Aus Anlass des Papstbesuches in Lourdes wird vor allem eine Zahl immer wieder herumgereicht: Die 67 ‘Wunder’ von ‘spontanen’ Heilungen nach einer Pilgerfahrt nach Lourdes. Ein paar Gedanken hierzu.

In Anbetracht der grossen Zahl von Pilgern (ich habe die Zahl von 6 Millionen jährlich gefunden), scheint mir 67 Heilungen eine eher tiefe Rate. Das dürfte auf jeden Fall unter dem zu erwartenden Plazeboeffekt liegen.

Fairerweise muss man erwähnen, dass die Katholische Kirche anscheinend nicht mehr von ‘Wundern’ spricht sondern von ‘unerklärlichen Heilungen’. Man könnte natürlich auch ins Feld führen, dass die Anzahl anerkannter ‘Wunder’ statistisch keinerlei Repräsentativität besitzen und die reale Zahl viel höher liegen müsste.

Nun gibt aber die Kirche auch an, dass in den letzten 120 Jahren 7000 ‘Heilungen’ gemeldet wurden, also etwas über 58 pro Jahr. Selbst wenn wir diese, auch vom Vatikan längst nicht alle als ‘unerklärlich’ bestätigte Heilungen als Grundlage nehmen, bleiben die Zahlen wenig überzeugend. Erhoffen nur 3.2% aller dieser Pilger sich Heilung von irgendwas, würde diese Zahl den sehr seltenen Spontanremissionen bei Krebs entsprechen (20 bis 30 auf 100,000 pro Jahr).

Gemäss der offiziellen Statistik gab es im Jahre 1999 in Frankreich auf 100,000 Einwohner 27.2 Todesefälle im Strassenverkehr. Die Statistik eins zu eins auf die Pilger übertragen, würde bedeuten, dass jährlich über 1,600 von ihnen auf der Pilgerfahrt in Frankreich im Strassenverkehr zu Tode kämen, also 28 mal mehr als eine ‘Heilung’ melden (es geht mir um die Vergleichsgrösse, nicht um eine statistisch genaue Ausssage). Müssten diese Todesfälle also konsequenterweise der gleichen Quelle wie die Wunderheilungen zugesprochen werden?

Ebenfalls interessieren würde mich der offensichtliche Vorteil interessieren, den Frauen gegenüber Männern zu haben scheinen (gemäss der Lourdes Website sind 80% der ‘Wunder’ bei Frauen bestätigt worden) und warum den Franzosen eher eine ‘Wunderheilung’ zukommt als anderen Pilgern (1).

Die Rechnung des Papstes scheint trotzdem aufzugehen.

(1) Die Franzosen stellen 82% der ‘Wunderheilungen’.

Kommentare (14)

  1. #1 MartinB
    September 16, 2008

    “Die Franzosen stellen 82% der ‘Wunderheilungen’.”
    Mysteriös, was? Könnte daran liegen, dass Lourdes in Frankreich liegt und Franzosen deshalb leichter hinkommen…

  2. #2 Ronny
    September 16, 2008

    UND Frauen auch eher dort hinfahren !
    Aber sonst, gut recherchiert, muss ich mir merken.

  3. #3 ali
    September 16, 2008

    @MartinB
    Ist mir schon bewusst. Ich hatte da mal ein ‘vermutlich überproportional’ drin (ist aber beim editieren irgendwann rausgerutscht), da ich den Eindruck habe, dass ein grösserer Anteil der Pilger nicht aus Frankreich stammt. Ich habe aber keine Zahlen dazu gefunden.

  4. #4 ali
    September 16, 2008

    P.S. Diese mutmassliche überproportionale Vertretung von Frauen und Franzosen bezieht sich ausserdem nur auf die 67 anerkannten ‘Wunder’, eine sehr kleine Zahl auf die Millionen von Pilgern.

  5. #5 ric
    September 17, 2008

    Sind denn alle Pilger krank und erwarten eine Heilung?

  6. #6 ali
    September 17, 2008

    Erhoffen nur 3.2% aller dieser Pilger sich Heilung von irgendwas

    Nein. Wer behauptet das?

  7. #7 adviser
    September 19, 2008

    Ich denke, man kann nicht alles vergleichen…

  8. #8 ali
    September 19, 2008

    @adviser
    Wo liegt denn das Problem mit meinem Vergleich?

  9. #9 Ronny
    September 24, 2008

    Einen Fehler habe ich noch gefunden. Die Unfallstatistik bezieht sich auf 1 Jahr, wohingegen die Pilger nur ein paar Tage in Frankreich sind (außer die Franzosen, lol).
    Damit muss man hier noch einen Korrekturfaktor (z.B:) 4/365 einbauen.
    Sorry for pingelig 🙂
    Aber die Grundaussage von einem ‘Wunder’ zu sprechen bei einer Heilrate von 0.001% ist sogar sehr zutreffend. Jeder Arzt wäre da in arger Argumentationsnot (außer er ist Homöopath, hehe).

