Ehe ich gleich verbal gevierteilt werde: Mir ist schon klar, dass “Steuerflucht” ein reales Problem ist – schließlich kann ich ja lesen, was Klaus Zumwinkel et al. so alles anstellten, um Einkommen am Finanzamt vorbei zu manövrieren. Oder dass Boris Becker einen Wohnsitz in Monaco vortäuschte, um Millionen an Einkommenssteuer zu sparen. Doch hier geht es mir um die vor allem im Obama-Amerika nun immer wieder zu hörende These, dass man die höheren Einkommensschichten bloß nicht zu stark besteuern dürfe, weil die sonst in Scharen ihre Sachen packen und in freundlichere (Bundes-)Länder oder Staaten ziehen. Und zumindest daran darf man – mit wissenschaftlicher Rückendeckung – zweifeln.

Als Argument klingt dies ja in einer sowieso schon mobilen Gesellschaft sehr plausibel. Und wenn der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, selbst ein Mulitmilliardär mit Wohnsitzen in Manhattan und Bermuda, davor warnt, dass man Leute, die umziehen können, nicht zu stark besteuern darf, dann scheint er ja aus erster Hand zu wissen, wovon er spricht.

Nun, eine Studie – nicht mehr ganz druckfrisch, weil vom September 2008, aber manchmal dauert’s halt ein wenig, bis sich etwas rumspricht – des Policy Research Instutite for the Region an der Woodrow Wilson School of Public & International Affairs der Princeton University in New Jersey untersuchte die Gründe für Zu- und Abwanderungen generell und ging dabei auch der Frage nach, ob sich seit Einführung einer bundesstaatlichen “Reichen-Steuer” (für Einkommen über 500.000 Dollar jährlich) im Jahr 2004 eine solche Steuerflucht der Wohlhabenden nachweisen ließ.

Professor Douglas Massey und zwei seiner Studenten, Cristobal Young und Charles Varner, ermittelten, dass als Folge der Steuererhöhung in der Tat pro Jahr im Schnitt 67 Haushalte in der Einkommensklasse über einer halben Million aus New Jersey abgewandert waren; weitere 287 Haushalte dürften, ihrer Schätzung zu Folge, aufgrund des auf 8,97 Prozent erhöhten bundesstaatlichen Steuersatzes für Spitzenverdiener einen Umzug nach New Jersey abgelehnt haben dürften (Basis der Berechnungen waren Wanderungsdaten des amtlichen American Community Survey sowie Einkommenssteuer-Daten des Staates New Jersey). Dem steht aber ein (vor allem endogener) Zuwachs der Spitzenverdiener von 70 Prozent, auf etwa 44.000, zwischen 2002 und 2006 gegenüber.

Mit anderen Worten: Weniger als ein Prozent der in Frage kommenden Zielgruppe ließ sich von höheren Steuern rausekeln. Ihre Steuerflucht dürfte den Staat New Jersey viellecht 38 Millionen Dollar pro Jahr gekostet haben, schätzen die Autoren – aber im Gegenzug brachte die Steuererhöhung Mehreinnahmen von etwa einer Milliarde Dollar.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Mir geht es hier nicht darum, ein Plädoyer für eine Reichensteuer abzugeben. Das kann ich getrost berufeneren Leuten wie Warren Buffett überlassen, der sich wiederholt und sehr öffentlich darüber mokiert hat, dass er als einer der reichsten Männer der Welt einen deutlich niedrigeren Einkommenssteuersatz zahle als beispielsweise die Telefonistin seiner Firma.

Und sowieso glaube ich, dass man die Verdienenden unterschätzt, wenn man sie für so simpel gestrickt hält, dass sie ihr ganzes Leben nur nach dem Einkommenssteuersatz ausrichten. Denn warum würden sonst so viele von ihnen in Manhattan leben, das mit insgesamt, laut dem Magazin Forbes, 55 Dollarmilliardären, die hier wohnen – mehr als es in ganz Deustchland gibt – die Welthauptstadt der Superreichen ist? Denn hier langt der Fiskus noch viel kräftiger hin als sonstwo: Neben der Bundes-Finanzbehörde IRS greift ihnen hier nicht nur die Finanzbehörde des Staates New York mit einem zusätzlichen Spitzensteuersatz von 6,85 Prozent tief in die Tasche, sondern auch die Stadt selbst (ein relatives Unikum im US-Steuerwesen – eine städtische Einkommenssteuer) greift noch einmal weitere 3,65 Prozent ab. Wenn Einkommenssteuern ein Wanderungsgrund wären, müssten alle Milliardäre schon längst nach Miami oder Dallas abgewandert sein.

Aber wenn solche Gespenster rumgeistern, dann darf man sicher mal den Ghost Buster spielen:

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Kommentare (1)

  1. #1 adenosine
    23. März 2009

    Na ja, man kann das als reines Optimierungsproblem auffassen und versuchen den Steuersatz zu ermitteln, bei dem die Staatseinnahmen maximal sind. Das impliziert aber die Annahme, dass ein Maximum ein Geldtransfer über den Staat anzustreben ist. Also sollte man vorher mal versuchen raus zu finden, welcher Staatsanteil am BSP den überhaupt optimal ist.