Die Schweiz hat gestern wieder mal abgestimmt und ich bin wieder mal wütend. Ich bin es zwar gewohnt, ideologische Niederlagen einzustecken, aber von Zeit zu Zeit gibt es Abstimmungen, deren Resultat nur zeigt, dass gerade die direkte Demokratie den Rechtsstaat gefährden kann.

Über die so genannte Initiative für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern habe ich schon geschrieben. Nun hat die Schweizer Bevölkerung gestern beschlossen, dieser mit Rund 52% statt zu geben und einen entsprechenden Artikel in der Bundesverfassung zu verankern.

Schon die unpräzise Formulierung der Initiative demonstriert ihre emotionalen Wurzeln. Da ist von ‘vor der Pubertät’ und von ‘pornographischen Straftaten’ die Rede. So formulieren nicht Juristen, so formulieren Aktivisten.

Die Parallelen zur unsäglichen Initiative zur lebenslangen Verwahrung nicht therapierbarer und extrem gefährlicher Sexual- und Gewaltstraftäter, die die Schweizer vor ein paar Jahren ebenfalls angenommen hat, sind kaum zu übersehen. Eine kleine Gruppe setzt durch, dass Straftäter härter angefasst werden sollen um die Bevölkerung besser zu schützen.

abstimmungunverjahrbarkeit.png

Grafik: Bundesamt für Statistik (BFS), Website Statistik Schweiz, 30. November 2008 (zur Vergrösserung auf Bild klicken)

Das Problem liegt darin, dass es in einer solchen Abstimmung kaum möglich ist, einen sachlichen Ansatz zu kommunizieren. Es gibt Dinge, die nicht gesagt werden können. Dies ist so, weil die so oft angerufenen ‘Leute von der Strasse’ solche Argumente nicht nachvollziehen wollen. Man entscheidet lieber mit dem Bauch. Das ist einfacher. Leider zu einfach. Es ist nunmal so, dass der Rechtstaat nicht nur unbescholtene Bürger vor Kriminellen schützen soll, sondern Straftätern auch Rechte garantiert. Nur durch einen solchen ‘Täterschutz’ kann man staatliche Willkür verhindern. Wenn die Justizministerin das Abstimmungsresultat kommentiert mit “Offenbar haben juristische und sachliche Argumente nicht zu überzeugen vermögen”, dann wird impliziert, dass es noch andere akzeptable Argumente gibt. Dem ist nicht so. Wie soll eine Debatte ohne sachliche Argumente geführt werden? Ich kann solche Argumente aus einer persönlichen Erfahrung heraus unmöglich nachvollziehen, egal ob sie religiös oder emotional begründet sind. Aber welche Politikerin, welcher Politiker ist bereit hinzustehen und zu sagen, man müsse Täter schützen. In einer Demokratie müssen Minderheiten geschützt werden und seien es noch so unliebsame. Was niemand verstehen will ist, dass man dies tun muss nicht weil diese Personen sich inakzeptabel verhalten sonder trotz ihres Verhaltens.

Aus einer persönlichen Betroffenheit zu argumentieren kommt zwar gut an, ist aber nicht relevant. Ja, ich finde Sexualdelikte an Kindern ebenfalls abstossend. Ich heisse Mord und Totschlag nicht gut. Trotzdem haben diese Täter Rechte und Anspruch auf einen Schutz vor staatlicher Willkür und es ist völlig egal ob wir ‘das Volk’ (schauder) sie mögen oder nicht.

Unverjährbarkeit und lebenslange Verwahrung? Ein solch absolutes Rechtsverständnis ist abstossend und überheblich. Über die Ewigkeit können sich meinetwegen Theologen den Kopf zerbrechen, aber sie darf kein Massstab sein, um ein weltliches Urteil über Individuen zu fällen. Niemand soll für immer ‘verwahrt’ werden ohne Chance auf Besserung und niemand soll sich im Normalfall für immer für ein Vergehen verantworten müssen.

Es gibt das Konzept der Unverjährbarkeit für schwere Verbrechen wie Genozid oder Kriegsverbrechen. Ist Kindsmissbrauch denn mit Massenmord gleichzusetzen? Falls nicht, ist es schlimmer als Mord oder Folter? Ist es so viel schlimmer als ein Kind bewusstlos zu prügeln? Dies sind Fragen die wir nicht beantworten wollen, wohl aus Angst zu verharmlosen. Dieser Mangel an Proportionen wurzelt wohl auch in einer rational kaum zu rechtfertigende Besessenheit mit Sexualität und Delinquenz in diesem Zusammenhang. Diese sieht man deutlich in populären Medien und sie schwappt von dort in die politische Diskussion.

Profitieren tun am Ende jedoch diejenigen, die im Wissen des fehlenden rechtsstaatlichen Fundaments aus Populismus und Demagogie auf diesen Zug aufspringen. Diese können nicht verlieren. Werden diese Massnahmen später wegen internationaler Verpflichtungen nicht vollständig umgesetzt oder gar vom Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg für nicht zulässig deklariert, fängt das grosse Geschrei von der ‘internationalen Einmischung’ in nationale Angelegenheiten an. Natürlich hält dies niemanden in diesem Land davon ab, der ganzen Welt mit erhobenem Zeigefinger die Einhaltung von Menschen- und Minderheitenrechte zu predigen und sich ständig auf die humanitäre Tradition der Schweiz zu berufen. Diese Rechte sind offensichtlich immer nur die Rechte, die die anderen nicht einhalten.