  10. #10 ali
    September 24, 2008

    @Ronny

    Oops, da hab ich mich wohl im Zahlenrausch gehen lassen. Danke für den Hinweis. Die Unfallstatistik wird so weniger eindrücklich und kommt bei 17.5 zu stehen. Gott scheint zwar den Plazeboeffekt nicht zu überbieten, aber immerhin den französischen Autoverkehr.

  11. #11 Hedonistin
    September 26, 2008

    Sie vergleichen Äpfel mit Birnen und bringen unvermutet eine unterirdische Kartoffel in Spiel. Letztere in Gestalt des „zu erwartenden“ Placebo-Effekts, dessen Größe Sie aber nicht beziffern und folglich auch nicht begründen – buddeln wir ihn wieder ein. 🙂

    Äpfel und Birnen vergleichen Sie, wenn Sie die Zahl der Wunderheilungen von Lourdes in Relation zu den Spontanremissionsraten bei Krebs sehen: Die Kriterien der katholischen Kirche sind deutlich strenger als jene der so genannten Schulmedizin (Spontanremission kann auch nur temporär oder teilweise vorliegen; die Kirche verlangt vollständige und dauerhafte Heilung). Allerdings ist auch die Medizin strenger als Sie vermuten – die Häufigkeit von Spontanremissionen wird in der Literatur mit 1:60.000 bis 1:100.000 Fällen angegeben und nicht mit 20-30:100.000. Auch die von Ihnen genannte Quelle dkfz sagt, dass 20-30 jährlich gemeldete Spontanremissionen einer Häufigkeit von 1:100.000 entsprechen. Ich gehe da mal von einem Flüchtigkeitsfehler Ihrerseits aus und nicht von der bösen Absicht, die Vergleichsquote so hoch anzusetzen, dass sie selbst von wundersamsten Kräften nur schwer zu überbieten wäre. 😉

    Noch ein paar Anmerkungen zu den anderen Zahlen, mit denen Sie jonglieren: Die 7.000 gemeldeten Heilungen sind genau das: Heilungen, die dem Medizinischen Büro in Lourdes gemeldet wurden, weil die (ehemals) Kranken sie als solche empfunden haben. Davon blieben nach den medizinischen und den anschließenden kirchlichen Prüfungen eben jene ominösen 67 anerkannten Wunderheilungen übrig. Was nur auf den ersten Blick wenig ist: Der Anteil der Heilung suchenden Kranken unter den PilgerInnen liegt weit unter den von Ihnen spekulativ angenommenen 3,2 Prozent. Aktuell geht man von ca 70.000 Kranken pro Jahr aus (bei rund 6 Mio BesucherInnen sind das 1,15 Prozent); zwischen 1885 und 1995 waren es insgesamt rund 2,5 Mio – und das ergibt bei 65 anerkannten Wunderheilungen im gleichen Zeitraum eine Wunderquote von 1:40.000 – deutlich besser als die 1:100.000-Quote von Spontanremissionen bei Krebs. Wobei laut Medizinischem Büro von Lourdes die Zahl der rein medizinisch anerkannten Heilungen sogar doppelt so hoch ist, aber bei der kirchlich-religiösen Prüfung wird noch kräftig weiter ausgedünnt – an einer Wunderinflation dürfte die RKK aus marketingtechnischen Gründen nicht sonderlich interessiert sein. 🙂

    Die erstaunlichen guten Quoten der Kirche haben mich jetzt wirklich überrascht, und ich erwäge, meine Haltung zur Religion zu überdenken – zumal ich mich langsam auch dem Alter nähere, wo mensch sich alle Optionen offenhalten sollte. Vielen Dank also für Ihren anregenden Beitrag! 🙂

  12. #12 ali
    September 26, 2008

    @Hedonistin
    Danke für die Anmerkungen. Bevor ich auf die Details eingehe möchte ich festhalten, dass ich hier einen Gedankenanstoss mit ein paar Zahlenspielereien geben wollte und nicht eine statistische Arbeit zur Publikation vorbereitete. Die Zahlen habe ich im Netz gefunden und ich benutzte sie wenn mir die Quelle glaubwürdig erschien.

    Damit zur Kartoffel: Da ich kein Experiment durchgeführt habe, konnte ich auch nicht ein paar Hundert Kranke in eine von der katholischen Kirche nicht abgesegnete Französische Ortschaft schicken um den Plazebo Effekt eines Wahlfahrtortes zu eruieren. Da die viele medizinische Studien wo ein solcher Effekt festgestellt wird mit weitaus weniger als 70 000 Patienten durchgeführt werden, erlaubte ich mir die Schätzung, dass er grösser sein muss, da er sonst wohl meist gar nicht auftauchen würde. Aber wie gesagt, ich gebe es offen zu, ich schätzte (und ich glaube nach wie vor, dass diese Annahme keineswegs abwegig ist). Ich finde für eine Milchmädchenrechnung ist die Messlatte sonst etwas gar hoch angelegt (eine Blitz-Google Suche ergab 20% – 70%).

