Im ersten Teil des Beitrages zum World Malaria Day ging es um ein Paper von Kevin D. Lafferty in Ecology [1], das die komplexe Problematik beschreibt, mögliche Einflüsse der Klimaerwärmung auf die Ausbreitung tropischer Krankheiten zu untersuchen.
In diesem Beitrag beschäftige ich mich mit den weiteren, kurzen Papern [2-7], die Ecology dazu als “Forum” veröffentlicht hat. Darin nehmen andere Forscher Stellung zu [1], weisen auf weitere Aspekte hin und stellen ihre Sicht dar.

In der Forums-Artikeln eröffnet Richard Ostfeld seinen Beitrag [2] damit, noch einmal darauf hinzuweisen wie die ersten Beiträge vor einigen Jahren eine starke Ausbreitung der Krankheiten durch die Erderwärmung vermuteten, in der Folge aber Kritik aufkam, weil die Verbindung eben nicht so leicht und so klar herzustellen ist.
Er greift die drei wichtigsten Punkte aus Laffertys Arbeit auf:

  1. Das Ausbreitungsgebiet könnte sich verschieben, ohne sich insgesamt zu vergrößern: Ostfeld weist darauf hin, dass der IPCC Bericht 2007 sagt, dass Temperaturmaxima nur leicht steigen könnten, während Minima deutlich stärken ansteigen könnten (also hin zu positiven Temperaturen), und diese Asymmetrie beachtet werden muss. Weiterhin vernachlässigten Modelle, die keinen Nettogewinn an Ausbreitungsgebiet sahen, die Tatsache, dass Eingriffe durch den Menschen zur Bekämpfung der Malaria in reicheren Gebieten der Erde als hauptsächlicher Regulierungsfaktor zu sehen sind.
  2. Nicht-klimatische Faktoren sind wichtiger als klimatische: Ostfeld stimmt prinzipiell zu, weist aber darauf hin, dass der Einfluss der klimatischen Faktoren gerade in ärmeren, höher gelegenen Regionen sehr bedeutsam ist.
  3. Transmission-Grenze: Lafferty definierte, dass Krankheiten sich nur ausbreiten, wenn die Zahl R0 der durchschnittlich von einem Überträger angesteckten Wirte größer als 1 wird. Ostfeld kritisiert das, und führt an dass historische Daten dem widersprächen, und dass R0 oft unterschätzt würde.

Pascual und Bouma [3] greifen ebenfalls den Punkt an, dass das Ausbreitungsgebiet sich nur verschieben würde, und sagen gar dass Laffertys Ansichten dazu veraltet seien. Dazu führen sie ebenfalls an, dass die Verschiebung von Malariagebieten in höhere Lagen in Afrika, die zuvor keinen Lebensraum für die Moskitos boten, eine hochaktuelle und beobachtbare Konsequenz der Klimaerwärmung sei – vor allem weil dort mehr Menschen wohnen. Es sei eben nicht nur die Verschiebung in der Fläche relevant, man müsse die Bevölkerungsdichte beachten! Auf der anderen Seite sei auch die vermutete Reduktion in Wüstengebieten unsicher. Die Autoren rufen auch dazu auf, das Wechselspiel zwischen Landnutzung, sozioökonomischen Faktoren, der AIDS-Epidemie, entwickelten Resistenzen der Insekten gegen Bekämpfungsmaßnahmen und höheren Temperaturen besser zu untersuchen.

Harvell et al. [4] betonen zunächst nochmal, wie wichtig es sei den Einfluss der Temperatur auf Insektenpopulation, Beißaktivität und Insekt-Parasit-Interaktion besser zu verstehen.
Im folgenden weisen sie darauf hin, wie wichtig es sei, auch den Einfluss der Temperatur auf die Wirt-Erreger-Interaktion zu untersuchen und führen dazu mehrere Beispiele an, in denen z.B. Amphibien- oder Korallenbestände bei erhöhten Temperaturen fast ausgerottet wurden. Als weiteren Effekt der Erwärmung weisen die Autoren auf Verschiebungen in den typischen Wanderrouten der Tiere durch Klimaerwärmung hin. Schließlich argumentieren sie noch dafür, dass bei höheren Temperaturen durch höhere Infektionszahlen (aktivere Überträger) auch die Zahl an Wirten steigen kann, die Immunitäten gegen die übertragenen Krankheiten entwickeln.

