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zoon politikon Leserinnen und Leser sind schon gewarnt. Ich werde hier regelmässig auch über helvetisches berichten. Am 30 November sind wir wieder einmal zu den Urnen gerufen. Also muss ich wieder einmal meines Amtes als Schweizer Botschafter bei Scienceblogs walten und einen weiteren Teil der Serie “Über all das stimme ich ab” veröffentlichen.

Es ist noch nicht der Verfassungsartikel zur Komplementärmedizin über den Florian vor einer Weile schrieb . Aber es steht einiges nicht weniger kontroverses an. So kontrovers, dass ich vermutlich das eine oder andere der Themen später wieder aufnehmen werde, wenn der Abstimmungskampf so richtig in Fahrt kommt und ich mich zu nerven anfange.

Aber jetzt zum 30 November. Es stehen fünf nationale Vorlagen an. Eine weitere Lektion in gelebter und erlittener direkter Demokratie.1 Mit den meisten habe ich mich noch nicht im Detail auseinander gesetzt.

Volksinitiative: Für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern

Inhalt: Die Initiantinnen und Initianten verlangen folgenden Verfassungszusatz: “Die Verfolgung sexueller oder pornografischer Straftaten an Kindern vor der Pubertät und die Strafe für solche Taten sind unverjährbar”.

Der Titel verrät schon den populistischen Einschlag (warum ‘pornographischer Straftaten’?), der Inhalt die Emotionalität (die Maximalforderung nach ‘Unverjährbarkeit’ und die Qualifizierung ‘vor der Pubertät’ taugt wohl juristisch wenig). Setzt man sich für ein ‘Nein’ ein kann man leicht als Täterschützer (in diesem Fall sind die Opfer sogar Kinder!) hingestellt werden. Der Rechtsstaat ist leider kein sehr gutes Argument bei Volksabstimmungen.

Volksinitiative: Für ein flexibles AHV-Alter

Inhalt: Eine von den Gewerkschaften initiierte Flexibilisierung des Rentenalters (neu wäre zwischen 62 und 65, im Moment gilt 65 für Männer und 64 für Frauen) für Einkommen bis zu einer bestimmten Grösse ohne Rentenkürzung. Finanziert werden soll dies über höhere Lohnnebenkosten.

Was mich etwas skeptisch macht ist, wenn ‘Flexibilisierung’ nur in eine Richtung geht (das riecht dann wieder nach Populismus). Die Frage ist auch, was dies längerfristig je nach demografischer Entwicklung für ein Umlagesystem bedeutet. Aber ob man das als sinnvoll erachtet und ob dies wie vorgeschlagen finanziert werden soll ist eine Güterabwägung die jeder für sich entscheiden muss. Interessant wird bestimmt auch wie die aktuelle Finanzkrise sich auf die Abstimmung auswirken wird.

Volksinitiative: Verbandsbeschwerderecht: Schluss mit der Verhinderungspolitik – Mehr Wachstum für die Schweiz!

Inhalt: Umweltverbände können in der Schweiz gegen grössere Bauvorhaben Beschwerden einreichen wenn sie meinen, dass diese Umweltschutzvorschriften verletzen.

Grundsätzlich finde ich es immer verdächtig wenn Rekursmöglichkeiten abgeschafft werden sollen (Gerichte sollen für Gerechtigkeit sorgen, nicht die Zulassung) auch scheint die Erfolgsquote der Umweltverbände ganz passabel zu sein. Bestärkt fühle ich mich durch das Initiativkomitee, welches die ‘verhinderten Bauinvestitionen’ beklagt und dann aber juristisch gegen ‘Sonderrechte’ für Interessenverbände argumentiert (letzteres wäre ein legitimer Einwand wie ich finde).

Volksinitiative: Für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz

Inhalt: Der Konsum von Cannabis soll legalisiert werden, die Jugend davor geschützt und Werbung dafür verboten sein.

Für die die ihre Zeit nicht mit Schweizer Politik verbringen: Jugendschutz figuriert so prominent, weil dies das Hauptargument war, als eine ähnliche Gesetzesvorlage vor nicht langer Zeit im Schweizer Parlament abgelehnt wurde. Das grösste Problem für alle die wollen, dass sich Vater Staat aus ihren Privatleben raushält: Ein Werbeverbot wird auch festgeschrieben. Aber daran wird die Initiative kaum scheitern.

Titel: Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz)

Inhalt: Keine Initiative sondern eine Gesetzesvorlage, die zur Abstimmung gelangt, weil mindestens 50’000 beglaubigte Unterschriften gesammelt wurden (so einfach geht das bei uns). Eigentlich soll nur gesetzlich verankert werden, was seit 20 Jahren in der Schweiz erfolgreich praktiziert wird. Ein paar wenige Erzkonservative können sich aber nicht so schnell mit ‘Neuen’ Dingen anfreunden und haben daher eine Volksabstimmung erzwungen (das Initiativkomitee führt ominöserweise auch die UNO und den Vatikan als ‘unterstützende Parteien und Organisationen’ auf). Die Vorlage wird vermutlich angenommen wenn sie nicht durch die Hanfinitiative runtergezogen wird. Aber die Helveten haben in der Vergangenheit durchaus die Fähigkeit zu solcher Differenzierung bewiesen.

1 Ich werde mich deshalb auch nicht dem einen oder anderen Kommentar entziehen können. Ich schreibe dies mehr als Schweizer Bürger als als Politikwissenschaftler.