Am 9. und 10. März 2012 findet in Berlin der 17. Kongress Armut und Gesundheit statt.

Neu ist das Thema nicht, wie man an der Zahl der stattgefundenen Kongresse sieht, im Gegenteil, das Thema ist sehr alt: Schon im Jahr 1790 hielt Johann Peter Frank, einer der Pioniere der Sozialmedizin, in Pavia eine berühmte Rede über das „Volkselend als der Mutter aller Krankheiten”. Keine Frage: Der Wohlstand in Europa heute ist mit der Situation damals in keiner Weise vergleichbar und die Lebenserwartung aller sozialen Schichten hat sich erheblich verbessert. Dessen ungeachtet ist die soziale Lage auch in Deutschland einer der stärksten Einflussfaktoren auf die Gesundheit. Diejenigen, deren Einkommen weniger als 60 % des Durchschnitteinkommens beträgt, sterben etwa 10 Jahre früher als diejenigen, deren Einkommen 150 % und mehr des Durchschnittseinkommens beträgt. Darüber hatten wir hier vor einiger Zeit schon einmal diskutiert.

Auch vor dem Tod bedeutet soziale Ungleichheit gesundheitliche Ungleichheit. Fast bei allen Krankheitsarten gibt es einen Sozialgradienten, d.h. je schlechter die soziale Lage, desto schlechter die Gesundheit. Nun könnte man in neoliberaler Lesart sagen, jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und für sozial bedingte gesundheitliche Gleichheit gibt es keine gesellschaftliche oder gar staatliche Verantwortung. Das ist aber eine Position, die sich wohl nicht gut begründen lässt, weil man sich seine soziale Lage nicht aussucht und auch bei bestem Bemühen die gesundheitliche Situation nicht völlig von der sozialen Lage ablösbar ist. Vor allem, wenn es um Kinder aus sozial benachteiligten Familien geht, werden solche Thesen zynisch. Auch die Gesundheit der Kinder ist durch die soziale Lage der Familien geprägt, vom Auftreten psychischer Störungen bis hin zur Adipositas. Und den Kindern kann man ihre soziale Lage wohl kaum als „selbst verantwortet” zuschreiben. Weniger klar ist dagegen, was aus dem Zusammenhang von sozialer Lage und Gesundheit politisch konkret folgt. Darüber und über andere Fragen wird auf dem Kongress diskutiert. Oder hier, wenn Interesse an dem Thema besteht.

Kommentare (87)

  1. #1 Dagda
    2. März 2012

    Der neoliberalen Leseart widerspricht auch die Tatsache, dass der schulische und damit auch der berufliche Erfolg von Kinder , gerade in Deutschland, stark von der Sozioökonomischen Lage der Eltern abhängt.

    Stimmt es immer noch, dass von allen Krankheiten, nur Allergien in höheren sozialen Schichten häufiger vorkommen als in niedrigeren sozialen Schichten?

  2. #2 Joseph Kuhn
    2. März 2012

    @ Dagda: Da wird es schon noch das eine oder andere geben außer den Allergien (und da war es, glaube ich, bei den Kindern der Fall), aber ich müsste recherchieren, das sind Raritäten.

  3. #3 Nomadenseele
    2. März 2012

    Vielleicht ist auch die schlechte Gesundheit an der Armut schuld? Keine Firma behält gerne Mitarbeiter, die ständig krank machen.

    Auch ist es für mich seltsam, dass gerade sozial Mindergestellte oft fettleibig sind; gerade die Dickmacher sind teuer im Einkauf.

  4. #4 Joseph Kuhn
    2. März 2012

    @ Nomadenseele:

    Vielleicht ist auch die schlechte Gesundheit an der Armut schuld?

    Diese Richtung des Zusammenhangs gibt es natürlich auch, sowohl in Deutschland als auch in den USA. Die andere Richtung, also die Abhängigkeit der Gesundheit von der sozialen Lage, ist aber so gut belegt, dass daran kein Zweifel mehr besteht.

  5. #5 resident_alien
    2. März 2012

    @ Nomadenseele:Klar,jemand der über eine gut ausgestattete Küche (kostet Geld) und Grund-& erweiterte Kenntisse der Nahrungsmittelverarbeitung verfügt,kann sich mit frischen,kalorienarmen Zutaten für relativ kleines Geld mit feinem Fresschen versorgen.Wer aber an Küchenhardware und/oder an Know-How nicht allzuviel zur Verfügung hat,greift eher zum fettigen Fertigfrass.Gerade dann auch,wenn mensch im Niedriglohnsektor täglich lange und hart schuftet,hat er/sie danach noch wenig Saft & Bock,noch gross in der Küche zu wurschteln.
    Auch ist Ihre Einschätzung der Preisverhältnisse so nicht korrekt:Bei ReweAldiLidlNetto bekommen Sie fetten Aufschnitt,Würstchen,TK-Pizza etc. teilweise für Centbeträge nachgeschmissen.Teurer (und schwieriger) wird’s dann,was zu finden,was weniger Fett/Zucker/Chemiedreck enthält,fix zuzubereiten ist und (nicht unwichtig) allen Familienmitgliedern schmeckt.
    Auch kann sich eine Unterschichtfamilie oft weder Sportverein noch Fitnessstudio leisten.

  6. #6 Joseph Kuhn
    2. März 2012

    Zur Adipositas: Die Forschungslage dazu, was Adipositas antreibt und was dagegen zu tun ist, ist in den letzten Jahren ziemlich unübersichtlich geworden. Allein die Kalorienzufuhr ist es nicht. Nicht nur in den USA wird seit einiger Zeit intensiv zum Thema “obesogenic environment” geforscht, also den dickmachenden Bedingungen der Umwelt insgesamt (Umwelt hier sehr allgemein verstanden). Auch hierzulande spricht man zunehmend von Adipositas als einem “systemischen Risiko”. Die soziale Lage spielt dabei eine wichtige Rolle.

  7. #7 Nomadenseele
    2. März 2012

    Auch ist Ihre Einschätzung der Preisverhältnisse so nicht korrekt:Bei ReweAldiLidlNetto bekommen Sie fetten Aufschnitt,Würstchen,TK-Pizza etc. teilweise für Centbeträge nachgeschmissen.Teurer (und schwieriger) wird’s dann,was zu finden,was weniger Fett/Zucker/Chemiedreck enthält,fix zuzubereiten ist und (nicht unwichtig) allen Familienmitgliedern schmeckt.
    ______

    Das sehe ich anders: Ein Kilo Kartoffeln (gute kosten beim Gemüsehändler ca. 1,50 /Kilo) machen länger satt bzw. lassen sich länger strecken, als Pommes Frites. Als ich vor ein paar Tagen Fingerfood wie Mozarella-Sticks kaufte, war ich für 3 Packungen 8 Euro los – davon kann ich fast 4 Frosta – Gemüsepfannen kaufen (Iglo/Hausmarken sind billiger).

    Tomatensoße selbst gemacht kostet ca. 3-5 Euro / 10 Gläser und Nudeln sind auch für Hartz 4 – Empfänger kaufbar.

    Wenn ich zu Netto / Aldi / Lidl gehe, sehe ich fast nur Fast Food, klar kauf man dies irgendwann. Aber bei Rewe kann man mit Ja-Produkten gesündere Lebensmittel billig kaufen und ist nicht immer der Versuchung ausgesetzt.
    ______

    Auch kann sich eine Unterschichtfamilie oft weder Sportverein noch Fitnessstudio leisten.

    – Die haben aber pro Person einen Kurs bei der VHS frei, zumindest bei uns 🙂 .
    Spazieren gehen / joggen kostet gar nichts.

  8. #8 Nomadenseele
    2. März 2012

    Nachtrag:

    Bei einer großen Familie kann man Gemüsepfannen auch selbst machen – größere Portionen bei weniger Geld.

  9. #9 Nomadenseele
    2. März 2012

    Nachtrag2:

    und (nicht unwichtig) allen Familienmitgliedern schmeckt.

    – Was allen schmeckt liegt aber auch am Geschmacksgedächnis. Zumindest bei mir ist es so, dass es mich danach verlangt, was als *schmackhaft* abgespeichert wurde – ob es der Gemüsedöner is, oder eben Gemüsepfannen.

    Da muss man sich eben auch mal umerziehen.

  10. #10 resident_alien
    2. März 2012

    Den ersten Teil meines Kommentares scheinen Sie überlesen zu haben.Ich habe keine Lust mich zu wiederholen,also bitte ich Sie hiermit,nochmal hochzuscrollen und nachzulesen,was ich zu Ausstattung & Kenntnissen geschrieben habe,sowie der Zeit und Energie,die nach der Niedriglohnarbeit fehlen.
    Allerdings klingen Ihre Kommentare doch sehr nach “Wenn sie kein Brot haben,sollen sie Kuchen essen!” bzw.in Ihrem Fall statt Kuchen wohl eher Frischkornbrei,ungesüsst versteht sich.
    Sie erscheinen fast Sarra-zynisch in Ihrem Unwillen,finanziell benachteiligten Mitbürgern nicht die wenigen für sie greifbaren Annehmlichkeiten zu gönnen…

  11. #11 BreitSide
    2. März 2012

    Wieder ein Grund für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

    @resident alien: Stimme mit Dir überein, dass die Nomadenseele voll auf NeoLiberalKonservatismus abfährt (Selber-schuld-Gesellschaft).

  12. #12 Nomadenseele
    2. März 2012

    was ich zu Ausstattung & Kenntnissen geschrieben habe,sowie der Zeit und Energie,die nach der Niedriglohnarbeit fehlen.

    – Ich habe das gelesen: Und ich kann nicht sehen, inwieweit es besondere Kenntnisse voraussetzt, zu wissen, dass Gemüsepfannen gesünder sind als Pizza und warum es komplizierter sein sollte, eine Gemüsepfannentüte aufzureißen, als eine Pizzapappschachtel. Es schafft auch noch jeder, Kartoffeln in kochendes Wasser zu werfen und Taziki auf den Teller zu tun. Und das Ja-Produkte relativ gute Qualität zum kleinen Preis bieten, hat sich auch schon rumgesprochen.
    Vielleicht übersehe ich auch wirklich etwas 😛 .

    Die Leute sind arm, nicht doof.
    _____

    Sie erscheinen fast Sarra-zynisch in Ihrem Unwillen,finanziell benachteiligten Mitbürgern nicht die wenigen für sie greifbaren Annehmlichkeiten zu gönnen…

    – Geht es Hartz 4 – Empfängern deiner Meinung nach wirklich darum, sich den Luxus von Fingerfood zu gönnen?

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    Stimme mit Dir überein, dass die Nomadenseele voll auf NeoLiberalKonservatismus abfährt (Selber-schuld-Gesellschaft).

    – Ich weiß, dass es nicht dem linken Mainstream entspricht, Verantwortung für sich zu übernehmen, aber: Ja, jeder ist für sein Gewicht selbst verantwortlich. Und wenn jemand meint sich Fast Food *gönnen* zu müssen, dann ist der Betreffende auch ganz alleine für seinen diabetischen Fuß verantwortlich. (Ich gehe einfach davon aus, dass sie nicht mit durchgeladener Waffe zum Konsum gezwungen werden).

    Vielleicht hängen Ernährung, Übergewicht und Hartz 4 folgendermaßen zusammen: Keine Diziplin – keine Durchhaltevermögen – keine Arbeit.

