Um zu beurteilen ob etwas im US Rechtssystem als obszön qualifiziert werden kann, überprüfen Juroren und Richter in US Gerichten ob die Sache “Community Standards” verletzt. Das Internet könnte die Wahrnehmung was diese Standards genau sind nun neu definieren.

Die New York Times berichtete gestern (und Democracy in America hat es heute auch aufgenommen) über ein Gerichtsverfahren in Florida zu Obszönität. Der Verteidiger eines Website Operators, der pornographische Inhalte anbietet, argumentierte erfolglos mit Google Trends Daten, dass eben diese Standards durch die fraglichen pornographischen Inhalte nicht verletzt wurden. Dazu verglich er Statistiken der Suchanfragen für eine lokale Stadt nach den Stichworten ‘Surfen’, ‘Orgie’ und das wohl amerikanischste aller Dinge ‘Apfelkuchen’ (1).

Das grosse Problem für die Juristen ist eines, welches wohl den meisten Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftler bekannt vorkommen wird. Wie misst man einen solchen kollektiven Standard? Bis jetzt versuchte man festzustellen, was in einer bestimmten Region zum Konsum angeboten wird (Magazine, Filme, etc.). Das Internet eröffnet nun ganz neue Möglichkeiten mit der riesigen Datenmenge die zur Verfügung steht. Aber das eigentliche juristische Problem ist wohl, dass es eine Lücke gibt, zwischen was öffentlich als obszön definieren und was die Leute in ihren eigenen vier Wänden dann tatsächlich googeln.

(1) Methodisch wohl nicht die beste Wahl, hingegen sehr publikumswirksam.

Kommentare (5)

  1. #1 student_b
    Juni 26, 2008

    Imho ist das ein weiteres Beispiel dafür, weshalb Gesetze die gewisse Dinge als obszön definieren (und damit verbieten) unsinnig ist.

    Ok, wahrscheinlich bin ich nun einmal ein kleiner Anarchist, aber ich halte Gesetze die die freie Rede aus Rücksicht auf die Gefühle irgendwelcher Personen einschränken, selbst für obszön.

    (Wobei wir hier in der Schweiz wohl viel schlimmer als die US-Amerikaner sind, so dass ich froh wäre wenn wir deren Free-Speak-Laws hätten… :/

  2. #2 ali
    Juni 26, 2008

    Ich habe nie verstanden wie die starke Verankerung der Redefreiheit im US Rechtssystem mit einem so rigiden prüden Zensursystem parallel existieren kann.

  3. #3 student_b
    Juni 26, 2008

    Yep, besonders lustig sind die 7 verbotenen Wörter im Fernsehen.

    Ich bin momentan dran Battlestar Galactica im Original zu sehen. Fuck wird dort durch frack ersetzt. Da dort relativ viel geflucht wird hört sich das ziemlich schräg an. Besonders komisch ist es, wenn das Fuck in seinem eigentlichen Sinn gebraucht wird, z.B. : She fracked with him. (Ie. sie hatten Sex.) -_-

    Oder Motherfracker. Ich meine, es ist ja offensichtlich was mit dem frack gemeint ist. Aber man darf fuck nicht sagen, frack hingegen schon… irgendwie schizophren…

    Naja, deren Prüderie möchte ich natürlich nicht haben, aber das andere wäre recht nett. 🙂

  4. #4 Jürgen Schönstein
    Juni 27, 2008

    Diese Koexistenz von Medienzensur und dem als obersten Verfassungsprinzip (1st Amendmend) verankerten Recht auf Redefreiheit ist in der Tat schizophren. Aber man muss dazu wissen, dass dies weitgehend eine Selbstzensur der Sender ist, meist aus Angst, potente Werbekunden, die sich ihrerseits vor den Reaktionen (= meist gleichbedeutend mit Boykottaufrufen) zumeist religiös und/oder konservativ orientierter Interessengruppen fürchten. Denn die einschlägigen Vorschriften des Telecommunications Act des Jahres 1996 (https://www.fcc.gov/telecom.html) gelten ausdrücklich nur für “Broadcast”, also für Sender, die terrestrisch verbreitet werden. Kabelkanäle – und auf solchen läuft “Battlestar Galactica” – sind daran gar nicht gebunden, dürfen also getrost “fuck”, “shit” oder was auch immer sagen. Eine anachronistische Regel, zugegeben, da m.W. mehr als 80 Prozent aller US-Haushalte ihr TV-Programm (und damit auch die “Networks”, also die terrestrischen Programme) via Kabel oder Satellit beziehen, diese Unterscheidung in “Broadcast” und “Cable” also längst obsolet geworden ist.

