Wir müssen aus dem Buhei aus den gestohlenen Mails der East Anglia Climate Research Unit Lehren ziehen. Diese Lehren sind nicht dass sich irgendetwas an den wissenschaftlichen Erkenntnissen ändern wird. Diese Lehren sind nicht, dass Klimatologen auch nur Menschen sind. Diese Lehren sind nicht, dass Wissenschaftler sich nicht politisch äußern sollten. Die Lehren, die wir ziehen müssen sind keine neuen, aber jetzt springen sie uns ins Gesicht. Eigentlich ist in diesen Mails nichts drin, was der Wissenschaft schaden sollte. Aber ich wette dass sich in unzähligen Köpfen bei Laien ohne festen Standpunkt zur Klimaforschung eines festgraben wird: Klimaforscher sind Betrüger. Oder wenigstens: Es gibt welche, die betrügen. Und wie kann das sein? Wir als Wissenschaftler oder Skeptiker fragen uns: Aber wie kann das sein, die Evidenz ist doch so solide, das müssen die doch merken. Aber bei der H1N1-Impfung war es ebenso: alles war verunsichert auch im Angesicht klarer Erklärungen. Ich muss konstatieren: Der Großteil unserer Mitmenschen erkennt klare Evidenz auch dann nicht, wenn sie ihn in den Arsch beißt.

Klar kann man das jetzt diagnostizieren, und einfach die Tatsache, dass skeptisches Denken und Wissenschaft in der Schule praktisch nicht gelehrt werden, tragen daran ihre Schuld. Aber ich denke, es gibt auch einen verwandten Grund der wenigstens aus der Mailgeschichte hervorgeht: Es existiert kein Bild von Wissenschaftlern abseits von Klischees. Und wir – wir als Wissenschaftler, als Skeptiker, als Blogger, als interessierte Leser – können da einen Beitrag leisten, dass das besser wird. Denn auf den Abzieh-Wissenschaftler im weißen Kittel, der emotionslos die Weltherrschaft anstrebt, kann man leicht alle möglichen ebenso großen üblen Klischess projizieren. Wenn aber etwas mehr vom Wissenschaftler als Mensch in den Köpfen ist, fällt das schon schwerer.
Die große Herausforderung dabei ist, den Prozess der Wissensschaffung und die wissenschaftliche Methode zu vermitteln. Es gibt viele viele wunderbare Wissenschaftbücher für Jedermann, aber die meisten machen nichts anderes als Dinge erklären und historisch erzählen wer sie entdeckt hat. Aber der eigentliche Prozess, wie jemand drauf kam, wird fast nie aufgerollt – das liegt vor allem daran dass es so undankbar schwierig ist, denn der Entstehensprozess von Wissen ist vor allem langweilig und langwierig. Da liegt unsere Herausforderung, wir müssen Wege finden, Geschichten zu erzählen die die Arbeit des Wissenschaftlers vermitteln. Das ist grundsätzlich der Weg, etwas zu vermitteln: Man packt es in ein Narrativ. Das bedeutet nicht, Geschichten zu erfinden, aber am besten gelingt die Vermittlung von Inhalten wenn man erzählerisch einem klaren Weg folgt, den man gerne (gedanklich) mitgehen kann.
Ein wunderbares Beispiel dafür war das Labortagebuch von Marcus Anhäuser. Ich jedenfalls habe viele Details aufgesogen und festgestellt, dass es da eine kritische Lücke gibt in meinem Verständnis. Ich kann mir schon nicht vorstellen, wie ein theoretischer Physik mit Stift und Papier neue Formeln herauspresst. Ich würde aber gerne wissen, wie er das macht. Sitzt er acht Stunden am Tag vor dem Blatt? Rechnet er einfach rum? Diskutiert er viel? Trödelt er rum und spielt Solitaire bis ihm ein Geistesblitz kommt? Wir brauchen Erzähler dafür. Marcus konnte das sechs Wochen machen, weil er dafür ein Stipendium bekommen hat. Das kann nämlich keine Aufgabe für einen normal arbeitenden Wissenschaftsjournalisten sein, es kostet entweder viel Zeit für Recherche oder muss von den Wissenschaftlern selbst kommen. Richtig gelingen kann das aber eigentlich nur, wenn die, die für Wissenschaft bezahlen das stärker unterstützen. 2 Millionen für ein EU-Projekt? Warum nicht auch verpflichtend eine halbe Stelle, um das richtig schön zu erzählen, was dann dabei passiert.
Wir hier als Blogger können auch versuchen, das besser zu tun. Es ist aber auch schwierig, über die eigene Arbeit zu erzählen – ich könnte da nicht mal einmal im Monat einen spannenden Artikel zusammenbekommen. Deswegen kann ich wieder nur nochmal fragen: Wo seid ihr alle, warum bloggt ihr nicht? Hier an den “Graswurzeln” ist genau der Ort, um den entscheidenden neuen Schritt der Wissenschaftskommunikation zu gehen! Traut euch, macht ein Blog auf und erzählt etwas!