  13. #13 Nomadenseele
    2. März 2012

    Nachtrag:

    Heute habe ich 2 Kilo Äpfel für 2 Euro gekauft – davon kann man lange essen und es ist nicht teuer. Mit Angeboten kann man sich hervorragend gesund ernähren. Ein Kilo Kartoffeln kostet im Supermarkt sicherlich noch weniger als die 1,50 beim Gemüsehändler, Taziki ein paar Cent – und schon hat man für Tage billig und gesund gegessen.

    Ich gehe inzwischen gar nicht mehr zu Netto / Lidl / Aldi, weil die nur teueres Fast Food haben und ich mehr Geld für Mist dort ausgebe.

    Den kostenlosen VHS-Kurs / Spazierengehen (soll gut sein, wenn man der Arbeit gestresst ist 😉 / Joggen habe ich schon erwähnt.

    Wer sich chipsessend vorm TV selbst bemitleidet, ist es selbst schuld; solche Leute haben kein Mitleid verdient.

  14. #14 Nomadenseele
    2. März 2012

    Nachtrag 2:

    Ich war doch mal vor kurzem beim Netto, um dort etwas zu trinken zu holen.

    Da war jemand, der war so fett, dass er den Einkauf nicht bewältigen konnte, ohne sich auf den Truhen sitzen auszuruhen. Und was war im Einkaufswagen? – Ein Kasten Cola und andere Dickmacher… .

    Und daran, dass er nicht zum Gemüsehändler 1 Laden weiter ging, um sich einen Sack Kartoffeln zu kaufen, war die böse böse Gesellschaft schuld. Wer das behauptet, macht sich lächerlich.

  15. #15 Spoing
    3. März 2012

    Also zur Frage in wie fern gesunde Ernährung vom Geldbeutel abhängig ist, kann ich mir als Student glaube ich ganz gut einen Überblick machen.
    Ich habe 300€ im Monat (nach Miete etc.) zur Verfügung. Von denen bleiben ca. 150€ fürs Essen übrig. Bei mir gibt es zwar Hauptsächlich Fastfood, wenn ich mir allerdings mal was Vernünftiges mache, kostet das meist eher weniger als mehr (für Alaskaseelachsfillet mit Curryreis und Gemüse zahle ich pro Portion etwa 1,50€, Also nen Mittagessen für 3€; Chillie con Carne ist nochmals billiger (Von Spaghetti gar nicht zu reden)) (Ich kaufe zudem bei REWE und nicht bei Penny o Ä)

    Ich schätze es gibt einfach bestimmte Gruppen in denen das Risikobewusstsein bestimmter gesundheitsschädigender Aktionen weniger wahrgenommen wird. So würde ich mal tippen, dass bei den Leuten mit weniger als 60% Durschnittseinkommen auch die Zahl der Raucher und Alkoholkonsumenten größer ist.
    Wenn ich zum Beispiel nach meinem Studium meinen jetzigen Lebensstil beibehalten würde würde ich auch keine 40 werden. (War heute Blutspenden, habe danach zufällig Kommilitonen getroffen und bin mit denen ein paar Weizen trinken gegangen) Unter Studenten (oder auch Arbeitern) nichts komplett abwegiges. Wenn man sowas allerdings als 40 jähriger Akademiker machen würde, würde man schräg angesehen werden

  16. #16 resident_alien
    3. März 2012

    @ Nomadenseele:Ich empfehle Ihnen die Lektüre von George Owells “The road to Wigan Pier”,im Hinblick auf Orwells Beobachtung und Analyse der Lebensführung der Arbeiterklasse.Wie ich hält er die Proleterier keinesfalls für blöde oder faul,kann aber Angesichts ihrer Lebensumstände und unter Anwendung empathischer Analyse die Gründe für ihre Lebensführung nachvollziehen. Des weiteren habe ich kein Bedürftnis,auf Ihre sture Ignoranz & Trollerei noch länger einzugehen.

  17. #17 Joseph Kuhn
    3. März 2012

    Ja, jeder ist für sein Gewicht selbst verantwortlich.

    Das Beispiel Adipositas legt für viele nahe, die Eigenverantwortung hervorzuheben. Darum habe ich oben darauf hingewiesen, dass auch hier einfache Ursachenzuschreibungen nicht greifen, eine Einsicht, der man z.B. mit dem erwähnten Ansatz der obesogenic environment Rechnung trägt. Es geht weder nur um das Essen noch nur um das Verhalten. Wenn man hier einfach “Disziplin” fordert, ist das Scheitern jeder Prävention und jeder Therapie vorprogrammiert. Das immerhin kann als gesicherter Forschungsbefund großer Metaanalysen gelten. Und wer den Einfluss der sozialen Lage auf die Gesundheit insgesamt als Frage der Eigenverantwortung ansieht, muss erklären, wie diese Eigenverantwortung von Kindern gefordert werden kann, oder gegenüber Arbeits- und Wohnverhältnissen, die bei Erwachsenen die Gesundheit ja auch beeinflussen und mit der sozialen Lage zusammenhängen. “Eigenverantwortung” wird schnell zu einer Denkform, die die Verhältnisse lässt, wie sie sind und den Betroffenen allein die Schuld dafür zuweist, wie es ihnen geht. Das ist eine empiriefreie ideologische Position, sozusagen die Religion der Wirtschaftsliberalen.

  18. #18 Nomadenseele
    3. März 2012

    Des weiteren habe ich kein Bedürftnis,auf Ihre sture Ignoranz & Trollerei noch länger einzugehen.

    – Klar: Wenn etwas nicht ins eigene Weltbild passt, ist es Trollerei oder Iggnoranz.
    Typisches Foren- / Blogkommentar – Verhalten :P.
    Dem einen öffnen sich durch das Internet Welten, aber 99% nutzen es lieber, um sich von Gleichgesinnten bestätigen zu lassen, dass man recht hat.

    _____

    “Eigenverantwortung” wird schnell zu einer Denkform, die die Verhältnisse lässt, wie sie sind und den Betroffenen allein die Schuld dafür zuweist, wie es ihnen geht. Das ist eine empiriefreie ideologische Position, sozusagen die Religion der Wirtschaftsliberalen.

    – Ich hatte auch einmal Übergewicht, und zwar nicht zu knapp. Ich hätte auch sagen können:*Ich armes Kerlchen, mit einer Schilddrüsenunterfunktion bin ich zum Dicksein verdammt*. Stattdessen habe ich mein Leben angepackt und in den Griff bekommen. Und ich
    bin nicht das, was man gemeinhin als *willensstark* bezeichnen würde. Wenn ich es als
    typischer Waschlappen und unter erschwerten Bedienungen schaffe, dann schafft es jeder.

    Es IST definitv schaffbar, sich billig und gesund zu ernähren, wenn man nur die richtigen Produkte auswählt. Ich schrieb schon, dass ich jetzt bei Rewe weniger Geld für gesunde Lebensmittel ausgebe als früher für den Fast Food- Fraß bei Netto / Aldi.

    Ich glaube, dass Hartz 4 zumindest zum Teil undiziplinierte Leute trifft, die vermutlich schon bei der Arbeit diesbezüglich aufgefallen sind und dies nun endgültig ausleben. Der Gedanke, *sich etwas Gutes tun zum müssen*, wird den Rest erledigen.

  19. #19 Joseph Kuhn
    3. März 2012

    Wenn ich es als typischer Waschlappen und unter erschwerten Bedienungen schaffe, dann schafft es jeder.

    Ich hoffe, Sie schaffen auch sonst alles in Ihrem Leben. Denn sonst müssten Sie da, wo Sie an Ihre Grenzen stoßen, der gleichen Logik folgend, zu dem Schluss kommen: “Wenn ich es nicht geschafft habe, schafft es auch sonst keiner”. Solche Verallgemeinerungen sind offenkundig nicht sehr belastbar und werden zurecht als “anekdotische Evidenz” zur Seite gelegt. Dass Hartz 4 “zumindest zum Teil auch undisziplinierte Leute trifft” gehört in die gleiche Kategorie. Was soll das über eine billige Schuldzuweisung hinaus, die im Einzelfall vielleicht zutrifft, bringen? Dass die Langzeitarbeitslosen in Ostdeutschland sich eben mehr hätten anstrengen sollen, damit ihre Betriebe nicht untergehen? Dass die Arbeitslosen im Ruhrgebiet mit mehr Disziplin auch heute noch Kohle fördern könnten, oder danach ein Studium hätten anfangen sollen, oder wenigstens Zeitung austragen? Eigenverantwortung ist wichtig und unverzichtbar, aber alle Probleme “eigenverantwortlich” lösen zu wollen, ist im wahrsten Sinne des Wortes “a-sozial”.

  20. #20 Spoing
    3. März 2012

    Teilweise kann ich Nomadenseele zustimmen, Eigenverantwortung ist etwas was in diesem Land schon fast als schlecht angesehen wird. Wenn etwas nicht läuft sind immer die da oben oder die da drüben schuld. (Je nachdem ob links oder rechts)
    Disziplin jetzt bei übergewichtigen zu fordern welche aus sozial schwachen Verhältnissen stammen ist jedoch vollkommen absurd. Denn entweder behauptet man, sie sind aufgrund ihrer Disziplinlosigkeit sozial schwach, da jeder in diesem Land die Chance hat zumindest ins untere Mittelfeld zu kommen (tragische Einzelschicksale mal ausgenommen) oder aber man gesteht ihnen zu das sie aufgrund ihrer Lebensumstände nicht mehr Selbstdisziplin an den Tag legen wollen als unbedingt Notwendig. So oder so wird beides zu keinerlei Änderung beitragen.
    Sicherlich sollten wir zu viel mehr Eigenverantwortung erziehen als es momentan der Fall ist, jedoch nicht im Sinne von “selber schuld” sondern von “ich zeig dir wie es geht”.
    Der momentane Weg (siehe auch Verschulischung der Studiengänge) sorgt einfach nur dafür, dass immer weniger Menschen ihr Potential Nutzen.
    So blöd es klingt, aber man wächst an Herausforderungen. Wenn die Gesellschaft mir schon immer eintrichtert du kannst nichts dafür, dann werden ausreden geliefert bevor jemand überhaupt “versagt”.

    Ach so: Wie sieht es bei der Statistik aus dem Artikel eigentlich mit Todesursachen aus? Auch wäre interessant wenn man eine Statistik von Ausschließlich gesetzlich versicherten hätte. Denn dann könnte man auch sehen ob dieses Phänomen bei gleicher Medizinischer Versorgung immer noch signifikant ist oder nicht.
    Denn wenn es nicht an der medizinischen Versorgung liegen sollte, so hat sich ein Großteil der Diskussion auch erledigt, dann kann man evtl. noch Kochen für arme als Gratiskurse anbieten Ampeln auf Lebensmittel drucken und KK-beitragsrabatte für Leute mit gesünderen Lebensstil einführen, aber bei weitergehenden Maßnahmen sollte der Staat dann nichts mehr zu melden haben!

  21. #21 Joseph Kuhn
    3. März 2012

    “ich zeig dir wie es geht”

    … zum Beispiel, oder auch “wir probieren es zusammen”, weil man vieles nur gemeinsam schafft, z.B. wenn es um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder des Wohnumfelds geht. Wenn man sich gegenseitig nur noch als “eigenverantwortliche” Monaden wahrnimmt, wird eben auch eine Menge möglicher Eigeninitiative, individueller wie gemeinsamer, unterdrückt. Der Begriff “Bürgerinitiative” enthält die Bürger in der Mehrzahl, nicht in der Einzahl.

