Es liegt schon ein paar Monate zurück, dass ich hier über Biosprit geschrieben habe – und, wie ich im Rückblick zugeben muss, damit geistig in den Kuhfladen getreten bin, den eine indische Bauersfrau getrocknet zum Befeuern ihres Herdes verwenden könnte. Natürlich ist Biosprit, so wie wir ihn hier verstehen, ein fragliches Produkt, da es aus speziell angebauten Ölpflanzen gewonnen wird, die agrarische Flächen einer anderen, essentielleren Nutzung, z.B. zur Nahrungsversorgung, entziehen. Aber Biokraftstoff ist halt nicht nur Biodiesel – auch das im Wald gesammelte Brennholz, der bereits erwähnte Kuhfladen und eine ganze Reihe biologischer Haupt- und Nebenprodukte (Sägewerksabfälle ebenso wie Methan aus ländlichen Biogasanlagen wären hier schon mal zu nennen) fallen unter diese Kategorie. Für mehr als zwei Milliarden Menschen, also ein Drittel der Weltbevölkerung, ist das Verheizen von Biomasse die vitale Grundlage ihrer Energieversorgung; 1,6 Milliarden leben abseits jeglicher Stromversorgung.

Diese Zahlen stammen aus dem FAO-Bericht “Small-Scale Bioenergy Initiatives: Brief description and preliminary lessons on livelihood impacts from case studies in Asia, Latin America and Africa“, für den 15 Fallbeispiele lokaler Biokraftstoff-Projekte in 12 Entwicklungs- und Schwellenländern beschrieben und bewertet werden. Der Bericht wurde von der UN-Ernährungsorganisation gemeinsam mit dem Policy Innovation Systems for Clean Energy Security, kurz PISCES (einer Einrichtung des britischen Entwicklungshilfeministeriums) erstellt.

Auch ohne den Bericht jetzt in allen Details überprüfen zu können (wer hat schon die Mittel, vor Ort alles selbst in Augenschein zu nehmen? Aber aus meinen Studienerfahrungen mit Entwicklungshilfe weiß ich, dass Projekte auf dem Papier – auch dem, das nach der Implementierung vollgeschrieben wird – meist viel effizienter erscheinen, als sie in der Realität überhaupt sein können), stimme ich zu, dass solche Bioenergie-Projekte notwendig und nützlich sein müssen. Sinnvoller jedenfalls als in vielen Fällen der Status quo, der beispielsweise zur Folge hat, dass unersetzbare Baumbestände für Brennholz gefällt werden, die sowohl ökonomisch als auch ökologisch besser nutzbar gewesen wären.

Ich werde mir den Bericht (der immerhin 142 Seiten umfasst) mal mit in den Urlaub nehmen, den ich mir für die Osterwoche gönne. Eine Woche mit sehr eingeschränktem Zugang zum Internet, ohne Handy (mein Service funktioniert in Costa Rica nicht) – und auch, so erschütternd das ist, ohne ScienceBlogs. Mal sehen, was mir davon die schwersten Entzugserscheinungen bereitet …

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Kommentare (4)

  1. #1 Wolfgang Flamme
    10. April 2009

    Über Ostern nach Costa Rica? Schon wieder jemand, der der Klimawandel nicht wirklich ernst nimmt. Trotzdem gute Erholung und interessante Erlebnisse.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    18. April 2009

    @Wolfgang Flamme
    Darauf haben Sie vermutlich gar nicht ernsthaft eine Antwort erwartet – aber es gibt eine, sogar mehr als eine. Ich könnte jetzt beispielsweise argumentieren, dass der CO2-Fußabdruck meiner Familie in einem tropischen Land, ohne Heizung und Klimaanlagen, sicher deutlich kleiner ist als im kalten New York (am Tag unserer Abreise fiel noch Schnee), wo die Heizung auf Hochtouren laufen musste. Dass der Strom, den ich in Costa Rica verbrauchte, zu 95 Prozent aus Wasserkraft und Erdwärme stammt, wäre eine weitere Antwort. Dass ich zumindest den Versuch gemacht habe, für einen Ausgleich für den Kohlendioxid-Ausstoß durch meinen Flug durch den Erwerb entsprechender CO2-Offsets zu sorgen, wäre eine weitere. Aber die Hauptantwort ist, dass niemand behauptet hat, man müsse nun einfach so auf alles verzichten, was Kohlendioxid in unsere Luft bläst. Ich will mir ja auch nicht das Ausatmen abgewöhnen müssen … Aber das wird ja eigentlich immer nur als Argument angeführt, dass man ja dann auch alles andere, was durchaus nachhaltiger geändert werden könnte (zum Beispiel Kohle und Öl in der Stromerzeugung durch Wind- und Wasserkraft, wo immer möglich, zu ersetzen), schön beim Alten zu lassen.

  3. #3 Wolfgang Flamme
    19. April 2009

    Sie irren sich – natürlich habe ich darauf eine Antwort erwartet. Schauen Sie, ich sage hier nichts, was Sie nicht selbst schon lange wissen: Sie leben in New York ein äußerst ressourcenintensives Leben und können aufgrund der ressourcengestützten, hohen Arbeitsproduktivität ein entsprechend attraktives Gehalt erwirtschaften. Auf nachhaltigere, aber eben ärmlichere Weise wäre Ihnen das in Costa Rica wohl nicht möglich, sonst würden Sie wohl kaum in der Fremde arbeiten. Und dieses aus Klimaschutzsicht ‘schmutzige’ Geld ermöglicht Ihnen in New York zumindest einen akzeptablen und Ihrer Familie in Costa Rica sicher einen deutlich überdurchschnittlichen (und für die dortigen Verhältnisse auch überdurchschnittlich ressourcenintensiven) Lebensstil.

    Alles, was Sie hier zur Rechtfertigung vorbringen, basiert auf greenwashing. Inder, die für Sie Flugmeilen-CO2 sparen, Ihre ressourcensparende und trotzdem vergleichsweise wohlhabende Familie, alles finanziert mit ‘polluted money’. Das ist so, als ob jemand sagt, sein gutbezahlter Job bei Monsanto ermögliche es ihm immerhin, sich und seine Familie völlig gentechnikfrei zu ernähren.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    22. April 2009

    Ist schon erstaunlich, was Sie alles – nicht – über mich wissen. Aber Sie wissen hoffentlich wenigstens, dass Sie sich damit wohl eher selbst portätiert haben. Von irgend wo her müssen solche Schuldkomplexe ja kommen …