Kommentare (19)

  1. #1 Florian Freistetter
    12/05/2009

    Genau so ist es!

  2. #2 Rolf Grießhammer
    12/05/2009

    Die Geschichte mit den E-Mails hat mich zugegebenermassen erstmal ziemlich verunsichert. Und da ich kein Klimaforscher bin, muss ich schon genauer hinsehen, bis mir die Evidenz der Evidenz wirklich klar ist. Neben dem Erzählen von Geschichten scheint mir auch wichtig, Kriterien aufzuzeigen, an denen sich erkennen lässt, wo Skepsis einseitig und verzerrend, wo scheinbar wissenschaftliche Darstellungen einseitig und verzerrend sind. Ob es eine Psychologie der Wissenschaftsrezeption gibt, weiß ich nicht, vielleicht muss sie erst erfunden werden. Aber Motive, Ziele und das Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion spielen dabei sicher eine Rolle. Die Kunst der Wissenschaftskommunikation ist also auch die Kunst, mit einfachen Worten komplizierte Sachverhalte darzustellen. Und dabei durchaus auch Einwände zu berücksichtigen, klar zu markieren, was vorläufig, Hypothese und was gesicherte, empirisch fundierte Theorie ist. DAS scheint mir für Leute, die kein wissenschaftliches Studium hinter sich haben, nun wirklich nicht einfach zu sein. Und so geht mancher einer ‘überzeugenden’ Darstellung auf den Leim, die selektiv Informationen auswählt, die gerade zur erwünschten Realitätsdarstellung passt. Oder einfach nur Wirbel machen will. Sich dabei nicht in sinnlos werdende Diskussionen zu verstricken oder dazu verleiten zu lassen (siehe Astrologie, Relativitätstheorie, Mondlandung, Weltuntergang 2012 etc.) – das ist wirklich ein Kommunikationsproblem.

  3. #3 Jürgen
    12/06/2009

    ähm, welche klaren Erklärungen bezüglich der H1N1-Impfung meinst Du? Die, dass man sich unbedingt impfen lassen soll? Oder die, dass es unnötig und viel zu riskant ist??

  4. #4 Webbaer
    12/06/2009

    Der Großteil unserer Mitmenschen erkennt klare Evidenz auch dann nicht, wenn sie ihn in den Arsch beißt.

    Ist das die Lehre, die aus dem Vorfall zu ziehen ist?

    Das ist grundsätzlich der Weg, etwas zu vermitteln: Man packt es in ein Narrativ.

    Und das die empfohlene Reaktion?

    Hmm, ich kann durchaus verstehen, dass die Kommunikation von Erkanntem dann frustrierend wird, wenn diese misslingt und das Volk – Seien wir einmal ehrlich! – sich auf dem dbzgl. allgemein vermutet tiefem Akzeptanzniveau befindet, aber ist der Narrativ, also die Sage, nicht genau das Gegenteil der modernen Wissenschaftlichkeit? Soll es etwa ein Stückchen in Richtung Antiaufklärung gehen?