Kommentare (25)

  1. #1 yam
    Dezember 1, 2008

    Well roared lion!
    Ich bin zwar weit davon entfernt, mich in die inneren Angelegenheiten der Schweiz einmischen zu wollen , da ich aus Deutschland komme.
    Doch ja auch hier ist eine schleichende Aushöhlung des Rechtstaates und der Prinzipien, auf denen dieser beruht zu verzeichnen. Leider auch, wie Du sagst betrieben von Zusammenschlüssen von Menschen, deren moralischen Vorstellungen (und Ängste) im einzelnen sicher zu bedenken sind und auch nachvollziehbar, allerdings eben werden die Auswirkungen solcher Forderungen im ganzen weniger bedacht, die Werte un Prinzipien, die hinter der Idee des Rechtstaates stehen, und die diese sicher auch unterschreiben könnten, somit ab absurdum geführt.
    🙁

  2. #2 Alex
    Dezember 1, 2008

    Wenn ich nicht irre, da besteht eine gewaltige Korrelation mit der Stimmenanteil der SVP…

  3. #3 Martin
    Dezember 1, 2008

    Der dritte Link ist kaputt.

  4. #4 ali
    Dezember 1, 2008

    @yam
    Hier darfst du dich gerne einmischen 🙂 !

    @Alex
    Was mich noch mehr erschreckt sind die die vielen Stimmen die über den SVP Wähleranteil hinaus gehen.

    @Martin
    Danke. Repariert.

  5. #5 Christian
    Dezember 1, 2008

    Man entscheidet lieber mit dem Bauch. Das ist einfacher. Leider zu einfach.

    Unterstellst Du den Befürwortern solcher Initiativen mit dieser Erklärung nicht aber indirekt eine gewisse Denkfaulheit? Das scheint mir dann aber doch etwas einfach zu sein, denn der prinzipielle Wunsch, Kinder als schwächste Mitglieder der Gesellschft vor allen möglichen Gefahren zu schützen, scheint mir doch ein Grundbaustein zivilisatorischen Zusammenlebens zu sein. Wie dieser Schutz rechtsstaatlich verträglich umgesetzt werden kann, darüber lässt sich ja streiten…

    Was “pornographische Straftaten” genau sein sollen, erschließt sich mir auch nicht so ganz. Ich hoffe, dass Gesetzt trifft am Ende nicht unbescholtene Internetuser, deren IP-Adressen aus unerfindlichen Gründen in irgendwelche Verdächtigenlisten geraten, wie das in der BRD leider schon ab und zu vorgekommen ist (Uwe Vetter hat dazu im “law blog” schon die eine oder andere Horrorstory veröffentlicht).

    Aber welche Politikerin, welcher Politiker ist bereit hinzustehen und zu sagen, man müsse Täter schützen. In einer Demokratie müssen Minderheiten geschützt werden und seien es noch so unliebsame.

    Das ist natürlich prinzipiell ebenfalls richtig, der Anspruch auf Schutz dieser Täter-Minderheit kollidiert aber in Einzelfällen mit dem ungleich wichtigeren Schutzbedürfnis der Allgemeinheit. Täter, von denen ein erhebliches Gefährdungspotenzial ausgeht, sollten auch in einem Rechtsstaat so lange “von der Straße” ferngehalten werden können, bis eine Gefährdung Dritter einigermaßen sicher auszuschließen ist. Ansonsten ergeben sich vollkommen irrwitzige Zustände, wie man sie beispielsweise in unserer Nachbarstadt Quedlinburg beobachten kann:

    Frank O. – er gilt als gefährlich und soll sich in der Haft einer Therapie verweigert haben – ist seit Mitte Dezember ein freier Mann: Um Zwischenfälle zu verhindern, überwachen ihn drei, manchmal bis zu zehn Polizeibeamte in Zivil auf Schritt und Tritt. Insgesamt sollen 30 Polizisten für den Fall O. im Einsatz sein.

    Die von der Staatsanwaltschaft erwirkte verschärfte Führungsaufsicht sieht vor, dass der Ex-Häftling rund um die Uhr von Zivilbeamten begleitet wird – zum Einkaufen, Spazierengehen, Fahrradfahren, bei Behördengängen. Die Polizisten sind nicht abzuschütteln. Nur wenn Frank O. bei seinen Eltern oder in seinem Apartment in einem Plattenbau ist, warten die Beamten in Autos vor der Tür.

    Dies alles diene dazu, die Bevölkerung im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Regelungen bestmöglich zu schützen, sagt Ute Albersmann, Sprecherin des Justizministeriums. “Keiner weiß, was alles passieren kann. Wir müssen für die größtmögliche Sicherheit sorgen für die Bürger, aber auch für den ehemaligen Häftling.”

    In Quedlinburg, das keine 23.000 Einwohner zählt, ist Frank O. bekannt. “Wir wissen ja nicht im Voraus, wie die Öffentlichkeit seine Freilassung aufnimmt.” Auch Angehörige seiner Opfer sollen noch in der Kleinstadt leben.

    Im April 1984 bedrängt Frank O. seine Schwägerin in deren Wohnung in Quedlinburg in Sachsen-Anhalt, will sie vergewaltigen. Die 22-Jährige wehrt sich. Frank O. greift zu einem Hammer, schlägt ihr auf den Kopf. Er ist 17 Jahre alt. Als er merkt, dass sein Opfer noch atmet, schlägt er erneut zu – bis sie tot ist. Er verlässt die Wohnung, zurück bleibt seine zweijährige Nichte mit ihrer toten Mutter. Das Kind wird nach zwei Tagen stark unterkühlt neben der Toten gefunden.

    Frank O. wird noch im selben Jahr nach DDR-Recht zu 15 Jahren Jugendstrafe wegen Mordes verurteilt. Nach der Wende wird das Urteil nach nun geltendem Recht auf die maximale Jugendstrafe von zehn Jahren reduziert. Doch Frank O. kommt schon im November 1991 frei – die restliche Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt.

    Wenige Wochen später schlägt Frank O. erneut zu: Er bedrängt in einer Kneipe eine 20-Jährige, folgt ihr auf dem Heimweg und fällt vor ihrer Haustür über sie her. Die Frau schreit um ihr Leben, Nachbarn und ihre Eltern retten sie. Frank O. wird wegen versuchten Mordes verurteilt. Insgesamt muss er für acht Jahre ins Gefängnis – dieses Mal ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung oder Reststrafe auf Bewährung.

