Vom Sparen ist viel die Rede, Sparpakete werden geschnürt, Sparzwänge müssen beachtet werden, Sparmaßnahmen überall. Würde jemand, der – sagen wir – fünfzig Jahre lang keine Zeitung gelesen hat, verstehen, wovon da die Rede ist?

Auf dem Küchentuch meiner Oma war ein Spruch eingestickt: “Spare in der Zeit, dann hast du in der Not”. So, wie das Wort “sparen” heute verwendet wird, passt es kaum in diesen alten Satz. “Prasse in der Zeit, und spare in der Not”, das stand wahrscheinlich seit den 1970er Jahren in der Politik-Lehrbüchern der neuen Generation. Und so denken die Politiker auch, ob im Bund, im Land oder in den Städten.

Sparen, das hieß früher, nicht alles auszugeben, was man erarbeitet hat. Sparen setzte früher voraus, dass man Einnahmen hatte, die man dann nicht komplett ausgab, um sie für “schlechte Zeiten” zurückzulegen – eben “aufzusparen”. So hatte man auch dann, wenn die Einnahmen ausblieben, noch für einige Zeit genug Geld, Getreide oder Wein, um sein Leben zu fristen.

Seit den 1970er Jahren lebt unsere Gesellschaft jedoch auf Pump. Die Idee, nur das auszugeben, was man zuvor eingenommen hatte, wurde als Zeichen von verstaubter altmodischer Ängstlichkeit gedeutet. Das betrifft nicht nur den Staat, sondern auch die Bürger und Unternehmer. Ihre Hochzeit in der Wirtschaft erlebte diese Mentalität vor ca. 10 Jahren unter dem Kosenamen “New Economy”. Seit dem haben sich zumindest die Unternehmer, die schon lange keine Kapitalisten mehr waren, weil sie schlicht kein (Eigen-)Kapital besaßen, schmerzhaft von diesem Missverständnis über das Sparen erholt.

Zu spät, wahrscheinlich, denn zum Sparen in der Zeit können auch sie kaum zurückkehren, ebensowenig wie die Bürger – denn der Staat nimmt ihnen all das weg, was übrig bleibt, was sie sparen könnten, und nennt wie zum Hohn genau das: Sparen.

Sparpakete, die der Staat nicht “packt” wie man früher Pakete packte um anderen eine Freude zu machen, sondern die er “schnürt” weil sie vor allem Papier enthalten – Gesetze und Verordnungen – diese Sparpakete enthalten vor allem Zwangsmaßnahmen um Bürgern und Unternehmen alles gesparte im Interesse des Gemeinwohls abzunehmen. Die Stadt bezeichnet es als “Sparen” wenn sie Parkgebühren, Müllgebühren und Gewerbesteuern erhöht, und der Bund “spart” indem er eine LKW-Maut erhebt.

In Krisenzeiten kann man nicht sparen, da kann man nur kürzen, den Gürtel enger schnallen. Da gibt es eben mal keine tollen Geschenke auf Pump, da muss geflickt werden und nicht neu gebaut.

Sparen, das ist etwas für die guten Zeiten, wenn die Gewinne und die Steuern sprudeln und fließen. Dann kann man Geld beiseite legen, alle Schulden abbezahlen – damit man die nächste Krise besser übersteht.

Kommentare (28)

  1. #1 Logiker
    Juli 6, 2010

    Ich dachte, dies wäre ein wissenschaftlicher Blog und kein c+p-Platz für Bild-Polemik.

    6, setzen

  2. #2 Jörg Friedrich
    Juli 6, 2010

    @Logiker: Ich habe keine präzise Vorstellung von Bild-Polemik, aber falls es in der Bild des öfteren um den Bedeutungswandel von Begriffen geht, werde ich mir die Zeitung nun öfter mal ansehen.

  3. #3 Arnd
    Juli 6, 2010

    Jeder Wissenschafts-Blogger darf neben wissenschaftlichen Themen auch über alles andere berichten was er möchte. Das machen die anderen Blogger auch dauernd und ich finde es auch nicht schlimm. Du musst das ja nicht lesen.

    Das Problem mit dem Sparen ist, dass es unpopulär ist. Eine Demokratie bringt aber nun mal nur die populärsten Politiker an die Macht. Das ist ein inhärentes Problem unserer Gesellschaftsordnung. Da das Sparen bei den Deutschen aber einen höheren Stellenwert hat als bei vielen anderen Nationen, ist das Problem bei uns etwas weniger schlimm als bei vielen anderen.

