Früher einmal dachte ich, ein “Kongress” wäre eine wissenschaftliche Veranstaltung. Aber nein, wer sich das Programm des “Internationalen Kongresses Komplementärmedizin in Österreich” ansieht, der weiß: die Wissenschaft ist da in einer Konzentration drinnen, die Homöopathen C30 nennen würden, sprich null. Da wimmelt es nur so von obskurantistischen Konzepten aus einer prä-wissenschaftlichen Ära, wo Vitalismus noch ernsthaft diskutiert wurde: Der Biophotonen-Popp ist da, die Antroposophen lauschen andächtig, die Homöopathen nicken beifällig, die TCMer lassen das Qi strömen und die Geistheiler von der “Biophysikalischen Informationstherapie” arbeiten an ihren positiven Schwingungen. Auch die Maharishi Ayurveda, die Gurusekte mit den yogischen Fliegern, darf natürlich ein transzendentales Ommmmmmmm beisteuern.

Eine Marketingveranstaltung also, wo sich die Alternativmagier gegenseitig auf die Schulter klopfen und gemeinam sanft und ganzheitlich sind. Sollen Sie nur, könnte man sich da denken. Auch der Verein zur Erforschung des Sexuallebens der Pflastersteine kann schließlich ein Wirtshaus mieten und “Kongress” draufschreiben, so what? Aber so einfach ist das nicht. Denn kaum steht “Komplementärmedizin” drauf, applaudieren auch schon die Uneingeweihten – und derer gibt es viele, auch an hoher Stelle. So kam es wohl dazu:

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Dass die Ärztekammer mit ihren komplementären Jodeldiplomen dabei ist,
wundert niemanden. Aber was haben hochrangige Politiker da zu suchen?
Freundlicherweise haben wir von der Gesellschaft für kritisches Denken den Herren Fischer und Häupl einen Brief geschrieben und ausführlich argumentierend darauf hingewiesen, dass sie damit eine unseriöse Veranstaltung unnötig aufwerten.

Frau Dr. Tschabitscher von der MA 15, dem Gesundheitsdienst der Stadt Wien, ließ uns eine Antwort zukommen, die uns nicht wirklich zufriedengestellt hat. Nur ein kurzer Auszug:

Die
Österreichische Gesellschaft für Ayurvedische Medizin ist eine
Ärztegesellschaft, die gegründet wurde, um dieses ganzheitliche
Gesundheitssystem auf einer seriösen, wissenschaftlich fundierten
Grundlage zu lehren.

Ein toller Satz;
grammatikalisch völlig korrekt und semantisch völlig daneben! Wie bitte
soll man esoterischen Heilshumbug “auf einer seriösen, wissenschaftlich
fundierten Grundlage” lehren?

So leicht wollen wir uns nicht abspeisen lassen. Wir haben repliziert…

========================================


Univ.-Prof. Dr. Heinz Oberhummer

Atominstitut der Österreichischen Universitäten

TU Wien, Wiedner Hauptstr. 8-10

1040 Wien, Österreich

 

An Frau Dr. Doris Tschabitscher

Abteilungsleitung der Magistratsabteilung 15 der Stadt Wien

Thomas-Klestil-Platz 8

1030 Wien

 

Sehr geehrte Frau Dr. Tschabitscher,

Herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 15.6.2009. Leider enthält
es keine Antworten auf unsere Hinweise, Sie führen darin bloß gesetzliche
Regelungen an und zählen Funktionen sowie (Selbst-)Definitionen bestimmter
Personen und Anbietergesellschaften auf.

Der Dachverband Österreichischer Ärztinnen und Ärzte für
Ganzheitsmedizin vertritt und lehrt etliche Verfahren, die hanebüchen sind, und
deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist. Insofern können ihre Vertreter – auch
wenn es sich um Ärzte handelt – nicht allgemein, wie Sie schreiben, “… die
Qualität der komplementären Medizin durch ärztliche Kompetenz garantieren.”

Selbstverständlich ist uns bekannt, dass a.o. Prof. Dr. Michael
Frass dort Präsident ist und dass er auch auf universitärem Boden die
Homöopathie vertritt, die auf einem absurden, allen Gesetzen der Physik und
Chemie widersprechenden Konzept beruht. Die Homöopathie hat seit 200 Jahren
nichts zur Entwicklung der Medizin beigetragen und ist durch wissenschaftliche
Studien als Pseudowissenschaft und Placebomedizin entlarvt. Weiters tritt Prof.
Frass für esoterische Voodoo-Heilmittel ein, wie etwa den ATOX Bio Computer,
der ganz ohne Energiezufuhr angeblich “negative Information in positive”
umwandeln und den Körper vor allerlei Schwingungen schützen kann.