    Ihre Frage nach den Todesursachen habe ich nicht verstanden. Meinen Sie, ob es auch soziale Unterschiede bei der Sterblichkeit nach einzelnen Todesursachen gibt, also bei Herzinfarkten oder Krebs? Falls das gemeint war: Studien zeigen das, aber Routinestatistiken dazu gibt es für Deutschland nicht (die Todesursachenstatistik enthält in Deutschland keine sozialen Merkmale, Surveys wie das SOEP, das der erwähnten Berechnung der sozialen Unterschiede bei der Lebenserwartung zugrunde liegt, können keinen Aufschluss über Todesursachen geben). Was die Rolle der medizinischen Versorgung angeht: Die ist in Deutschland (noch) vergleichsweise gleichwertig für alle sozialen Gruppen. Damit ist die staatliche bzw. gesellschaftliche Verantwortung für gleiche Gesundheitschancen aber nicht erledigt, es sei denn, man akzeptiert, dass soziale Ungleichheit eben immer neu auch sozial ungleiche Krankheitslast produziert, die dann mehr oder weniger gleich gut versorgt wird (bei übrigens wiederum sozial ungleichen Heilungschancen). Das scheint mir nicht sehr klug zu sein.

  22. #22 Nomadenseele
    3. März 2012

    Dass Hartz 4 “zumindest zum Teil auch undisziplinierte Leute trifft” gehört in die gleiche Kategorie.

    – Wer wird wohl als erstes gefeuert, der, der sorgfältig arbeitet oder der, der rumschludert? Derjenige, der sich – aus welchen Gründen auch immer – ständig krank meldet – oder derjenige, der von Haus aus gesünder ist?

    Viele sind nun einmal nicht ohne Grund arbeitslos. Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass unter den Hartz 4 – Empfängern überdurchschnittlich viele von Natur aus diziplinlose (übergewichtige) und zur Krankheit neigende Personen zu finden sind.
    (Von den Leuten, die gar nicht arbeiten wollen, mal ganz abgesehen).

    Ich finde es auch ziemlich logisch, wenn man über Jahre hinweg kein festes Programm mehr hat, wo soll da noch Diziplin herkommen? Und das überträgt sich nach und nach auf alle Lebensbereiche.

  23. #23 Nomadenseele
    3. März 2012

    Ich hoffe, Sie schaffen auch sonst alles in Ihrem Leben. Denn sonst müssten Sie da, wo Sie an Ihre Grenzen stoßen, der gleichen Logik folgend, zu dem Schluss kommen: “Wenn ich es nicht geschafft habe, schafft es auch sonst keiner”.

    – Jeder kann alles erreichen, wenn er nur genug will.

    Ich bin eine absolute Mathenulpe, alles nach dem 6. Schuljahr habe ich geflissentlich vergessen. Aber wenn ich wirklich wollte, könnte ich alles nachlernen und noch ein Mathe-/Physik-/Informatik-Studium beginnen.

    Die Frage ist bei allem, wie stark der eigene Wille ist, etwas zu erreichen. Und einen gesunden Körper zu haben, sollte im Interesse eines jeden liegen. Mal ganz davon abgesehen, dass Schlanke viel eher eingestellt werden.

  24. #24 Joseph Kuhn
    3. März 2012

    Ich finde es auch ziemlich logisch, wenn man über Jahre hinweg kein festes Programm mehr hat, wo soll da noch Diziplin herkommen?

    Ja, eben. Perspektivlosigkeit ist wenig motivierend.

    Wer wird wohl als erstes gefeuert, der, der sorgfältig arbeitet oder der, der rumschludert?

    Sagen Sie das den Betroffenen der Standortschließungen bei Quelle, Nokia, Manroland oder anderswo.

  25. #25 Joseph Kuhn
    3. März 2012

    Jeder kann alles erreichen, wenn er nur genug will.

    O.k., damit sind wir dann intellektuell wohl bei den “Bestellungen beim Universum” angekommen. Ich wünsche gutes Gelingen.

  26. #26 Nomadenseele
    3. März 2012

    O.k., damit sind wir dann intellektuell wohl bei den “Bestellungen beim Universum” angekommen. Ich wünsche gutes Gelingen.

    – Warum denn gleich patzig werden, solange jemand ihrem ultralinken Weltbild nicht folgen mag?

    Wenn Sie sich so wenig in der Lage sehen, auch andere Ansichten zu akzeptieren oder in gar in Ihre Überlegungen miteinzubeziehen, glaube ich nicht, dass Sie auch nur einen halbwegs guten Wissenschaftler abgeben – es sei denn für Studien, bei denen das Ergebnis schon vor dem Forschen feststeht. Was Sie hier Betreiben, ist kein bloggen, sondern reine Rechthaberei.

    Woraus wiederum folgt, dass es Zeitverschwendung ist, Ihr Blog zu lesen. Der einzige Grund, warum Sie dieses Blog führen ist der, aus welchen 99% aller Blogs geführt werden – damit Sie sich die Bestätigung von anderen abholen können, dass Ihre Weltsicht die einzig richtig ist; andere Meinungen müssen umgehend diffamiert und weggekelt werden, da sie nur stören.

    Von daher: Ich wünsche gutes Gelingen, dass Sie es schaffen, für den Rest Ihres Lebens nie jemanden mit abweichender (und damit zwangsläufig *falscher* Meinung) zu begegnen und bei dem Versuch, dass noch ein wenig Toleranz den Weg in Ihr Leben findet.

  27. #27 Dagda
    3. März 2012

    @ Nomadenseele
    Das ein Teil der Harz 4 Empfänger undiszipliniert ist, wird vermutlich stimmen; es gibt bestimmt Menschen die unfähig sind einer geregelten Arbeit nachzugehen, aber wie groß ist dieser Teil? Und ist es dieser Teil an dem man die gesellschaftlichen Bemühungen ausrichten soll?

  28. #28 BreitSide
    3. März 2012

    Meine Güte, Nomadenseele, Du bist ja sowas von arrogant.

    Oder einfach nur völlig naiv.

    Aber wenn ich wirklich wollte, könnte ich alles nachlernen und noch ein Mathe-/Physik-/Informatik-Studium beginnen.

    Könnte, wollte, hätte. Mumpitz. Ich hab genug solche Arroganzpinsel scheitern sehen. Dann waren natürlich immer die Anderen schuld.

    Ich wünsche Dir noch viel Freude im Leben und dass Du nur ja nicht auf Leute treffen solltest, die Deine sozialdarwinistische Religion nicht glauben.

  29. #29 doublemoth
    3. März 2012

    Ich möchte Nomadenseele ein bischen unterstützen. Wir verteilen in Deutschland gewaltig um:
    https://www.iwkoeln.de/Publikationen/iwd/Archiv/tabid/122/articleid/22794/Default.aspx

    Und trotzdem kommen viele Familien und deren nachfolgenden Generationen aus den unteren Schichten nicht nach oben. Das kann doch nicht an den “anderen” liegen. Die Perspektivlosigkeit wird nach meiner Ansicht von den Eltern an die Kinder weitergegeben und nicht von der Gesellschaft aufgedrückt.

    Mittlerweile haben wir doch eher eine Gesellschaft in der die Streber, die Elite, die Fleißigen verpönt sind.

  30. #30 BreitSide
    3. März 2012

    @doublemouth: Dir sollte bekannt sein, dass in keinem entwickelten Land Bildung und beruflicher Erfolg so sehr von der Schicht abhängen, in der man geboren ist, wie in Deutschland.

    Was “Deiner Ansicht” nach größeren Einfluss hat, muss ja nicht unbedingt der Realität entsprechen.

    “Streber”, also Leute, die gut waren, waren auch vor 40 Jahren unbeliebt. Vor 80 Jahren sicher auch schon.

  31. #31 Joseph Kuhn
    4. März 2012

    Warum denn gleich patzig werden, solange jemand ihrem ultralinken Weltbild nicht folgen mag?

    Dass die Definition dessen, was “links” ist, nach dem Ende der Diktaturen im Ostblock nicht einfacher geworden ist, war mir bekannt. Dass man bei manchen Leuten heute aber schon den Eindruck eines “ultralinken Weltbildes” erwecken kann, wenn man daran zweifelt, dass jeder alles erreichen kann, überrascht mich dann doch. Diesen Zweifel hätte ich eigentlich eher unter “gesundem Menschenverstand” subsumiert. In der Psychologie gibt es zu solchen Kontrollüberzeugungen übrigens umfangreiche Forschung in der Tradition des “locus of control”-Ansatzes von Rotter, falls sich jemand damit näher beschäftigen will. Lohnt aber nicht wirklich, viel mehr als der gesunde Menschenverstand kommt dabei auch nicht raus.

    Ansonsten, “Nomadenseele”, darf ich die Frage einfach zurückgeben?

  32. #32 hfalk
    4. März 2012

    “Fast bei allen Krankheitsarten gibt es einen Sozialgradienten, d.h. je schlechter die soziale Lage, desto schlechter die Gesundheit.”
    Erstaunlich, dass hier fast alles auf Ernährung und Sport reduziert wird.
    Was ist mit der Droge Macht? Macht auszuüben hält gesund und jung, einer Maßnahme unterzogen zu werden ist ganz bestimmt nicht gesund.

  33. #33 Joseph Kuhn
    4. März 2012

    Kleiner Nachtrag noch zum Satz “Jeder kann alles erreichen, wenn er nur genug will.” Einerseits ist er trivial falsch. Wenn zwei das Gleiche wollen, können es in vielen Fällen nicht beide erreichen, etwa wenn es um “positionale Güter” geht. Diese Einsicht ist einer der Ausgangspunkte des klassischen Liberalismus, nach dem die Freiheit des Einen dort endet, wo die des Anderen anfängt. Andererseits kann man die Sache aber auch etwas anspruchsvoller analysieren. Das hat z.B. Kenneth Arrow vor etwa 60 Jahren in seiner einflussreichen Arbeit “Social Choice and Individual Values” gezeigt: Unterschiedliche individuelle Präferenzordnungen lassen sich nicht notwendig konsistent zu einer sozialen Präferenzordnung zusammenfassen. Anders formuliert: In jedem hinreichend komplexen (alltagsnahen) Präferenzsystem mit stabilen Präferenzen ist es mathematisch unmöglich, dass jeder alles erreichen kann. Vermutlich haben Wirtschaftswissenschaftler dazu viel zu sagen (@ Ulrich Berger?), ich hoffe, ich muss diesen Hinweis dann nicht ganz revidieren. Schließlich habe ich, wie “Nomadenseele” richtig festgestellt hat, gerne Recht, und zwar deutlich lieber, als dass ich Unrecht haben möchte.

    @ hfalk:

    Macht auszuüben hält gesund

    Es gibt sogar ein gesundheitswissenschaftliches Konzept, das in diese Richtung geht, nämlich das Salutogenesekonzept von Aaron Antonovsky. Darin wird die Möglichkeit, Einfluss auf die Dinge zu nehmen, als gesundheitsförderlicher Faktor angesehen. Empirische Forschung dazu gibt es auch. Ob die “Droge Macht”, die Politiker manchmal konsumieren, auch darunter fällt, wäre allerdings zu diskutieren. Ich weiß auch nicht, ob es dazu empirische Forschung gibt.

