350 Millionen Euro – soviel hätte die deutsche Mondmission LEO gekostet. 350 Millionen Euro – soviel hat die KfW freiwillig in die Lehman-Konkursmasse überwiesen.

Nicht dass zwischen beidem ein Zusammenhang besteht – außer natürlich, dass es um die gleiche Summe geht und dass es sich in beiden Fällen um Steuergelder handelt. Die 350 Millionen für die Mondmission waren – obwohl bereits zugesagt – leider nicht finanzierbar. Den Verlust der 350 Millionen (oder doch schon 536 Millionen?), die die KfW im Auftrag des Steuerzahlers vorigen Montag verspielt hat, wird unser Staat wohl verkraften müssen. Ein riesiger Schaden, verursacht durch Akademiker mit durchweg hoher “Employability“.

Falls es jemand noch nicht mitbekommen haben sollte: Die bundeseigene KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau bzw. Kreditanstalt für Werteverlust, wie sie von Otto Fricke umgetauft wurde) hat noch am Montag über 350 Millionen Euro Steuergelder an die US-Investmentbank Lehman Brothers überwiesen – nachdem deren Mitarbeiter bereits am Sonntag vor laufenden Fernsehkameras mit ihren in Kartons verpackten persönlichen Habseligkeiten die Büros geräumt hatten. Obwohl dies bei der KfW bekannt war, hat man das Geld sehenden Auges direkt in die Lehman-Konkursmasse überwiesen, wo es jetzt natürlich versackt ist:

Die Millionen-Überweisung der Staatsbank KfW an die insolvente US-Investmentbank Lehman Brothers ist laut einem Zeitungsbericht nicht aus Versehen erfolgt. […] Der Überweisungsauftrag sei am Montag um 8.37 Uhr an die Bundesbank gegangen und dort einige Minuten später ausgeführt worden, berichtet die „FAZ”. Erst für 9.30 Uhr und damit zu spät sei ein weiteres Treffen des Krisenstabes in der KfW anberaumt gewesen.

Noch am Freitag hatte man bei der KfW offenbar über die drohende Pleite von Lehman beraten, als die Situation sich dann am Wochenende zuspitzte war aber scheinbar niemand dazu in der Lage, die für Montag früh geplante Überweisung noch zu stoppen. Klar – auch ein Banker hat natürlich am Wochenende mal frei und muss sich nicht wie andere Arbeitnehmer mit weniger verantwortungsvollen Jobs rund um die Uhr “verfügbar” halten.

Zwischen 350 und 536 Millionen sind also im Lehman-Loch verschwunden, mit viel Glück lassen sich vielleicht noch dreißig oder vierzig Prozent aus der Konkursmasse retten. Unser Geld – das Geld der Steuerzahler. Geld, dass für LEO nicht zur Verfügung stand. Geld, dass nicht für eine höhere Solar- und Windkraft-Einspeisevergütung zur Verfügung steht. Geld, dass nicht für kostenlose Schulbücher oder kostenlosen Schulbustransport zur Verfügung steht. Geld, dass nun durch unverantwortliches Fehlverhalten verbrannt wurde.

Es könnte einem fast schlaflose Nächte bereiten: Seit Jahren sparen wir an Wissenschaft und Forschung, an Bildung und Ausbildung, werden die Etats beschnitten und die Personalstellen abgebaut. Gleichzeitig werden mit Steuergeldern nicht nur verlustreiche Spielbanken (so einen Fall haben wir gerade hier vor Ort) und allerlei anderer unnötiger Unfug finanziert (Detailauskünfte erteilt hier gern der Bund der Steuerzahler), es wird auch noch in unverantwortlicher Art und Weise auf Risikokapitalmärkten spekuliert.

Wie viel Steuergelder sind allein im Rahmen der Sachsen-LB-Pleite vernichtet worden? Eine Bürgschaft der sächsischen Landesregierung über 2,75 Milliarden(!) Euro (18 Prozent des sächsischen Haushalts) ist das Langzeit-Erbe der sinnlosen Spekulation mit hochriskanten US-Immobilienhypotheken. Die KfW erhöht jetzt nochmal um 300 bis 500 weitere Millionen.