    Die von der Staatsanwaltschaft angekündigte Revision hat wenig Aussicht auf Erfolg. “Wenn wir nichts Gravierendes dagegen vorbringen, bleibt Herr O. auf freiem Fuß. Und das heißt: Da ist jemand draußen, der gefährlich ist.”

    https://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,464144,00.html

    Dies scheint mir beispielsweise doch eine Gefährdungssituation zu sein, die man der Bevölkerung eigentlich nicht zumuten kann bzw. sollte. Auch die Kosten der 30 Polizeibeamte umfassenden Sondereinheit, die nun Tag und Nacht im Einsatz ist, um weitere Straftaten zu verhindern, sind im Grunde nicht zu verantworten. Der Rechtsstaat muss dem Bürger auch vermittelbar bleiben – sonst ist er irgendwann wirklich in Gefahr. Wenn der Staat aber Straftäter aus seiner Obhut entlässt, bei denen ein Rückfall nicht nur möglich sondern höchstwahrscheinlich ist, dann setzt man damit genau diese Vermittelbarkeit aufs Spiel.

  6. #6 ali
    Dezember 1, 2008

    @Christian

    Unterstellst Du den Befürwortern solcher Initiativen mit dieser Erklärung nicht aber indirekt eine gewisse Denkfaulheit?

    Ja, das tue ich bewusst. Das Absolute riecht häufig nach Denkfaulheit. Es wird nicht abgwogen, verglichen und differenziert. Warum soll bei Kindsmissbrauch 60 Jahre nach der Straftat noch ein Prozess gemacht werden können? Ich glaube das ist rational schwer zu rechtfertigen. Wir können uns streiten ob 7 Jahre oder 20 Jahre, aber warum unbeschränkt?

    Was “pornographische Straftaten” genau sein sollen, erschließt sich mir auch nicht so ganz.

    Da bist du nicht alleine. Es ist niemandem so klar (ich glaube nicht einmal den Initianten). Es klingt vermutlich irgendwie gut.

    Das scheint mir dann aber doch etwas einfach zu sein, denn der prinzipielle Wunsch, Kinder als schwächste Mitglieder der Gesellschft vor allen möglichen Gefahren zu schützen, scheint mir doch ein Grundbaustein zivilisatorischen Zusammenlebens zu sein. Wie dieser Schutz rechtsstaatlich verträglich umgesetzt werden kann, darüber lässt sich ja streiten.

    Grundsätzlich sind wir uns einig. Ich habe auch nirgends geschrieben, dass Kinder nicht geschützt werden sollen und müssen. In dem Punkt sind sich wohl alle einig. Da liegt aber vermutlich das Problem: Mein Punkt ist in gewissem Sinne, dass Kriminelle auch eine (politisch) schwache Gruppe sind, nur ohne Lobby.

    Wir werden wohl mehr über die Abstimmungsmotivation der Schweizer wissen, wenn die Nachwahlanalysen veröffentlicht werden. Wie ich die Schweizer Abstimmenden kenne, gehe ich eine Wette ein, dass ‘Rechtsstaatlichkeit’ kein Kriterium war für ein ‘Ja’. Das kann ich im Moment natürlich nicht belegen.

    Zum Fall ‘O’ kann ich mich nicht äussern. In der Schweiz sind es Fachleute, die das Risiko eines Rückfalls einschätzen. Wenn dieses als gering erachtet wird, kommt ein Straftäter nach dem Verbüssen der Strafe frei. Nur niemand kann natürlich mit 100%iger Sicherheit einen Rückfall ausschliessen. Ein Restrisiko wird es immer geben, ausser alle werden konstant überwacht (warum denke ich bloss an 1984 und Minority Report).

    Für die sogenannte Verwahrungsinitiative in der Schweiz wurde übrigens mit ein paar wenigen Einzelfällen argumentiert. Keine gute Grundlage für ein allgemeines Gesetz. Man gaukelt vor, dass es absolute Sicherheit gibt. Der Knackpunkt war übrigens nicht einfach die lebenslange Verwahrung (die gibt es schon heute wenn ein genügendes Rückfallrisiko besteht). Sie wollte eine lebenslange Verwahrung ohne Möglichkeit auf Überprüfung. Genau das meine ich mit absolut.

    Aber ich habe den Eindruck, in den groben Linien sind wir uns für einmal einig.

  7. #7 Martin
    Dezember 1, 2008

    Für die sogenannte Verwahrungsinitiative in der Schweiz wurde übrigens mit ein paar wenigen Einzelfällen argumentiert. Keine gute Grundlage für ein allgemeines Gesetz.

    In diesem speziellen Fall zieht dieses Argument mMn nicht. Es handelt sich (zum Glück) um Einzelfälle, in denen eine solche Verwahrung sinnvoll ist und es sind Einzelfälle die nicht ignoriert werden dürfen.

    Im Umkehrschluss würde dass nämlich bedeuten, dass man einfach mit ein paar Psychopathen, die alle Jahre wieder auf die Öffentlichkeit losgelassen werden, leben muss, weil nicht für “Einzelfälle” extra Regelungen erlassen möchte.

    Derartige Ausbrüche von “Volkszorn” sind in der Regel die direkte Folge von mangelhafter Gesetzgebung. Bei praktisch allen medial behandelten Fällen von Kindesmissbrauch, -entführung, -mord in den letzten waren die Täter bereits einschlägig vorbestraft. Insofern ist es vollkommen normal, wenn Bürger (auch nicht denkfaule) Zweifel der Qualität der psychologischen Begutachtung zu haben.

    Daher ist es durchaus legitim zu sagen, ab einem gewissen Punkt können psychologische Prognosen das Verhalten in der Vergangenheit nicht mehr aufwiegen. Nicht weil Änderung prinzipiell ausgeschlossen ist, sondern weil die Gefahren einer Fehldiagnose und anschließenden Rückfalls zu groß sind.