    Davon mal abgesehen – die oben getätigte Vermutung soll an dieser Stelle negiert werden -, ist die vglw. grosse Akzeptanzschwäche des Volkes, was wissenschaftliche Erkenntnisse betrifft, nicht auch eine (oder gar DIE 😉 ) Chance – demokratisch effiziente Systeme vorausgesetzt?

    MFG, WB

    PS: Elitismus nicht gut.

  5. #5 Webbaer
    12/06/2009

    Sollte es dagegen in eine andere Richtung gehen, also Richtung Freude an der Kommunikation und so:
    DANN natürlich, Florian sei gegrüsst, gilt: Geschwätzigkeit gut.

    Dann aber auch nett sein. 🙂

    MFG, WB

  6. #6 antiangst
    12/06/2009

    Die Akzeptanzschwäche auch für klare Evidenzen liegt an der Erkenntnis der Masse, dass dort wo Menschen handeln auch getrickst und vernebelt wird. Das gilt auch für Autoritäten und Mächtige.
    Da nur Wenige auf vielen Gebieten fit sind, ist es notwendig bei Inhalten, die man nicht selbst vollständig überblickt zu glauben und den den Autoritäten zu vertrauen. Zu Beurteilung der Glaubwürdigkeit ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist sind dann eher die Methoden der Kriminalistik geeignet. Und das sind die Fragen nach Motiv, Gelegenheit, Tatwerkzeug und empirischer Beweis.

  7. #7 Wolfgang Ballestrem
    12/06/2009

    Den Ansichten von Herrn Rings kann ich nicht zustimmen. Persönlichkeiten und Charaktere der Wissenschaftler sind so breit gestreut wie überall sonst in der Menschheit. Das Berufsethos der Wissenschaftler ist ebenfalls nicht besser oder schlechter als anderswo.

    Uli Blumenthal, Redaktionsleiter Forschung aktuell Deutschlandfunk, antwortete mir am 30.11.09 auf den Hinweis auf sehr divergiernde „Ergebnisse“ von Klimaforschern:
    „was ihre inhaltliche kritik zum beispiel in sachen abschmelzen der gletscher betrifft, so werden sie … sehr differenzierte und die widersprüchlichkeit abbildende beiträge zu diesem thema finden, die zeigen, wie kompliziert und gegensätzlich wissenschaftliche erkenntnisse und theorien sind.
    wissenschaft hat und spricht nicht nur mit einer stimme und kennt nicht die eine erkenntnis/wahrheit.
    auch wissenschaftler haben interessen – und verhalten & positionieren sich entsprechend.“

    Man muß überhaupt nicht „Climategate“ heranziehen, um das Absprechen von Professionalität wie auch Polemik von Forschern untereinander sogar ziemlich häufig im Internet zu finden. Erinnern Sie sich nur an die gegenseitigen Vorwürfe (bis hin zu Bestechungen und Staatshörigkeit) und gegenseitigen Aberkennungen zwischen den hochprofessionellen IPCC-Mitarbeiter und ihren absolut ebenso professionellen und erfahrenen Kollegen vom NIPCC. Vergleichen Sie sowohl Berichtsinhalte als auch Berichterstattung z.B. des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit denen des Max Planck Instituts für Meteorologie.