Wie viele Forschungsprojekte hätte man mit diesen Geldern finanzieren können? Wie viel hätte man für die Bildung und Ausbildung junger Menschen tun können? Wie viele Windkraftanlagen und Solar-Kraftwerke hätte man fördern können? Und was bekommen wir für unsere Steuereuros stattdessen geboten?

Vielleicht lernen wir ja daraus und schießen nächstes Mal doch lieber eine Sonde zum Mond – statt die 350 Millionen Euro direkt dorthin zu schicken…

Update: Die LEO-Gelder haben sich wieder angefunden! Die nun arbeitslos gewordenen New Yorker Banker von Lehman Brothers werden (trotz Insolvenz) rund 2,5 Milliarden US-Dollar(!) an nachträglichen Bonuszahlungen erhalten, zudem wird am Wechsel der Top-Lehman-Banker zu Barclays gearbeitet – zu Gehältern im zweistelligen Millionenbereich:

A spokesman for Barclays said the $2.5bn bonus pool in New York had been set aside before Lehman Brothers filed for chapter 11 bankruptcy in the United States a week ago. […] In addition to the $2.5bn cash pool, Barclays is also in negotiations with about 30 executives it considers to be Lehman’s best assets and plans to offer them contracts worth tens of millions of dollars. British employees of Lehman described the bonus payments as a “scandal” […].

All animals are equal, but some animals are more equal than others.

Kommentare (8)

  1. #1 florian
    22. September 2008

    “Eine Bürgschaft der sächsischen Landesregierung über 2,75 Milliarden(!) Euro (18 Prozent des sächsischen Haushalts) ist das Langzeit-Erbe der sinnlosen Spekulation mit hochriskanten US-Immobilienhypotheken.”

    Tja – damit hätte wir uns fast nen eigenen LHC bauen können…

    Aber die Wissenschaft ist ja sooo teuer; Wissenschaftler kosten soviel Geld. Und irgendwo müssen wir ja sparen, oder?

    Mir geht das auch alles auf die Nerven – aber mittlerweile bin ich pessimistisch. Ich glaub nicht, dass sich irgendwas ändern wird. Was stört es die Leute schon groß, wenn WIssenschaftler entlassen; Institute geschlossen und Projekte eingestellt werden. Ausser ein paar Wissenschaftler interessiert das leider niemanden. In dem Bereich können die Politiker gefahrlos einsparen ohne mit großem Widerstand rechnen zu müssen…

  2. #2 Shin
    22. September 2008

    Ich habe mittlerweile meinen Glauben an das System verloren. Nicht an die Idee der freien Marktwirtschaft, die ist nach wie vor gut und aktuell, aber an das, was sich in der Realität so schimpft. Als überzeugter Kapitalist halte ich vom real existierenden Kapitalismus so wenig wie die meisten Sozis damals vom real existierenden Sozialismus.
    Dass der aktuelle Interventionszirkus mit dem Begriff Marktwirtschaft auch nur in Verbindung gebracht wird, ist eine ungeheuerliche Begriffsverzerrung.
    Doch vergessen wir niemals: Die Verluste haben die Banker eingefahren, durch Gier oder Dummheit oder was auch immer. Doch dass wir dafür aufkommen müssen ist allein die Schuld der Politik. In einem wirklich freien Markt müsste derjenige, der sich die Suppe einbrockt, sie auch auslöffeln.

  3. #3 Joerg
    22. September 2008

    Und fangen wir gar nicht an von der 1.000.000.000.000$ die gerade in den USA verpufft um zu retten was zu retten ist…

  4. #4 Martin
    23. September 2008

    @Shin:
    Das Problem ist eher, dass ein “wirklich freier Markt” hier noch mehr Schaden verursachen würde.
    Es würde ein gigantisches Chaos auf den Finanzmärkten entstehen, was zu extremen Vertrauensverlusten und dadurch Liquiditätskrisen bei Banken führt. Und spätestens ab da wird es auch für den Rest der Wirtschaft unangenehm. Wenn Unternehmen kein Geld mehr von Banken bekommen, dann bedeutet das massenhafte Betriebsschließungen und in weiterer Folge Arbeitslosigkeit.
    So gesehen zuletzt in der Asienkrise 1998.