    Die ideale Regierung wäre ein gütiger, weiser und gerechter Alleinherrscher. Problem ist: Wie stellt man sowas sicher? Da das wohl nicht funktioniert haben wir halt eine Demokratie. Ich hoffe irgendwann fällt jemand was besseres ein; ich weiß leider auch nicht was.

  4. #4 Andrea
    Juli 6, 2010

    Leider wieder ein Beispiel für jemanden, der den Unterschied zwischen BWL und VWL nicht verstanden hat.

    Grundsätzlich ist klar, man kann nicht ständig Schulden machen und hoffen, die würden von allein irgendwie verschwinden.
    Aber jetzt den Gürtel enger schnallen – sowas funktioniert für eine Person, eine Familie, vielleicht noch eine Firma. Aber volkswirtschaftlich wild kürzen – das bringt uns genau das, was wir 1929 schon mal hatten, da lief das genauso. Man lerne bitte aus der Geschichte!

  5. #5 Jörg Friedrich
    Juli 6, 2010

    @Andrea: Sind die VWL-Experten diejenigen die immer noch glauben, man könnte Probleme lösen indem man unseren Kindern weitere Kredite überlässt? Aus der Geschichte lernen heißt für mich zunächst, aus der jüngeren Geschichte zu lernen. Wir sind heute sehr weit weg von der Situation der 1920er Jahre, sowohl in Hinblick auf politische Stabilität als auch bezüglich wirtschaftlicher Strukturen und Verflechtungen. Aus der Vergangenheit lernen heißt auch, Unterschiede erkennen.

    Und wenn es einem grundsätzlich klar ist, dass man nicht ständig neue Schulden machen kann, man gleichzeitig aber wirkliches Kürzen von Ausgaben ablehnt, was bleibt dann übrig? Fatalismus?

  6. #6 Franz
    Juli 6, 2010

    Ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung von VWL und BWL habe und die Matrie nur oberflächig betrachten kann, aber ist es nicht so, dass in einer Krisenzeit nicht gespart werden soll, sondern vom Staat gefördert. Natürlich macht man damit Schulden, aber um aus einer Krise zu kommen muss man Geld in die Wirtschaft investieren und Unternehmen vor der Pleite reiten. In den “rosigen” Zeiten dagegen muss gespart werden und die Förderungen wieder zurückgeholt werden. So würde ich das als Laie verstehen/machen. Sehe ich das falsch?

  7. #7 Jörg Friedrich
    Juli 6, 2010

    @Franz: Sie sehen das ganz und gar nicht falsch. Allerdings kann man eben nur das in schlechten Zeiten investieren, was man zuvor zurückgelegt (eben gespart) hat. Unsere Politik verfährt jedoch seit Jahrzehnten anders: In guten Zeiten werden Kredite aufgenommen, die man von den Einnahmen gerade so bedienen kann. Und in schlechten Zeiten werden dann noch mehr Kredite aufgenommen, um die Kredite aus den guten Zeiten zu bedienen und das Geschenke-Machen nicht einstellen zu müssen. Das führt zu einem Teufelskreis, in dem die guten Zeiten immer kürzer werden. Dann werden eben auch in schlechten Zeiten die Steuern und Abgaben erhöht – und das heißt dann plötzlich “sparen”.

  8. #8 roel
    Juli 6, 2010

    @Andrea “Aber jetzt den Gürtel enger schnallen…” Das Problem ist, wenn wir permanent neue Schulden anhäufen, gibt es nie den richtigen Zeitpunkt damit aufzuhören. Es wird immer gute Gründe geben gerade jetzt den Gürtel nicht enger schallen zu dürfen. Kreditzinsen in Höhe von 43.902 Mio Euro = ca. 14,5% des Bundeshaushaltes 2009 müssen erst einmal bezahlt werden. 2008 war die Bundesschuld 960.000 Mio € und der Bundeshaushalt mit 283.200 Mio Euro nicht einmal 1/3 von diese Verschuldung. Wenn wir nicht jetzt den Gürtel enger schnallen wann dann? Jetzt ist der Druck da und das Verständnis für gerechte Sparmaßnahmen auch.

