Der Internationale Strafgerichtshof steht angeblich mit Saif al-Islam Gaddafi, dem Sohn des getöteten libyschen Diktators, in Kontakt und handelt Bedingungen aus, unter welchen Bedingungen er sich dem Gericht stellen würde. Das wirft ein neues Licht auf eine seit einer Weile diskutierten These über kontraproduktive Anreize, die das Gericht schaffen könnte.

Es wurde in den letzten Monaten oft behauptet, dass der Internationale Strafgerichtshof die Quelle für mehr Gewalt und ein brutaleres Vorgehen von Diktatoren sein könnte. Die Logik dahinter ist, dass der Gerichtshof die Anreize für autoritäre Herrscher von der Macht abzulassen zusätzlich reduziert hätte. Da 1998 mit der Schaffung des Strafgerichtshofes das Risiko einer internationalen Verfolgung für diese plötzlich sehr viel grösser ist, könnten sie sich, so die Argumentation, noch mehr an ihre Macht klammern, da es für sie noch viel mehr zu verlieren gäbe. Zum Beispiel meinen viele, dass es seit dem Haftbefehl für den sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir, für ihn keinen Plan B mehr gibt.

Die Tatsache, dass der Chefankläger des ICC Luis Moreno-Ocampo nun in Verhandlungen mit einem potentiellen Angeklagten steht, könnte diese Argumentation auf den Kopf stellen. Nach dem schrecklichen auf Video festgehaltenen Ende seines Vaters, kann es für Saif al-Islam eine interessante Option sein, sich in Den Haag dem Gericht zu stellen. Vor allem wenn dieses ihm nach dem Verbüssen einer allfälligen Strafe oder einem Freispruch die Ausreise in ein für ihn sicheres Land garantiert.

Persönlich hatte ich immer gewisse Zweifel betreffend dem negativen Effekt des ICC. Eine allfällige Anklage mag ein Aspekt in den Überlegungen eines Diktators sein ich glaube aber, dass diese meist die Entscheidung kaum beeinflussen wird, zumindest nicht, wenn noch keine Anklage erfolgte (Bashir und Gaddafi wären somit etwas anders gelegene Fälle). Es gibt immer noch Möglichkeiten in befreundeten Staaten unterzutauchen (wie zum Beispiel Ben Ali, auch Bashir hat noch viele Freunde im Ausland) oder gar im eigenen Land (wie zum Beispiel Mubarak, der sich dort aber vor Gericht verantworten muss). Ich kann mir hingegen vorstellen, dass die Verhandlungsoption durchaus interessant erscheint, wenn der autoritäre Herrscher tatsächlich mit dem Rücken zur Wand steht, aber nur dann. In einem solchen Fall kann eine Anklage vor dem ICC plötzlich zur attraktiven Option werden auch wenn ich befürchte, dass es für kleinere Fische reizvoller ist, als für die obersten Piranhas, da die Aussichten für ein “Leben danach” konkreter sind.

(The Monkey Cage hatte heute einen Eintrag zu genau diesem Thema)

Kommentare (8)

  1. #1 Juergen Schoenstein
    Oktober 30, 2011

    Interessanter Weise wird solch ein “No way out”-Argument gegen den ICC unter anderem auch von jenen Seiten (in den USA jedenfalls) vorgebracht, die sich andererseits fuer die Todesstrafe stark machen und dort dieses Argument vehement ablehnen, dass durch die zu erwartende strafrechtliche Konsequenz Taeter eher ermutigt werden, bis zum Auessersten zu gehen.

  2. #2 Jörg
    Oktober 30, 2011

    Na aber selbst wenn es ein Anreiz wäre, sich länger an die Macht zu klammern, ein Grund gegen ein Internationales Gericht wäre das doch immer noch nicht?

  3. #3 ali
    Oktober 30, 2011

    @Jörg

    Erstens kommt es darauf an, ob du pragmatisch argumentierst oder prinzipiell. Zweitens muss es ja nicht gleich gegen das Gericht per se sprechen aber eventuell seine Funktionsweise (man könnte es z.B. noch zusätzlich politisieren, was natürlich wiederum andere Nachteile hätte).

  4. #4 BreitSide
    Oktober 30, 2011

    xxx

  5. #5 Stefan W.
    Oktober 30, 2011

    Ist der heikle Punkt nicht die Sicherheit, mit der man von einem Zustand (autoritärer Machthaber am Rande des Zusammenbruchs) in den anderen wechselt (Gefangener der Rebellen/des Strafgerichtshofs/flüchtiger Diktator/untergetauchter)?

    Wie setzt sich denn ein Machthaber ab, der merkt, dass er am Ende ist, und ihm hier der Mob, da der Gerichtshof droht? Täuscht der einen Staatsbesuch in Holland vor, und ergibt sich dann überraschend? Oder tritt er vor die heimischen TV-Anstalten und sagt, dass er sich diesem jetzt stellen will und fragt nett, ob man ihn ausfliegt?

    Für den engsten Kreis an Vertrauten und Helfern geht es ja auch im kritischen Moment darum, sich selbst noch rechtzeitig, bevor es albern wirkt, als Kraft der Erneuerung zu präsentieren, und nicht als letzter Vasall, der am besten mit abgeschlachtet wird.

    Vielleicht kann man aber davon ausgehen, dass Machthaber, für die es eng wird, die Loyalität derer, die ihnen im letzten Moment helfen müssen sich zu stellen, noch ganz klassisch monetär erkaufen können.

  6. #6 KommentarAbo
    Oktober 31, 2011

  7. #7 BreitSide
    Oktober 31, 2011

    yyy

  8. #8 waterworld
    November 4, 2011

    Ich denke, dass das die einzige Option ist, sich einer wie auch immer gearteten Gerechtigkeit zu stellen. Was mit Teilen seiner Familie geschehen ist, die lebendig!!! gefasst wurden, hat so ziemlich jeder im TV oder I-Net gesehen. Man kann vom Gadhafi-Klan halten was man möchte, Saif sucht nur nen “sicheren Hafen”.
    Und auch von dieser so genannten Flugverbotszone, die zum Schutz von Zivlisten 1000e Zivilisten in roundabout 10.000 Lufteinsätzen töteten, kann man halten was man möchte. Vergleicht man die Opferzahlen von Jahrzehnten Gadhafi-Regime und 7 oder 8 Monaten “UN-Friedensmission” und setzt diese ins Verhältnis, dann ist wohl recht schnell klar, wo die wahren Verbrecher sitzen und vor wem sich Saif schützen möchte. Die Diskussion über den ICC wäre insofern gerechtfertigt, wenn es um Gerechtigkeit für jeden ginge – auch für den größten Schlächter. Alles andere ist Lobbyismus und Populismus in Reinkultur. Sorry, aber ich kann das nicht anders sehen.