Es ist uns bekannt, dass die Österreichische Ärztekammer Diplome
für Behandlungsmethoden vergibt, die international als Placebomedizin oder gar
Quacksalberei gelten (z.B. Homöopathie, z.T. Akupunktur, Kinesiologie). Ihre
wissenschaftliche medizinische Ausbildung hindert Ärzte leider nicht daran,
Patienten mit fragwürdigen Methoden zu behandeln, die nachweislich nicht wirksamer
sind als Placebos. Darin unterscheiden sie sich nicht von Laien, die das
gelegentlich ebenfalls tun. Es ist bedenklich, dass die Ärztekammer nach wie
vor solcher Grenzgängerei mit offiziellen Zertifikaten Image verleiht und die
Scharlatanerie unterstützt.

Sie führen in Ihrem Schreiben unter anderem aus, “Die
Österreichische Gesellschaft für Ayurvedische Medizin ist eine
Ärztegesellschaft, die gegründet wurde, um dieses ganzheitliche
Gesundheitssystem auf einer seriösen, wissenschaftlich fundierten Grundlage zu
lehren.” Laut der Webseite der Österreichische Gesellschaft für
Ayurvedische Medizin https://www.ayurveda.at/start.htm ist eine der “vier
Hauptsäulen” der Ayurvedischen Medizin die “Vedische Astrologie/Maharishi
Jyotish: Wechselwirkungen mit der Umgebung; Einflüsse aus dem Kosmos,
Beziehung zwischen dem menschlichen Nervensystem und den Planeten; Vedische
Mathematik.
” Uns würden die “seriösen, wissenschaftlich fundierten
Grundlagen” der Vedischen Astrologie interessieren und wir ersuchen daher
um Zusendung der seriösen, wissenschaftlichen Studien, die eine “Beziehung
zwischen dem menschlichen Nervensystem und den Planeten” nachweisen.

Dass die Orthomolekular-Vertreter – wie etwa der sattsam bekannte
Dr. Rath – Nahrungsergänzungsmittel und nicht Arzneispezialitäten vertreiben,
ist insoweit nicht relevant, als ja auch die homöopathischen Arzneimittel von
einem Wirksamkeitsnachweis, wie er für andere Medikamente vorgelegt werden
muss, befreit sind. Tatsache ist, dass die orthomolekulare Theorie nachweislich
falsch ist, und dass die von ihren Vertretern verabreichten Super-Vitamindosen
der Gesundheit schaden können.

Das Anliegen der Stadt Wien, der Bevölkerung ein
umfassendes medizinisches Angebot zu bieten, ist unbestritten, doch ist dies
nur aufgrund wissenschaftlich fundierter Konzepte möglich: Tatsächlich wirksame
komplementäre Methoden, die Heilungsprozesse unterstützen und Patienten helfen
können, sind vorzuziehen. Schließlich geht es auch um begrenzte finanzielle
Mittel, die im Sinne der Solidargemeinschaft gebündelt und bestmöglich
eingesetzt werden sollten. Eine Unterstützung von Pseudomedizin zählt
sicherlich nicht dazu.

Heute gilt der Grundsatz der evidenzbasierten Medizin,
das heißt, Therapien und Medikamente werden auf ihre Wirksamkeit hin überprüft
und nur noch angewendet, wenn sie den Patienten konkrete Vorteile bringen.
Sollten nicht zum Schutz der Patienten die gleichen Prinzipien bei der
Komplementärmedizin gelten? Leider haben die Anbieter bis jetzt für die meisten
Methoden keine Wirksamkeitsnachweise vorgelegt.


Mit freundlichen Grüßen,

Univ.-Prof. Dr. Heinz Oberhummer

Atominstitut, TU Wien

Präsident der Gesellschaft für kritisches Denken (GkD)

Und im Namen von:

Dr. Krista Federspiel

ao. Univ.-Prof. DDr. Ulrich Berger

Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von
Parawissenschaften (GWUP)

 

P.S.: In dem Buch von Simon Singh und Edzard: Gesund ohne
Pillen, Hanser-Verlag, 2009
, finden Sie die aktuelle wissenschaftliche
Bewertung komplementärer und alternativer Heilmethoden. Wir nennen auf Anfrage
gerne weiteres wissenschaftliches Informationsmaterial.