  9. #9 S.S.T.
    Juli 6, 2010

    @Franz, @J.F.

    Sobald mal irgendwo ein ct zuviel herumliegt, ist die Liste der Ausgabewilligen lang. Ich erinnere an die Versteigerung der UMTS-Linzenzen im Jahr 2000: Trotz des gewaltigen Schuldenberges standen die Leute mit ebenso gewaltigen Geldwünschen Schlange.

    Vor ein paar Tagen kam diese Nachricht aus Schleswig-Holstein: ‘Wir geben jedes Jahr 900 Mio. für unsere Schulden aus. Was könnte man nicht alles mit diesem Geld machen, wenn wir keine Schulden hätten.’ Auch dürften derartige Gelder nur in geringem Maß sinnvollen Investitionen zufließen, das Gros wird wieder neu in Schuldverschreibungen, Aktien u.s.w. und in ein wenig Spekulatius angelegt.

    @roel
    Es wird niemals den richtigen Zeitpunkt zu sparen geben: Steckt man in der Krise, muss investiert werden, geht es aufwärts, dann darf das zarte Pflänzchen nicht abgewürgt werden, brummt der Motor, ist es Zeit Wohtaten zu verteilen.

    ‘Spare in der Not, dann hast Du Zeit dazu.’

  10. #10 beka
    Juli 6, 2010

    Wenn ich mich richtig erinnere, war 1969 unter Finanzminister Franz-Josef Strauß das einzige Jahr mit einem ausgeglichenen Haushalt. Ansonsten ist die Neuverschuldung immer gewachsen.

    Wenn man sich die Grafik 1 beim Bund der Steuerzahler https://www.steuerzahler.de/Verschuldung/7688c8973i1p477/index.html ansieht, dann sieht das nach einer Katastrophe mit langer Ansage aus.

    Schneeballsysteme kollabieren von jetzt auf nachher.

  11. #11 roel
    Juli 6, 2010

    @S.S.T Ich habe gesagt: “Das Problem ist, wenn wir permanent neue Schulden anhäufen, gibt es nie den richtigen Zeitpunkt damit aufzuhören.” Das heißt wir müssen endlich aufhören Schulden zu machen und anfangen diese Schulden zu tilgen. Wir haben schon jetzt einen so hohen Berg Schulden, dessen Zinsen wir mit 14,5% vom Bundeshaushalt bezahlen müssen. Natürlich muß in der Kriese investiert werden, aber nicht auf Kosten einer höheren Verschuldung. Hier muß genau abgewägt werden welche Investitionen sind nötig und welche nicht. Und es ist längst überfällig Bankentransaktionen angemessen zu besteuern.

  12. #12 Ockham
    Juli 6, 2010

    Es ist natürlich auch die Frage nach der Reife des “Souveräns”. Wer in demokratischer Weise mitbestimmen will, der muß auch den Mut haben das Kreuzchen an anderer als der gewohnten Stelle zu machen. In Zeiten wie diesen, braucht man als Wähler sogar die Nerven winzige Splitterparteien zu wählen, um den sogenannten Volksparteien das Ausgeben geliehenen Geldes zu erschweren. Die Menschen in Deutschland müssen sich dringend vom Nachkriegsdeutschland emanzipieren, doch warum glaube ich nicht daran, daß dies VOR einer Katastrophe geschehen könnte?!

    Auf der anderen Seite, sind die Probleme ganz ähnlicher Natur, egal wohin immer man schaut. Ich darf in aller Bescheidenheit sagen, daß ich recht gut herumgekommen bin in der Welt, der einzige Unterschied zwischen Staaten Europas/USAs und anderen Ländern, ist das Maß an Realismus der Bevölkerungen. Der Mensch westlicher Industrienationen hat lange den Existenzdruck, der in anderen Ländern an der Tagesordnung ist, nicht gespürt. Man lebt in Illusionsblasen und tröstet sich mit dem bischen Konsum, daß eben noch geht. Ausgerechnet dort, wo man nach neuen Ideen suchen würde, zum Beispiel in den Instituten, Universitäten und der Wissenschaft im Allgemeinen, hat sich eine Parallelwelt entwickelt, die mitunter nicht weiter von der Realität “auf der Straße” nicht entfernt sein könnte.