    Das Unglaubwürdige an der offiziellen und staatlich geförderten Umweltforschung und deren politisch beeinflußten Ergebnisse (das gilt besonders für die Summaries for Policy-Makers, des IPCC-Berichts 2007: „Über Zusammenfassung Nummer eins verhandelten in Paris eine Woche lang rund 500 (Anmerkung: weisungsgebundene) Politiker und Wissenschaftler. Juristen wachten über jedes geschriebene und gesprochene Wort. Bei den Debatten wird bis in die Nacht um Formulierungen gerungen. Dabei lernten die Klimaforscher, dass ihre Ergebnisse nicht nur zutreffend, sondern auch konsensfähig sein müssen.“ Quelle: DIE ZEIT, 01.02.2007 Nr. 06, „IPCC – Der Klimabasar“ von Axel Bojanowski) ist ihre doch eigentlich unnötige Agressivität, die Nichtduldung abweichender Meinungen und eben die Vermischung von Forschung und Politik.

    Es ist brandgefährlich, wenn Wissenschaft und Politik sich in ein Bett legen! Die gegenwärtige völlig unwissenschaftliche Festlegung auf die fast absolute Sicherheit der Klimafolgen (IPCC: 90-99%) und das Verschweigen der nachweisbaren, in ihrer Größe gar nicht absehbaren Unsicherheiten, hat eindeutig den Zweck, ein bestimmtes Verhalten der Menschheit zu erzwingen!
    Und genau das ist der Punkt, bei dem ich beginne mir ernsthaft Sorgen über die Seriosität und Zielsetzung der gegenwärtigen Klimadebatte zumachen!

  8. #8 Schmetter-Ling
    12/06/2009

    Es ist brandgefährlich, wenn Wissenschaft und Politik sich in ein Bett legen!

    Es geht mir gehörig auf den Sack, ständig zu lesen, wie böse doch die Wissenschaft ist. Es ist auch gefährlich, wenn sich Un-Wissenschaft mit der Politik in’s Bett legt. Dieser Satz ist genauso sinnleer wie das Zitat.

    Das halte ich für einen guten Anfang:

    2 Millionen für ein EU-Projekt? Warum nicht auch verpflichtend eine halbe Stelle, um das richtig schön zu erzählen, was dann dabei passiert.

    @Webbaer:

    ist der Narrativ, also die Sage, nicht genau das Gegenteil der modernen Wissenschaftlichkeit? Soll es etwa ein Stückchen in Richtung Antiaufklärung gehen?

    Etwas Unverstandenes verständlich zu machen, geht nur, wenn man sich auf das Publikum einlässt. D.h. im speziellen Fall ‘Wissenschaftsvermittlung’: ein Wissenschaftler muss Worte und Bilder benutzen, die für Menschen begreifbar sind, die von Wissenschaft keine Ahnung haben. Ich halte das für durchaus vergleichbar mit dem Lehren von Kindern.

  9. #9 Gregor
    12/06/2009

    Mein Eindruck ist, dass die Ansprüche an die Menschen zu hoch gesteckt sind und an der Lebenswirklichkeit meilenweit vorbei gehen.
    Man steht morgens, vielleicht um 6:00 Uhr auf, geht zur Arbeit, kommt gegen 17:00 oder 18:00 Uhr nach Hause. Kümmert sich um den Haushalt, die Kinder, geht noch eine Stunde zum Sport …
    Als Normalsterblicher muss ich einfach das GLAUBEN, was Experten mir vorsetzen. Und ich glaube nicht, dass noch mehr Wissensvermittlung irgendwas daran ändert – maximal steigt das Niveau ab dem ich glauben muss.
    Was ich denke ist, dass die wissenschaftliche Methode vermittelt werden muss. Die heisst aber skeptisch sein und da bin ich mir manchmal nicht sicher, ob das (auch Wissenschaftler) alle wollen.

  10. #10 Webbaer
    12/06/2009

    @Schmetter-Ling
    Der Witz ist ja, dass diese Sicht, also dass Wissenschaft ggf. auch politisch vermittelt werden muss, der Beweis ist, dass Wissenschaft selbst Gesinnung ist.

    Was einerseits mit der Anforderungslage zusammenhängt, wer forscht schon ohne Nutzen für die Allgemeinheit (zumindest muss dieser behauptet werden, damit für den Forscher ein positiver ROI entsteht, oder?), und anderseits damit, dass die Welt sich ziemlich gut dagegen wehrt verstanden zu werden, dass wissenschaftliche Hypothesen also nur eine temporäre Lebensdauer haben.