 

Kommentare (14)

  1. #1 Christian Weihs
    26. Juni 2009

    Es ist uns bekannt, dass die Österreichische Ärztekammer Diplome für Behandlungsmethoden vergibt, die international als Placebomedizin oder gar Quacksalberei gelten (z.B. Homöopathie, z.T. Akupunktur, Kinesiologie)

    Ja, ich starre auch jedesmal verwundert auf das Akupunkturdiplom meines Hausarztes. Jedenfalls würde ich mir trotzdem lieber von ihm Nadeln in den Rücken stechen lassen als von jemandem, der nur den Kurs hat. Der Doc hat wenigstens die notwendigen medizinischen Kenntnisse um was zu unternehmen, sollte er mal daneben stechen 😉

  2. #2 Christian Weihs
    26. Juni 2009

    Und Applaus zum restlichen Text natürlich, gut gelungen 🙂

  3. #3 Dr. E. Berndt
    26. Juni 2009

    Sollte man das nicht auch an Diplômé Alois Stöger senden?
    Er ist ja auch auf viel Geld von der Solidargemeinschaft angewiesen.

  4. #4 Marius
    26. Juni 2009

    Eine illustre Runde, aber der gute Herr Frass fasziniert mich immer wieder: gibt’s für ihn irgendeine Grenze des Unsinns, unter der es sogar ihm zu bunt wird?

    Langsam bekomme ich den Eindruck: nein, anything goes, je irrer desto besser.

  5. #5 Christian Weihs
    26. Juni 2009

    Langsam bekomme ich den Eindruck: nein, anything goes, je irrer desto besser.

    Ja wenn man nur fest genug wünscht…

  6. #6 Sim
    28. Juni 2009

    “Herzlichen Dank für Ihr Schreiben vom 15.6.20009.”

    Woah die schreiben aus der Zukunft o.o ?

  7. #7 Ulrich Berger
    28. Juni 2009

    @ Sim: Die Ganzheitlichen können das, nur die westliche Schulphysik hat damit Probleme…

  8. #8 Dr. E. Berndt
    28. Juni 2009

    Was die Ganzheitlichen können, kann ich schon lang:

    Remedium contra Soceram

    Homöopathen können Potenzen von materiellen und nichtmateriellen Ausgangsmaterialien herstellen. Die Diskriminierung zwischen materiell und immateriell ist für „Schulphysiker“ schwierig, für Homöopathen jedoch ohne Belang. So wird Mondlicht potenziert, in dem man Milchzucker zu einer bestimmten Zeit den Strahlen des Mondlichtes aussetzt und dann nach Vorschrift des homöopathischen Arzneibuches weiterverarbeitet. Die genaue Zeit „wann“ und Dauer wird am besten bei den Astrologen oder Energethikern zu erfragen sein. Das ist ganz natürlich, wie ja überhaupt die Homöopathie im Ruf steht natürlich wenn nicht übernatürlich zu sein. Zur Zeit gibt es potenziertes Mondlicht (= Luna, Mondstrahlen, Moonbeams) zubereitet aus Milchzucker, der z. B. den Strahlungen des Herbstvollmondes am 7. 10. 1987 exponiert wurde. Der beladene Milchzucker wird in üblicher Weise dynamisiert. Dies kann maschinell geschehen oder auch von Hand gemacht werden. Die handverschüttelten Potenzen sind wirksam wertschöpfender.

    Jeder kennt das Phänomen, daß einem in Gegenwart bestimmter Personen nicht so zumute ist, wie man es gerne möchte. Sei es, daß man gehemmt ist, daß Streß aufkommt, daß Ärger aufsteigt, irgendwie die innere Harmonie durcheinander kommt usw..

    Diesen unliebsamen Zuständen kann ab sofort abgeholfen werden. Jede Person verfügt, wie Pendler Astrologen und Energethiker, alles geprüfte Brotberufe, versichern, über eine individuelle Aura. Diese Aura ist das Resultat der verschiedenen Schwingungen, energethischen Zustände und der persönlichen Bioinformationen, die in die Umgebung abgestrahlt werden. Diese Informationen können so überwältigend negativ sein, daß Leistungsschwäche auftritt, Kopfweh oder Herzklopfen eintritt oder man überhaupt krank wird. Man fühlt sich wie verhext.

