Die englische Biochemikerin Dorothy Crowfoot Hodgkin ist geradezu ein Musterbeispiel für eine weibliche Wissenschaftskarriere des 20. Jahrhunderts. Die Voraussetzungen bestehen in einer privilegierten Herkunft und herausragendem Talent. Die weiteren Zutaten sind Beharrlichkeit und eine gewisse Frustrationstoleranz im Umgang mit Benachteiligungen.

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In der Summe ergibt sich eine beeindruckende Forscherinnenbiographie, die 1964 mit dem Nobelpreis für Chemie ihren Höhepunkt fand. Dorothy Crowfoot Hodgkin war damit die dritte Frau, der diese Ehrung zuteil wurde. Aber auch die (vorläufig) Letzte. Seit über 40 Jahren hielt das Stockholmer Nobelpreiskomitee keine andere Chemikerin mehr für preiswürdig. Ob sich das mit der Bekanntgabe des Chemie-Nobelpreisträgers 2008 ändert?



Kindheit und frühes Interesse für die Chemie

Geboren wurde Dorothy Crowfoot am 12. Mai 1910. Der Geburtsort Kairo erklärt sich ganz einfach: ihr Vater war Archäologe und englischer Kolonialbeamter und zu jener Zeit in Ägypten tätig. Ihre Mutter, vielleicht daher das naturwissenschaftliche Gespür, war Botanikerin.

Das unstete Familienleben und der erste Weltkrieg veranlasste die Eltern dazu, ihre Töchter zurück nach England zu schicken. Dort wuchs Dorothy Crowfoot bei ihrer Großmutter behütet auf. Die älteste von vier Töchtern interessierte sich schon in der Grundschule für Kristalle und deren Züchtung. Als sie fünfzehn Jahre alt war, bekam sie von ihrer Mutter das Buch “Über die Dinge der Natur” des Nobelpreisträgers William Bragg geschenkt. Kurz darauf verschlang sie das Standardwerk von Dorothy Parsons “Grundlagen der Chemie”.

Ihr Berufswunsch Chemikerin zu werden, stand fest. Sie studierte von 1928 bis 1932 in Oxford Chemie und war hier eine Exotin unter all den jungen, ehrgeizigen Männern. Nach ihrem Abschluß ging sie für zwei Jahre nach Cambridge, um dort mittels der Röntgenstrukturanalyse Sterole zu untersuchen. Diese Methode hatte es ihr angetan:

“Die Röntgenstrukturanalyse zeigte uns Dinge, von denen wir anfangs nicht einmal geträumt hatten.”

Ein Forscherleben in Oxford

1934 kehrte sie nach Oxford zurück und blieb dieser ehrwürdigen Institution bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 1977 treu. Eine Professur erhielt sie allerdings erst im Jahr 1956, damals hatte sie sich längst einen Namen im Feld der Biochemie gemacht.

Ihr Lebensthema war das Insulin. Über 30 Jahre lang arbeitete sie an der chemischen Analyse und vollendete diese Arbeit Ende der 60er Jahre. In der Zwischenzeit sorgte sie aber mit anderen Erfolgen für Aufsehen: 1946 gelang es ihr nach langen Jahren intensiver Arbeit die Struktur von Penicillin aufzuschlüsseln: die Voraussetzung zu seiner halbsynthetischen Herstellung.

1956 veröffentlichte sie auch ihre Untersuchungen zur Struktur des Vitamins B12, die ihr acht Jahre später auch den Nobelpreis einbrachten.

Mit Leidenschaft der Krankheit trotzen

Diese außergewöhnliche Forscherleistung ist freilich umso höher zu bewerten, wenn man weiß, daß Dorothy Crowfoot Hodgkin im Alter von 28 Jahren kurz nach der Geburt ihres ersten Sohnes Luke schwer an entzündlichem Gelenkrheuma erkrankte.

Bei der Biografin Luise F. Pusch lesen wir die Aussage eines Labormitarbeiters:

“Trotz ihrer schrecklich verkrüppelten Finger und Handgelenke,war sie so gut wie jeder im Labor und besser als die meisten.”

Und Dorothy Crowfoot Hodgkins Engagement beschränkte sich keineswegs nur auf die Chemie: sie mischte sich auch in gesellschaftliche Debatten ein und engagierte sich in der Friedensbewegung. Sie war Gründungsmitglied und zeitweilig sogar Präsidentin der Pugwash-Konferenz, eines Zusammenschlusses von WissenschaftlerInnen, die sich – besonders während des kalten Krieges – für die Verständigung zwischen WissenschaftlerInnen in Ost und West einsetzten.