Andy Dobson [5] beschäftigt sich mit den Aspekten der Verschiebung des Ausbreitungsgebietes. Er ist auch der Ansicht, dass die Bevölkerungsdichte bei Lafferty nicht berücksichtigt wurde, und erläutert auch dass das Verschwinden einer Krankheit z.B. zu negativen sozioökonomischen Verschiebungen führen könnte (Landwirtschaft auf ärmeren Böden wird aufgrund höhere Bevölkerungszahlen notwendig).
Im folgenden befasst er sich dann mit der Immunität des Parasit gegen Impfstoffen, und schlägt vor, dass die Modellierung der Ausbreitung auch dringend die Immunität gekoppelt untersuchen sollte, um bessere Vorhersagen liefern zu können. Schließlich weist er darauf hin, dass in den arktischen Gebieten bereits quantifizierbare Verschiebungen stattfinden, an denen man den Klimaeinfluss untersuchen könne.

Der letzte Beitrag von Sarah Rudolph [6] hat mich enttäuscht, startet er doch mit unangemessen diffusen Vorwürfen, dass man ja bisher dem Alarmismus unterlegen sei und dass Modelle überhaupt nicht funktionierten. Angesichts der vorsichtigen und ausgewogenen Darstellungen von Lafferty und den anderen Autoren passt das nicht ins Bild. Schon garstig finde ich Sätze wie “Another perspective commonly overlooked is the intrinsic nature of predictions about the future; they are un-testable and therefore, by definition, nonscientific”. Das ist schon ein dicker Hund, dann könnten wir ja die Wissenschaft künftig auf Archäologie beschränken?!
Ihre Schlussbemerkung ist dagegen richtig gut, nämlich dass es großer interdisziplinärer Anstrengungen benötige, um das komplexe, gekoppelte System zusammenzubringen, und schlägt vor, diese Untersuchungen auf GIS zu basieren.

Am Ende antwortet Kevin Lafferty noch einmal auf die Beiträge [7]. Er fasst noch einmal alle Punkte zusammen und ruft zur interdisziplinären Zusammenarbeit auf, natürlich auf Basis der Ökologie.

Ich habe versucht, die Paper zum Thema “Wie wirkt sich die Klimaerwärmung auf die Ausbreitung tropischer Krankheiten” zusammenzufassen. Ich konnte nicht alle Aspekte aufführen, aber ich hoffe wenigstens schlagwortartig gezeigt zu haben, wie komplex das Thema ist, aber auch dass man sich damit befasst. Ich stimme aber auch mit Kenneth Wilson überein (der die Einleitung zum Forum verfasst hat), wenn er feststellt dass in vielen Punkten Einmütigkeit herrscht, nämlich dass die Erderwärmung das Auftreten von Krankheiten beeinflussen wird und dass das Klimasignal von vielen weiteren Faktoren überlagert wird und daher nicht einfach herauszufiltern ist.
Das Schlusswort aus dem Beitrag von Ostfeld ist so gut, dass es auch diesen Post schließen soll:
“Good science demands that skepticism be applied equally to evidence for and against climatic effects on disease.”

Referenzen:
[1] Kevin D. Lafferty (2009) The ecology of climate change and infectious diseases. Ecology: Vol. 90, No. 4, pp. 888-900. doi: 10.1890/08-0079.1
[2] Richard S. Ostfeld (2009) Climate change and the distribution and intensity of infectious diseases. Ecology: Vol. 90, No. 4, pp. 903-905. doi: 10.1890/08-0659.1
[3] Mercedes Pascual, Menno J. Bouma (2009) Do rising temperatures matter. Ecology: Vol. 90, No. 4, pp. 906-912. doi: 10.1890/08-0730.1
[4] Drew Harvell, Sonia Altizer, Isabella M. Cattadori, Laura Harrington, Ernesto Weil (2009) Climate change and wildlife diseases: When does the host matter the most?. Ecology: Vol. 90, No. 4, pp. 912-920. doi: 10.1890/08-0616.1
[5] Andy Dobson (2009) Climate variability, global change, immunity, and the dynamics of infectious diseases. Ecology: Vol. 90, No. 4, pp. 920-927. doi: 10.1890/08-0736.1
[6] Sarah E. Randolph (2009) Perspectives on climate change impacts on infectious diseases. Ecology: Vol. 90, No. 4, pp. 927-931. doi: 10.1890/08-0506.1
[7] Kevin D. Lafferty (2009) Calling for an ecological approach to studying climate change and infectious diseases. Ecology: Vol. 90, No. 4, pp. 932-933. doi: 10.1890/08-1767.1