  34. #34 Spoing
    4. März 2012

    @Dubblemouth: “Dir sollte bekannt sein, dass in keinem entwickelten Land Bildung und beruflicher Erfolg so sehr von der Schicht abhängen, in der man geboren ist, wie in Deutschland.”

    Ja genau? Woran liegt es? Am schlechten Sozialsystem kann es nicht liegen, denn da sieht es in Amerika und manch anderen Ländern ja noch deutlich schlechter mit aus.

  35. #35 Spoing
    4. März 2012

    Achso und die Streberfeindlichkeit wird in den Schulen nicht zugenommen haben, das wird wohl immer schon so gewesen sein, und auch immer so bleiben.
    Neu ist allerdings die Verachtung der sog. “Leistungsträger” in der Arbeitswelt.
    Unser hiesiger Asta verteilt Zettel mit der Aufschrift “Elite” wo das i durch einen Mittelfinger erstezt wurde. Von denen angebotene Kurse und Vorträge gehen nicht selten in ein Ähnliche Richtung. Gegenüber manchen Hochschulgruppen hagelte es schon Anzeigen weil sie zu Gewalt gegen Banken oder ähnliche “Elitäre” aufgerufen haben (Hier war es speziell die Jusohsg) Ne Woche später erscheint der selbe Flyer anonym.
    Wer in diesem Lande Reich ist, ist ein Ausbeuter. Wer will denn bitte schön zu so jemanden werden, den die Eltern und Freunde als Ausbeuter und Gewissenlosen Menschen bezeichen? Doch höchstens Leute die bereits aus solchen Kreisen kommen und das somit etwas anders sehen.

    Wenn jemand der Meinung ist, “die da oben” sind schuld wird er sich wohl kaum anstrengen irgendwann mal zu denen da oben zu gehören. Wer will denn schon zu seinen eigenen Feindbild werden.

    Wir sind in Deutschland in einer Gesellschaft angelangt wo jeder Reiche vorverurteilt wird, aber ein Kim Schmitz, welcher ganz klar kriminell (und rein egoistisch) handelt zu einen Robin Hood verklärt wird weil er ja den “Feind” beraubt.

  36. #36 Radicchio
    4. März 2012

    Keine Diziplin – keine Durchhaltevermögen – keine Arbeit.

    @Nomadenseele
    möglicherweise trifft das so zu. das aber:

    “Jeder kann alles erreichen, wenn er nur genug will.”

    trifft nicht zu. denn es verfügt nicht jeder über die fähigkeit zu disziplin und durchhaltevermögen. und nicht jeder findet die gleichen lebensbedingungen vor. gegen manche widerigkeit helfen persönliche qualitäten erst mal wenig.

    @ Nomadenseele:Ich empfehle Ihnen die Lektüre von George Owells “The road to Wigan Pier”,im Hinblick auf Orwells Beobachtung und Analyse der Lebensführung der Arbeiterklasse.

    @resident_alien
    ich würde nicht davon ausgehen, dass das heutige prekariat mit der arbeiterklasse geichzusetzen ist.

    @Joseph Kuhn

    “Eigenverantwortung” wird schnell zu einer Denkform, die die Verhältnisse lässt, wie sie sind und den Betroffenen allein die Schuld dafür zuweist, wie es ihnen geht. Das ist eine empiriefreie ideologische Position, sozusagen die Religion der Wirtschaftsliberalen.
    (…)
    Eigenverantwortung ist wichtig und unverzichtbar, aber alle Probleme “eigenverantwortlich” lösen zu wollen, ist im wahrsten Sinne des Wortes “a-sozial”.
    (…)
    Sagen Sie das den Betroffenen der Standortschließungen bei Quelle, Nokia, Manroland oder anderswo.

    irgendwie beißt sich diese katze in den schwanz: immer wenn jemand auf systemische probleme hinweist, kommt als gegenargument die eigenverantwortung, und darauf wird promt damit gekontert, dass der einzelne nicht für die ganze gesellschaft zuständig ist. das gleichsetzen des eigenen körpergewichtes mit einer werkschließung halte ich für polemischen nonsens. denn das gewicht kann man in der tat (bei vorhandensein einiger persönlichkeitsmerkmale) beeinflussen, eine werkschließung hingegen kann man mit keiner selbstdisziplin der welt verhindern.

    an bestimmten stellen ist nun mal jeder selbst für sich verantwortlich. manche können diese verantwortung tragen, andere nicht. diejenigen, die für sich verantwortung tragen, werden wege finden, ihr leben zu gestalten und ungünstige situationen verbessern können. die anderen bleiben zurück.

    das ist eigentlich eine binsenweisheit. wir müssen nur begeifen und vor allem aushalten, dass die menschen nicht alle gleich sind, dass nicht alle alles erreichen können und man soziale unterschiede nicht einfach abschaffen kann.

  37. #37 BreitSide
    4. März 2012

    Och Spoing, Deine Ideologie ist schon putzig.

    Die Wahrheit ist doch, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich – auch in D – immer weiter geöffnet hat.

    Es widerspricht ja keiner, dass jemand mit viel Arbeit auch gutes Geld verdienen sollte. Außer Extremisten, die es ja auch schon immer gegeben hat. Deine kleine Anekdote mit dem Stinkefinger hätte schon 40 Jahre vorher so stattfinden können. Hat sie auch, nur mit anderen Bildern. Und mit viel mehr Eifer.

    Was sich geändert hat, ist, dass heute Leute ohne Skrupel wesentlich höhere Geldbeträge hin- und herschieben können. Und damit sogar Staaten ins Wanken bringen.

    Und wer Kim Schmitz bewundert (wer denn eigentlich?), dem ist tatsächlich nicht mehr zu helfen.

  38. #38 Dagda
    4. März 2012

    @ Radicchio

    das gewicht kann man in der tat (bei vorhandensein einiger persönlichkeitsmerkmale) beeinflussen, eine werkschließung hingegen kann man mit keiner selbstdisziplin der welt verhindern

    Das blendet aber aus, das es auch Faktoren gibt/geben kann, die von der jeweiligen Person nicht kontrolliert werden können und die zur Fettleibigkeit führen.
    Hinzu kommt das obwohl eigentlich klar ist, was man tun muss um abzunehmen (Weniger Energie zu sich nehmen als man verbraucht) gibt es bislang keine Diät/Methode die nachweisbar zu einem langfristigen Gewichtsverlust führt.

  39. #39 Dagda
    4. März 2012

    Und als Zusatz Eigenverantwortung und unkontrollierbare Ursachen stehen ja in keinem Widerspruch zueinander.
    Wenn ich arbeitslos werde weil mein Arbeitgeber insolvent wird, liegt es ja in meiner Verantwortung wieder Arbeit zu finden; letztlich kann mir das niemand abnehmen, trotzdem machen z.B. staatliche Hilfen Sinn.
    Genau so kann meine Fettleibigkeit unverschuldet sein (es gibt ja genug Gründe dafür: Frühgeburtlichkeit, Medikamente, Zivilisatorische Gründe) ; trotzdem liegt es ja in meinem Interesse und meiner Eigenverantwortung Gewicht abzunehmen.

  40. #40 Radicchio
    4. März 2012

    Das blendet aber aus, das es auch Faktoren gibt/geben kann, die von der jeweiligen Person nicht kontrolliert werden können und die zur Fettleibigkeit führen.

    welche sollen das sein (krankheiten ausgenommen)? sicher kann es personen geben mit einer so schwachen impulskontrolle, dass eine begrenzung der nahrungsaufnahme unmöglich ist. aber das ist dann auch ein persönliches problem und keines der gesellschaftlichen umstände (hungersnot ausgenommen). es ist dann nicht veränderbar durch die betroffene person aber auch nicht durch die gesellschaft.

    … gibt es bislang keine Diät/Methode die nachweisbar zu einem langfristigen Gewichtsverlust führt.

    die gibts sehr wohl: langfristig weniger / anders essen. das schaffen allerdings nicht alle, was zu dem fehlschluss führt, es wäre unmöglich.

  41. #41 Dagda
    4. März 2012

    @ Radichio

    langfristig weniger / anders essen. das schaffen allerdings nicht alle, was zu dem fehlschluss führt, es wäre unmöglich.

    Weil es nicht geht, geht es nicht? Wo ist da der Fehlschluss? Das es unmöglich ist sein Gewicht zu verlieren sagt ja keiner nur es scheint sehr schwierig zu sein, was darauf hindeutet das mehr als persönlicher Wille eine Rolle spielt.
    Wieso soll es keine gesellschaftlichen Gründe für Fettleibigkeit geben, bzw. Gründe die der Kontrolle der betroffenen Person entzogen sind?
    Möglichkeiten wären: Geburtsgewicht, Ernährung (insbesondere in den ersten Lebensjahren), das gesellschaftliche Umfeld

  42. #42 Joseph Kuhn
    4. März 2012

    @ Radicchio: Grundsätzlich kein Dissens. Natürlich gehe ich auch davon aus, dass man im Allgemeinen mehr Einfluss auf das eigene Körpergewicht hat als auf eine Werkschließung und dass man auch unter widrigen Umständen für seine Gesundheit Verantwortung hat. Ich würde nur die sozialepidemiologischen Befunde zum Zusammenhang von sozialer Lage und Adipositas nicht so einfach beiseiteschieben mit dem Hinweis, dass prinzipiell und eigentlich und bei entsprechender Motivation usw. jeder schlank bleiben kann. Der Sozialgradient zeigt, dass das je nach Sozialstatus unterschiedlich leicht ist und die oben erwähnten Überlegungen zu Adipositas als systemischem Risiko würde ich daher nicht auf ein Disziplinproblem reduzieren wollen. Zwischen “es geht nicht” und “jeder kann es” gibt es eben noch ein paar Abstufungen mehr. Jeder kann es vom Tellerwäscher zum Millionär bringen, aber darf man allen, die es nicht geschafft haben, vorhalten, daran seien sie selber schuld? Ansonsten stimme ich Ihnen, wie gesagt, zu.

  43. #43 Radicchio
    4. März 2012

    Weil es nicht geht, geht es nicht? Wo ist da der Fehlschluss?

    es geht. der fehlschluss ist, dass es nicht geht, weil manche es nicht schaffen.

    nur es scheint sehr schwierig zu sein, was darauf hindeutet das mehr als persönlicher Wille eine Rolle spielt.

    es ist nur für einige schwierig. für die anderen ist es machbar. aber diese anderen tauchen in der öffentlichen wahrnehmung nicht auf, da sie kein gewichtsproblem (mehr) haben.

    Wieso soll es keine gesellschaftlichen Gründe für Fettleibigkeit geben, bzw. Gründe die der Kontrolle der betroffenen Person entzogen sind?

    weil niemand von der gesellschaft zum essen gezwungen wird.

    Geburtsgewicht, Ernährung (insbesondere in den ersten Lebensjahren), das gesellschaftliche Umfeld

    all das erhöht lediglich die wahrscheinlichkeit für übergewicht. es bleibt also als entscheidender anteil das persönliche zutun.

