Eigentlich wollte ich poltern. Poltern über den in meinen Augen nur auf Ängste abzielende Abstimmungskampf (worum es geht) der eine Schweizer rechts-aussen Partei führt. Leider handelt es sich nicht um eine Randerscheinung, sondern um die wählerstimmen-stärkste Partei in der Schweiz, die Schweizerische Volkspartei (SVP), die mit diesem Kurs seit Jahren die helvetische Politlandschaft dominiert.

Aber ich denke, dass sie diese Aufmerksamkeit gar nicht verdient hat. Deren Politiker zehren nämlich von ihren Provokationen wie Parasiten an ihrem Wirt. Ich werde das anders anpacken. Ich zeige wie eine gesunde Dosis Skepsis und eine halbe Stunde googeln reicht, um festzustellen, wie manipulativ diese Partei im Abstimmungskampf mit Zahlen und deren Darstellung umgeht.

In einem Kommentar zu einem früheren Beitrag hat Ludmila in diesem Blog geschrieben:

Klar, kann man mit Zahlen lügen. Aber was fliegt eher auf? Wenn man mit Zahlen oder wenn man mit Worten lügt?

Also sollten die Statistiken der SVP eigntlich einfach zu demontieren sein. Mal sehen.

Zum Abstimmungskampf hat die SVP einen Flyer veröffentlicht, der neben Anekdoten und einem von einigen als rassistische betrachteten Plakats, auch drei Grafiken kolportiert, Ich verlinke hier bewusst weder deren Site noch den Flyer, wer sich den Schund trotzdem antun möchte, findet den einfach via google. Die drei Grafiken gebe ich hier wieder.

Grafik 1

svppie.png

Zuerst fällt hier einmal die eher skurrile Zusammenfassung der Türkei mit dem Balkan auf (selbstverständlich in der Farbe Rot). Natürlich geht es darum, dass behauptet wird, dass es sich hier um eine ‘muslimische’ Gruppe handelt und man suggerieren möchte, dass die die Mehrheit stellen und ‘uns’, wenn einmal eingbürgert, überstimmen werden (die magischen 50% plus eine Stimme). Ich habe mir die Zahlen der letzten Jahre einmal angeschaut (bei der angegebenen Quelle, dem Bundesamt für Statistik). Das Referenzjahr 2005 (‘Bericht 2006’ bezieht sich wohl auf dieses) ist das einzige Jahr, in dem die beiden Gruppen zusammen auf über 50% kommen. Zeigt man nicht nur selektiv eine willkürliche Zahl, die einem am besten gefällt, verliert das ganze beträchtlich an Dramatik:

1998: 25.02%
1999: 30.03%
2000: 32.19%
2001: 36.24%
2002: 41.28%
2003: 45.68%
2004: 48.72%
2005: 51.02%
2006: 48.81%

Schon die Annahme, dass die Migration aus dem Balkan prinzipiell ‘muslimisch’ sei, beweist bestenfalls die Ignoranz der SVP in Bezug auf ihren momentanen Liebelingssündenbock (‘Afrikanische Drogendealer’ scheinen im Moment nämlich out zu sein). Da diese Zahlen zudem wohl mit Verzögerung die Migrationsströme reflektieren, kann man davon ausgehen, dass die Zahlen wieder abnehmen werden (will man denn unbedingt darin ein Problem sehen, dass sich die Migrantinnen und Migranten integrieren). Ganz abgesehen davon, was soll das idiotische Argument mit den ‘Moslems’ die an der Urne entscheiden (und darum geht es bei dieser relativen Auflistung)? Wieviele Christen und Muslime entscheiden denn an der Urne über Agnostiker und Atheisten? Wer mit der Religion ins Wahllokal geht, schafft ein Problem und nicht ein spezifischer Kult an und für sich. Kümmert das die SVP? Die Mehrheit soll anscheinend diktieren (und die Mehrheit soll gefälligst die eigene bleiben).

Grafik 2

svpeur.png

Ich habe die Zahlen zu dieser Grafik gesucht, aber leider aufgrund der ungenauen Quellenangabe nicht finden können und ich wollte nicht Tage auf der Website der EU verbringen. PIKOM steht für das orwellsche benannte Parteiunabhängige Informationskommittee. Ich weiss nicht, welches der beiden Wörter mehr gelogen ist. Wie auch immer, auf deren Website findet man zwar die Grafik, aber nur ein Verweis auf die EU als Quelle und ich habe keine der Grafik entsprechenden Zahlen gefunden.