    Das ist vielleicht nicht die perfekte Lösung. Aber solange Gefahren-Prognosen nicht wesentlich zuverlässiger werden, ist es eine zulässige Abwägung zwischen dem Schutz der Täter und der Gesellschaft..

  8. #8 yam
    Dezember 1, 2008

    hmm ali, bezüglich deiner frage mit der SVP und dem stimmenanteil habe ich, nachdem ich nun seit einigen wochen die “politische landschaft” in D beobachte mitsamt der reaktion auf die finanzkrise einge überlegungen angestellt. ich versuchs mal, es mal einigermassen zusammen zu bekommen.
    ich würde (zumindest für D) die these aufstellen, dass die einst übliche orientierung der einzelnen politischen lager (und deren forderungen) sich am aufspalten ist. die einzelforderungen der parteien kann der jeweils andere mittragen, weil sie sozusagen eine “aufstückelung” dessen sind, was er auch für richtig hält. ich glaube, dass der “riss” sozusagen (in D) nicht mehr an einzelnen parteien festzumachen ist, sondern an den wertorientierungen der einzelnen akteure.
    die systeme sind durchlässig geworden, und von den “bruchstücken” kann sich jeder das raussuchen (mehr oder weniger), was ihm sozusagen “passt”.
    ich finde, das ist ganz schön gerade am “machtkampf” innerhalb der CDU zu beobachten, nehmen wir die reaktion in der finanzkrise.
    es gibt hier akteure, die aufgrund ihrer anderweitigen “verpflichtungen” diese, so erscheint es zumindest mir, vor die verpflichtung des grundgedankens stellen (debatte steuern rauf und runter und wem nutzt was).
    (ist differnzierter, aber wie gesagt, bisher sind es auch nur beobachtungen.
    zum anderen, auch sehr interessant (frage nach gutachten etc.)
    ichhabe gestern mit einem bekannten telefoniert, der als soziologe an einer jva hier arbeitet.
    er konstatiert seit einigen jahren eine deutliche leisutngsorientierung und willen nach “messbarkeit” des “behandlungserfolgs”, gleihzeitig bemängelt er eine deutliche “bürokratisierung” bzw. “technokratisierung” innerhalb des vollzug.
    m.e. ist der erfolg nur bedingt messbar, in den “kopf” eines täters kann man nicht reinsehen, technokratisierung heisst immer gleichzeitig auch abkehr vom einzelfall ….
    gleichzeitig steigt aber der öffentliche druck genau darauf: so wie es christian auch beschrieben hat. die folge da ist wiederum, dass sobald eine “panne” eintritt (ein “rückfall”), die forderung anch strengerer auslegung und strengeren gesetzen laut wird. die einen haben angst um ihre kinder, die anderen finden es so oder so zu “lasch” was “der staat” im vollzug macht (die haben doch das schönste leben da)etc.
    die frage nach der ethischen grundlage für das handeln wird nicht mehr wirklich gestellt.
    er sagte zu mir, er habe vor kurzem die frage aufgeworfen, warum es nicht mehr wie früher um die integration also die resozialisierung (die ja sowohl von der gesellschaft wie auch vom täter “geleistet” werden soll) sondern immer mehr um die “verwahrung” , die ausgrenzung (wie kanns sein, dass eine ganze stadt den “kennt” (ich erinnere an labeling approach), gleichzeitig um “knappe kassen” und grössere effizienz… antwort eines kollegen war: weil es zu viele “ausgegrenzte” gibt (migranten, arbeitslose, etc…). …ich fand dies sehr bemerkenswert, denn auch hier zeigt sich die differenzierung inner halb der gesellschaft wie ich finde deutlich (es gibt wohl nun sogar (ich weiss nicht mehr in welchem bundesland) die idee, die sozialdienste ausserhalb der anstalten und mit verschiedenen aufgaben betraut anzusiedeln. damit geht verloren, was ja eigentlich der sinn und zweck dieser arbeit ist a) expertenwissen b) eine beziehungsbindung zu den einzelnen gefangenen, die aber wiederum gerade ja die garantie für eine gelungene resozialisierung bieten sollte. gleichzeitig geht einher die privatisierung der bewährungshilfen (hallo? das ist staatliche hoheit!!!!) und so weiter)
    d.h., auch hier finde ich die frage sehr spannend, wer mit welcher intention was von wem wie voran getrieben wird….

  9. #9 yam
    Dezember 1, 2008

    berichtigung, von wegen “staatliche hoheit”: hoheitliche aufgabe natürlich!

    p.s.: ich habe das dumpfe gefühl, dass die schweiz diese integration bisher besser als deutschland meistern konnte 😉

  10. #10 Martin
    Dezember 1, 2008

    Nachtrag:
    Das ist der Link, den ich gesucht habe:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Schm%C3%B6kel
    Ich bin sonst ein äußerst gelassener Mensch, aber solche Fälle machen mich rasend. Einerseits das umfassenden Versagen der Behörden, andererseits ein schon naiv verklärter Gesetzgeber, der auch den gefährlichsten Straftätern Freigang zugesteht, schließlich dient es ja der “Resozialisierung”.

    Gerade in solchen Fällen ist es vollkommen legitim (und mit einer liberalen Geisteshaltung vereinbar) zu sagen, es darf keine Chance auf Enthaftung geben.

  11. #11 Fantabauch
    Dezember 1, 2008

    Ich finds persönlich pervers, dass Kindesmissbrauch verjährt oder dass man dafür teilweise weniger bekommt als fürs Raubkopieren.
    Menschen prinzipiell Lebenslang zu verwahren ist nicht richtig – da muss man differenzieren- vorallem “ohne möglichkeit auf überprüfung” find ich abschreckend.Aber es läuft doch so einiges schief , teilweise werden Täter rausgelassen die weder ne Therapie gemacht noch etwas eingesehen haben und direkt danach wieder eine Straftat begehen und danach WIEDER entlassen werden – sowas kannich ehrlich gesagt rational nicht mehr nachvollziehen.Natürlich müssen Täter auch geschützt werden, sonst gibts hier bald wieder die Todesstrafe 😉 und was genau unter “pornographischen Strafttaten “zu verstehen ist wäre auch interessant.