  44. #44 Joseph Kuhn
    4. März 2012

    Es gibt in Anschluss an Bourdieus Habituskonzept, das darauf hinweist, dass Distinktion zwischen den sozialen Schichten auch über die “feinen Unterschiede” des Lebensstils funktioniert, Überlegungen dergestalt, dass sich z.B. das Rauchen oder die Adipositas besonders gut als soziale Distinktionsmerkmale eignen, weil man den sozial Benachteiligten hier Eigenverantwortung vorhalten kann, sie daran aber immer wieder scheitern. Im Unterschied “beweisen” die sozial Bessergestellten, dass sie durch Disziplin und persönliche Willensstärke anders sind und sich “unter Kontrolle haben”. Die einen haben Disziplin, das legitimiert sie auch für Führungspositionen, die anderen haben diese Disziplin nicht, daher müssen sie sich führen lassen, sie müssen diszipliniert werden. Ich will gar nicht darüber diskutieren, ob sich diese Thesen empirisch belegen lassen, nur darauf hinweisen, dass das Thema nicht so einfach ist und “Disziplin” vielleicht nicht nur ein einfacher Erklärungsfaktor für Adipositas ist, sondern auch ein Begriff aus der Klassenkampfarena.

  45. #45 Dagda
    4. März 2012

    all das erhöht lediglich die wahrscheinlichkeit für übergewicht. es bleibt also als entscheidender anteil das persönliche zutun.

    Wieso sollte als entscheidender Anteil, das persönliche Zutun übrig bleiben?
    Wenn ein Kind übergewichtig ist, weilseine Mutter einen Schwangerschaftsdiabetes hatte, es daher schon schwer zur Welt kam und es dann mit 6 oder so adipos ist, wo ist da das persönliche Zutun?
    Das dieses Kind dann später trotzdem abnehmen muss und dafür auch die Verantwortung trägt (wer auch sonst?), kann es doch für das übergewicht nichts. Das der persönliche Anteil schwanken kann ist unbestritten, aber das ändert ja nichts dara das es auch gesundheitspolitische Faktoren gibt, geben kann, die man änder kann.

  46. #46 Radicchio
    4. März 2012

    … dass das Thema nicht so einfach ist und “Disziplin” vielleicht nicht nur ein einfacher Erklärungsfaktor für Adipositas ist, sondern auch ein Begriff aus der Klassenkampfarena.

    das klassenkampfpotenzial ist ein denkbar schlechter grund, jede persönliche einflussmöglichkeit zu relativieren. vor allem, wenn die anderen erklärungsfaktoren irgendwie nicht dingfest zu machen sind. immerhin wäre es auch möglich, dass bestimmte eigenschaften wie disziplin und impulskontrolle nicht nur dazu verhelfen, auf gewicht und gesundheit zu achten, sondern auch dazu befähigen, aus prekären verhältnissen zu entkommen, sofern die schichten nach oben und unten durchlässig sind. daraus würde folgen, dass sich die “undisziplinierten” und die “disziplinierten” in bestimmen schichten “anreichern”.

  47. #47 Radicchio
    4. März 2012

    Wieso sollte als entscheidender Anteil, das persönliche Zutun übrig bleiben?

    steht doch da. ok, nochmal: wenn alle menschen (oder die überwiegende mehrheit), auf die die risikofaktoren zutreffen, automatisch adipös würden und mit keinem essverhalten welt abnehmen und schank bleiben würden, dann gäbe es nur wenig persönlichen einfluss.

    Wenn ein Kind übergewichtig ist, weilseine Mutter einen Schwangerschaftsdiabetes hatte, es daher schon schwer zur Welt kam und es dann mit 6 oder so adipos ist, wo ist da das persönliche Zutun?

    und wenn diese kind dann noch grüne socken trägt!

    (wir reden hier ja nicht über konstruierte einzelfälle. falls doch, kann ich mir für jeden dieser fälle einen gegenteiligen ausdenken.)

  48. #48 Joseph Kuhn
    4. März 2012

    ist ein denkbar schlechter grund, jede persönliche einflussmöglichkeit zu relativieren

    Noch ein letztes Mal: Ich will persönliche Einflussmöglichkeiten nicht kleiner machen als sie sind, aber auch nicht überschätzen. Klarer kann ich es nicht mehr sagen.

    daraus würde folgen, dass sich die “undisziplinierten” und die “disziplinierten” in bestimmen schichten “anreichern”

    So kann man sich die Welt erklären. Die Frage ist, oben schon einmal gestellt, gilt das auch für die Arbeitslosen in Ostdeutschland, für die im Ruhrgebiet, für die Hungernden in Afrika? Alle disziplinlos und daher letztlich selber schuld? So haben Sie es hoffentlich nicht gemeint.

  49. #49 Statistiker
    4. März 2012

    Nehmen wir ein Beispiel: Für Paprika zahl ich 1,99 € pro Pfund. Nach Wegschnitt von Kerngehäuse etc. hab ich 300 Gramm für 1,99 €, also 10 Gramm für 66 Cent. Für Paprikachips zahl ich 35 Cent pro 100 Gramm, also nur die Hälfte. Und da wundert sich jemand, dass arme Menschen eher adipös sind????????

    Ich selbst fress momenten nur noch Gemüse und hab 40 Kilo abgespeckt…… aber auch ich kann nicht verneinen, dass Fett lecker schmeckt…..

  50. #50 Radicchio
    4. März 2012

    Die Frage ist, oben schon einmal gestellt, gilt das auch für die Arbeitslosen in Ostdeutschland, für die im Ruhrgebiet, für die Hungernden in Afrika?

    und sie wurde schon mind. einmal beantwortet.
    ich verstehe nicht, warum jetzt wieder das argument ruhrgebiet / afrika kommt, um den einfluss der eigenverantwortung auf die persönliche lebensführung zu relativieren. DAS ist nämlich das eigentliche problem: das eine mit dem anderen zu relativieren. es handelt sich um zwei völlig verschiedene sachlagen: das eine kann der einzelne beeinflussen, das andere nicht. was genau daran unverständlich?

    jeder mensch hat gestaltungsspielräume. und die sind umso größer, je näher das problem am der eigenen verhalten festzumachen ist. es ist doch ziemlich ersichtlich, dass es in D leichter ist, gesundes essen zu wählen, als in afrika, wo es stellenweise nichts zu wählen gibt. und eine geschmacklose verhöhnung der afrikaner ist dieses argument auch noch.

  51. #51 Joseph Kuhn
    4. März 2012

    jeder mensch hat gestaltungsspielräume. und die sind umso größer, je näher das problem am der eigenen verhalten festzumachen ist

    Dem ist nicht zu widersprechen. Ich kann mich da nur wiederholen. Die Frage bleibt, wie weit ist Adipositas nur eine Frage des eigenen Verhaltens und vor allem, darf man, weil grundsätzlich jeder sein Verhalten ändern kann, den Zusammenhang zwischen sozialer Lage und Adipositas damit als erledigt betrachten. Das bestreite ich.

    Dass ich die Afrikaner “verhöhnen” würde, wenn ich sage, ihre Lage ist nicht nur eine Frage von “Disziplin”, kann ich nicht sehen, ich buche es einmal als polemische Retourkutsche ab.

  52. #52 Regina
    4. März 2012

    Hartz IV ist bitter – vor allem, wen man wie ich – seit Jahren sich nichts sehnlicher wünscht als Arbeit (ca. 500 Bewerbungen verschickt), wohlgemerkt mit Studium. Die Realität ist die, dass ich mit meiner Erkrankung (MS) bisher KEINEN Arbeitgeber gefunden habe, der auf meine Fähigkeiten, meine Loyalität und mein Können vertraut. Hier soviel “Spott und Hetze” – gegen die Undisziplinierten Hartz IV Empfänger zu lesen, schert alle über einen Kamm und ist verletzend. Alle Institutionen, Kirche, Caritas, Pfennigparade – mich hat bisher keine Unterstützt – ABER alle schreiben es sich auf die Fahnen, das sie sich für (Körper) Behinderte stark machen. Freue mich natürlich über Stellenangebote.

  53. #53 miesepeter3
    4. März 2012

    “Armut macht krank und hässlich”

    Das hat man schon vor 100 Jahren gewußt und ist nach wie vor gültig. Die Gründe für Armut mögen mannigfaltig sein, ausschließlich selbstverschuldet wohl am wenigsten.
    Vom Tellerwäscher zum Millionär ist eine Erfolgsgeschichte nur für Ausnahmefälle.
    Wer das anders sieht, muß auf dem einen oder anderen Auge blind sein.

  54. #54 Radicchio
    4. März 2012

    Hier soviel “Spott und Hetze” – gegen die Undisziplinierten Hartz IV Empfänger zu lesen, schert alle über einen Kamm und ist verletzend.

    regina, wie soll man denn deiner ansicht nach solche probleme besprechen? wir können ja nicht immer schreiben “hartz4-empfänger außer regina, horst, annliese, monika, manfred, martin, jasmin …”. wenn du dich gemeint fühlst, obwohl das besprochene gar nicht auf dich zutrifft, wenn du dir also eine jacke anziehst, die gar nicht passt, und dich dann beschwerst, verhinderst du, dass man solche probleme besrpricht. aber ohne sie zu besprechen kann man sie auch nicht lösen. mit der unterstellung, das ansprechen von problemen wäre bereits spott und hetze, übst du moralischen druck aus zum zwecke die diskussion zu verhindern. ich weiß nicht, inwiefern dir damit geholfen wäre. zumal es ja eindeutig nicht um fälle wie deinen geht.

  55. #55 doublemoth
    4. März 2012

    @BreitSide:
    Meine “Ansicht” ist aber auch begründet:

    Wie Spoing frage ich mich woran es liegt. Deutschland ist in der EU das Land, was mit am meisten umverteilt und direkt an die einkomensschwachen Familien verteilt. Andere Länder verteilen indirekt und stellen Kita-Plätze und vernünftige Schulbildung inkl. Mittagsessen etc. zur Verfügung und stehen was Aufstiegchancen angeht besser dar. Daraus folgt doch, dass das Problem bei den einkommensschwachen Familien bzw. Eltern liegt.

    Ein weiteres Indiz ist das Bildungspaket was nur sehr schlecht angenommen wird. Als Argument, warum es nicht angenommen wird heißt es ja, dass die Anträge zu kompliziert seien. Für mich klingt das nach einer Ausrede. Außerdem haben 19% der Leistungsberechtigten anscheinend keine Interesse an dem Bildungspaket.
    https://www.sueddeutsche.de/karriere/bildungspaket-lieber-sportverein-statt-musikunterricht-1.1113101

    Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde die Situation noch verschlimmern. Aber ist mir recht, dadurch wird es dann nur noch einfacher den Armen das Geld aus den Taschen zu ziehen.

    Wer Ironie findet kann sie behalten.

  56. #56 BreitSide
    5. März 2012

    @doublemouth:

    Daraus folgt doch, dass das Problem bei den einkommensschwachen Familien bzw. Eltern liegt.

    Autsch. Das tat weh. Eben genau das ist ja das Thema, über das wir die ganze Zeit reden. Hier hast Du gerade wieder den Zirkelschluss getan, der jegliche Diskussion ad absurdum führt.

    Immerhin hast Du ja begriffen, was bei uns faul ist. Nämlich der gleichberechtigte Zugang von Kindern zu Bildung. Und die Lösung ist natürlich eine weitergehende Betreuung der Kinder, damit sie nicht von ihren verzweifelten apathischen antriebsschwachen Eltern “versaut” werden.

