Der Versuch, entstellten Menschen ihr Aussehen wiederzugeben ist nicht neu. Bereits die alten Ägypter nahmen „Schönheitsoperationen” vor. Aber erst zur Zeit der Renaissance ebnete der italienische Arzt Gaspare Tagliacozzi der plastischen Chirurgie den Weg in Europa.

Schönheitsoperationen eine Erfindung unserer Zeit? Weit gefehlt: Die plastische Chirurgie gehört quasi zu den ältesten medizinischen Fachgebieten. Der Begriff wird aus dem griechischen Wort plastikos abgeleitet und bedeutet so viel wie wiederherstellen, formen; und genau dazu diente sie in der damaligen Zeit auch. Sprich, sie erfolgte weniger aus rein ästhetischen Gesichtspunkten, sondern galt tatsächlich der Wiederherstellung bzw. Beseitigung kriegs- oder krankheitsbedingter Verstümmelungen. Und war damit sozusagen eher praktischer Natur.

Schon 1350 v.Chr. wurden in Ägypten offenbar Operationen dieser Art vorgenommen. Wissenschaftler fanden beispielsweise eine Mumie aus der Zeit der 18. Dynastie, der bereits zu ihren Lebzeiten die Ohren wieder angenäht worden sind. Ebenso gibt es Aufzeichnungen über die Rekonstruktion deformierter Nasen.
Der indische Arzt und Gelehrte Sushruta (ca. 600 v.Chr.) beschrieb beispielsweise solche Nasenrekonstruktionen in seiner Sushruta-Samhita. Bei dieser sogenannten „indischen Methode” wurde der Hautlappen für die Rekonstruktion erst der Wange, später der Stirn entnommen. Ein unangenehmer Nebeneffekt waren dabei allerdings hässliche Narben im Gesicht. Auch die Korrektur von Hasenscharten oder Gaumenspalten war bekannt. Operationsverfahren wurden zum Beispiel von Celsus (ca. 25 v.Chr.) und Galen (ca. 129 n.Chr.) beschrieben.

Die Renaissance der plastischen Chirurgie

Im Mittelalter wurde die wiederherstellende Chirurgie kaum angewendet, erst in der Renaissance erlebte sie sozusagen eine Wiedergeburt bzw. einen Aufschwung. Die damals weitverbreitete Syphilis führte häufig zu Gaumendefekten (syphilitischen Gaumenspalten) oder einer Zerstörung der Nase. Angeblich trug vor allem der Kampf gegen die, durch die Krankheit hervorgerufenen sichtbaren Entstellungen, wesentlich zur Entwicklung der plastischen Chirurgie bei. Als geschickter Operateur von Lippen- oder Gaumenspalten galt beispielsweise Pierre Franco, ein französischer Chirurg dieser Zeit.

Etwa 1430 entwickelten die Sizilianer Branca der Ältere und sein Sohn Antonio Branca ein neues Verfahren zur Rekonstruktion der Nase. Dabei wurde der für die neue Nase benötigte Hautlappen nicht mehr der Stirn entnommen, sondern aus dem Oberarmlappen. Dieses Verfahren wurde später von Gaspare Tagliacozzi aufgegriffen und weiterentwickelt und ist auch als „italienische Methode” oder „Lappenplastik” bekannt. Ersetzt werden konnte damals aber lediglich der vordere (weiche) Teil der Nase; Knochenrekonstruktionen waren noch nicht möglich.

Die Rekonstruktion als Psychotherapie
Der 1545 in Bologna geborene Gaspare Tagliacozzi gilt als Wegbereiter der plastischen Chirurgie in Europa. Er betonte erstmals, wie wichtig die Beseitigung einer sichtbaren Entstellung für das psychische Wohlbefinden eines Menschen ist:

„Wir rekonstruieren und ergänzen Teile, die zwar die Natur gegeben, aber das Schicksal wieder zerstört hat, nicht so sehr zur Freude des Auges, sondern um die Betroffenen psychisch aufzurichten.”

In seinem zweibändigen Werk „De curtorum chirurgia per insitionem” von 1597 widmet er sechs Kapitel dem Gesicht. Spezielle Berücksichtigung findet dabei die Nase und ihre Bedeutung für die Schönheit und Würde des Menschen. Folglich plädiert er auch für deren Wiederherstellung, sollte sie -auf welche Weise auch immer- entstellt worden sein. In einer Zeit, wo das Naseabschneiden eine beliebte Art der Bestrafung darstellte und die weit verbreitete Syphilis bei so manchem Zeitgenossen eine deformierte Nase hinterließ, konnten solche Ansichten auf keinen Fall schaden.

Leiden für die „Schönheit”
Die Prozedur der Nasenrekonstruktion war nicht nur relativ langwierig und schmerzvoll, sondern für den Patienten auch sehr unbequem. Um die Durchblutung des Hautlappens zu gewährleisten, der für die neue Nase nötig war, wurde der Arm an der Nase fixiert, bis der Lappen im Gesicht angewachsen war. Während dieser Zeit trug der Patient eine Konstruktion aus Schienen und Bandagen, die den Arm in die gewünschte Position brachten und dafür sorgten, dass er mit dem Gesicht verbunden blieb.