Es wird in der Debatte häufig bemängelt, dass die SVP die Einbürgerungen auf die Gesamtbevölkerungszahl rechnet und nicht auf die üblichere Gesamtzahl an Ausländerinnen und Ausländern (wo die Schweiz vergleichsweise tiefe Einbürgerungszahlen hat). Wie auch immer, die Auswahl der Länder ist bestimmt selektiv. Rechnet man den Durchschnitt der angegebenen EU Länder kommt man auf 240. Warum Länder mit tieferen Einbürgerungszahlen weggelassen wurden verstehe ich zwar nicht ganz da das ja im Sinne der SVP Argumente sein sollte, aber ich bin mir sicher, es geschah mit einer manipulativen Absicht. Ich frage mich auch warum gerade 2002 gewählt wurde. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um ein Spitzenjahr handelt wie bei Grafik 1. Ein langjähriger Vergleich wäre wesentlich interessanter. Ausserdem vermute ich, dass EU Bürgerinnen und Bürger, heute wenig Grund sehen, innerhalb der EU das Bürgerrecht eines anderen Staates zu beantragen.

Grafik 3

svptrend.png

Diese Grafik gefällt mir am Besten. Der rote Pfeil zeigt doch eindeutig die Gefahr die von diesem steilen Anstieg ausgeht. Ich habe versucht die Grafik mit den Daten des Bundesamtes für Statistik zu reproduzieren (die Quellenangabe war wiederum nicht sehr hilfreich). Es scheint als ob die Grafik, die man mit den entsprechenden Zahlen erhält, das ästhetische Empfinden des Flyer-Designers zutiefst verletzt hat und er daher noch ein bisschen daran rumgebastelt hat.

Erstellt man ein Balkendiagramm mit allen Zahlen, spuckt einem das Tabellenkalkulationsprogramm folgendes aus:

svpgraph1.PNG

Noch etwas flach der Trend, oder? Vielleicht lassen wir mal jedes zweites Jahr weg. Auch ist so ein Nullpunkt nicht hübsch, vielleicht senken wir das ganze noch etwas ab um einen dramatischeren Effekt zu erhalten.

svpgraph2.PNG

Sieht doch schon besser aus. Vielleicht sollten wir das ganze noch etwas zusammenstauchen. Damit man wirklich sieht wie Steil dieser Trend ist.

svpgraph3.PNG

Nun zittert ihr schon vor all den Ausländern die da naturalisiert werden?

Woher die tiefre Zahl für das Jahr 1991 kommt blieb mir ein Rätsel. Aber ich bin mir sicher, die SVP hat sie mit gutem Grund tiefer angesetzt als die eigentliche Zahl. Der Trend wird dadurch auf jeden Fall noch steiler. Auch warum bei der SVP die Stadt Luzern plötzlich 12’000 Einwohner weniger hat, bleibt unklar aber was sind schon 22% Rundungsdifferenz. Auf jeden Fall ist die Behauptung, dass jährlich so viele Einbürgerungen stattfinden würden, wie die Stadt Luzern Einwohner hätte, schon darum zweifelhaft, weil sie sich auf nur ein einziges Spitzenjahr bezieht (und nicht mal das scheint dieser Zahl zu entsprechen).

Noch fragen? Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Schweizer Stimmbevölkerung sich nicht von solchen Zahlen über den Tisch ziehen lässt. Ich befürchte, dass sowieso nur den Zahlen geglaubt wird, die bestätigen, was man ohnehin schon zu wissen glaubt.

Kommentare (13)

  1. #1 student_b
    Mai 30, 2008

    Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Schweizer Stimmbevölkerung sich nicht von solchen Zahlen über den Tisch ziehen lässt.

    Tja…

    Ich befürchte, dass sowieso nur den Zahlen geglaubt wird, die bestätigen, was man ohnehin schon zu wissen glaubt.

    Ah, du hast es eigentlich schon selbst beantwortet. 😉

    ————–

    Der Witz an der ganzen Sache ist ja, dass die Argumente der Befürworter dieser Initiative nur am Rande mit der Initiative selbst zu tun hat.

    Kurz gesagt, einige Gemeinden (relativ wenige) hatten früher per Gemeindeversammlung (und afaik auch per Urnenabstimmung) über Einbürgerungen entschieden. Da dies natürlich auch zu diskriminierenden Entscheidungen führte, wurde dies 2003 vom Bundesgericht untersagt.

    D.h. dass Entscheidungen begründet werden müssen und eine Rekursmöglichkeit gegeben sein muss.

    Zurück zu den Argumenten der Befürworter. Was hat die Anzahl der eingebürgerten Ausländer damit zu tun, ob Urnenabstimmungen über Einbürgerungen erlaubt sein sollen, oder nicht?