    Aber bei uns läuft das immer mit einer Selektion: die “Bedürftigen” kriegen was, die anderen nichts. Wie letztes Jahr(?) der unselige Vorschlag in Bayern. Dann kriegt der “bedürftige” Schüler 5 Euro pro Tag für ein besseres Essen, wenn Papa aber 50 Euro mehr verdient, bekommt er sie nicht mehr. Und die Familie ist im Endeffekt ärmer.

    Und das Kind ist sofort abgestempelt als eben “bedürftig”.

    Bekäme jedes Kind eine angemessene Schulspeisung und Hausaufgabenbetreuung, gäbe es das Problem nicht. Aber dazu fehlt ja das Geld. Man braucht es ja, um den Banken die Kasinoverluste auszugleichen.

    Ja, das ist Euer geliebter Kapitalismus: Dem Mutigen gehören die Gewinne, und wenn er tollkühn und groß genug ist, über nimmt die Gesellschaft auch noch seine Verluste.

    Ein weiteres Indiz ist das Bildungspaket was nur sehr schlecht angenommen wird. Als Argument, warum es nicht angenommen wird heißt es ja, dass die Anträge zu kompliziert seien. Für mich klingt das nach einer Ausrede.

    Ja klar doch, jeder, der nicht so fit ist wie Du und alle Anträge an irgendwelche Institutionen mit Leichtigkeit und Energie wuppt, ist selbst schuld. Aus Deinem Link:

    Von der Leyen widersprach der Kritik in der Bild-Zeitung: “Von Menschen, die Hartz-IV-Anträge ausfüllen, kann man auch verlangen, dass sie für die Bildung der Kinder ein Formular einreichen.”

    Wie Josef so schön sagte: Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen!

    Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde die Situation noch verschlimmern.

    Äh wie bitte? Zügle mal Deinen Sozialneid. Du würdest es ja auch bekommen. Und auch Ackermann. Neid, Neid!

    Aber ist mir recht, dadurch wird es dann nur noch einfacher den Armen das Geld aus den Taschen zu ziehen.

    Ok, dann hast Du es offensichtlich überhaupt nicht verstanden.

  57. #57 Joseph Kuhn
    5. März 2012

    @ Breitside:

    Wie Josef so schön sagte

    Hat er nicht. Das Zitat von Brot und Kuchen hatte resident_alien· 02.03.12 · 20:15 Uhr eingeführt, das Original wird Marie Antionette, der Königin Frankreichs vor der französischen Revolution, zugeschrieben, aber das stimmt wohl nicht, es hat nur damals gut gepasst. Das Thema Armut war eben schon immer eines, bei dem es kontrovers herging.

  58. #58 Nikolai Schweigert
    5. März 2012

    Generell ist der Zusammenhang doch wohl jedem offensichtlich, vor allem in den unteren Bereichen niedrigster Einkommensverhältnisse (in armen Drittweltländern) korrelieren Gesundheit und Verdienst allein schon deswegen elementar, weil es um gesundheitliche Defizite hervorgerufen durch Mangelernährung, schlechtem Zugriff auf sauberes Wasser etc. geht. Am Anfang unserer Bedürfnispyramide steht unsere Grundversorgung. Wenn es da schon klemmt, fällt die Gesundheit konkret nach hinten über. Ich arbeite selbst in einer großen Versandapotheke. Wir hatten vor einigen Wochen im Blog ähnliche Themen, nur von einer anderen Seite beleuchtet: Der Welthunger-Index und das Golden Rice Project. Die Auswirkungen, die eine ausgewogene und “vollständige” Ernährung hat, sind signifikant. Wenn sich das Einkommen also bessert, dann sind hier direkt die ersten “Sprünge” zu erwarten, was die Lebenserwartung angeht. Hier sind wir alle irgendwie gefordert, mal nachzudenken (Mich selbst meine ich ausdrücklich mit). Es gibt noch so extrem viel Hunger auf der Weltkarte, den man allein deshalb ausblendet, weil er nur zu Weihnachten thematisiert wird…

  59. #59 Spoing
    5. März 2012

    Was unterscheidet denn die Leute mit geringen Einkommen von denen mit hohen Einkommen? Da fällt einen ja spontan erst einmal die Menge des verfügbaren Geldes ein.
    Aber da es in manchen Ländern in denen weniger umverteilt wird teilweise besser läuft kann es also nicht nur an der Verfügbaren Menge des Kapitals liegen.
    (Mir fällt gerade einmal auf, dass das einfach eine unhinterfragte Annhame meinerseits ist, gibt es da Statistiken der einzelnen Länder zu? Also welches Land den unteren Einkommensschichten wie viel Geld zukommen lässt lässt sich ja sehr schnell finden aber ich meine die im Artikel angesprochene frühere Sterblichkeit in den einzelnen Ländern gepaart mit der Geldumerteilung)

  60. #60 BreitSide
    5. März 2012

    Joseph Kuhn· 05.03.12 · 07:27 Uhr

    Ok, ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil…;-)

  61. #61 Joseph Kuhn
    6. März 2012

    Da in verschiedenen Kommentaren das Umverteilungsvolumen in Deutschland und andere soziale Hintergrundfaktoren angesprochen wurden: Gute Daten zur sozialen Lage gibt es in der kleinen Zeitschrift ISI, die von gesis herausgegeben wird (ehemals Zentrum für Umfragen Mannheim), und im jährlich erscheinenden “Datenreport”, der u.a. vom Statistischen Bundesamt herausgegeben wird. Beides ist online kostenfrei.

  62. #62 Regina
    6. März 2012

    @Josef Kuhn Warum kommt der Blog erst, wenn die Anmeldefrist (2.3.2012) eigentlich schon beendet ist?

  63. #63 Joseph Kuhn
    6. März 2012

    @ Regina: Weil ich voher nicht daran gedacht habe. Aber Sie können sich da sicher noch anmelden, ich glaube nicht, dass Sie zurückgewiesen werden. Einfach ein Mail hinschicken (kongress@gesundheitberlin.de).

  64. #64 Regina
    6. März 2012

    @Joseph Kuhn: habe ich schon, ich zitiere: (…) Wir sind gerade im Endspurt der Vorbereitungen für den Kongress am Wochenende. Seit Freitag ist die Anmeldefrist abgelaufen und wir haben wegen sehr hoher Anmeldezahl keine Möglichkeiten mehr noch Teilnehmende an zu melden. (…)

    … ich wäre ja quasi das Paradebeispiel (arm, krank aber nicht adipös ..;-))

  65. #65 Joseph Kuhn
    6. März 2012

    @ Regina: Schade. Vielleicht zum Trost: Der 18. Kongress Armut und Gesundheit kommt bestimmt.

  66. #66 rol
    8. März 2012

    Soeben erschienen:
    Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Gesundheit
    (RKI Themenheft), siehe
    https://www.rki.de/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/arbeitslosigkeit__gesundheit.html

  67. #67 Spoing
    8. März 2012

    Vielen dank für die Links, auch wenn sie mich wieder viel zu lange vom lernen fürs Studium abgehalten halten, war doch lehrreich. Besonders das von rol verlinkte Themenheft ist fast Maßgeschneidert für die Bisherige Diskussion.
    Das Fazit welches dort gezogen wird: “Krankheiten sind zugleich Folge und Ursache von
    Arbeitslosigkeit”

  68. #68 BlubbBlubb
    8. März 2012

    Zum Thema Gesundheit und Arbeitslosigkeit / Hartz 4 möchte ich mal gerne meinen Fall schildern und würde gerne hören, was die schlauen Köpfe hier, dazu sagen.

    Ich bin knapp 24 Jahre alt, kerngesund, glücklich und seit 4 Jahren Hartz 4 Empfänger.
    Schon in der Schulzeit habe ich gemerkt, dass mich viel Geld, ansehen durch den Beruf, der viele Konsum usw. nicht interessieren. Nachdem ich das Gymnasium beendet habe, hatte ich nur 1 Jahr gearbeitet und dort ca. 900€ Netto verdient. Viele würden wohl sagen, dies ist auch schon nicht wirklich viel. Dennoch habe ich selbst da nicht gewusst, wohin mit dem ganzen Geld und hatte immer eine Menge übrig am ende des Monats. Das frühe Aufstehen, der weite Weg und die wenige Freizeit haben mich dabei schon immer gestresst und oft hatte ich schlechte Laune, oft Kopfschmerzen usw. Ständig habe ich mich gefragt, wofür ich das eigentlich mache. Dann habe ich mir nen Plan ausgedacht und das so eingefädelt, dass ich Hartz 4 bekomme, ohne das mich das Amt stresst. Wie sieht es nun bei mir aus?
    Ich bin glücklicher als je zuvor und mir geht es um einiges besser. Ich kann immer ausschlafen, habe immer Zeit für meine Freunde und Familie und auch das Geld reicht mir locker (Sogar mit Hartz 4 habe ich teilweise einige Euros am ende des Monats übrig). Ich habe keinen mehr der mir Druck macht, habe immer Zeit wenn jemand meine Hilfe benötigt und kann jeden Tag das tun, worauf ich Lust habe.
    Ich kann durch meine Arbeitslosigkeit auch nich feststellen, dass sich meine Gesundheit dadurch verschlechtert hat. Eher das Gegenteil ist hier der Fall. Ich gehe jeden Tag 1 Stunde Joggen und mache eine weitere Stunde Training zu Hause (Gewichte, Sit Ups, Push Ups usw.). Meine Ernährung besteht hauptsächlich aus Milch, Wasser, Obst, Brot mit Auflage und Müsli. Ich bin fit, habe kein Übergewicht oder sonstige Probleme. Ich rauche nicht und trinke auch keinen Alkohol. Ab und zu gönne ich mir gerne aber mal ein bisschen Marihuana ; ) Meine Freunde und Familie freuen sich für mich, weil ich nun viel besser drauf bin und es mir sichtlich einfach gut geht. (Sie gehen alle Arbeiten) und wenn ich mir ansehe wie dick mein Kumpel in seinem Bürojob geworden ist, oder was für Rückenprobleme mein (erst 22 Jähriger) anderer Freund durch seine Arbeit im Lager hat, kann ich das mit dem “Arbeitslos = Krank” nicht nachvollziehen. Klar, wenn ich mir von meinem Hartz 4 nur Bier und Tabak kaufen würde, von dem ganzen Hardcorekonsum abhängig wäre (ständig neue Smartphones, jeden Monat unmengen an neuen (Marken)Klamotten und und und), dann würde mich das wohl auch kaputt machen. Aber der ganze Kram interessiert mich einfach nicht. Was ich auch schrecklich finde ist, wie viele Leute sich wirklich nur durch ihre Arbeit definieren. Ich habe schon Menschen kennengelernt die wussten tatsächlich nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen würden, wenn sie keine Arbeit hätten (Er hat seinen Urlaub abgebrochen, um wieder zu arbeiten, weil er nicht wusste was er in seiner Freizeit tun könnte). Ich finde das irgendwie ein bisschen traurig. (Und vielleicht auch irgendwie krank, oder nicht?)
    Was sagt ihr dazu? Bin ich eigentlich krank und bilde mir nur ein, glücklich zu sein?
    Ich meine: Ich bin gesund, habe 2 Arme und Beine, Augen mit denen ich schöne Dinge sehen kann, ohren mit denen ich Musik genießen kann, immer etwas zu Essen, sauberes Wasser aus dem Wasserhahn, tolle Menschen die mich umgeben und sehr viel Zeit für die Dinge, die ich gerne tue. Es gibt Menschen auf der Welt, die haben nichts davon, müssen dreckiges Wasser trinken, verhungern, sind Opfer eines Krieges, werden verkrüppelt geboren, werden niemals sehen können usw. Da kann ich mich doch einfach nur glücklich schätzen, mit dem was ich bereits habe!

