Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen des Rosetta Radio-Science Teams vor dem großen Rendezvous heute abend.

Um 18:10 ist es also soweit. Wir werden Rosetta in 3162 km Entfernung an dem Asteroiden Lutetia vorbeifliegen lassen, von dem wir auch über seine Zusammensetzung nicht so viel wissen: Fluffiger Gesteinsbrocken? Kompakter Körper mit Metallanteil? X? Das Ergebnis steht noch – im wahrsten Sinne des Wortes – zwischen den Sternen 😉

Da ist so eine Massebestimmung, wie wir sie hier vorhaben, nicht ganz unwichtig. Die Kameras werden auch knipsen, andere Instrumente werden aus der Nähe die chemische Zusammensetzung des Oberflächenmaterials analysieren. Diese Zutaten schmeißen wir dann alle zusammen und werden versuchen ein konsistentes Bild zu rekonstruieren.

Zurück zum Rosetta Radio Science Team. Wir überwachen den Funkverkehr. Allerdings nicht, um dem Kontrollzentrum in die Karten zu schauen. Die Kommandos, die da übertragen werden, interessieren uns nicht. Für uns von Interesse sind die Eigenschaften des Signals selbst, das hier auf der Erde mit großen Radioantennen aufgezeichnet wird.

Dieses Signal sagt uns nämlich: “Hallo, hier Rosetta. Ich bewege mich mit Geschwindigkeit y relativ zu Euch”. Der Doppler-Effekt macht’s möglich. Wir erwarten, dass der Asteroid Lutetia über seine Massenanziehungskraft die Bahn des Asteroiden “stört” und wir dadurch seine Masse herauskriegen. Dafür sind wir aber natürlich darauf angewiesen, möglichst die ganze Zeit des Vorbeiflugs über Funkkontakt mit der Erde zu halten.

Wenn Ihr wissen wollt, wie die “Gravitationssignatur” des Asteroiden aussieht, dann möchte ich Euch bitten, den folgenden Link anzuklicken: Doppler-Effekt auf Rosetta. (Bild: [Pätzold et al., 2010 in A&A])

Wie man deutlich erkennt, ist die “Störung” zum Zeitpunkt der größten Annäherung am größten. Das würden wir ja auch erwarten. Man sieht auch, dass sich die Bahn des Asteroiden um einen merklichen Beitrag geändert hat, wenn sich die Sonde wieder vom Asteroiden entfernt. Das ist wichtig, um abzuschätzen, wie genau wir die Masse vermessen können.

Denn leider wird es vermutlich nicht möglich sein, die ganze Zeit des Vorbeiflugs über, Funkkontakt mit der Erde zu halten. Andere Teams wollen ja auch messen, Rosetta flitzt mit 15 km/s daher, die Sonne darf auf verschiedene Teile nicht drauf, soll dafür aber vor allem die Sonnenkollektoren treffen etc. pp. Außerdem kann immer was dazwischen kommen.

Das Radio Science Team hat daher ausgehend von der Annahme, dass Lutetia ein fluffiger halbwegs runder Gesteinsbrocken mit einem Radius von etwa 47 km ist, ausgerechnet, wie genau man die Masse bestimmen könnte:

Scenario Genauigkeit der Massebestimmung
Keine Unterbrechung 2,9%
Abruch des Funkkontakts 20 min vor der größten Annäherung , kein Kontakt hinterher 26%
Abruch des Funkkontakts 5 min vor der größten Annäherung , kein Kontakt hinterher 9%
Abruch des Funkkontakts 10 min vor der größten Annäherung, Wiederaufnahme des Kontakts 120 min nach der größten Annäherung 4,2%

Sorry für das seltsame Format der Tabelle, aber ich kämpf hier gerade mit der Kompatibilität der Blogsoftware mit html-Code.

Im besten Fall – bei voller Abdeckung – wiegen wir die Masse auf ein paar % genau. Im schlimmsten Fall, wenn der Kontakt relativ früh verloren geht und wir hinterher für ein paar Stunden keinen Funkkontakt kriegen (was wir nicht hoffen wollen) sind wir bei 26% Fehler. Das geht sogar noch, um zwischen C-Typ und M-Typ zu unterscheiden. Fehler in der Masse gehen in die Dichte nur proportional ein, Fehler im Radius (also der Form) dagegen mit der dritten Potenz. Dichte ist Masse /Volumen und das Volumen einer Kugel ist eben 4/3 PI *R hoch 3.

Aber auch mit moderaten Lücken könne wir sehr gut leben. Es reicht im Prinzip schon zu messen, wie die Differenz zwischen Geschwindigkeit unmittelbar vorher und unmittelbar nachher ist, weil der Asteroid der Sonde einen winzigen Kick gibt. Alternativ könnte man versuchen möglichst die steilen Flanken in der Nähe der größten Annäherung “zu kriegen”.

So oder so. Ein paar Prozent Messgenauigkeit erscheint sehr, sehr realistisch. Übrigens kriegen wir die Daten zur Auswertung erst nach dem Vorbeiflug zur Auswertung. Und die wird ein bisschen dauern. Wenn alles gut geht, werdet Ihr demnächst was in Nature oder Science lesen 😉
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(2010-06-30) Pre-flyby estimates of the precision of the mass determination of asteroid (21) Lutetia from Rosetta radio tracking. Astronomy . DOI: 10.1051/0004-6361/201014325

Kommentare (3)

  1. #1 Sephira
    Juli 10, 2010

    Die Blogsoftware verwendet jeden Zeilenumbruch im Quelltext. Wenn du alle Zeilenumbrüche innerhalb der Table-Tags entfernst (Gesamte Tabelle auf eine Zeile), entfällt auch die große weiße Fläche über der Tabelle.

  2. #2 Florian Mayer
    Juli 12, 2010

    Und wie schwer ist das Ding jetzt?

  3. #3 Ludmila
    Juli 12, 2010

    Ja, Florian, da werd ich drüber berichten, wenn ich darf. Die Europäer sind da anders gestrickt als die Amis. Die wollen erst das Ergebnis in trockenen Tüchern haben, bevor sie es rausgeben. Es wird also etwas dauern, bevor ich es verlauten darf.

    Aktuell hab ich ne Wette laufen. C-Typ gegen M-typ.