Wie findet man heraus, ob es in extrasolaren Planetenystemen noch weitere, unentdeckte Planeten geben könnte? Dazu muss man die möglichen dynamischen Zustände analysieren. Im ersten Teil der Serie habe ich schon über die gründsätzliche Problematik der Parameterwahl geschrieben. 

Probleme mit N Körpern

Aber angenommen, wir haben uns auf eine bestimmtes Set von Anfangswerten geeinigt. Dann kann es losgehen mit der Simulation. Aber wie bestimmt man nun, wo in einem Planetensystem chaotische Bereiche sind und wo Ordnung herrscht?

Erstmal muss man die Bewegung der Himmelskörper simulieren – bzw. die Änderungen ihrer Bahnen im Laufe der Zeit. Man muss das sg. “N-Körper-Problem” lösen, also bestimmen, wie sich Positionen und Geschwindigkeiten von Himmelskörper unter ihrer gegenseitigen gravitativen Anziehungskraft ändern.

Bei der Untersuchung von Planetensystemen verwendet man meistens eine Variation des Problems: das sg. eingeschränkte N-Körper-Problem. Das bedeutet folgendes: einer der untersuchten Körper ist im Vergleich zu den anderen so klein, dass man seine Masse getrost ignorieren kann. Dieser Körper wird also zwar von den anderen gravitativ beeinflusst; beeinflusst aber selbst die übrigen Objekte so gut wie gar nicht.

Wenn wir beispielsweise die Bewegung von Sonne, Jupiter und einem Asteroid betrachten, dann lässt sich die Situation gut durch ein eingeschränktes 3-Körper-Problem beschreiben. Der Asteroid wird zwar durch Sonne und Jupiter beeinflusst; seine gravitative Wirkung auf den Stern und den Gasriesen sind aber vernachlässigbar klein. Selbst wenn wir Sonne, Jupiter und z.B. die Erde betrachten, ist das eingeschränkte 3-Körper-Problem immer noch eine sehr gutes Modell.

Und auch in den extrasolaren Planetensystemen lässt es sich sehr gut einsetzen. In den meisten Fällen haben wir einen Stern, einen schon bekannten extrasolaren Planet (meist sehr groß) und einen kleinen “Testkörper”, anhand dessen Bahn wir bestimmen wollen, wo sich die chaotischen und regulären Bereiche befinden. Das eingeschränkte 3-Körper-Problem eignet sich also auch hier bestens. Sind in dem extrasolaren System schon 2 Planeten entdeckt worden, dann rechnet man mit einem eingeschränkten 4-Körper-Problem – usw.

Genäherte Gleichungen

Die Differentialgleichungen, die gegenseitige gravitative Beeinflussung beschreiben, sind leicht zu formulieren. Die Kräfte werden hier mit Newtons Gravitationsformel beschrieben. Man könnte das ganze natürlich auch mit der exakteren allgemeinen Relativitätstheorie rechnen – aber das ist viel aufwendiger und – wenige Spezialfälle ausgenommen – man gewinnt bei den Ergebnissen nicht signifikant an Genauigkeit.

Diese Gleichungen müssen jetzt “nur” noch gelöst werden. Leider wissen wir spätestens seit der Arbeit von Henri Poincare im Jahr 1890, dass keine allgemeine, analytische Lösung für das N-Körper-Problem existiert. Es gibt also keine geschlossene Formel, die uns einfach und schnell die Lösung für eine beliebige Ausgangssituation verrät. Man muss die Gleichungen numerisch behandeln und Näherungslösungen bestimmen.

Der Ausdruck “Näherungslösunung” darf hier nicht falsch verstanden werden! Mit diesen “Näherungen” sind wir immerhin dazu fähig, z.B. Raumsonden punktgenau zu anderen Himmelskörpern zu steuern und dort zu landen. Die “Näherung” ist also weit davon entfernt, ungenau zu sein. Mit ausreichend viel Zeit und ausreichend Computern kann man die Ergebnisse (wieder sind bestimmte Spezialfälle ausgenommen) sogar beliebig genau berechnen.

Zur numerischen Lösung von Differentialgleichungen haben die Mathematiker eine Vielzahl an Methoden entwickelt. Je nach Zweck und gewünschter Genauigkeit kann man sich hier unter Dutzenden Möglichkeiten und Variationen entscheiden. Ein Standardverfahren ist z.B. die Runge-Kutta-Methode. Für unsere Zwecke, die Untersuchung von extrasolaren Planetensystemen, ist sie allerdings nicht genau genug.

Ein sehr nettes Verfahren ist die sg. Lie-Integration. Normalerweise muss man Differentialgleichungen (numerisch) integrieren, um sie zu lösen. Bei der Lie-Integration kann man die Differentialgleichungen allerdings durch differenzieren lösen. Und damit ist sie für eine numerische Methode natürlich optimal geeignet – denn differenzieren kann man (im Gegensatz zum integrieren) am Computer jederzeit und alles (hier kann man einen Lie-Integrator runterladen).