    Erleuchtet mich : ) Ich bin für alles offen und analysiere mich gerne selbst.

  69. #69 roel
    8. März 2012

    @BlubbBlubb Da gibt es eigentlich nicht viel zu analysieren. Du lebst halt von dem, was u.a. deine arbeitenden Freunde und Familienmitglieder an Sozialabgaben leisten und nutzt das Soziale Netz bewußt aus.

  70. #70 miesepeter3
    8. März 2012

    @BlubbBlubb

    Herzlichen Glückwunsch. Ein Mensch, der zufrieden ist, mit dem was er hat. Er braucht nicht viel um glücklich zu sein und hat von anderen Kostbarkeiten – Zeit – im Übermaß.
    Beneidenswert. Gibt es in Deiner Umgebung niemanden, der darauf neidisch ist?
    Klappt so aber nur, weil es genügend andere gibt, die durch ihre Arbeitsleistung soviel aufbringen, dass Dein Leben bezahlbar ist. Du solltest nicht für Deine Lebenseinstellung missionieren, wenn das viele so machen, gibt`s kein Geld mehr dafür. Bleibe ruhig die Ausnahme und genieße Dein Leben. Ein paar solcher Leute können wir bequem mit durchfüttern und als Beispiel nehmen, dass Glück auch anders erreichbar ist, als nur zu raffen.

  71. #71 Regina
    9. März 2012

    @BlubbBlubb warum machst Du dich nicht selbständig? Dann kannst du Dir auch alles selbst einteilen. Das ist ehrlicher als auf Kosten anderer zu leben.

  72. #72 Helva
    10. März 2012

    War hier schon mal jemand richtig arm? Nomadenseele jedenfalls nicht, hat keine Ahnung, was man ist, wenn man arm ist.

    Als Kind war ich sehr arm, GsD nicht bildungsarm. Meine Zähne sind jetzt mit 40+ trotzdem total marode, weil ich zufälligerweise nicht die richtigen Mineralien gefuttert gabe , als ich klein war. Adipositas war nie mein Problem, dafür war der Kühlschrank meiner Kindheit zu übersichtlich bestückt.

    Heute kann ich mir genug leisten für mich und meine Familie, aber ich würde nie aus dem Stand und ganz allgemein arme Familien verurteilen. Auch mit viel Bildung kann man dann nicht dieselben Voraussetzungen schaffen, wie mit ausreichend Geld.

    Und Pommes vom Discounter sind je nach Jahreszeit deutlich günstiger als frische Kartoffeln-

    aber es geht noch billiger: Dosenessen (suppen etc) ist immer noch schön billig.Nudeln nur mit Magarine und Salz. Brot mit Mayonnaise, Haferflocken in der Pfanne mit Fett geröstet, als Obst nur die billigsten Äpfel…soll ich mal weitermachen?

    Alle stehen auf Abwechslung, das kann man als armer Mensch, egal, ob mans gesund versucht oder nicht, vergessen.

    Auch der beste H4 Empfänger wird Probleme haben, sein Kind zB zum Ballett zu schicken oder ein anspruchsvolles Instrument lernen zu lassen.

    Ich empfinde diese Gesellschaft im Übrigen als zunehmend sozial undurchlässig, ich finde, früher wurde mehr für die Bildung aller Kinder getan als heute. Heute gibt man ganze Heerschren zu einem frühen Zeitpunkt mit dem Slogan einmal H4 immer H4 auf.

    Vielleicht sollten Nomadenseele und co mal Lesepate werden oder freiwillig im sozialen Brennpunkt HA betreuen.

  73. #73 Spoing
    10. März 2012

    Nun, Helva0 ihre Kritik an Nomadenseele geht etwas an der Diskussion vorbei. Wir reden hier über die relative Armut in Deutschland. Die Voraussetzung eines so gut bestückten Kühlschrankes um Übergewicht zu bekommen ist mit dem Existensminimun definitiv gegeben.

    Es bezweifelt ja keiner, dass es armen Menschen schlechter geht, es geht hier ja eher darum wie stark dies in der Eigenverantwortung der Betroffenen liegt und in wie weit die Gesellschaft daran schuld ist. Bzw. wie stark die Gesellschaft dafür Sorgen muss das Leute welche durch die marktwitschaftlichen Gegebenheiten nicht reich sind, von der Allgemeinheit getragen werden müssen.
    Darf zum Beispiel jeder sein erspartes für Medizinische Zusatzleistungen aufwenden oder nicht? Soll jemand der sich gesund ernährt belohnt werden? Warum gibt es einen Zusammenhang zwischen ungesunden Leben und Armut, wenn dies doch nicht zwangsläufig durch vorhandenes Geld bestimmt wird.
    Oder ganz extrem Gefragt, Wie viel von der Seite “Jeder ist sich selbst der Nächste” und wie viel von “Du selbst bist Nichts, die Gemeinschaft ist Alles” ist für das Gesundheitswesen ideal-

  74. #74 Helva0
    10. März 2012

    @Spoing:
    1.Ich rede hier auch von der relativen Armut in D, von was sonst?
    2. Habe ich aufzeigen wollen, dass Nomadenseele nicht weiß, wovon er redet.
    3. Gibt es auch heute noch Kinder, die zu wenig zu essen bekommen, nicht nur das Falsche- auch in D.
    4. Die Übergewichtsproblematik ist kein reines Unterschichtsphänomen, heutzutage gibt es an Unis auch mehr Übergewichtige als vor 20 Jahren.
    5. Eigenverantwortung? Kinder können Eigenverantwortung nur sehr begrenzt ausüben. Wenn man negative Kreisläufe durchbrechen will, muss man die Kinder fördern. Da, wo es die Eltern nicht vermögen- aus welchen Gründen auch immer- sollte die Gesellschaft eingreifen, auch im Eigeninteresse.
    6. Es gibt auch arme Menschen, die arbeiten. Auch deren Gesundheit ist schlechter.

    Ich weiß nicht, ob es dazu Studien gibt, aber ich stelle mal die These auf, dass Armut immer eine -im Durchschnitt gesehen- schlechtere Gesundeit bedeutet.
    Also arme gebildete Menschen haben eine im Schnitt gesehen schlechterer Gesundheit als genauso gebildete Gutverdiener.

    Ncht an allem Elend ist die Gesellschaft Schuld, zB an vielen Krankheiten. Neoliberale lassen auch solche Menschen im Regen stehen, die unverschuldet in Not gerade- ich bin froh, dass dies hier noch anders ist.

    Zivilisation hat auch etwas damit zu tun, wie eine Gesellschaft sich um Schwächere kümmert.

  75. #75 mathias
    11. März 2012

    Nomadenseele· 03.03.12
    “Viele sind nun einmal nicht ohne Grund arbeitslos. Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass unter den Hartz 4 – Empfängern überdurchschnittlich viele von Natur aus diziplinlose (übergewichtige) und zur Krankheit neigende Personen zu finden sind.
    (Von den Leuten, die gar nicht arbeiten wollen, mal ganz abgesehen).

    Ich finde es auch ziemlich logisch, wenn man über Jahre hinweg kein festes Programm mehr hat, wo soll da noch Diziplin herkommen? Und das überträgt sich nach und nach auf alle Lebensbereiche.”

    Dir ist schon klar, dass jeder nach einem Jahr arbeitslos sein kann, wenn er prekär beschäftigt ist?
    Das Arbeitslosigkeit zu schlafstörungen und Depressionen führt, die dann das Essverhalten ändern, und Antriebslos machen (Gewichtszunahme!) und natürich auch das Sozialverhalten beeinflussen, Selbstwertgefühl leidet, und man zieht sich zurück. Das man auch kein Geld hat, und so zwangsweise die Sozialkontakte leiden, kommt noch erschwerend hinzu. Und dann so einen Bockmist zu lesen, läßt bei mir die Faust ballen.
    Hier wird mal wieder Ursache und Wirkung, weil es nicht ins Bild passt, von einem Vollpfosten vertauscht.
    Les dir mal entsprechende Medizinische Studie zu Arbeitslosigkeit, Depression, und anderen Seelischen Erkrankungen zu. Und wenn du dann noch Lust hast, mal die Befunde zu Prekärer Beschäftigung und ihre Folgen für die Gesundheit..

  76. #76 Spoing
    11. März 2012

    Zu 3. von Helva0
    “3. Gibt es auch heute noch Kinder, die zu wenig zu essen bekommen, nicht nur das Falsche- auch in D.”

    Aber woran liegt das? Liegt das wirklich an der Armut? Würden 200€ mehr pro Kind daran was ändern? Oder 500? Oder würde das Geld bei den Kindern nicht ankommen? Wie weit darf der Staat denn gehen zum Wohle des Kindes? Wäre eine generelle Überwachung aller armen Kinder durch das Jugendamt legitim?

    Liegt es nur am Geld, dass arme häufiger krank sind? Wenn ja ab welchen Geldbetrag würde es aufhören, wenn nein, woran sonst bzw. was kann und darf ein Staat gegen den Rest überhaupt unternehmen?

  77. #77 Helva0
    11. März 2012

    @Spoing

    Es gibt auch andere Möglichkeiten, Kindern zu helfen, als den Eltern mehr Geld zu geben oder eine grundsätzliche Überwachung.
    Eine grundsätzliche Überwachung dürfte wohl nicht grundgerechtskonform sein. Ansonsten darf der Staat aber alles beschließen, was nicht verfassungswidrig ist.

    Ein kostenloses Mittagessen für alle oder Frühstück oder Schulmilch wäre zB ein Anfang.

    Wenn man die oben zitierten Quellen, insbesondere rki liest, wird man feststellen: Ja, ein Teil der Krankheiten sind schlicht und ergreifend armutsindiziert.

    Es gibt auch kaum Möglichkeiten der sauberen Trennung. Ich denke daher, man muss von dem Ansatz: Der ist selbst schuld, also tun wir als Gesellschaft nichts oder nur das allernötigste, ganz schnell weg.

    Die Frage lautet: Was kann man unternehmen, um die Situation zu verbessern?

    Und im Eigeninteresse dieser Gesellschaft liegt es sicherlich, keine weitere Polarisierung eintreten zu lassen. Ich habe jdenfalls keine Lust auf brennende Autos etc.

    Und ein Gebot der Menschlichkeit ist es, insbesondere auch hinsichtlich der Kinder, auch.

    Letztlich muss man ansehen, dass auch die Mittelschicht gegenüber den Reichen immer weiter an Boden verliert. Ich denke, wir haben noch viele Möglichkeiten zum Umverteilen.