  12. #12 yam
    Dezember 1, 2008

    martin, aber es soll auf den einzelfall ankommen.
    und, du kannst nicht alle eventualitäten abwägen. wenn du es mit der würde des menschen ernst meinst, solltest du bedenken, dass sowohl der täter wie auch das opfer eine würde haben, die es zu schützen gilt.
    der balanceakt ist hier doch dann die angemessenste vorgehensweise zu finden, oder nicht?

  13. #13 Soziobloge
    Dezember 1, 2008

    Mein Eindruck ist, das immer mehr vergessen wird, dass wir kein Rachestrafrecht haben. Das sieht man auch bei dem Fall des Ex-RAF Terroristen den sie jetzt freilassen wollen. Die Angehörigen der Opfer wollen das er bereut, aber das hat wenig mit der Gesetzeslage zu tun. Im Strafrecht geht es nur darum jemanden für ein Fehlverhalten entsprechend den Umständen und der Gesetzeslage zu bestrafen. Ob die Opfer und deren Angehörigen das nun zu wenig ist oder nicht ist erstmal ohne Belang. Wo kämen wir hin, wenn die Opfer das Strafmaß bestimmen würden?

    Das Thema worum es in dem Schweizer Fall geht ist natürlich emotional aufgeladen. Da hat man schon Angst, das man den “Volkszorn” auf sich ziehen kann wenn man was dagegen vorbringt. Ob jemand in Sicherheitsverwahrung bleibt oder nicht, sollte immer im Einzelfall entschieden werden. Generelle Regelungen greifen da sicher zu kurz. Gerade in Bezug auf Triebtäter müsste viel mehr in der Prävention gemacht werden. Ist erstmal was passiert, ist da wenig zu machen. Hab mal einen Fall im Fernsehen gesehen, der war Pädophil und suchte Hilfe, weil er eben nicht irgendwann die Kontrolle verlieren wollte und einem Kind was antun wollte. Das war aber gar nicht so einfach. Hilfe hätte er erst bekommen wenn was passiert wäre.

    Ich bin ja immer dafür das Gesamtsystem zu überprüfen. Solche Einzelregelungen können schnell zu nicht bedachten und absurden Folgen führen.

  14. #14 Martin
    Dezember 1, 2008

    yam,
    nun, ich habe bereits geschrieben, was ich als angemessenste Vorgehensweise empfinde. Das Recht auf Menschenwürde (das es hier in Österreich sowieso nicht so explizit gibt) garantiert psychisch gestörten Triebtätern kein Recht auf weitere Möglichkeiten zur Tatbegehung.
    Es ist eine mMn nicht rational begründbare Haltung von einigen Menschen, dass jeder geistig abnorme Rechtsbrecher mit ein bisschen gutem Willen geheilt werden kann. Daran glaube ich nicht. Konsequenterweise sehe ich auch keinen Grund, warum man solche Leute, bei aller Wahrung der Menschenwürde, wieder freilassen soll, oder auch nur die Option darauf vorzutäuschen.

  15. #15 ali
    Dezember 1, 2008

    @yam (Thema SVP etc.)
    Ich kann mir gut vorstellen, dass in Deutschland eine entsprechende politische ‘Emanzipation’ von den Parteien stattgefunden hat. Ich fühle mich nicht kompetent genug, das zu beurteilen. Eine gewisse ideologische ‘Aufweichung’ scheint mir aber durchaus plausibel. Ein Teil ist aber in meinen Augen durch das System bestimmt und bei der Schweiz konnte man schon immer sehr einfach ‘unabhängig’ sein und politisch ‘shoppen’. Erstens sind die Identitäten stark kantonal geprägt und das reflektiert auch in den Parteien. Wahlkämpfe und Politik sind immer sehr lokal geprägt (und somit auch häufig Personenbezogen trotz Proporz). Zweitens gibt es nichts wie Fraktionszwang im Schweizer Parlament. Drittens (und dies halte ich für zentral) fühlt man sich weniger einer Partei verpflichtet, da sie nicht als Block abstimmen und da man bei einem Referendum sowieso immer wieder über Sachfragen direkt einwirken kann.

  16. #16 ali
    Dezember 1, 2008

    @fantabauch, @martin

    Vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt. Die Verwahrungsinitiative wurde lanciert wegen einem Fall wo eine junge Frau von einem zweifachen Mörder auf Hafturlaub ermordet wurde. Die Behörden bestätigten Schwächen im System und reagierten. Trotzdem wurde die Initiative nicht zurückgezogen. Der Verdacht, dass es nicht in erster Linie um eine sinnvolle Rechtssprechung sondern um absolute Vorstellungen von ‘Richtig’ und ‘Falsch’ ging, liegt nahe (die Initianten waren direkt Betroffene).

    Ich verstehe nicht warum eine Überprüfung nicht stattfinden soll. Bei grossen Rückfallrisiko kommt ja keiner frei. Man kann nie abschliessend eine Besserung ausschliessen. Dies wäre doch eine unglaubliche Anmassung.

    Das Problem entsteht bei Fehlurteilen. Sind es solche, bei denen man es hätte besser wissen müssen, muss das System natürlich entsprechend verbessert werden. Aber das Risiko einer Rückfälligkeit kann (wie so vieles wenn es um Menschen geht) nie zu hundert Prozent ausgeschlossen werden. Wenn etwas passiert hat in der öffentlichen Wahrnehmung per Definition der Gutachter einen Fehlentscheid getroffen. Vielleicht hat er aber seine Arbeit gut gemacht und der Täter folgte einfach nicht dem zu erwartenden Muster. Selbst wenn das Risiko ein Promille wäre, passiert was, wird nach einer Verschärfung gerufen werden. Die Frage ist auch wie viele Fälle die Problemlos sind, muss man dann auch in Verwahrung behalten um die eine Ausnahme der Fehleinschätzung zu verhindern? Was ist mit deren Rechten, warum sollen diese einen so gravierenden Einschnitt in ihre Freiheitsrechte hinnehmen müssen? Oder verlieren sie diese weil sie ein Verbrechen begangen haben? Ich stimme Soziobloge voll und ganz zu, das ist dann Rachejustiz. Genehm und populär aber ungerecht.