    Alles in allem, wichtiges Thema, guter Artikel!

    MFG, WB

  11. #11 Kai Möller
    12/06/2009

    “Der Witz ist ja, dass diese Sicht, also dass Wissenschaft ggf. auch politisch vermittelt werden muss, der Beweis ist, dass Wissenschaft selbst Gesinnung ist.”

    Leider falsch! Gerade die Bereitschaft, Theorien neuen Erkenntnissen azupassen, bedeutet, dass Wissenschaft als solche so ziemlich das Gegenteil von Gesinnung ist. Und wenn auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse demokratische Entscheidungen zu fällen sind, müssen diese natürlich auch vermittelt werden. In der Diskusson allerdings wird Wissenschaft gerne politisch missbraucht und verzerrt. Der Unterschied ist so wichtig wie offensichtlich.

  12. #12 Marc Scheloske
    12/06/2009

    Toller Blogpost. Da steht soviel Richtiges drin. Wobei es natürlich die große Frage ist, ob jenseits der Sonntagsreden von Wissenschaftspolitikern sich wirklich was ändert. Denn einerseits wird immer wieder drauf verwiesen, wie wichtig eine vernünftige Vermittlung von wissenschaftlichem Wissen und dem Erkenntnisprozeß ist, andererseits wird überall gespart und in den Wissenschaftsredaktionen werden Redakteure entlassen.

    Insofern liegt die Zukunft vielleicht ja wirklich in Wissenschaftsblogs und den forschungsfördernden Institutionen. Wie Du zutreffend schreibst:

    2 Millionen für ein EU-Projekt? Warum nicht auch verpflichtend eine halbe Stelle, um das richtig schön zu erzählen, was dann dabei passiert.

  13. #13 MartinB
    12/06/2009

    “Das ist grundsätzlich der Weg, etwas zu vermitteln: Man packt es in ein Narrativ.”
    Na, ich weiß nicht. In meinen Augen ein zweischneidiges Schwert – man braucht bloß mal die Wissens-Artikel in der Zeit zu lesen: Die fangen zu 98,7% (gefühlte Häufigkeit) damit an, dass irgendein Mensch etwas gaaaanz merkwürdiges oder spannendes macht, und dann wird von da aus versucht, die wissenschaftliche Story zu entwickeln.
    Ich find’s langweilig und auch unnötig – wenn jemand von nem politischen Ereignis oder vom Sport berichtet oder eine Buchrezension schreibt, geht’s ja seltsamerweise auch anders. Nur bei der Naturwissenschaft traut man es dem Zeitungsleser nicht zu, dass er nen Text auch so interessant finden könnte.

  14. #14 Jörg
    12/06/2009

    Natürlich habe ich mir nicht alles selbst ausgedacht, das Narrativ stammt von Randy Olson, das Buch “Don’t Be Such A Scientist” habe ich mir bestellt, aber er war auch mehrmals in Interviews zu hören, z.B. im aktuellen Point of Inquiry:
    https://www.pointofinquiry.org/randy_olson_dont_be_such_a_scientist/

    @Marc: Ich denke, vor allem die großen Organisationen die Forschung bezahlen sind in der Pflicht, Wissenschaftskommunikation zu unterstützen und als wertvoll zu erkennen. Es passiert ja jetzt auch schon etwas in großen Projekten, Homepages, newsletter etc., aber oft erinnert es mich eher an eine Hochglanzbroschüre.

    @Martin:

    Die fangen zu 98,7% (gefühlte Häufigkeit) damit an, dass irgendein Mensch etwas gaaaanz merkwürdiges oder spannendes macht, und dann wird von da aus versucht, die wissenschaftliche Story zu entwickeln.