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Kommentare (10)

  1. #1 lmp
    4. April 2009

    Was haltet ihr eigentlich von Plasmakosmologie? Ich kann das schlecht einschätzen halte es aber eher für unglaubwürdig.

  2. #2 Christian A.
    5. April 2009

    Eh, was? Was soll das vorstellen, wenns fertig ist? Also, die Plasmakosmologie.

  3. #3 Florian Freistetter
    5. April 2009

    @Imp: Was immer Plasmakosmologie ist, mit der Simulation von extrasolaren Planetensystemen hat sie nichts zu tun.

    Ich glaube es ist irgendeines der Alternativ-Modelle zum Urknall. Mehr weiß ich aber dazu auch nicht…

  4. #4 lmp
    5. April 2009

    schade trotzdem danke. Nee mit extrasolaren Planeten hat es glaub ich nix zu tun.

    Übrigens interessanter Artikel!

  5. #5 Philippe Leick
    5. April 2009

    Sehr schöner und interessanter Artikel. Ich würde mich über noch mehr leicht verständliche, aber gleichzeitig fundierte Kommentare zu den verwendeten mathematischen Methoden freuen. Natürlich weiß ich, dass beides zusammen nicht einfach ist…

    Ich bin selbst Experimentalphysiker (bzw. Experimental-Ingenieur), kann aber nachvollziehen, dass die Zusammenarbeit zwischen Experiment und Simulation gleichzeitig extrem anregend und extrem frustrierend sein kann. Aus eigener Erfahrung kenne ich das ganz gut, allerdings aus dem Gebiet der technischen Strömungen.
    Mich würde es daher besonders interessieren, wie du die Zusammenarbeit mit den Leuten erlebst, die die Beobachtungen machen bzw. auswerten.

  6. #6 Florian Freistetter
    5. April 2009

    @Phillip: Also über die numerischen Methoden kann man natürlich beliebig viel schreiben 😉 Vielleicht schreib ich nochmal nen extra Artikel dazu. Z.B. die Lie-Integration lässt sich eigentlich recht einfach erklären..

    Zusammenarbeit mit den Beobachtern: Hmm – meiner Erfahrung nach ist die eher spärlich. Wenn wir Planetensysteme berechnen, dann holen wir uns einfach die von den Beobachtern publizierten Daten und arbeiten damit. Ich wollte zwar einmal ein Projekt starten, in dem Theorie und Beobachtung wesentlich enger zusammenarbeiten als sonst – aber das wurde leider nicht gefördert. Naja – ich probiere im Moment trotzdem, etwas enger mit den Beobachtern zusammenzuarbeiten als üblich. D.h., dass ich gezielt Rechnungen anstelle, mit Ergebnissen, die per Beobachtung verifiziert werden könnten. Ich sage quasi: Da ist vielleicht ein Planet mit den und den Eigenschaften, schaut mal nach! Dabei probiere ich, mich mit den Beobachtern abzusprechen und gleich welche zu finden, die diese Beobachtungen auch anstellen wollen…

  7. #7 Engywuck
    6. April 2009

    Ich kenne durchaus Software, die bei zu kleiner Schrittweite sogar wieder ungenauer wird – allerdings ist das zugegebenermaßen Software von Anfang der 1990er mit entsprechend geringer Genauigkeit der Variablen…

    Welche Genauigkeit nutzt ihr? Single Precision dürfte ja wohl so langsam Geschichte sein, oder?

  8. #8 Florian Freistetter
    6. April 2009

    @Engywuck: Ja klar, bei zu kleiner Schrittweite gibts dann wieder spezielle Probleme. Und mit Single Precision kommt man nicht wirklich weit in der Himmelsmechanik. Da sollte es auf jeden Fall Double Precision sein. Was die interne Genauigkeit der Simulation angeht: die wird meistens über eine variable Schrittweite gesteuert die an der Energieerhaltung hängt. Man gibt also ein maximale Variation in der Gesamtenergie des Systems vor und das Programm wählt dann die Schrittweite immer gerade so, dass die Energie innerhalb dieser Fehlergrenze erhalten bleibt.

  9. #9 Engywuck
    6. April 2009

    Na, wenn die variable Schrittweite inzwischen halbwegs funktioniert…

    Double Precision sind ja auch gerade mal etwa 16 “echte” Dezimalstellen (53 bit) – dass das bei Himmelsmechanik über lange Zeiträume reicht…

    Das Hauptproblem wird wohl sein, dass alles “besser” als Double Precision von Standardhardware nicht sonderlich beschleunigt wird, oder? (Meines Wissens hat SSE2 maximal Double Precision SIMD)

  10. #10 Wojciech Pischinger
    24. Juli 2009

    um eine Vorstellung zu bekommen ,was Plasma-kosmologie genauer ist , empfehle ich das Portal “www.plasmaresources.com”.