    Der verlinkte Fall Schmökel scheint auf den ersten Blick mehr mit Inkompetenz und Fahrlässigkeit im Zusammenhang gestanden haben als mit einer zu laschen Gesetzgebung. Aber ich kenne die Details nicht. Hier ging es mir aber um den Rechtsstaat und eine differenzierte Abwägung von Individualrechten. Beide erwähnten Gesetzesinitiativen wägen aber nicht ab, sondern setzen zeitliche Maximimaleinheiten fest.

  17. #17 Martin
    Dezember 1, 2008

    Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung totale Sicherheit erwartet und jeden ewig einsperren will. Wir reden hier aber explizit nicht von Leuten, die mal einen Fehler gemacht haben und nun nie wieder eine Chance erhalten, sondern von extrem gefährlichen Sexual- und Gewaltstraftätern wie Frank Schmökel die bereits mehrere schwere Straftaten hinter sich haben.

    Hier mehr zu dem Fall, mit ein paar Zahlen zum Maßregelvollzug: https://www.justament.de/titelth5von(6-2002).html

    Wenn du glaubst, dass es eine “unglaubliche Anmaßung” ist, bei Frank Schmökel eine Heilung auszuschließen, dann bitte. Ich finde es umgekehrt naiv und irrational, davon auszugehen, dass jeder geheilt werden kann.

    Man kann jetzt als Bürger sagen, dass Politiker, Richter oder Psychologen schon die richtige, differenzierte Abwägung finden werden, oder man entscheidet, dass die Abwägung zu sehr zu Gunsten von rechtskräftig verurteilten Straftätern und zu lasten von potenziellen Opfern geht. Diese Abwägung gefällt dir vielleicht nicht, aber ich halte das für ein völlig legitimes Anliegen.

  18. #18 ali
    Dezember 1, 2008

    @Martin

    Ich kenne den Fall Schmökel nicht und finde einen Einzelfall auch wenig interessant für diese Diskussion. Ich habe mich bewusst nicht dazu geäussert. Soll es denn ein Gesetz geben im Stile von “3.4. Franz Schmökels Verwahrung wird nicht überprüft”‘?

    Schaut man zurück ist es offensichtlich, das nicht jeder extrem gefährliche Straftäter therapierbar ist. Diese Diagnose abschliessend und vorausschauend zu stellen halte ich jedoch tatsächlich für eine Anmassung. Das hat nichts mit Naivität zu tun sondern mit Realitätssinn. Es gibt solche Gewissheiten einfach nicht. Zu glauben Menschen können eine solche Einschätzung mit Sicherheit machen, das ist naiv. Hellseher gibt es nunmal nicht.

    Gutachter können Fehler machen aber selbst wenn sie keine machen würden, muss man trotzdem mit Rückfällen rechnen. Flugzeuge stürzen auch ab ohne dass dies jedes mal in einem Strafprozess mündet. Das Null-Risiko existiert nicht.

    Wenn man bedenkt wie wenig Fälle dies betrifft, muss man sich auch fragen ob man sich nicht zuerst den hunderten von Toten, die man jährlich in Kauf nimmt (Malaria, Strassenverkehr, Hunger, etc.), mit der selben Energie widmen sollte.

  19. #19 Martin
    Dezember 1, 2008

    Gerade so ein Gesetz muss auch den extremsten Fällen standhalten, und Frank Schmökel ist nun mal so ein Fall. Und in diesem Fall haben eben die selben Psychologen, die auch Entlassungen begutachten, ihm gute Fortschritte bescheinigt und den Ausgang bewilligt. Ich nehme an, so ähnlich war es bei dem Fall in der Schweiz auch. Und solchen Fehlern schiebt die Schweizer Initiative einen Riegel vor. Eine zweifellos extreme Maßnahme, aber sicher nicht das Ende des Rechtsstaates.

    Deine Argumentation könnte man genauso in die andere Richtung verwenden. Eine Gewissheit, dass jeder, der geschlossenen Anstalt sitzt zurecht dort ist, gibt es nicht. Es betrifft definitiv wenige Fälle – mit der selben Argumentation könnte ich auch fragen, ob die paar Straftäter, die jetzt länger unter Verwahrung bleiben werden, wirklich die Energie dieser Diskussion wert sind.

    Einerseits verteidigst du die Rechte von Straftätern hier vehement, andererseits fallen die Opfer, bei denen Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit oder gar Leben verletzt wird, bei unter die Kategorie “tja, absolute Sicherheit gibts eben nicht”. Wenn ein psychisch gestörter Straftäter bereits mehrere Morde oder Vergewaltigungen begangen hat, ist das für mich Rechtfertigung genug, hier keine Risiken mehr auf Kosten der Allgemeinheit einzugehen.

  20. #20 ali
    Dezember 2, 2008

    Mir scheint es, als ob ich nicht durchkomme mit meinem Argument. Ich versuche es nochmals: Das Rückfallrisiko wird eingeschätzt nicht mit einer mathematischen Formel berechnet. Die Frage ist nicht wie erlangen wir volle Sicherheit, sondern wieviel Risiko müssen wir eingehen. Einen Fall wie den erwähnten wird es immer wieder geben. Wenn kein als ‘extrem gefährlich’ eingestufter Täter mehr Lockerungen in der Verwahrung erfährt, dann wird es nächstes mal einer sein, der nicht als extrem gefährlich eingestuft wurde. Also kommt keiner mehr frei der wegen Mord verurteilt wurde. Dann passiert wieder etwas, dieses mal mit einem Täter der wegen Totschlag verurteilt wurde, usw. Auch wenn es schwer zu akzeptieren ist, aber solche Fälle (und ich spreche allgemein und nicht von Schmökel) wird es immer geben, ob du willst oder nicht. Mit deiner Logik besteht da immer ein Grund der Verschärfung. Insofern taugt sie wenig um darauf Gesetze zu erlassen.