Trotz dieser ganzen „Unannehmlichkeiten” sind die Patienten dankbar für die Wiederherstellung ihres Aussehens.

Der italienische Historiker Camillo Porzio (1526 bis 1580), der sich -aus welchen Gründen auch immer- einer Nasenrekonstruktion unterzog schrieb im Juli 1561 an den Kardinal Seripando:

„In den vorherigen Tagen erhielt ich von Euch […] einen Brief, dem ich nicht unmittelbar Antwort geben konnte, da ich mich im Bett befand. Dieser Euer Brief war für mich ein endloser Trost und half mir dabei zu gesunden, während der letzten Vervollständigungsphase meiner Nase, die ich dank Gottes Erbarmen fast in der Form wieder erhalten habe wie die erste war, ja sie ist meiner ursprünglichen so ähnlich, daß diejenigen, die davon nichts wissen, es nur schwer erkennen werden: wahr ist es, daß ich große qualvolle Schmerzen durchlitten habe, da es nötig war mir vom linken Arm das Fleisch in doppelter Größe des Nasendefekts herauszuschneiden; dann wurde dieses während eines Monats behandelt, bis es an die Nase angenäht wurde. 15 Tage blieb dann der Arm an die Nase fixiert. Dieses ist ein Werk, das die Antiken nicht kennen, aber es ist so exzellent und wundervoll, daß es eine Schande ist, daß in dieser unserer Zeit nicht darüber geschrieben wird und daß es den Chirurgen nicht beigebracht wird. Nur ein Mann besitzt heute diese Kunst […], und von ihm muß man sagen, daß er dasselbe wie die Natur kann.”

In abgewandelter Form wird die „italienische Methode” im Übrigen noch heute zur Abdeckung von Weichteildefekten durchgeführt.

Quellen:

  • Buck, A.H.: The Growth of Medicine from the Earliest Times to about 1800. Adamant Media Corporation, 2000
  • Gadebusch Bondio, M.: Medizinische Ästhetik: Kosmetik und plastische Chirurgie zwischen Antike und früher Neuzeit. Fink, München 2005
  • Gerabek, W.: Enzyklopädie Medizingeschichte. Gruyter, Berlin 2004
  • Krukemeyer, M. & Spiegel, H.U.: Chirurgische Forschung. Thieme, Stuttgart 2006
  • Vallant, Ch.: Hybride, Klone und Chimären: Zur Transzendierung der Körper-, Art- und Gattungsgrenzen. Königshausen & Neumann, Würzburg 2007
  • Behrbohm, H. & Tardy, M.E.: Funktionell-ästhetische Chirurgie der Nase. Endo-Press, Tuttlingen 2006

Kommentare (3)

  1. #1 Geoman
    Oktober 6, 2010

    Wiedereinmal ein schöner und informativer Artikel von Ihnen Frau Vorwerk-Gundermann!

    Bedeutungsvoll scheint mir zu sein, dass die Patienten trotz der ganzen „Unannehmlichkeiten” dankbar für die Wiederherstellung ihres Aussehens sind.

    Wer heute mit seinem Aussehen nicht zufrieden ist, geht entweder zum Psychiater oder zum Schönheitsoperateur.

    Letzterer scheint mir für die seriöseren und nachhalterigeren Lösungen zu sorgen.

  2. #2 Liane Vorwerk-Gundermann
    Oktober 6, 2010

    @Geoman

    Herzlichen Dank! Und: Sie haben recht, es ist wirklich erstaunlich, welche Schmerzen die Menschen damals auf sich genommen haben. Aber offenbar war die sichtbare Entstellung für sie qualvoller als die Schmerzen, die eine Operation mit sich brachte. Die Einstellung und der Hinweis von Gaspare Tagliacozzi, dass die Beseitigung einer sichtbaren Entsellung für das psychische Wohlbefinden sehr wichtig ist, ist wirklich absolut richtig.

  3. #3 Christian
    Oktober 8, 2010

    Das Thema Schmerzen ist ein guter Punkt. Wenn es heute noch Schönheits-OPs mit nur wenig Betäubung gäbe, würden sich sicher viele Teenager (vor allem in Amerika) einmal mehr überlegen, sich die Brust vergrößern zu lassen. Wahrscheinlich würden sie einmal genauer in sich hineinhören, ob es die Schmerzen wirklich Wert sind, einem Ideal aus den Medien hinterherzulaufen. Diese jungen Mädchen haben meiner Ansicht nach überhaupt kein realistisches Bild von sich selbst und ihrer Umwelt. Außerdem wird in den Medien permanent gezeigt wie irgendwelche möchtegern Stars so häufig zum Schönheitschirurgen gehen, wie andere in den Supermarkt. Hier führt eins zum anderen und leider lässt es sich durch nichts aufhalten. Da kann man nur hoffen, dass man seinen eigenen Kindern später mal diese Idee ausreden kann.