    So wird man denn wohl frohen Mutes an die Wand fahren, mal sehen was danach kommt…

  13. #13 S.S.T.
    Juli 6, 2010

    @roel
    Mein Beitrag war sarkastisch gemeint und sollte eigentlich meine volle Zustimmung ausdrücken. Na ja, jeder Versuch auf Smileys zu verzichten, ist aus gutem Grund zum Scheitern verurteilt. Soll mir eine Lehre sein.

  14. #14 Webbaer
    Juli 7, 2010

    In der Tat wird seit Jahrzehnten mit merkwürdigen Formulierungen desinformiert, wobei die Standardmedien gerne mitmachen und den Politikern zur Hand gehen.

    So werden staatlicherseits “Rettungs-” und “Sparpakete” geschnürt und keiner lacht über diesen Unsinn – werden staatliche Ausgaben massiv erhöht, dann wird “gerettet”, werden die Ausgaben gesenkt, dann wird “gespart”.

    Allerdings ist das bundesdeutsche Personal gerade in Fragen der Wirtschaft oft dermaßen ungünstig [1] aufgestellt, dass es auf die oben beschriebene Art und Weise sprachlich bestens versorgt wird. Der Deutsche ist i.p. Wirtschaft dumm. [2]

    Schöner Blogeintrag!

    MFG
    Wb

    [1] Einige Kommentatoren dieser Inhaltseinheit wirken dankenswerterweise auf das beste belegend. [i]
    [i] BTW, wen es interessiert, die jetzige Krise wurde durch die sozialstaatliche Maßnahme “Community Reinvestment Act” angestossen und auch die EURO-Krise ist ein Eigentor, da das Währungssystem nicht skaliert.
    [2] Alle Pauschalisierungen sind falsch und dumm.

  15. #15 michael
    Juli 7, 2010

    > Seit den 1970er Jahren lebt unsere Gesellschaft jedoch auf Pump.

    In der Tat begann die Staatsverschuldung schon bei der Gründung der BRD mit 10 Mrd, stieg dann bis 1970 auf 60 Mrd usw. . Die Zahlen kann man ja im Internet leicht finden. (z.B beim Bund deutscher Steuerzahler)

    Das folgende ist ein netter Bericht von einer früheren Sparrunde (1967) in der Brd:
    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46225029.html

  16. #16 Ockham
    Juli 7, 2010

    @ Webbear
    Es ist höchste Zeit, daß das Personal der BRD kündigt. Danach wäre es Zeit für eine Feststellungsklage, nämlich ob an Gerüchten, die “pöhse Verschwörungstheoretiker” zum Thema “Staatsschulden und wie sie in die Welt kamen” verbreiten möglicherweise doch etwas dran ist. Sollte es sich herausstellen, daß es massive Interessenskonflikte zwischen Kreditnehmern und -gebern gab, dann würde sich die Landschaft recht plötzlich ändern. Desweiteren wäre es interessant festzustellen, ob Banken, die in Frankfurt ansässigen 25000 Euro GmbHs Milliardenkredite zu Wucherzinsen gewähren, nicht gegen die Regeln des Kreditwesens in der BRD verstoßen und diese Schulden somit hinfällig wären.

  17. #17 roel
    Juli 7, 2010

    @S.S.T. Sorry, da stand ich wohl auf der Leitung.

  18. #18 S.S.T.
    Juli 7, 2010

    Wenn man wirklich sparen will und die Schulden loswerden will, geht das:

    Eine 1997 am Rathaus der Stadt Langenfeld angebrachte „Schuldenuhr“ mit den damals aktuellen Schuldenständen Langenfelds, des Landes Nordrhein-Westfalen wie des Bundes, wurde Ende 2008 demontiert und nach Grevenbroich weitergegeben. In Langenfeld habe sie ihren Zweck erfüllt, so die Aussage des damaligen Bürgermeisters Magnus Staehler, denn seit dem 3. Oktober 2008 sei die Stadt nun schuldenfrei. Um dieses hohe Ziel zu erreichen, konnte die Stadt übrigens unter erheblichen finanziellen Anstrengungen bereits in den Jahren 1997–2002 ihre Schulden halbieren.[13] Unter dem Motto Goldene Zeiten wurde dann am ersten Oktoberwochenende die Schuldenfreiheit und damit der für die Stadt wieder gewonnene Gestaltungsfreiraum mit einem großen Fest für die Bürger gefeiert.[14] Düsseldorf ist – neben Dresden als einzige Großstadt – bereits seit dem 12. September 2007 schuldenfrei, hat dafür allerdings ebenso wie Dresden städtische Beteiligungen, das sogenannte „Tafelsilber“, verkaufen müssen.