    Einerseits verteidigst du die Rechte von Straftätern hier vehement, andererseits fallen die Opfer, bei denen Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit oder gar Leben verletzt wird, bei unter die Kategorie “tja, absolute Sicherheit gibts eben nicht”.

    Hast du meinen Post gelesen? In diese Ecke lasse ich mich nicht drängen.

  21. #21 Martin
    Dezember 2, 2008

    Die Frage ist nicht wie erlangen wir volle Sicherheit, sondern wieviel Risiko müssen wir eingehen. Einen Fall wie den erwähnten wird es immer wieder geben.

    Nein, eben nicht, genau solche Fälle wird von besagter Initiative verhindert. Dass nicht jeder Fall verhindert werden kann ist mir – und wohl auch der Mehrheit der Bevölkerung – klar, aber bei besonders extremen Fällen sind auch besonders rigide Maßnahmen gerechtfertigt, dh dass wir dieses Risiko nicht eingehen wollen. Das impliziert nicht, dass ich absolute Sicherheit in allen Fällen will, sondern nur besonders hohe Sicherheit in bestimmten, besonders gefährlichen (Einzel-)Fällen.

    Ich glaube auch nicht, dass die Schweizer hier auf der Slippery Slope unterwegs sind, die du hier implizierst. Die konsequente Verfolgung von sexueller Gewalt und insbesondere Pädophilie ist eine Errungenschaft der letzten Jahre und Jahrzehnte (zB https://de.wikipedia.org/wiki/Color_Climax_Corporation , aber generell die Gesetzgebung in ganz Europa), selbiges gilt für verantwortungsvollen Umgang mit gefährlichen Straftätern (zB Sicherungsverwahrung war bis 1998 auf 10 Jahre begrenzt, über den generell leichtfertigen Umgang habe ich ja schon genug geschrieben).

    Dass die Strafregelungen in diesen Gebieten immer schärfer werden, liegt einfach daran, dass sie früher unglaublich lasch waren. Ich sehe diese Verschärfungen also nicht als immer weiter fortschreitende Straf-Eskalation oder Anfang vom Ende des Rechtsstaats, sondern als Korrekturprozess, der sich langsam einpendelt.

  22. #22 ali
    Dezember 3, 2008

    Es ging mir nicht in erster Linie um ein Slippery Slope Argument, sondern darum aufzuzeigen, dass die Argumentation mit Ausnahmen beliebig benutzt werden kann um eine Verschärfung zu rechtfertigen (dies liefert natürlich als Nebenprodukt sozusagen einen plausiblen Mechanismus für eine Slippery Slope).

    Dass nicht jeder Fall verhindert werden kann ist mir – und wohl auch der Mehrheit der Bevölkerung – klar, aber bei besonders extremen Fällen sind auch besonders rigide Maßnahmen gerechtfertigt, dh dass wir dieses Risiko nicht eingehen wollen. Das impliziert nicht, dass ich absolute Sicherheit in allen Fällen will, sondern nur besonders hohe Sicherheit in bestimmten, besonders gefährlichen (Einzel-)Fällen.

    Niemand sagt, dass auch diese extremen Fälle vom Recht abgedeckt sein müssen. Unsere Uneinigkeit kommt hingegen beim irreführenden Statement “das Risiko nicht eingehen wollen” deutlich zum Vorschein. Man geht immer ein Risiko ein und solange ein solches existiert, kann man vorgeben durch Verschärfung es zu verkleinern. Darum bin ich der Meinung, dass mit Fall X zu argumentieren falsch ist.

    Eine Konsequenz der helvetischen Verwahrungsinitiative könnte übrigens sein, dass die Gutachter/Behörden noch mehr zögern, jemanden als ‘extrem gefährlich’ einzustufen, wegen der irreversiblen Konsequenzen. Folglich werden die Massnahmen kaum greifen, oder noch schlimmer schlicht kontraproduktiv sein.

    Weil die Rechtfertigung eines generellen Gesetzes nicht mit seltenen und extremen Einzelfällen gemacht werden darf, müssen also allgemeine, abstrakte Argumente her. Davon spreche ich. Der Fokus bei der Gesetzgebung muss auf Rechtstaatlichkeit liegen und nicht auf Ausnahmefällen.

    Man hört zu oft, es handle sich ja nur um eine ganz kleine Gruppe (zudem noch Schwerstkriminelle) und daher sei die übermässige Einschränkung ihrer Individualrechte und des Schutzes vor staatlicher Willkür in Ordnung. Genau so darf Recht und Demokratie eben nicht funktionieren.

  23. #23 yam
    Dezember 4, 2008

    @ ali
    Was Du beschreibst, hat in der Praxis in Detschland schon schleichend Einzug genommen.
    Es ist zunehmend nicht mehr die Frage nach dem Einzelfall, sondern es werden Gesetze aufgrund von Einzelfällen erlassen.
    Übrigens ist es dann zu nächst so, dass die Gutachter “wohlwollender” beurteilen. Dann aber passiert doch wieder das Gegenteilige, nämlich a) haben die Gutachter eben diesen “druck” (der Öffentlichkeit, der Politik, der Gerichte) nach “messbarem” “Erfolg”, da dieser eben nicht messbar ist, werden beim nächsten “Rückfall” schärfere Maßnahmen (also auch “schärfere” Gutachten) gefordert.
    Schleichend ist eine Tendenz zum “Verwahrvollzug” im Gegensatz zum Maßregelvollzug und zur Resozialisierung zu beobachten (kostet ja auch mehr …. :-().
    Dies weitet sich EBEN aus auf andere als die angesprochenen Straftatbestände.
    Im Grunde eben eine sukzessive Repression der Grundsätz des Rechtstaats, dessen oberste Pflicht ja wäre, die Würde des Menschen zu achten.
    …..