    Deswegen sind sich die meisten Ökonomen einig, dass staatliche Intervention hier die bessere Alternative ist, auch wenn das natürlich dem Prinzip der freien, eigenverantwortlichen Unternehmer widerspricht.

    Klar wäre es fein zu sagen, die haben es verbockt, sollen sie in Konkurs gehen. Andererseits sollte man sich als Steuerzahler fragen, ob man wirklich wissen will, was passiert, wenn der weltgrößte Versicherer (AIG) zahlungsunfähig wird.

  5. #5 Christian Reinboth
    23. September 2008

    @Shin: Apropros Sozialismus – eigentlich sind wird doch zumindest teilweise schon wieder dahin unterwegs: Verluste werden verstaatlicht und von den Steuerzahlern aufgefangen, Gewinne werden dagegen privatisiert…

  6. #6 Shin
    23. September 2008

    @Martin
    Deine Argumentation ist schlüssig und nachvollziehbar, doch umgekehrt muss man sich genau so fragen, welche Folgen der Interventionismus hat. So belohnt man blinde Gier und Verantwortungslosigkeit, und dies gar mit Geld, das, wie oben geschrieben, wesentlich besseren Zwecken zugeführt werden könnte oder meines Erachtens am besten gleich beim Steuerzahler geblieben wäre. So werden die Banken bloß dazu ermutigt, ihr Verhalten zu wiederholen, und wir baden es aus – das ist auch nicht gerade eine angenehme Zukunftsperspektive. Die Frage ist, welche der beiden Möglichkeiten langfristig das geringere Übel ist. Mir persönlich wäre es lieber, wenn es hin und wieder mal scheppert, denn das ist kurzfristig zwar sehr schmerzhaft, aber auf lange Sicht meines Erachtens besser.

    @Christian
    Stimmt, und das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die so nicht bestehen kann. Die Frage ist nur, welchen Weg will man gehen: Auch die Verluste privatisieren oder auch die Gewinne verstaatlichen?

  7. #7 Christian Reinboth
    23. September 2008

    @Shin: Darauf kann es meines Erachtens nur eine Antwort geben: Auch die Verluste müssen zumindest teilweise privatisiert werden. Ein Sicherheitsnetz aus Steuergeldern für Finanzspekulanten, dass immer dann aufgespannt wird, wenn es schlecht läuft, während in guten Zeiten die Gewinne von ebenjenen Spekulanten eingestrichen werden dürfen, bedeutet nichts weiter als eine Abkehr von wesentlichen marktwirtschaftlichen Prinzipien. Darüber hinaus animiert es geradezu zu unverantwortlichen Spekulationen, da man persönliche Konsequenzen ja kaum zu fürchten braucht.

    Natürlich will niemand erleben was passiert, wenn beispielsweise AIG wirklich Konkurs anmelden sollte. Staatliche Interventionen, mit denen sich das gröbste Unglück verhindern lässt, sind daher meines Erachtens nach in begrenztem Umfang durchaus unterstützenswert. Alles was darüber hinausgeht und die Spekulanten von betrieblichen und persönlichen Risiken weitestgehend entlastet, ist dagegen ein vollkommen unverantwortlicher Umgang mit öffentlichen Geldern.

    Die USA praktizieren dies gerade in weitaus größerem Umfang als wir in Deutschland – und das Ergebnis zeigt sich sehr schön im oben verlinkten Update: Während öffentliche Gelder verbrannt werden, um die Wallstreet zu entlasten, dürfen sich die Pleitebanker von Lehman über Abfindungen in Milliardenhöhe freuen. Das persönliche finanzielle Risiko (das beispielsweise ein Kleinanleger in vollem Umfang tragen muss) wird durch solche Aktionen minimiert, was wiederum keinesfalls ein verantwortliches Handeln an internationalen Finanzmärkten fördert.

  8. #8 Ronny
    6. Oktober 2008

    Was ich nicht verstehe, warum werden diese ‘Geldspritzen’ nicht als Kredit definiert. Wenns der Bank wieder gut geht, dann wird diese Summe zurückbezahlt, inklusive Zinsen. Dann hätten alle was davon, aber so versickerts einfach nur.
    Manchmal frage ich mich schon, ob das nicht eine neue gute Idee der Spekulanten war auch an das Kapital von Leuten zu kommen die nicht an der Börse spekulieren :).