Dass sich die Amerikaner derzeit in Bali überhaupt mit dem Thema Klimawandel auseinandersetzen (auch wenn sie nicht die Kooperativsten am Verhandlungstisch sind), ist ja schon ein gewaltiger Fortschritt, nachdem sich die amtierende Regierung jahrelang geweigert hatte, das Problem überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Doch so richtig gut will diese Nachricht nicht klingen, denn selbst wenn ab sofort – was nicht einmal der verwegenste Optimist hoffen wagt – weltweit alle politischen Hindernisse für eine effiziente Klimapolitik aus dem Weg geräumt würden, wird es für das Leben auf der Erde düster aussehen.

Diese Prognose stammt nicht von einem Zukunftsforscher, sondern im Gegenteil, von dem Paläontologen Michael J. Novacek. In seinem neuen Buch “Terra” (Farrar, Straus and Giroux, November 2007) warnt er davor, den Umweltschutz auf die Bekämpfung der globalen Erwärmung zu reduzieren. Das haben vor ihm natürlich auch schon andere getan, aber in der aktuellen Diskussion um CO2-Werte geht leicht unter, dass es mit “Karbonneutralität” und Hybridautos nicht getan ist.

Wenn in Braslien Regenwälder abgeholzt werden, um Zuckerrohr für Biosprit anzubauen, dann ist dies ökologisch ebenso halbsinnig wie ein Hybrid-SUV, der vielleicht in seiner Klasse als sparsam gelten mag, aber dennoch mindestens achteinhalb Liter auf 100 Kilometer schlucken muss und daher immer noch etwa eine Tonne CO2 jährlich ausspuckt. Aber schlimmer noch ist, dass andere Gefahren für die Umwelt, allen voran die Vernichtung von Biotopen, im Kohlendioxidnebel leicht übersehen werden. Als Paläontologe ist Novacek mit dem Phänomen des Artensterbens, das sich erdgeschichtlich bereits in fünf großen Faunenschnitten manifestiert hat, bestens vertraut. Und er zeigt, dass die Bevölkerungsexplosion in ihrer ökologischen Sprengkraft hinter Meteoriteneinschlägen und Vulkanausbrüchen nicht zurück steht. Selbst wenn von heute auf morgen das Klimaproblem gelöst würde, wäre der kritische Verlust an Biodiversität nicht aufzuhalten. Wir überfischen die Meere, überbauen das Land und übertragen allzu leichtfertig Tier- und Pflanzenarten in fremde Lebensräume, wo sie – wie die Zebramuscheln in nordamerikanischen Binnengewässern – verheerende Wirkungen haben können.

Vor allem in der Bevölkerungspolitik ist die US-Regierung – nicht erst seit George W. Bush, übrigens – noch sturer als in der Klimapolitik. UN-Programme zur Geburtenregelung stoßen regelmäßig auf Widerstand im Kongress in Washington; die Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention wurde dort nicht zuletzt wegen Artikels 24 blockiert, der Jugendlichen das Recht auf “Dienste auf dem Gebiet der Familienplanung” zugesteht (die USA sind, neben Somalia, das einzige Land der Welt, das dieses Abkommen nicht ratifiziert hat).

Selbst wenn es die USA also schaffen sollte, sich in Bali von einem Sechser-Schüler im Fach Klimabewusstsein auf eine Vier oder gar eine Drei zu verbessern, wäre – bildlich gesprochen – ihre Versetzung wegen ungenügender Leistungen auf anderen Gebieten auch weiterhin gefährdet.

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