    @ Martin Die Sicht auf den Einzeltäter schliesst eben NICHT einen verantwortlichen Umgang im Rahmen der möglichen Gesetze aus! Genau das Gegenteil ist der Fall!
    Je mehr ich mich (im Rahmen des Strafvollzugs) auf den Einzelfall beziehe, desto weniger Leichtfertig gehe ich mit dem Einzelnen, aber auch mit meiner Verantwortung der Gesellschaft gegenüber um!
    Udn ich denke nicht, dass die Gesetze früher “lasch” waren. Ich glaube vielmehr, die Kommunikation zwischen der Justiz und der Öffentlichkeit (sicher auch der Fokus der Medien) hat sich verändert.
    Extreme Fälle hat es schon immer gegeben und wird es immer geben (guck mal “Jack the Ripper” oder ähnliche Fälle an).
    Wo willst Du denn die Grenze setzen in der Strafbemessung?
    (In dem Bezug verweise ich auf die Diskussion um Verschärfung der Jugendstrafen, Herabsetzung des Strafalters etc.)
    Zudem ist auch bekannt, dass höhere Strafen eben nicht die angenommene abschreckende Wirkung haben.
    Wenn überhaupt etwas Wirkung hat, dann ist es Prävention.
    (Bildung, Jugendarbeit, Einbindung von Randgruppen in die Gesellschaft etc.).
    Leider ist parallel zu der von Dir konstertierten “Korrektur” genau hier ein eklatanter Einburch zu verzeichnen (zumindest in D). Das was weiter fortschreitet, ist die Exklusion immer “neuer” Gruppen.
    Und, ich denke schon sehr, dass in den letzten Jahren eine zunehmende Verschärfung und Ausweitung der Strafen (und der Strafmaße) zu verzeichnen ist, und eben leider auch Aufgrund öffentlicher Diskussionen, bei denen (zumindest in D) Bevölkerungsteile (Milieus) beteiligt sind, die die Jahre zuvor eher denen zugeordnet werden konnten, die für einen maßvollen Umgang mit dem Strafrecht plädiert haben.

  24. #24 Dan Suter
    Ostschweiz
    Dezember 11, 2013

    Nu ja, es ist einfach alle die diese Initiativen unterstützt haben als SVP’ler und weisgott was alles zu bezeichnen. Auch Denkfaulheit etc finde ich extrem schwache Argumente. Wenn man die ensteheung diese Initiativen anschaut dann gründen diese auf einer schwachen/laschen ausführung der bereits bestehenden Gesetzte. Aber das Argumend der Rechte von Minderheiten bei Kriminellen grenzt schon ein wenig an einen Schildbürgerstreich. ANtürlich haben auch Straffällige menschen gewisse Rechte, aber man darf nicht vergessen dass diese Menschen die Spielregeln einer Gesellschaft meist vorsätzlich, d.h. im vollen Bewusssein seiner Handlungen, verletzt hat! Natürlich gilt es abzuwägen wie eine solche Straftat zu bewerten ist, aber bei Gewalttaten gegen Leib und Leben ist das Opfer höher zu bewerten als der Täter – oder wollen sie mir vorrechene wie viele Leben ein Täter physisch und psychisch “zerstören” kann bis er Konsequenzen tragen soll?
    Natürlich soll nicht gleich jeder Straftäter lebenslang verwahrt werden nur weil er vor 35 Jahren einer Frau auf die Brust geschaut hat ! Aber um es mal klar zu sagen: die Fälle von wiederholter Gewalt, teils tödlich, von ein und dem selben Tätern, die man aufgrund einer “pro Täter” Einstellung frei gelassen hat waren NICHT NÖTIG! Denn es übernimmt ja auch keine rdie Verantwortung! Die Richter stützen sich auf den Psychiater, diese sagen mann kann es nie genau sagen, eventeuel, vieleicht, könnte sein ich weiss nicht blabla…..
    Denn seit ehrlich, wenn es um den Autofahrer geht, wird mit voller Härte und am liebsten noch etwas mehr, durch gegriffen. Denn der Autofahrer ist ja eine potentielle Gefahr und kann mit unter tödliche Unfäller verursachen – ja könnte. Der Triebtäter, Kinderschänder, Mörder, etc hat ja bereits ein Vergehen gemacht, aber es kann ja sein dass er ein lieber ist und alle snur ein Missverständiss war, darum sind wir lieb mit ihm…. merkt ihr nicht wie verdreht das ist???

    Und was die SVP betrifft: das lasche Auslegen der bestehenenden Gesetze, die relativ sanften Strafen für Wiederholungstäter, die pro-Täter Einstellung von Politik, Gesellschaft etc ist eher von der linken, sozialen Seite her begründet.

    Mir haben schon Leute die mit Rechtsschutz oder aus juristischen Instituionen kommen bestätigt, dass man in der Schweiz vorallem als Kriminell gillt wenn man die Steuer bescheisst, Auto fährt oder “Einheimischer” ist, nicht aber wenn man eine Frau vergewaltigt, ein Kind missbracuht oder jemanden umbringt!!!

    Aber ich glaueb dass braucht noch eine Weile und einige Opfer mehr bis es klick macht in den Köpfen….

    aber wenigsten kann man in unseren Politsystem so dass man offen über solche Sachen diskutieren kann und will, ohne irgendwelche Sacnktionen und so i.d.R. Gesetze etc herauskommen sie allen dienen, und nicht nur als zur geistigen Selbsbefriedung einiger Polit- oder Sonstwasvertreter.

  25. #25 Leesa Deyak
    August 22, 2015

    Hey, you used to write wonderful, but the last few posts have been kinda boring?I miss your tremendous writings. Past few posts are just a little out of track! come on!