    Das ist a) unehrlich, da Wissen schaffen kein plötzlicher, mekrwürdiger Effekt ist sondern meist langwierige, graduelle Arbeit und b) ist da nicht die wissenschaftliche Erkenntnis in ein Narrativ gepackt, stattdessen ist eine Anekdote vorgeschaltet. Es geht aber darum, dass man einfach die Substanz die man erklären möchte in einer erzählerisch gelungenen Form präsentiert – das erfordert dass man sich hinsetzt und überlegt wie der Leser das am besten aufnehmen kann. Man muss seine Fragen antizipieren und versuchen an der passenden Stelle zu erläutern. Das bezieht sich auf den Report von Wissen – wie man den Prozess und die Methode der Wissenschaft am besten erzählt, weiß ich selbst nicht. Da wäre einfach eine breite Basis an Bloggern gefragt, sich Gedanken zu machen und einfach mal was auszuprobieren.

    Ich find’s langweilig und auch unnötig – wenn jemand von nem politischen Ereignis oder vom Sport berichtet oder eine Buchrezension schreibt, geht’s ja seltsamerweise auch anders. Nur bei der Naturwissenschaft traut man es dem Zeitungsleser nicht zu, dass er nen Text auch so interessant finden könnte.

    Wer liest denn schon noch Zeitung? Ich jedenfalls nicht. Und bitte – Sportberichterstattung ist doch 99% narrativ – da gibt es nunmal kaum Substanz. Das Phänomen Fußball existiert nicht weil es so ein hoch ansprechender Sport wäre, sondern weil man es bequem als unendliche Soap Opera erzählen kann.
    Wissenschaft ist zu wichtig, als dass man erwarten kann dass sich jemand damit befasst. Da es alle angeht, muss es der Wunsch der Wissenschaftsorganisationen sein, jedem Menschen als “Kunden” eine ansprechende Art der Vermittlung zu präsentieren. Wie gesagt, man kann viel über die fehlende Bildung jammern. Man kann aber auch jeder aus seiner Perspektive so viel tun, wie möglich ist, um das zu ändern.

  15. #15 Wolfgang Flamme
    12/06/2009

    Ich muss konstatieren: Der Großteil unserer Mitmenschen erkennt klare Evidenz auch dann nicht, wenn sie ihn in den Arsch beißt.

    Das hat der Mann vom Schlüsseldienst neulich auch gesagt. Unser Schornsteinfeger hat ihm zugestimmt, ebenso wie der Paketbote, der gerade in der Tür stand. Die Bäckereiverkäuferin und die Leute von der Müllabführ, die das zufällig mithörten, haben ebenfalls zustimmend genickt. Alle waren sich einig: Die Masse der Menschen ist bezüglich fast allem ignorant und muß endlich mal gründlich aufgeklärt werden. Mehr dazu im Schließzylinderblog von Gerald, Backe-backe-Kuchen by Moni, Extreme-Delivering-Blog by Heiko, im Biotonnenschicksale-Blog und natürlich bei Peters Wer-hat-Angst-vorm-schwarzen-Mann.

  16. #16 Webbaer
    12/06/2009

    @Kai Möller
    Kommt darauf an, was Sie unter Gesinnung und Werten verstehen. 🙂
    Und es kommt ja nicht so oft vor, dass auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse (manchmal sind es Prognosen) demokratisch legitimierte Entscheidungen gefragt sind – was wohl auch ganz gut so ist.
    Den Wissenschaftler schwerpunktmässig als Politiker (das können andere besser) will ja eigentlich niemand, Wissenschaft ist immer noch ein Werkzeug i.p. Erkenntniserweiterung.
    MFG, WB

  17. #17 frisoese
    12/07/2009

    @Wolfgang Flamme

    “Die Masse der Menschen ist bezüglich fast allem ignorant und muß endlich mal gründlich aufgeklärt werden.”

