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Wie bitte? Wer kommt denn auf sowas? Nun, das British Medical Journal hat es in einem Paper belegt: In einer Studie mit 1705 Männern über 70 Jahre in Sydney konnten australische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfinden, dass Männer, die sich mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 0,82 Metern pro Sekunde (gemessen bei zwei Durchläufen von jeweils sechs Metern) zu Fuß fortbewegen, am wahrscheinlichsten sterben, während keinen Studienteilnehmer, der noch in der Lage war, schneller als 1,36 Meter pro Sekunde zu gehen (was einem Stundentempo von knapp fünf Kilometern entspricht), der Tod ereilte – woraus die AutorInnen scharfsinning folgern:

The Grim Reaper’s (etwa: der Sensenmann, d.Red) preferred walking speed is 0.82 m/s (2 miles (about 3 km) per hour) under working conditions. As none of the men in the study with walking speeds of 1.36 m/s (3 miles (about 5 km) per hour) or greater had contact with Death, this seems to be the Grim Reaper’s most likely maximum speed; for those wishing to avoid their allotted fate, this would be the advised walking speed.


Ein Kommentator hat daraufhin sogar vorgeschlagen, alle lebensbedrohlichen Operationen künftig im wörtlichen Sinn ambulant, also im Gehen und bei mindestens drei km/h durchzuführen … Spätestens jetzt hat es wohl jeder gemerkt: Der Artikel ist ein spoof, ein Scherz-Artikel, wie wir ScienceBlogger sie beispielsweise gerne zum 1. April veröffentlichen – das BMJ macht sich seine Spaßbeiträge hingegen traditionell lieber selbst zum Weihnachtsgeschenk. Warum ausgerechnet zur Weihnachtszeit, die ja generell eher als “besinnlich” beschrieben wird, kann ich zwar nicht sagen. aber ich nehme an, dass eine Frage nach eventuellen Spaßregeln sowieso schon grundsätzlich gegen das britische Verständnis von Humor verstoßen würde.

Aber ich will die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, mal ein bisschen über solche Spoofs und deren Nebenwirkungen nachzudenken. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass sich viele – und natürlich die meisten der Genasführten (was beim oben verlinkten Beitrag sicher die Ausnahme sein wird – die Unernsthaftigkeit war doch zu offensichtlich) – zumindest innerlich, denn wer will schon gerne als humorlos gelten, über solch einen “Missbrauchs” seitens eines seriösen Journals empören. Untergräbt das nicht das Vertrauen in die Wissenschaft? Oder schlimmer noch: Zieht es nicht die wissenschaftliche Methode an sich ins Lächerliche, indem sie selbige grob persiflierend für offensichtlichen Unsinn benutzt und damit insinuiert, dass auch vieles andere, was damit angestellt wird, ebensolcher Unsinn ist?

Mag sein, auch wenn ich selbst diesen Bedenken nicht zustimmen würde (letztlich trifft jeder diese Entscheidung für sich selbst und in Übereinstimmung mit seinem/ihrem Humorverständnis). Aber ich finde, der Nutzen solcher Streiche liegt vor allem darin, dass dadurch die Sinne für potenziellen Unsinn geschärft werden. Und ja, auch beim strikten Befolgen der wissenschaftlichen Methode kommt gelegentlich Unsinn heraus, nach der altren informatischen Input-Output-Regel GIGO, die sinngemäß besagt, “wer mit Müll anfängt, kriegt auch Müll raus”. Und nicht immer merken die AutorInnen oder ReviewerInnen, dass es Müll war. Was eine Folge der Betriebsblindheit sein kann. Da kann es nicht schaden, wenn der instinktmäßige (aber auch intellektuelle) Zweifel immer wieder mal wie im Katastrophenschutzmanöver auf seine Einsatzfähigkeit getestet wird.

Abbildung: Wilhelm Busch, “Julchen” (via Wikimedia Commons)
Mit kollegialem Dank an Joseph Kuhn/Gesundheits-Check

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Kommentare (8)

  1. #1 rolak
    10. Januar 2012

    So schön erinnerungshervorlockend Buschs Zeichnung auch sein mag: Eindeutig aus dem Kontext gerissen und falsch verwendet. Denn wie heißt es doch so schön in den dazu­ge­hörigen Versen “Eins, zwei, drei! Im Sauseschritt…” 😉

  2. #2 Joseph Kuhn
    10. Januar 2012

    @ rolak: Die Busch-Zeichnung ist nicht aus dem Zusammenhang gerissen. Man muss bedenken, dass der Tod ein älterer Herr ist (aus feministister Sicht vielleicht auch eine ältere Dame), vermutlich gehbehindert. Dafür sind 3 km/h schon echter Sauseschritt. Unklar ist, ob der Tod durch seine geringe Gehgeschwindigkeit auch selbst ein erhöhtes Sterberisiko hat, oder ob solche Überlegungen nur in Russellsche Klassenparadoxien führen.