    (Wiki, Langenfeld)
    Ist aber mühsam, unbequem und nicht selten unpopulär.

    @roel, mein Fehler, denn der Unterschied zwischen Ironie und Bullshit ist nicht immer gleich erkennbar.

  19. #19 Andrea
    Juli 7, 2010

    1. Ja, die Schulden müssen weg, es ist abzusehen, dass es immer schlimmer wird. Warum? Das liegt am Prinzip des Schuldenmachens und den zugehörigen Zinsen, Stichwort Debitismus, falls jemand sich mehr damit beschäftigen möchte.

    2. Interessant ist ja, dass zu den vielen Schulden, die Deutschland hat, auch unglaublich hohe Vermögen auf der anderen Seite bestehen, die eben grade dadurch entstanden sind, dass Kredite aufgenommen wurden und ständig Zinsen gezahlt wurden.

    Ich persönlich finde, dass die die Schulden abbezahlen sollten, die bisher von ihnen profitiert haben und wo dabei nicht die Wirtschaft einbricht, weil die Nachfrage weggespart wurde: die Reichen und Superreichen.

    Man hört nicht umsonst alle Jahre wieder, dass das privatvermögen der Deutschen wieder gestiegen ist – aber natürlich nicht bei den Armen und Ottonormalverbraucher, im Gegenteil. Auch das jüngste Bankenrettungspaket, zu Lasten aller Steuerzahler, hat im Wesentlichen das Vermögen der Reichsten vergrößert.

    Ach ja, jetzt bin ich Sozialistin, was? 😉

  20. #20 Ockham
    Juli 7, 2010

    @ Andrea
    Sozialistin? Hab nichts davon gelesen, daß Sie etwas verstaatlichen wollten.

    Es ist doch so: das GG führt in Artikel 14, Absatz 2 noch immer die Formulierung “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.”

    Wenn dem so sein sollte, warum berechnen dann deutsche Privatbanken, in einer Haushalts- und Weltwirtschaftssituation wie wir sie gegenwärtig haben, mehr Zinsen, als sie ggf. selbst zahlen müssen, um das Geld bereitstellen zu können?

    Wie ist ein Kreditgeschäft zu beurteilen, bei dem das Geld, das sich eine Partei leiht, durch die Vergabe des Kredites in einem Akt namens “Bilanzverlängerung”, erst entsteht?

  21. #21 Jörg Friedrich
    Juli 7, 2010

    @Andrea: Könnten Sie bitte mal erklären, wie aus den Schulden Ihrer Meinung nach die Vermögen der Superreichen entstehen? Aber bitte nicht in allgemeinen Phrasen, sondern konkret, setzten Sie gern ein paar Grundkenntnisse in VWL und BWL voraus.

  22. #22 Flying Circus
    Juli 7, 2010

    Den Staat bitte nicht mit der klassischen “Schwäbischen Hausfrau” gleichsetzen. Es wurde bereits angesprochen, daß BWL und VWL zwei paar Schuhe sind.

    Herr Friedrich, die Kredite, die Sie ansprechen, die “unsere Kinder” zurückzahlen müssen – wer ist denn da der Gläubiger? Zu jedem Kredit muß es nicht nur einen Schuldner (den Staat), sondern auch mindestens einen Gläubiger geben – der Zinsen und Tilgung kassiert.

    Nach meinem letzten Kenntnisstand ist der Staat Deutschland größtenteils im Inland verschuldet.
    Mit anderen Worten: “unsere Kinder” kassieren auch die Zinsen und Tilgung, Herr Friedrich.
    Und wer kann es sich leisten, Geld zu verleihen? Zwingend nur der, der es überhaupt erstmal hat. Heißt, der, der hat, kassiert Zinsen. Womit wir bei den von Andrea genannten “Superreichen” wären, die im Moment mit Sicherheit gerne in solide Staatsanleihen investieren.

    Der Staat leiht sich Geld und macht damit Schulden. Wo leiht er sich das Geld? z.B. bei den Banken. Woher nehmen die das Geld? Von der Zentralbank. Zu Zinssätzen knapp über 0. Und verleihen es für eine schöne Rendite an den Staat. Und das Geld, das der Staat sich geliehen hat, investiert er z.B. – in die Bankenrettung. Hübsch, nicht?