    Es war früher schonmal anders (damit meine ich 70er bis 80er Jahre)

  78. #78 Spoing
    11. März 2012

    Sicherlich sind Gratisangebote welche für alle gelten eine super Sache (sofern Finanzierbar). Gemeindefinanzierte Schulmilch und Schulessen wäre ich auch sofort für zu haben. (Auch wenn ich aus Erfahrung sagen kann das die Eltern mancher Kinder sich so viele Allergien einbilden, dass das sehr stressig umzusetzen wäre)

    Gerade im medizinischen Bereich wäre es hier mal interessant wie viel sich damit erreichen ließe wenn manche Kinder zumindest halbwegs vernünftiges Essen mal vorgesetzt bekommen.

    Bei Erwachsenen muss man allerdings auch aufpassen das man der Gleichheit nicht zu viel der Freiheit opfert.
    Gemeinschaftsgroßküchen in denen jedem Einwohner ein Gratismittagessen zur Verfügung steht wäre auch super, nur muss man aufpassen das es dann nicht zur Pflicht wird dort zu essen. So wäre es zum Beispiel dann sinnlos den aktuellen Hartz IV Satz auszuzahlen, wenn die Grundsicherung kein Mittagessen mehr enthalten muss. Zudem wäre so etwas für ländliche Gegenden kaum realisierbar. Sollen alle die keine Möglichkeit haben dort hin zu gelangen einfach Pech gehabt haben?
    Ebenso wäre ja zum Beispiel ein Recht auf Arbeit auch wünschenswert wenn Arbeitslose häufiger krank sind. Wie gut dies Funktioniert hat konnte man ja in der DDR beobachten. Die Rechte aller werden auch immer zu Pflicht des Einzelnen.
    Sicherlich sollte man bedenken das unser Wirtschaftssystem Arbeitslose braucht um seine Flexibilität zu behalten. (Und sie somit automatisch produziert, da fehlende Flexibilität zu arbeitslosen führt) Auch gerade deshalb sollte man Arbeitslose und andere arme Menschen nicht schlecht behandeln.
    Jedoch muss man als Gesellschaft auch zusehen wie viel von Zuckerbrot und wie viel von Peitsche für eine maximale Produktivität sorgen (das entmenschlichte “maximale Produktivität” soll sagen wie man am meisten Leute in vernünftige Arbeit bekommt, sprich keine Soziale Hängematte aber auch kein soziales Abrutschen)

    Auch sehe ich mich als liberaler Mensch dazu verpflichtet anderen nicht meinen Lebensstil aufzwingen zu wollen, der ganztags betrunkene Punk (oder hier zum beispiel auch Blubbblubb) hat meiner Meinung zwar kein Recht auf Arbeitslosengeld, aber wir haben auch nicht das Recht ihn dazu zu zwingen dass er etwas aus seinem Leben machen will. Gerade bei Kindern sieht das doch noch anders aus, aber wer Erwachsen ist sollte auch für sich entscheiden können wie viel ihm seine Gesundheit wert ist. Der Staat hat hier nur eine Basis zu schaffen und dafür zu sorgen das jeder die Möglichkeit bekommt sein Potential auszuschöpfen.

    Auch wenns etwas stark schon vom Thema abweicht, aber das schlimmste was ich gegenüber den sog “Gutmenschen”*1 befürchte ist das die es einen eines Tages Verbieten ein “Arschloch” zu sein. Es wird oft von Gleichberechtigung gesprochen aber was die Forderungen konkret bewirken sollen ist Gleichheit und nicht gleiches Recht/Chancen.

    *1 Gutmensch: Da dieses Wort oft in unterschiedlichster Weise benutzt wird mal meine persönliche (die hier gemeinte) Definition des Wortes: Getreu dem Satz, wer sich selbst zu den Guten zählt, neigt dazu andersdenkende zu verteufeln, ist ein Gutmensch für mich jemand der die Legitimation seiner Argumente aus seiner angeblichen moralischen Überlegenheit ableitet und nicht anhand der Realität

  79. #79 Helva0
    11. März 2012

    @Spoing,
    Zitat “Der Staat hat hier nur eine Basis zu schaffen und dafür zu sorgen das jeder die Möglichkeit bekommt sein Potential auszuschöpfen.”

    Ja, so sehe ich das auch. Allerdings habe ich stark den Eindruck, gestützt von mittlerweilen zahlreichen Statistiken zur sozialen Durchlässigkeit, dass dies zunehmend nicht mehr passiert.

  80. #80 BreitSide
    12. April 2012

    Hier eine sehr interessante Meldung: Ein niedriger sozialer Status (was sich ja bei Armut ganz schnell einstellt) beeinflusst offenbar die Genaktivität von Immunzellen negativ.

    https://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/315368.html

    Heißt das dann, der Starke wird auch immunmäßig stärker, der Schwache schwächer? Welchen “Sinn” sollte das haben? Ich tippe auf eine Festigung der Hierarchie. Wer oben ist, soll möglichst lange oben bleiben. Hierarchische Ruhe ist dann wohl die erste RhesusAffenPflicht…

  81. #81 s.s.t.
    13. April 2012

    @BreitSide

    Ich tippe auf eine Festigung der Hierarchie. Wer oben ist, soll möglichst lange oben bleiben. Hierarchische Ruhe ist dann wohl die erste RhesusAffenPflicht…

    So dem so wäre, “Hierarchische Ruhe” dürfte eine erfolgreiche Strategie im “Überlebenskampf” sein. Und wie heißt es so schön? “Revolutionen entstehen niemals zu Zeiten maximaler Unterdrückung.”

    Widerspricht zwar dem ‘gesunden’ Rechtsempfinden, aber wer bekommt schon das, was er verdient bzw. wer verdient schon das, was er bekommt?

    Aber mal etwas ernsthafter: Soweit mir als Laie bekannt ist, streben soziale Strukturen, egal ob auf vier+ oder zwei Beinen, regelmäßig stabile Verhältnisse an, jedenfalls solange, bis sich die herrschende Elite ausreichend vermehrt hat.

  82. #82 BreitSide
    13. April 2012

    @s.s.t.: Karl Marx für Rhesusaffen?

    Auch mal ernsthafter: Für eine Gesellschaft sind Rangkämpfe erst einmal Ressourcenverbrauch. Der sich aber als lohnende Investition erweist. Das hatte Darwin auch so gesehen: der Stärkere ist im Allgemeinen der erfolgversprechendere Führer eines Rudels bzw. Sexualpartner.

    Dann kam die Geschichte mit den Pfauen und Hirschen, die ihn tödlich genervt hat, weil der aufwendige Schmuck doch zu nichts nütze ist, die Nahrungsaufnahme stört, Kampf und Flucht erschwert und Energie kostet. Heute wissen wir: in der zweidimensionalen Matrix mit Sexualschmuck gegen Nachkommensfitness gewinnt am Ende regelmäßig die gut-gut-Variante, die “außen-hui-innen-pfui”-Variante erzielt nur Scheinerfolge. Die “außen-pfui-innen-hui”-Variante hat halt Pech gehabt. Evolution ist nicht fair oder gerecht.

    Und genauso scheint das bei der Matrix soziale Stellung gegen Immunsystem zu sein. Gruppen, bei denen die Führungskräfte bessere Immunkräfte haben als die Untertanen, scheinen stabiler zu sein.

    Rangkämpfe kann sich eine Gruppe nur leisten, wenn sie hinreichend Ressourcen hat oder der Machtkonkurrent allzu viel stärker ist als der aktuelle Machthaber. Dann lohnt sich der verlustreiche Rangkampf mittel- und langfristig.

  83. #83 s.s.t.
    14. April 2012

    @BreitSide

    Evolution ist nicht fair oder gerecht.

    Wird gerne auch von Nicht-Kreationisten übersehen. Anders formuliert: Evolution ist erfolgreich. Platt formuliert: Evolution geht über Leichen.

    Nun ja, bei diesen Sätzen fangen die Probleme des menschlichen Zusammenlebens an.

    Und genauso scheint das bei der Matrix soziale Stellung gegen Immunsystem zu sein. Gruppen, bei denen die Führungskräfte bessere Immunkräfte haben als die Untertanen, scheinen stabiler zu sein.

    Und damit auch erfolgreicher.

  84. #84 Joseph Kuhn
    15. April 2012

    “Evolution ist erfolgreich.”

    Woher kommt hier der Maßstab für “Erfolg” und aus wessen Perspektive gilt die Evolution als “erfolgreich”? Die Mammuts würden das, wenn sie könnten, vermutlich anders sehen als die Schaben.

    “Evolution geht über Leichen. Nun ja, bei diesen Sätzen fangen die Probleme des menschlichen Zusammenlebens an.”

    So ist es. Deswegen ist Sozialdarwinismus auch keine gute Leitschnur für ein menschliches Zusammenleben.

  85. #85 Dr. Webbaer
    15. April 2012

    @Kuhn
    Die Evolution ist erfolgreich, weil sie Folgen zeitigt. Man spricht auch wirthschaftlich von einem Erfolg (der nicht positiv sein muss). Evolution ist ein Prozess und sozusagen das, was übrig bleibt. Von dem, was übrig geblieben ist, kann man nicht viel sagen, anders schaut’s aus bei dem, was nicht mehr da ist; das kann neben Pech auch angelegte Fehler gehabt haben. Deswegen ist der Sozialismus auch keine gute Leitschnur für ein menschliches Zusammenleben.

  86. #86 BreitSide
    15. April 2012

    War doch wieder klar, dass Dr.eckiger WebBarsch seinen braunen Sozialdarwinismus raushängen lässt.

    Die dümmliche Wortkopiererei des Titelgeilen durfte sich wieder austoben.

    In seiner primitiven Recht-des-Stärkeren-Ideologie wäre er selbst nie hochgekommen. Und auch sein krudes Darwinismusverständnis ist – natürlich – wieder jämmerlich falsch. Tierische Gesellschaften fördern und behüten ihre kranken, schwachen und alten Genossen. Besonders die hochentwickelten.

    Der Pseudodoc vergleicht sich da wohl eher mit Bakterien und Einzellern. Da stimmen seine tumben Vorstellungen noch einigermaßen.

  87. #87 s.s.t.
    15. April 2012

    @Joseph Kuhn

    Woher kommt hier der Maßstab für “Erfolg” und aus wessen Perspektive gilt die Evolution als “erfolgreich”? Die Mammuts würden das, wenn sie könnten, vermutlich anders sehen als die Schaben.

    Evolution hat bekanntlich keinen Sinn und kein Ziel. “Erfolg” et al. sind menschliche Maßstäbe und dienen vorzugsweise unserer Weltsicht. Mammuts waren zu ihrer Zeit erfolgreich, Geparden sind es heute. Leztere werden wohl ‘bald’ aus offensichtlichen Gründen austerben. Unsere aller Mutter, die heiß geliebte Evolution, favoriert augenscheinlich Spezien, die darauf spezialisiert sind, nicht spezialisiert zu sein. Z.B. Menschen, Ratten, Schaben und ähnliches Kroppzeug.

    So ist es. Deswegen ist Sozialdarwinismus auch keine gute Leitschnur für ein menschliches Zusammenleben.

    Tja, eben das könnte zum Aussterben der Homos beitragen.Mag ja sein, das sich etwas, was sich mrd.-fach in einigen mrd.-Jahren bewährt hat, seit einigen tsd. Jahren nicht mehr gilt. Ich hab da so meine Zweifel (Nee, das ist jetzt keine ethische Diskussion, das wäre ein ganz anderes Fass.).