    Interessant ist die Überlegung des Blogbeitrags zum Nutzen solcher “spoofs”, nämlich dass sie den Sinn für Unsinn schärfen. In dieser Hinsicht hätten sie etwas mit pseudowissenschaftlichen Publikationen gemeinsam, die (allerdings ungewollt) auch dazu beitragen, die Kriterien für wissenschaftliches Arbeiten bewusster zu machen bzw. manchmal sogar methodologisch nachzujustieren.

  3. #3 Muddi & theBlowfish
    10. Januar 2012

    Um mal gaanz genau zu sein(und an rolak’s Korinthenschietern fröhlich zu partizipieren)
    Handelt es sich tatsächlich um “Väterchen Zeit” (eins, zwei drei, im Sauseschritt, läuft die ZEIT, wir laufen mit)auch dargestellt mit Sanduhr und Sense.
    Tot ist buchstäblich NOCH knochiger.(*gnnnnnnn -PLINK!*)

    Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die australischen Wissenschaftler einen wichtigen Faktor ausser Acht gelassen haben- Tod ist gewöhnlich nicht zu Fuss, sondern beritten unterwegs (das Pferd heisst übrigens Binky): Um ihm zu entkommen müsste ein Läufer schon mit etwa 70km/h unterwegs sein.
    Arbeitsschutzsrechtlich gesehen könnte diese Geschwindigkeit bei lebensbedrohlichen Operationen zu Problemen führen-zumal die OP-Liegen dafür gar nicht über die benötigte Verkehrssicherheit verfügen und die Anaesthesisten dauernd ihren Kaffee verschütten würden….

  4. #4 René
    10. Januar 2012

    lol
    ich lach mich tot! (Was der Fall sein könnte, da ich naturgemäß bei einem starken Lachanfall nicht nicht nötige Atemluft habe, dem Tod schnell genug davonzulaufen^^)

  5. #5 René
    10. Januar 2012

    @René
    nicht die nötige… klingt besser

  6. #6 Jürgen Schönstein
    10. Januar 2012

    @rolak @Muddi & the Blowfish
    Nee, ich hatte sogar ausdrücklich nach dem Julchen-Bild zum Reim “Eins, zwei, drei im Sauseschritt …” gesucht, das war also kein versehen oder Irrtum. Denn erstens habe ich in der Überschrift den Bezug zum Laufen (ugs. auch manchmal synonym mit “eilen”) gewählt, und den wollte ich auch illustrieren. Zweitens ist das abgebildete Väterchen Zeit (Father Time) ein ziemlich durchgemixtes Kompositum, bei dem sich die Sichel-Ikone des Kronos (der mit jener von seinem Sohn Zeus kastriert wurde) mit der idealisierten Darstellung der Zeit Chronos vermixt hat und letztere dann die Sense des “Grim Reaper” statt der Sichel des Kronos in die Hand bekam. Mit anderen Worten: Father Time und Grim Reaper sind eng verwandt. Drum passt’s dann doch wieder – außerdem geht es um Geschwindigkeit und Vergänglichkeit, beides sehr zutreffend durch Väterchen Zeit synmbolisiert.

  7. #7 rolak
    10. Januar 2012

    Heute Morgen fand ichs noch lustiger… sollte ja auch nur eine Fortführung im Sinne des BMJ anleiern, so eine Diskussion mit demselben Nährgehalt wie die mit der #Engel auf der Stecknadelspitze.

    Welch antropomorphe Erscheinung auch immer da durchs Bild sausekriecht, mit dem Sterben hat sie jedenfalls nicht zu tun – Väterchen Knopp wird durch die ‘schwarze / Parze mit der Nasenwarze’ von seinem Lebensfaden getrennt.

    btw: Mir ist klar, daß ‘Sensenmann’ die aktuelle Übertragung ist, doch ein wenig trauere ich dem ‘strengen Schnitter’ hinterher. Der Benennung selbstverständlich nur.

  8. #8 Muddi & theBlowfish
    11. Januar 2012

    Wie von rolak schon erwähnt, war ja auch eher augenzwinkernt gemeint- musst wirklich nicht ernsthaft Deine Layoutwahl verteidigen-das ist….. ööööh- journalistische Freiheit?
    Aber umma rolaks Argument aufzugreifen, wie schnell läuft eigentlich die alte Omma, die dann auch noch gleichzeitig feinmotorische Arbeiten ohne räumliches Sehen ausführen muss?