    Die Herstellung einer spezifischen homöopathischen Arznei unter besonderer Berücksichtung dieser auslösenden Ursachen ist nach Hahnemannischer Logik einfach und somit wissenschaftlich fundiert. Eigentlich metasciental basiert, denn die Homöopathie steht ja über den Wissenschaften, vor allem über den Naturwissenschaften. Das Verfahren, das zur Herstellung gewählt wird, gleicht der Herstellung von Mondlichtpotenzen. Man muß nichts anderes tun, als Milchzucker der Aura unter Umständen unliebsamer Personen aussetzten. Weil die Aura feinstofflicher Natur ist, permeiert sie Materie praktisch verlustfrei. Es genügt also ein Glasfläschchen mit Milchzucker in die Nähe der Aura gefährlicher Personen für 24 Minuten auszusetzen und anschließend homöopathisch weiterverarbeiten bzw. zu potenzieren. Die Einnahme führt zu einer Neutralisierung unliebsamer Auren.

    So ein Fläschchen mit Milchzucker kann dann in einer Amtstube oder in einer Polizeistation unauffällig stehengelassen werden. Wer viel mit Behörden zu tun hat, nimmt dann 3 mal täglich 5 Globuli „Aura Magistratus“ C30 zu sich und es gibt keinen Ärger mehr mit Beamten. Für Autofahrer die bei Polizeikontrollen in Schwitzen kommen, die nehmen noch rasch, bevor sie aussteigen, 5 Globuli (Alkoholfrei!) „Aura Lictoris trafficus“ C100 zu sich. Dann sollte jede Kontrolle mit äußerster Gelassenheit ablaufen. Sie bleiben ganz ruhig, weil sie der Verkehrspolizist nicht mehr aufregt. Gelassen nehmen sie den Strafzettel entgegen, sofern sie überhaupt einen bekommen, denn durch ihr ruhiges besonnenes Verhalten, ist der Polizist viel eher milde gestimmt.

    Und auch innerfamiliär ist potenzierte Aura sehr von Nutzen. Schon beim ersten Besuch der Schwiegermutter positionieren sie ein Fläschchen mit Milchzucker an strategischer Stelle. Aus dem mit der Aura von Schwiegermutter beladenen Milchzucker lassen sich dann alle notwendigen Potenzen von „Aura Socerae“ herstellen. Die Einnahme von C200 empfiehlt sich bei plötzlicher Ankuft, ansonsten am Vortag beginnend 3 mal täglich 5 Globuli bis zur Abreise.

  9. #9 Jakob H.
    29. Juni 2009

    Natürlich ist das ein Skandal. Aber als “gelernter Österreicher” bin ich sowas leider gewöhnt.

  10. #10 Gunnar
    29. Juni 2009

    Wie wäre es mit Schwarzem Loch, C?
    https://www.helios.co.uk/cgi-bin/store.cgi?action=link&sku=Blac-h&uid=12347

    das dürfte nebenbei die Astrophysik revolutionieren, oder?

  11. #11 wolfgang
    29. Juni 2009

    Mir scheint die Erd steht nimmer lang.

    Black whole darf bitte nicht zusammen mit Plutonium und anti-Materie eingenommen werden, sonst krachts wirklich- in jedem Physik Buch nachzulesen.

    Und schon gar nicht darf das Zeug beim LHC gefuttert werden- kann Ludmilla sicher bestätigen

  12. #12 Christian Weihs
    29. Juni 2009

    Bin gespannt, wann Big-Bang, Gamma-Ray-Burst und Quasar angeboten werden.
    Bilde ich mir das ein oder halten die ihre Kunden für noch dümmer, als bisher angenommen?

  13. #13 S.S.T.
    2. Juli 2009

    @ Christian Weihs

    Selber die glänzenden Ideen vermarkten. Die Kunden wollen es doch so! (Und sie sind in der Tat noch dümmer, als bisher angenommen.)

    Wobei, solange die Finanzkrise noch anhält, ist mein Favorit immer noch ‘Kontoauszug C 100’.

  14. #14 Christian Weihs
    3. Juli 2009

    @S.S.T.
    Verlockend…irgendwie kann ich mich aber nie dazu hinreissen lassen, die Leichtgläubigkeit anderer auszunutzen um mich daran zu bereichern. Mist.