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Der zweite Nobelnachmittag auf der Lindauer Insel bot den Teilnehmern die Möglichkeit mit Ciechanover, Molina, Noyori, Neher oder Rowland zu diskutiern. Obwohl diesmal fünf Laureaten (statt drei am Montag) zur Verfügung standen, und das Wetter eher ins Schwimmbad einlud, traf ich bei Aaron Ciechanover auf mindestens 300 weitere Interessierte. Manche mussten im Saal “Bayern” sogar stehen. Er hatte es offensichtlich geschafft mit seinem visionären Vortrag Werbung für sich zu machen.

Die Diskussion verlief in vielen Aspekten anders als zuvor bei Ertl. Bevor Fragen gestellt werden konnten, hielt Ciechanover einen kurzen Vortrag über Aspekte, die er aus Zeitmangel am Morgen nicht ausreichend ansprechen konnte. Nachdem er noch einmal die Vision der personalisierten, genom-basierten Medizin skizziert, macht er deutlich welche ethischen und moralischen Folgen uns erwarten. Wie gehen wir mit der genbasierten “totalen Information” über uns und Andere um? Wie geht man damit um zu wissen, dass man zu 80% Brustkrebs bekommen wird? Zeugt man Nachkommen, wenn man weiß, dass diese das selbe Risiko tragen werden? Zweifelsfrei ein sehr philosophischer Einstieg.

Besonders gefällt mir die nüchterne Art und Weise wie er diese Probleme präsentiert. Vielleicht nicht immer politisch korrekt und manchmal schonungslos, aber klar und prägnant. Er stellt den wissenschaftlichen Fortschritt wegen seiner Implikationen nicht in Frage, weil er ohnehin nicht aufzuhalten ist: “We need this information desperately, but it is explosive!”. Deswegen fordert er eine Auseinandersatzung mit den Problemen und gibt zu selbst keine Lösung zu haben.

Sein Monolog wurde nun von Fragen der Nachwuchsforscher unterbrochen, allerdings fielen seine Antworten sehr lang aus. Man kann sagen, er redet gerne. Manche Fragen über Vorhersagen wies er aber zurück: “Prophecy is only given by fools.”. Am interessantesten fand ich seinen Kommentar bezüglich der modernen Rolle eines Arztes: Früher gab es die Götter in Weiss, welche die gesamte Verantwortung trugen – der Patient hatte die “Klappe zu halten”. Mit wachsendem Wissen über die Komplexität von Krankheiten und der zunehmenden Bereitschaft Ärzte vor Gericht zu zerren, wurde diese Verantwortung auf den Patienten übertragen. Der Arzt berät, aber der Patient entscheidet. Dazu passt, dass er es sich verkneift den Jungforschern die präventive Einnahme von Aspirin (“miracle drug”) zu empfehlen. Er selbst nimmt es jedenfalls, und angeblich jeder Arzt den er kennt auch.

Ansonsten gab es noch ein Fülle zitierungswürdiger Aussagen, die ich nicht übersetzen werde, um sie nicht zu verfälschen:

  • “Life is full of risk, you cannot help it.”
  • “… not a moral world, but a cynical one.”
  • “People are not mice.”
  • “In science you cannot jump […] take it like an onion, layer by layer.”
  • “Complication should not deterr us.”
  • “Information is a revolver: once you pull the trigger, you cannot take it back, it is not yours anymore!”

 » Oliver Schuster ist normalerweise Chemiker und blogt hier aus Neugier i-cf74c23542cfc14867e9edf9231572c7-Oliver_Schuster_40.jpg