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Der gestrige NATO Gipfel wurde in den Medien breit abgedeckt. Mir fiel auf wie verschieden die Schlagzeilen ausgefallen sind und wie unterschiedlich die Schwerpunkte in der Berichterstattung waren. War es nun ein Sieg für Russland, eine Niederlage für Bush, beides oder umgekehrt?

Das verwirrliche ist wohl, dass so viel beschlossen wurde. Daher hier ein kommentierter Überblick (wer sich nur für die grosse Frage interessiert, kann die folgenden Details überspringen):

  • Georgien und die Ukraine erhielten keine Aufwertung von ‘intensiviertem Dialog’ zu einem ‘Membership Action Plan’ (MAP) nicht zuletzt aufgrund des Widerstandes Deutschlands. Putin hat es bestimmt gefreut, Bush hat sich stark dafür eingesetzt und deshalb muss dieser Entscheid wohl als Niederlage für ihn gewertet werden. Der Entscheid überrascht wenig. Ich vermutete schon seit längerem, dass die Europäer wenig Interesse haben, ein Land mit ungelösten Territorialkonflikten mit der zweitgrössten Atommacht in ein militärisches Bündnis aufzunehmen. Im Konfliktfall müssten sie zwischen Glaubwürdigkeit und Krieg mit Russland wählen. Beides keine verlockenden Optionen. Vor allem für den Präsidenten Georgiens ist das ein Schlag ins Gesicht, da er viel politisches Kapital in ein MAP für Georgien investierte. Man versprach jedoch, im Dezember erneut über die beiden Länder zu diskutieren.
  • Mit Albanien und Kroatien werden Mitgliedschaftsgespräche aufgenommen. Ein Trostpflaster für die USA. Dieser US Erfolg wird getrübt von einer Absage an Mazedonien dessen Mitgliedschaft von Griechenland blockiert wird (diese skurrile griechische Obsession soll ein anderes mal hier diskutiert werden).
  • Die Franzosen sind näher an die USA gerückt und haben sich von ihrer traditionellen US-Skepsis entfernt. Sarkozy zeigte sich bereit die französischen Truppen für Afghanistan zu erhöhen und signalisierte eine Rückkehr Frankreichs in die integrierte Kommandostruktur der NATO. Ein nicht unbedeutender Schritt. Frankreich verliess diese 1966 unter DeGaulle aus Protest gegen die empfundene US Dominanz. Sarkozy bewies somit seine US-Freundlichkeit, die ihn von allen seinen Vorgängern abhebt. Wohl im Gegenzug akzeptierten die USA eine grössere Kooperation in Verteidigungsfragen innerhalb der EU.
  • Auch Bush ging nicht leer aus. Die NATO anerkannte die “substantial contribution” des Raketenschirms für mehr Sicherheit (über das Star Wars Projekt habe ich schon früher gepostet). Diese Kehrtwende wurde vermutlich gemacht weil man sich von den US Versicherungen hat überzeugen lassen, dass Russland eingebunden werden soll (sofern erwünscht). Der ‘On-Schalter’ des Schutzschirmes soll nur gekippt werden, wenn eine konkrete (iranische) Bedrohung festgestellt wird. Somit ist der Ball wieder bei Putin respektive Medvedev.

Zusammenfassend ging es also vor allem um eines: Die NATO Staaten versuchen ihr Verhältnis zu einem erstarkenden (1) und selbstbewusster auftrendenden Russland zu definieren. Die Westeuropäer sind wesentlich vorsichtiger als die Amerikaner, Russland nicht auf die Füsse zu treten (was nicht heissen soll, die Amerikaner würden die Konfrontation suchen). Die ehemaligen Sowjetstaaten und das ‘Neue Europa’ (2) hingegen nehmen es als eine Frage des nackten Überlebens wahr. Für sie kommt die Bedrohung definitiv aus dem Osten.

(1) Nicht zuletzt wegen sprudelnden Öl und Gaseinkommen.
(2) Man möge mir diese Rumsfeld-Referenz verzeihen.