    Um mal weg vom Wort des Sparens weg zu kommen – wenn man seine Zahlungsströme ausgleichen möchte, hat man zwei Mittel:

    1.) Ausgaben senken
    2.) Einnahmen erhöhen

    Der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer lag mal bei 52%. Die Unternehmenssteuern sind über die Jahre ständig gesenkt worden. Und so weiter, und so fort. Der Staat wird regelrecht erstickt. Gleichzeitig darf der Staat natürlich die Arbeitslosen bezahlen, darunter fallen auch die “Aufstocker”, so daß die Unternehmen billige Arbeitskräfte bekommen. Gleichzeitig wird selbstverständlich gebarmt, der Staat gäbe zu viel aus.

    Wie wäre es denn mit einer Kehrtwende? Keine Schaffung von Aufstocker- und Ein-Euro-Arbeitsplätzen mehr. Gleichzeitig eine gescheite soziale Absicherung, so daß der Druck schwindet, für Hungerlöhne arbeiten zu gehen. [1] Dann verschwänden Unternehmen, die mit Drückerlöhnen Kasse machen, vom Markt, aber Unternehmen, die verantwortlich kalkulieren und anständige Löhne zahlen, hätten wieder eine Chance – die sie aktuell gegenüber der Billigkonkurrenz nicht haben.
    Dann könnten die Arbeitenden wieder Steuern und Sozialabgaben zahlen, die Ausgaben für ALG II gingen stetig zurück …

    [1] Die aktuelle Gesetzeslage verpflichtet ALG II-Empfänger, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, zu Löhnen, die in keinem Verhältnis zur Qualifikation des Arbeitnehmers stehen. Das drückt notwendigerweise die Preise. Denn warum soll ein Unternehmer einem Bewerber mehr zahlen, als er “muß”?

  23. #23 AndreasM
    Juli 7, 2010

    “Sparen, das hieß früher, nicht alles auszugeben, was man erarbeitet hat. Sparen setzte früher voraus, dass man Einnahmen hatte, die man dann nicht komplett ausgab, um sie für “schlechte Zeiten” zurückzulegen – eben “aufzusparen”. So hatte man auch dann, wenn die Einnahmen ausblieben, noch für einige Zeit genug Geld, Getreide oder Wein, um sein Leben zu fristen.”

    Soweit ist das für Einzelpersonen richtig.

    Aber was bedeutet das, auf den Staat übertragen?
    Vorratslager einrichten? Nur sehr begrenzt sinnvoll.
    Resourcenlager nicht gleich komplett aufbrauchen? Sicher ein guter Ansatz.
    Aber sonst?
    Der Sinn ist ja, etwas jetzt nicht zu verbrauchen und dafür in der Zukunft etwas zu haben. Das erreicht man aber auch, wenn man jetzt ein regeneratives Kraftwerk baut. Dafür hat man jetzt weniger Energie für den sonstigen Verbrauch aber dafür zukünftig mehr.
    Auch Fabriken zu bauen kann etwas Ähnliches bewirken.
    Sinnvolle Investitionen aller Art, die nicht übermässig Resourcen verbrauchen entsprechen also unterm Strich privatwirtschaftlichem Sparen.
    Von der Substanz weg zu leben, weil man kein Geld mehr ausgibt, bewirkt aber als Volkswirtschaft genau das Gegenteil, denn man hat plötzlich auch in der Zukunft weniger.

    Denn Geld irgendwo auf einen Haufen zu legen bringt in der Zukunft absolut gar nichts, da der Zweck des Geldes die Verteilung der volkswirtschaftlichen Resourcen ist und die kann man nicht einfach durch Geldaufheben in die Zukunft verschieben.

  24. #24 rudimens
    Juli 7, 2010

    Diese Art des Staates zu sparen sollte “umverteilen” heißen.
    Die so genannte Bankenrettung und die EURO-Rettung retten das Geld der Menschen, die glauben, man könne aus Geld Geld machen, weil sie soviel davon haben. Billionäre bis subentionierte “Riestersparer”.
    Es gilt: “Zeit ist Geld.” Vergessen ist: “Geld ist Zeit.” Nur durch ständiges umtauschen von Zeit in Geld in Zeit in Geld in Zeit…. lassen sich Geldmarkt bedingte Desaster verhindern. Dass ich jetzt für die “Es gibt keinen Gott, außer Geld” -Menschen soviel von meiner Zeit geben soll, ist unverschämt.