    Direkt nichts, indirekt natürlich schon. Das Argument der Demokratie wird von den Befürwortern dazu genutzt, um über ihre wahre Ideologie (Ausländerfeindlichkeit, rel. Intoleranz, Willkürherrschaft) wegzutäuschen. Nur, die Argumente die in Leserbriefen und eben solchen Inseraten gebracht werden, zeigen deutlich die Stossrichtung unser Pseudonationalisten (für Pseudo, siehe Aktenvernichtung).

    Aber zum Glück ist nur eine Minderheit verblendet genug, um diesmal auf deren durchsichtigen Argumente reinzufallen.

  2. #2 Andylee
    Mai 31, 2008

    “Aber zum Glück ist nur eine Minderheit verblendet genug, um diesmal auf deren durchsichtigen Argumente reinzufallen.”

    Sorry, ich bin Österreicher und war bis zur letzten bundesweiten Wahl der Schweiz ein großer Verfechter der Schweiz-Bewunderung hier in meinem Bekanntenkreis (trotz völliger Unkenntnis der Schweiz).
    Als die SVP dann gewann, begann ich meine tiefe Unkenntnis zu bereinigen und beschäftige mich seitdem regelmäßig mit Politik und Politikgeschichte in der Schweiz.

    Ich sehe in der Schweiz irgendwie nur wenig Chance, dass sich wirklich eine Mehrheit gegen einen SVP-Vorschlag findet.

    Obwohl ich diese Abspaltung einer ganzen Kartongruppe von der SVP sehr interessiert beobachtet habe (diese wurde angeblich von 2 anderen Kantonen noch unterstützt, müsste den Artikel jetzt suchen).

    (gibt es hierzu auch einen Artikel, ich finde keinen) 🙂

  3. #3 ali
    Mai 31, 2008

    @student_b
    Grundsätzlich gehe ich mit dir einig, das die meisten Argumente die man im Abstimmungskampf hört, von einer beträchtlichen Ignoranz betreffend des eigentlichen Themas zeugen und von einem fundamentalistischen Demokratieverständnis geprägt sind. Ich glaube auch das es stimmt, dass die meisten Argumente einen latenten Rassismus ansprechen.

    Ich verstehe aber schon den Zusammenhang den die SVP zwischen Einbürgerungszahlen und Art der Prozeduren sieht. Mit ihrem Misstrauen gegenüber dem Staat geht die SVP davon aus, das ein Urnenentscheid strenger ist als ein Behördenentscheid (sie spricht nie von Gemeindeverammlungen, die vom Bundesgerichtsentscheid ja nicht tangiert waren und von denen ich glaube, dass sie weniger ein Problem darstellen als eine geheime und anonyme Wahl). Da eine Stimmenmehrheit ein absoluter Wert zu sein scheint, werden Willkür oder prozedurale Rechte gar nicht in die Gleichung miteinbezogen.

    @Andylee
    Das verrückte ist, es finden sich meistens Mehrheiten gegen solche SVP Initiativen (und auch dieses Mal stehen die Chancen gut). Die SVP hat es bisher einfach immer geschafft, die Diskurshoheit über die Interpretation zu behalten. Gewinnt sie ist sowieso alles klar, verliert sie heisst es dann, das Resultat sie erstaunlich knapp gewesen für das sie alleine gegen alle kämpfen musste und man müsse nun schon ihre Anliegen aufnehmen. Leider wird das dann nachgeplappert. Gibt es ein Konflikt mit dem Völkerrecht, kann die SVP von ‘fremden Richtern’ und einer ‘nicht-Umsetzung des Volkswillens’ schwafeln. Wird die Initiative deswegen abgelehnt oder nicht Umgesetzt, kann sie sich als einsame Kämpferin gegen die politische Klasse profilieren. Sie kann so nur gewinnen bei ihrer Klientel.

  4. #4 Andylee
    Mai 31, 2008

    Nun, das ist sehr schön, wenn die Abstimmung gegen die SVP verläuft.

    Diese Abkapslung eines Kantonzweiges (war das Glarus oder so?) von der SVP, ist das jetzt Fakt?

    Sorry, ich weiche vom Thema ab, aber ich finde einfach keine weiterführende Info dazu 🙁

  5. #5 ali
    Mai 31, 2008

    @Andylee
    Soeben auf nzz online rausgekommen.

  6. #6 student_b
    Juni 1, 2008

    Ich sollte vielleicht mein Argument, bezüglich des Zusammenhanges der Initiative und der Argumente der Befürworter, noch etwas genauer erläutern.

