Wenn es ein Paper zur Quantengravitation und Feldtheorie in Nature schafft, ist das schon etwas besonders, es ist also etwas interessantes passiert. Grund genug, dass auch ich als Boden- und Wassernuckel mir das mal ansehe.

Die asymptotische Freiheit ist uns gerade erst begegnet, ist sie es doch, die für Quark-Gluon-Plasmen verantwortlich ist, die die Teilchenphysikerinnen jetzt am LHC untersuchen möchte. Die Starke Wechselwirkung, die die Atomkerne zusammenhält und Quarks zu Protonen und Neutronen zusammenklebt, wird bei kleinen Abständen immer schwächer.

Hüpfen wir aber zunächst kurz zur elektromagnetischen Kraft und stellen uns ein Elektron vor. Wir wissen, dass das Vakuum gar nicht so leer ist, sondern ständig Paare von geladenen Teilchen und Antiteilchen auftauchen. In der Nähe unseres Elektrons werden diese sich, je nach ihrer eigenen Ladung, ausrichten und so eine kleine Polarisation erzeugen, die effektiv aus einiger Entfernung gesehen die Ladung des Elektrons abschirmt. Anders betrachtet – je näher wir an das Elektron herankommen, desto höher müsste die Ladung werden, die wir sehen – das bezeichnen wir daher mit “effektiver Ladung”.
Da wir mit höheren Energien immer kleiner Distanzen angucken, führt dies leider dazu dass die effektive Ladung mit der Energie immer weiter zunehmen müsste – und gegen unendlich streben müsste. Der große Durchbruch war die Renormierung, bei der die Theorien effektiv, aber theoretisch gesund so abgeschnitten werden, dass diese Unendlichkeiten verschwinden. Wir können uns z.B. einfach überlegen, dass unsere Theorien nicht auf jeder Energieskala gelten, und wir deswegen berechtigt sind, höhere Energien abzuschneiden.

In der Starken Wechselwirkung liegt die Sache genau anders herum. Das Vakuum bewirkt hier keine abschirmende, sondern eine verstärkende Wirkung. Je größer die Entfernung, desto größer wird die Kraft, und daher kann niemand Quarks einzeln beobachten. Zu größeren Energien und kleineren Abständen hin aber nimmt die Kraft ab, bis hin zu einer Skala auf der die Quarks quasi frei sind – asymptotisch frei.
Beschrieben wurde die asymptotische Freiheit von Frank Wilczek als Doktorarbeit bei David Gross; und auch von David Politzer. Die drei erhielten dafür 2004 den Physik-Nobelpreis. (Ziemlich spät, die Arbeiten stammten von 1973).

Wiedervereinigung

Wir haben also eine schöne Theorie für die Starke Wechselwirkung, die Quantenchromodynamik (QCD), die bei hohen Energien keinen Unfug macht. Wir haben auch eine Theorie für die elektromagnetische Wechselwirkung, die Quantenelektrodynamik (QED). Die macht zwar Unsinn bei hohen Energien, aber die Renormierung bekommt das zufriedenstellend in den Griff. Zufriedenstellend, wenn es nicht gerade unser Ziel ist, die Energie immer höher zu drehen:

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Bildquelle: Williams College

Die Grundidee ist, dass alle Wechselwirkungen nur Aspekte einer vereinigten Wechselwirkung sind, die sich im abkühlenden Universum getrennt haben. Wir haben eine hervorragende Theorie für die Vereinigung der elektromagnetischen mit der schwachen Wechselwirkung zur elektroschwachen Wechselwirkung. Diese bildet die Grundlage unseres Standardmodells der Teilchenphysik. Außerdem haben wir gute Modelle zur Vereinigung mit der Starken Wechselwirkung, wie die Supersymmetrie die wir eventuell am LHC finden können. Nur sollte bei noch höheren Energien auch die Gravitation hinzukommen. Die sträubt sich aber sogar noch dagegen, zur Quantentheorie umgebaut zu werden: Sie ist nicht renormierbar, plagt uns also mit Unendlichkeiten mit zunehmender Energieskala.

Aber auch die elektromagnetische Kraft macht uns dann wieder Sorgen, denn bei so hohen Energien würden dann ja wieder die Probleme mit der ansteigenden effektiven Ladung auftreten.
2006 schienen Sean Robinson und Frank Wilczek dann eine Lösung gefunden zu haben: Sie schauten sich an, wie die elektromagnetische Wechselwirkung sich verhält, wenn zusätzlich auch ein quantisiertes Gravitationsfeld anwesend ist. Der Einfluss der Gravitation schien dafür zu sorgen, dass sich bei hohen Energie auch in der QED eine asymptotische Freiheit finden lässt, die effektive Ladung also nicht unendlich anwachsen kann.

Alles gut?

Nein, es war nicht alles gut, denn das Ergebnis konnte auf anderen Rechenwegen (technisch: andere Eich- und Renormierungsmethoden) erst einmal nicht nachvollzogen werden. Jetzt aber könnte das Problem gelöst sein: David Toms im aktuellen Nature und anscheinend auch ein unabhängiges Paper im ArXiv haben generalisierte Rechenmethoden verwendet, die alle bislang ausprobierten Techniken als Grenzfälle beinhalten – und können Robinson und Wilczek bestätigen: Bei hohen Energien scheint auch die QED eine asymptotische Freiheit zu besitzen.
Alles gut? Naja, auch wieder nicht ganz. Schließlich haben wir festgestellt, dass die Gravitation NICHT renormierbar ist. Trotzdem sind die Berechnungen hier mit quantisierten Gravitationsfeldern durchgeführt worden – die Energien bei denen die asymptotische Freiheit auftritt sind zwar hoch aber noch nicht so hoch als dass dies nicht vertretbar sei. Nur, für ein allgemein gültiges Ergebnis und einen Weg zur Vereinigung der Kräfte ist das nicht gut genug. Da wird nicht anderes als eine wirkliche Theorie der Quantengravitation helfen. M-(String)-Theorie, Schleifenquantengravitation, oder vielleicht auch etwas ganz anderes. Aber das Ergebnis schafft ordentlich Vertrauen, dass eine Vereinigung der Kräfte tatsächlich möglich sein wird; und zeigt dass die Gravitation tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf die anderen Wechselwirkungen hat.

Wenn ihr jetzt hofft, dass ich euch genau erkläre wie Toms das angestellt hat, muss ich euch enttäuschen. Nochmal zur Erinnerung meine Qualifikationen: Boden und Wasser und so…ich hab zwar im Groben ein paar Dinge verstanden, aber ich brings nicht so weit zusammen dass ich es guten Gewissen und mit Informationen behaftet vermitteln kann. Vielleicht ein anderes Mal, stückweise.


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