    Aber es stimmt schon, dass die Federal Communications Commission (FCC) als Aufsichtsbehörde angehalten ist, trotz dieses offensichtlichen Anachronimus “Obszönitäten” generell und “Unanständigkeiten” außerhalb der “jugendfreien’ Zeiten (also von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends) as den Rundfunk- und TV-Broadcast-Programmen in Wort und Bild zu verbannen und dies denn auch eifrig tut (die noch nicht mal sekundenlang entblößte rechte Brust von Janet Jackson während der Halbzeitshow der Superbowl im Februar 2004 (“Nipplegate”) hat den Sender CBS beispielsweise mehr als eine halbe Million Dollar Strafe gekostet.

    Der juristische Haken ist, dass es eben keine einheitlichen Standards für Obszönität gibt (wobei es hier immer nur um sexuelle Aspekte geht – Obszönität von Gewalt existiert in der amerikanischen Ideenwelt nicht), und dass der Supreme Court in einer Entscheidung aus dem Jahr 1973 (Miller vs. California, https://www.law.umkc.edu/faculty/projects/ftrials/conlaw/miller.html ) ausdrücklich den “Durchschnittsbürger” und seine “contemporary community standards) zum Ma

  5. #5 Jürgen Schönstein
    Juni 27, 2008

    (verflixte Tastatur!!! Also nochmal:)

    Diese Koexistenz von Medienzensur und dem als obersten Verfassungsprinzip (1st Amendmend) verankerten Recht auf Redefreiheit ist in der Tat schizophren. Aber man muss dazu wissen, dass dies weitgehend eine Selbstzensur der Sender ist, meist aus Angst, potente Werbekunden, die sich ihrerseits vor den Reaktionen (= meist gleichbedeutend mit Boykottaufrufen) zumeist religiös und/oder konservativ orientierter Interessengruppen fürchten. Denn die einschlägigen Vorschriften des Telecommunications Act des Jahres 1996 (https://www.fcc.gov/telecom.html) gelten ausdrücklich nur für “Broadcast”, also für Sender, die terrestrisch verbreitet werden. Kabelkanäle – und auf solchen läuft “Battlestar Galactica” – sind daran gar nicht gebunden, dürfen also getrost “fuck”, “shit” oder was auch immer sagen. Eine anachronistische Regel, zugegeben, da m.W. mehr als 80 Prozent aller US-Haushalte ihr TV-Programm (und damit auch die “Networks”, also die terrestrischen Programme) via Kabel oder Satellit beziehen, diese Unterscheidung in “Broadcast” und “Cable” also längst obsolet geworden ist.

    Aber es stimmt schon, dass die Federal Communications Commission (FCC) als Aufsichtsbehörde angehalten ist, trotz dieses offensichtlichen Anachronimus “Obszönitäten” generell und “Unanständigkeiten” außerhalb der “jugendfreien’ Zeiten (also von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends) as den Rundfunk- und TV-Broadcast-Programmen in Wort und Bild zu verbannen und dies denn auch eifrig tut (die noch nicht mal sekundenlang entblößte rechte Brust von Janet Jackson während der Halbzeitshow der Superbowl im Februar 2004 (“Nipplegate”) hat den Sender CBS beispielsweise mehr als eine halbe Million Dollar Strafe gekostet.

    Der juristische Haken ist, dass es eben keine einheitlichen Standards für Obszönität gibt (wobei es hier immer nur um sexuelle Aspekte geht – Obszönität von Gewalt existiert in der amerikanischen Ideenwelt nicht), und dass der Supreme Court in einer Entscheidung aus dem Jahr 1973 (Miller vs. California, https://www.law.umkc.edu/faculty/projects/ftrials/conlaw/miller.html ) ausdrücklich den “Durchschnittsbürger” und seine “contemporary community standards) zum Maßstab erklärt hat. Klingt bizarr für uns, passt aber leider in die Tradition der Amerikaner, in denen der Durchschnittsbürger die maßgebliche juristische Instanz ist, in Gestalt der Geschworenen, die sowohl in Straf- als auch in Zivilangelegenheiten zwar nicht das letzte, aber doch zumindest das erste (Urteils-)Wort haben.