    Was aber, wenn die Aufklärung misslingt?
    Dazu äußerte sich einer der Dirigenten der anthropogen-verursachten-
    Klimawandel-Symphonie Maurice Strong folgendermaßen:

    “Our concepts of ballot-box democracy may need to be modified to produce strong governments capable of making difficult decisions”

    https://findarticles.com/p/articles/mi_hb6669/is_2_26/ai_n32406700/pg_7/?tag=content;col1

  18. #18 Anstandsdame
    12/08/2009

    @Jörg

    Wer liest denn schon noch Zeitung? Ich jedenfalls nicht.

    Hust … das merkt man.

    @Wolfgang Flamme

    Das hat der Mann vom Schlüsseldienst neulich auch gesagt. Unser Schornsteinfeger hat ihm zugestimmt, ebenso wie der Paketbote, der gerade in der Tür stand. Die Bäckereiverkäuferin und die Leute von der Müllabführ, die das zufällig mithörten, haben ebenfalls zustimmend genickt. Alle waren sich einig: Die Masse der Menschen ist bezüglich fast allem ignorant und muß endlich mal gründlich aufgeklärt werden. Mehr dazu im Schließzylinderblog von Gerald, Backe-backe-Kuchen by Moni, Extreme-Delivering-Blog by Heiko, im Biotonnenschicksale-Blog und natürlich bei Peters Wer-hat-Angst-vorm-schwarzen-Mann.

    Das ist sehr schön formuliert. Für mich ist jetzt die Frage, was aus dieser Erkenntnis folgt. Sind jetzt alle anderen doof oder gibt es vielleicht doch mehrere Wahrheiten oder wenigstens mehrere Perspektiven, die jeweils ein ganz anderes Licht auf eine Sache werfen?

  19. #19 Ronny
    12/09/2009

    Der Großteil unserer Mitmenschen erkennt klare Evidenz auch dann nicht, wenn sie ihn in den Arsch beißt.

    Starker Satz, ich stimme ihm auch größtenteils zu, jedoch sehe ich bei vielen Menschen das Problem, dass die Evidenz ihrem Glauben widerspricht. Sei dies jetzt religiös, esoterisch oder einfach nur dem Ego widersprechend.

    Viele ‘liebgewordene’ Dinge werden von der Wissenschaft als Dúmmheit definiert und obwohl dies stimmt und oft auch so wahrgenommen wird, will man sie nicht annehmen weil es dem eigenen Denken widerspricht. Es gibt für einen Menschen nichts schwereres als zuzugeben, dass er/sie sich geirrt hat.

    Beim Klimaschutz z.B: kommt noch hinzu, dass es ja bares Geld kostet und scheinbar nichts bringt. Das passiert ja schon im Kleinen. Oft muss man jemanden zwingen sein Haus zu dämmen weil ja immer sofort die Frage im Raum steht: Bringt das wirklich was, das mich jetzt tausende Euro kostet ?

    Man muss aber der Wissenschaftlern auch vorwerfen, dass viele lieber im stillen Kämmerlein vor sich hinforschen und die Medien den Metaphysikern überlassen. Wagen sich mal welche ein bißchen raus (z.B: in Wien Dr. Zeilinger, CERN ) dann wird einem sofort von den Kollegen Mediengeilheit vorgeworfen oder es entstehen abstruse Diskussionen.

    Ihr müsst das so sehen: Es ist schwer hundertmal jemandem das selbe zu sagen und hunderte schlecht besuchte Ausstellungen zu machen, aber GENAUSO schwer ist es für einen Standardmenschen die komplexe Materie so halbwegs zu begreifen.

    Bei Impfungen siehts dann wieder anders aus. Das ist wie eine Versicherung. Dort wägt man auch ab zwsichen Prämie und Schaden. Bei H1N1 wird der mögliche Schaden als gering eingestuft um die Prämie zu bezahlen die aus Angst vor Komplikationen, Faulheit und Ignoranz besteht.

    Fazit: Bitte weitermachen und seinen Standpunkt vertreten. Anderemachen das auch und dies oft viel lauter.