    Zum Thema Staatsverschuldung: https://www.youtube.com/watch?v=UFkfKDawAFY

  25. #25 Stiesel
    Juli 7, 2010

    Das Problem liegt doch eher darin, dass es immer stärker versäumt wird, auf der Einnahmenseite das zu holen, was gebraucht wird, um einen Staat wie Deutschland zu “betreiben”.
    Ein bestimmtes Wohlstandsniveau muss halt durch ein gewisses Budget finanziert werden. Beispiel: Wenn wir alle in der Lage sein wollen, jeden Tag zu jeder Zeit alleine mit unserem eigenen Auto längs oder quer einmal durch die Republik zu donnern, dann muss man eine Verkehrsinfrastruktur bezahlen, die das leistet.
    Ein Gesundheitssystem, dass jedem innerhalb einer Woche einen Computertomographen bereit stellt, bezahlt sich nicht von selbst.
    Wir wollen die zunehmende Zahl alter Menschen weiterhin mit einer ihrem früheren Einkommen vergleichbaren Rente versorgen? Bitteschön, Rentenbeiträge rauf.
    Huch!!! Die Banken kollabieren, sie haben sich verzockt! Mist, die brauchen wir, schmeisst die Geldpresse an!

    Ausserdem machen wir ja auch noch sowas Verrücktes, wie unser (wichtiges) Gesundheitssystem einem privaten Wettbewerb preiszugeben. Ebenso Energieversorgung, Müllentsorgung und öffentlichen Personenverkehr. Das kann eine Volkswirtschaft eigentlich nicht wollen. Eine Gemeinschaft schon gar nicht. Und eine Solidargemeinschaft erst recht nicht.

    Es wurde schon mehrfach gesagt: Eine Volkswirtschaft ist kein Unternehmen. Es geht nicht darum, Umsatz und Profit zu optimieren und “Schulden” machen ist auch nicht per se schlimm. Vielmehr kommt es doch darauf an, wann und WOFÜR Schulden gemacht werden (man könnte sich auch überlegen, ob der Staat bei privatwirtschaftlichen Banken Schulden machen muss) und wie sie sich zukünftig auswirken.

    Huch, jetzt ist er ja doch da, der Sozialist 🙂

  26. #26 S.S.T.
    Juli 7, 2010

    Hatte nicht eigentlich auch die DDR ein wenig über ihre Verhältnisse gelebt? Und brauchte ganz dringend Knete vom Staatsfeind? So ganz ohne Privatbanken und Aktien-Unternehmen?

  27. #27 Ockham
    Juli 7, 2010

    Ausserdem machen wir ja auch noch sowas Verrücktes, wie unser (wichtiges) Gesundheitssystem einem privaten Wettbewerb preiszugeben. Ebenso Energieversorgung, Müllentsorgung und öffentlichen Personenverkehr. Das kann eine Volkswirtschaft eigentlich nicht wollen. Eine Gemeinschaft schon gar nicht. Und eine Solidargemeinschaft erst recht nicht.

    Es gibt ihn noch, den denkenden Deutschen! Bravo.

  28. #28 Andrea
    Juli 7, 2010

    @ Flying Circus & Stiesel: Danke für die Ausführungen, so war es gemeint.

    @SST: Auch die DDR hatte Schulden, klar. Gern wird vergessen, dass die DDR massiv Reparationen an die UdSSR nach dem 2. Weltkrieg zahlen musste und keine Aufbaukredite von irgendwoher bekam. Viele Infos hier: https://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?Pleite – die BRD wurde nach dem Krieg stark von den USA unterstützt (die nicht unter dem Krieg gelitten hatten), während der gesamte Osten Europas stark zerstört worden ist.

    Ich denke (bin ja keine Historikerin), das spielte alles mit rein, die Ausgangslage war einfach ungünstiger. Gleichzeitig musste man sich mit dem Westen messen und hat vergleichsweise gut gelebt in der DDR (das hat aber Geld gekostet). Ich war damals in Russland, es war dort alles noch maroder. Und ist es immernoch.