unter dem Dachansatz umläuft. Der glatte Architravbalken ist mit den Abzeichen des Wappens der Familie Chigi (Baum und sonnengekrönter Berg) sowie den Papstinsignien dekoriert; unmittelbar darüber springt der Architrav weit nach außen vor und bildet: eine Traufleiste! Deren praktischer Sinn kann kein anderer gewesen sein, als das ehrwürdige, um 440 n. Chr. errichtete Gebäude vor Regen zu schützen. Durch die Trauf- (oder auch: Tropfleiste) wird sichergestellt, daß das Regenwasser eben nicht am Gebäude herunterläuft, sondern am Dachrand vor einer Hohlkehle Tropfen bildet und so nur in möglichst großem Abstand zum Mauerwerk “niederschlägt”. Regen bleibt – rein qualitativ gesehen – immer Regen. Ciaociao.