    Bei der Zahl für die Spontanremissionen habe ich tatsächlich zu schnell gelesen. Danke für den Hinweis und danke auch für die Unschuldsvermutung.

    Die 7000 ‘Heilungen’ die ich benutzte habe ich im Wissen, dass diese nicht den Bestätigungsstempel der Kirche besitzen, eben gerade um diese ‘strengen’ Kriterien in der Rechnung zu ignorieren.

    Zahlen zum Anteil der Kranken unter den Pilgern hab ich nicht finden können und wäre daher an Ihrer Quelle natürlich interessiert. Es fällt mir schwer, zu glauben dass nur ein so kleiner Teil sich eine Verbesserung der Gesundheit erhofft, aber wie gesagt, ich habe keine Daten und meine 3.2% kalkulierte ich auf der Basis der Spontanremissionen um eine Vergleichszahl zu erhalten. 70 000 pro Jahr auf 110 Jahre (da gemäss Ihren Zahlen 1995 als Endjahr gilt) ergäbe 7.7 Millionen. Ich vermute daher weiter, dass die 2.5 Millionen eine Schätzung ist, die das Ansteigen der Pilgerzahl miteinzukalkulieren versucht (wie gesagt, ich hatte keine solchen Zahlen gefunden und darum mit den Zahlen gerechnet die ich auf der Lourdes Website fand). Mit anderen (genaueren?) Zahlen gibt es entsprechend auch andere Resultate.

    Nimmt man die ganze Sache also genauer, dann müsste man wohl auch von der Rechnung mit den 7000 abkommen (gingen sie überhaupt als Kranke nach Lourdes? Wie schwer war die Krankheit?), aber Sie rechnen ja fairerweise mit den ‘streng beurteilten’ 64 ‘Wundern’ weiter. Weder die Schwere noch die Art der Krankheit habe ich in meine grobe Rechnung einbezogen und eine solche Differenzierung wäre wohl notwendig wollte man eine wirklich wissenschaftliche Untersuchung der Frage in Angriff nehmen. Ausserdem müsste man dann wohl auch genauer unter die Lupe nehmen, wie denn nun die ‘strengen’ Kriterien der Kirche wirklich sind und ob sie schon immer so streng waren.

    Bevor Sie nun bei der nächsten Grippe nach Lourdes pilgern (daran will ich nun wirklich nicht Schuld sein 😉 ), sollten sie nicht vergessen, dass die ganze Argumentation sich nun um die Vergleichsgrösse ‘Spontanremission bei Krebs’ drehte (ein sehr seltenes Phänomen). Nicht alle kranken Pilger sind so schwer krank. Auch werden wohl bei den Wundern keine ‘offensichtlichen’ Heilungen stattgefunden haben (nachwachsen amputierter Gliedmassen etc.) was wohl auch auf das Fehlen objektiver Kriterien hinweist.

    Man hätte also durchaus genauer rechnen können, aber dann hätten andere Aspekte, ebenfalls genauer unter die Lupe genommen werden müssen. Dazu reichte weder meine Zeit noch die Daten die ich gefunden habe.

    Ich persönlich finde 1:40’000 recht mager, aber wenn Sie sich alle Optionen offenhalten möchten, dann wünsche ich viel Vergnügen bei der Entscheidung die richtige zu finden. Dass wäre wohl eine andere interessante Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ob es wohl einfacher ist als im Lotto zu gewinnen?

  13. #13 Ronny
    September 30, 2008

    Ich denke es handelt sich bei beiden Fällen (Wunder & Spontanheilungen) um statistisches Rauschen. Je nachdem wie man die Zahlen ansetzt kommt mehr oder weniger raus. Fakt ist, dass kein Arzt mit Heilungsraten <1% überleben würde.

    Zum Thema: 'was ist wenn ich tot bin' zwei Anmerkungen.

    Die erste inhaltlich gestohlen von Mark Twain: Ich hatte vor meiner Geburt keine Probleme an die ich mich erinnern kann, warum also sollte es nachher anders sein.

    Zweitens: Wo ist das Problem ?
    Gibt es keinen Gott, dann ist man halt tot (oder zischt als Energiewesen durch die 5te Dimension, je nach Geschmack, lol).
    Gibt es einen bösen Gott, dann kann man ihm sowieso nichts recht machen.
    Gibt es einen guten Gott dann wird er auf meine Frage : 'Wieso hast du mich als Atheisten erschaffen und bist jetzt böse weil ich deinen Vorgaben folgte' entweder eine sehr gute Antwort geben und meine Entschuldigung akzeptieren, oder er wird meinen, ja, hast recht, da hab ich Mist gebaut.
    Ich sehe ich keine Probleme.

  14. #14 Ronny
    Oktober 1, 2008

    Komisch, mein Posting ist irgendwie ‘verstümmelt’. Scheint beim Editieren ein paar Sonderzeichen abbekommen zu haben.

    Ich wollte schreiben:
    Fakt ist, dass kein Arzt mit Heilungsraten kleiner 1% durchkommt.

    Und:
    Ich sehe da für mich keine Probleme.