Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten soll [… S]ie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft […] und tyrannisieren ihre Lehrer.


Nicht ungewöhnlich solche Klagen. Weder heute, noch in der Antike aus der das Zitat stammt.1 Einige kannten das Zitat vielleicht schon. Jede Generation scheint das Gefühl zu haben, dass die ‘heutige’ Jugend die schlimmste ist, die den älteren je angetan wurde. Selektive Belege finden viele in (meist fehlinterpretierten) Kriminalstatistiken, extremen Einzelfällen und dem so oft benutzten Bauchgefühl.

Heute fand sich in der New York Time ein interessanter Blogeintrag unter dem Titel “Der Mythos der verlorenen Unschuld” (The Myth of Lost Innocence) den ich hier zur Lektüre empfehlen möchte.

Die Autorin bezieht sich auf einen Artikel in der New York Times am Dienstag unter der Rubrik “Gesundheit”. Dort widmet man sich dem “Mythos der wuchernden Promiskuität” (The myth of rampant promiscuity) bei Jugendlichen diskutiert, der eben nicht mehr ist als ein Mythos. ‘Die Jugend’ ist gemäss einschlägigen Forschung in sexuellen Dingen eher konservativer geworden.

Interessant finde ich zwei Aspekte des Artikels. Erstens beschreibt die Autorin wie die Medien und wohl indirekt das Publikum sich nur für die Antworten interessieren, die sie schon zu kennen glauben. Als sie vor ein paar Monaten als Buchautorin und Expertin die Stories über angebliche Sex-Parties nicht bestätigen konnte, bestand kein Interesse mehr sie in Shows einzuladen die dieses Thema aufgreifen wollten. Es scheint zudem schwer zu sein, Resultate ans Publikum zu bringen, wenn diese Resultate die vorgefassten Meinungen nicht bestätigen. Dies schafft einen Teufelskreis. Die Medien liefern nur, was man hören will. Dies hat als Konsequenz, dass das Publikum von der vorgefassten Meinung noch überzeugter wird und um so mehr widerspricht alles andere gegen die “Intuition”. Ein Mythos in der Entstehung.

Das zweite was ich am Post interessant fand, war die These wovon der Eintrag auch seinen Titel ableitet. Die Bloggerin sieht das Problem darin, dass die Älteren ein idealisiertes Bild einer reinen, puren Jugend auf ihre Kinder und Teenager projizieren. Eine Jugend die es so nicht gibt und nie gegeben hat. Somit entsteht die Idee eines “Verlusts der Unschuld”. Dieses Erklärungsmuster erlaube, komplexe Probleme mit vielfältigen Ursachen entsprechend einfach zu erklären und somit zu vermeiden, sich damit wirklich auseinander zusetzen. Eine oft auch anderswo beobachtete Tendenz die leider all zu menschlich ist.

1 Normalerweise wird das Zitat Sokrates zugeschrieben, es ist aber anscheinend umstritten und wurde vielleicht von Plato Sokrates in den Mund gelegt. Wie auch immer, es tut hier seine Funktion so lange es aus der Antike stammt.

Kommentare (2)

  1. #1 Jürgen Schönstein
    Januar 30, 2009

    Das Motto meiner Generation war ja “wir sind die, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben”. Aber Scherz beiseite: Ich hatte vor einiger Zeit den Soziologieprofessor Michael Kimmel zu seinem Buch “Guyland” interviewt, in dem er unter anderem feststelle, dass im Jahr 1960 noch zwei Drittel aller Amerikaner spätestens in ihrem 30. Lebensjahr die Meilensteine des Erwachsenseins – abgeschlossene Ausbildung, eigene Wohnung, eigenes Einkommen, eine Familie – passiert hatten; im Jahr 2000 war es gerade noch einmal ein Drittel. Ich habe diese Zahl mal herausgegriffen, weil sie tatsächlich belegt, dass es so etwas wie einen Generationenwandel gibt. Natürlich muss man sich fragen, wie es denn möglich ist, dass seit der Antike die Jugend immer schlimmer war als ihre Vorgängergeneration, und die Menschheit trotzdem nicht vor die Hunde ging. Ich würde da spontan zwei Aspekte ins Gespräch werfen wollen: Zum einen eben die schon angesprochene selektive Wahrnehmung, in die auch das grundsätzliche Problem des Neids hineinspielt (als jemand, der sich ins 5. Lebensjahrzehnt vorgearbeitet hat, weiß ich aus eigener Anschauung, dass man der nächsten und übernächsten Generation manchmal einfach nur das Jungsein neidet), zum anderen aber die Möglichkeit, dass sich die Werte der nächsten Generation immer ein wenig von denen der vorgehenden unterscheiden, aber dass diese Werte langfristig eher um ein Mittel herumpendeln – nach Zeiten sexueller Promiskuität folgen Trends zur Enthaltsamkeit, nach der arbeitsfeindlichen Hippie-Generation die Web2.0-Jungmilliardäre (und nach denen wohl bald mal wieder eine No-Future-Generation). Und da dies in unterschiedlichen Kombinationen passieren kann (hedonistische Hippies, monogame Manager – und dann mal wieder monogame Hippies und hedonistische Manager, zum Beispiel) werden wir alten Säcke immer etwas finden, dass uns an Euch nicht passt 😉

  2. #2 ali
    Januar 30, 2009

    So ganz zur ‘Jugend’ habe ich mich nicht mehr gezählt, aber ich nehme die Blumen trotzdem gerne.

    Ich glaube auch, dass es einfach ein Teil des Teenagers sein ist, den älteren Semestern auf den Senkel zu gehen. Ich bin überzeugt ich würde mich in meiner 14-jährigen Version eine ziemlich prätentiöse Nervensäge finden. Ich schob das bis jetzt auf meine wschsende Altersweisheit 🙂