    Wenn die SVP aus Misstrauen gegenüber dem Staat, die Einbürgerungen vors Volk bringen möchte, wieso hatte sie denn als solche noch erlaubt waren, nicht dafür gekämpft, dass mehr Gemeinden solche einführten? (Ok, rhetorische Frage. 😉 )

    Es ist ja nicht so, dass mehr als eine handvoll Gemeinden solche Arten von Einbürgerungen überhaupt noch durchgeführt hatten.

    Imho geht es der SVP hier wiederum nur um den propagandistischen Erfolg. Genau wie gewissen FDPlern bei der Verbandsbeschwerdeinitiative.

    Es geht gar nicht darum, an den eigentlichen Missständen etwas zu ändern, dies würde ja die Grundlagen des eigenen Erfolges unterlaufen. Und das ist es was mich so nervt.

    Diese Initiative ist ein absolut untauglicher Lösungsansatz für ein total überbauschtes Problem. Sie würde an dem suggerierten Problem ja höchstens im Promillebereich was ändern. Und das einzige was man von den Befürwortern hört und liest, ist deren Mantra-mässiges, das Volk hat immer Recht und Zu viele Ausländer, Jugendkriminalität, Muslime, Existenzangst, die Schweiz wird untergehen, rargh!

    ….

    Ok, ich verstehe dein Argument schon, weshalb solche Argumente für die Initiative gebracht werden. Aber das ganze ist so etwas von unkonsequent. Naja… politik halt. :&

    Naja, wie auch immer. In ein paar Stunden gehe ich stimmen auszählen und freue mich darauf, in meinem von der SVP dominierten Dorf ca. 75% Ja stimmen anzutreffen. 😉

  7. #7 ali
    Juni 1, 2008

    @student_b

    In ein paar Stunden gehe ich stimmen auszählen

    Ich habe das während über acht Jahren in einem ebenfalls rechts dominierten Dorf gemacht. Ich fand immer, dass es einem einen guten Einblick in das Stimmverhalten dieser Gruppen gibt (erstaunlich wie viele zum Beispiel bei Stichfragen überfordert sind oder wie stramm unveränderte Listen gewählt werden).

    Dann möchte ich auch etwas präzisieren: Ich glaube sehr gut verstanden zu haben was du meintest und ich bin auch völlig einverstanden. Ich wollte mit meiner Antwort vor allem erwähnen, dass im Nachhinein ein Zusammenhang zwischen Einbürgerungszahlen und dem vermeintlichen Ziel der Initiative konstruiert werden kann (wir scheinen uns also völlig einig zu sein). Wie ich schon im Kommentar zu Andylee geschrieben habe, die SVP kann mit solchen Vorlagen nur gewinnen (stell dir vor die Initiative kommt durch und ein Fall wird dann von Strassbourg kassiert…). Vermutlich sind die Strategien häufig mit einer Ablehnung fast noch glücklicher, weil so können sie ihre Underdog Rolle weiterspielen.

  8. #8 Andylee
    Juni 1, 2008

    wunderbar, danke Ali!

  9. #9 ali
    Juni 1, 2008

    @alle die es interessiert

    Das Verdikt war ein vernichtendes, nichts an Klarheit zu wünschen übriglassendes NEIN zur unsäglichen Initiative.

    @Andylee und off topic

    Parteiausschluss der Bündner Sektion wurde vom Zentralvorstand gutgeheissen

  10. #10 student_b
    Juni 1, 2008

    @ali

    Mea culpa. Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil. 🙂

    Habe dich wohl falsch verstanden, war etwas übermüdet als ich deinen Beitrag gelesen habe. Stimme mit dir also total überein.

    ——————–

    Aber wie auch immer.

    Freude herrscht, um einen alt-Bundesrat zu zitieren. 😉

    Ein interessantes Detail ist mir bei den heutigen Berichten über den Abstimmungskampf aufgefallen. Angeblich sollen die Befürworter der Initiative über 10 Millionen SFr. in Inserate und Plakate investiert haben. Mir erscheint diese Summe absurd hoch. Hat irgendjemand vielleicht nähere Angaben dazu? (Habe mit einem kurzen googlen nichts gefunden.)

  11. #11 ali
    Juni 1, 2008

    @student_b
    Das klingt wirklich nach sehr viel. Normalerweise sagt man kostet eine vernünftige Kampagne 1 Million. Werde später mich auch mal auf die Suche machen.

    P.S.: Du scheinst ja gut gezählt zu haben.

  12. #12 Lateinjunkie09
    Mai 16, 2017

    Mea lupo!!!

  13. #13 MBT soldes
    https://www.mbt-france.com/mbt-chaussures-hommes-c-4.html
    April 23, 2019

    Wie mit Zahlen im Abstimmungskampf manipuliert wird – zoon politikon
    MBT soldes https://www.mbt-france.com/mbt-chaussures-hommes-c-4.html