“Weiterbildungen zum ‘Antragsschreiben’ gibt es jede Menge, aber was ist mit der Vermarktung und Sichtbarmachung von Wissenschaft?” Diese Frage wirft Jason Hoyt auf, Forschungsleiter bei Mendeley.

Kürzlich argumentierte Jason in einem Workshop, dass Publizieren allein — wie wir es sozusagen seit Jahrhunderten im Wissenschaftssystem perfektioniert haben — nicht mehr reiche. Ganz im Sinne von ‘Open Science’ plädiert er für:

  • Selbstvermarktung und
  • Selbst-Archivierung (insbesondere von Pre-Prints) bis hin zur
  • Suchmaschinenoptimierung für die ‘academia’
    (mehr dazu bei Beel et al. 2010: “ASEO — Optimsing Scholarly Literature…”. In: Journal of Scholarly Publishing.)

Bei der Suchmaschinenoptimierung sollen sich Wissenschaftler vor allem an folgenden Aggregatoren orientieren:

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Abgesehen von der (durchaus berechtigten) Eigenwerbung für sein Unternehmen Mendeley und dem allseits bekannten ‘Google Scholar‘ sollte man demnach vor allem ‘SciVerse‘.

Wer als Wissenschaftler besser verstehen will, wie bei diesen Aggregatoren die Algorithmen zur automatischen Impact-Bewertung funktionieren, dem sei die folgende Präsentation empfohlen: Hoyt, Jason (2011): Market or perish – Academic SEO

Jason zufolge wird beispielsweise bei Google die Anzahl der Zitationen überbewertet. Veröffentlichungen mit Abstracts oder gar indizierbarem Volltext werden demnach höher bewertet.

Die ethische Grenze der Selbstvermarktung und Suchmaschinenoptimierung für Wissenschaftler dürfe natürlich auch nicht aus den Augen verloren werden, so Jason.

Und an dieser Stelle übrigens schon einmal der Hinweis: Zu diesem Thema wird es am 8. Juni in Berlin einen Workshop geben (“Die Scientific Community im Web 2.0” — Arbeitstitel). Mehr Infos hier in Kürze.

ScienceBlogs-Kollege und Wirtschaftsinformatiker Christian Reinboth hatte vor gut einem Jahr zu ASEO bereits einen Beitrag geschrieben. Die Chance auf größerer Sichtbarkeit bedeutet aus seiner Sicht nicht nur die eine Chance auf Referenzen, sondern auch den Vernetzungsgedanken führt er an: “interessante Kontakte und nicht zuletzt auch akademisches Prestige”. Reinboth führt aber ebenso diverse kritische Aspekte an, und auch die anschließende Diskussion in seinem Blog ist hochinteressant.

Kommentare (21)

  1. #1 tschill
    14. Mai 2011

    Brechreizerregend, diese Entwicklung. Kein Wunder, daß die Wissenschaftsgemeinschaft heute von Selbstdarstellern und Marketingexperten dominiert wird, die Networking über Erkenntnisdrang stellen.

  2. #2 Alexander Gerber
    14. Mai 2011

    @tschill: …nur ist der zunehmende Wettbewerb um Fördermittel (oder allgemein um “politische Aufmerksamkeit”) längst eine Tatsache, der sich Institutionen und einzelne Wissenschaftler stellen müssen, um nicht Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Sprich: Wer sich als Forscher nicht mit der SEO seiner eigenen Publikationen beschäftigt, bekommt dies unmittelbar durch schlechtere Positionen in Rankings quittiert. Vielleicht ist es ja auch Zeit für eine (sicherlich und unbedingt wohlüberlegte) Weiterentwicklung des tradierten Peer-Reviewing-Apparats. Open Access ist ja ein erster Schritt. Und fördern Plattformen wie Mendeley, Connotea u.a.m. nicht auch die Vernetzung innerhalb der scientific community — und somit auch interdisziplinäre Ansätze?

  3. #3 schnablo
    14. Mai 2011

    “schlechtere Positionen in Rankings” – was koennte uns Schlimmeres widerfahren.

  4. #4 Christian Reinboth
    14. Mai 2011

    Die“Optimierung” wissenschaftlicher Artikel für Google Scholar hatte mich hier im Blog ja auch schon einmal beschäftigt – und auch wenn ich mich selbst grundsätzlich immer darum bemühe, dass die Artikel aus unserem Institut auch in Google Scholar oder SciPlore gefunden werden können, bin ich doch nach wie vor gegen Optimierung im SEO-Sinn. ASEO – nicht aber die elektronische Bereitstellung von Artikel, die natürlich wünschenswert ist, ist eine “slippery slope” und birgt erkennbare Risiken für die overall quality des wissenschaftlichen Publikationswesens…

  5. #5 Alexander Gerber
    15. Mai 2011

    Danke für den Hinweis, lieber Kollege Reinboth, den Beitrag hatte ich gar nicht mitbekommen; habe einen Verweis darauf gleich noch oben eingefügt.

    Ich stelle mir halt die Frage, ob die Debatte über die Legitimität bestimmter ASEO-Maßnahmen nicht doch nur eine rein akademische ist bzw. längst von der Realität überholt wurde. Heute würde ja auch keiner mehr auf die Idee kommen, auf der Instituts-Webseite bewusst ein grottiges Design und eine lästige Usability zuzulassen, die möglicherweise Kooperationspartner, Projektträger, Zuwendungsgeber ins Grübeln bringt oder gar potenzielle Drittmittelpartner abschreckt, die gewisse Mindeststandards im Web gewöhnt sind. Wenn es also um Sichtbarkeit geht und wenn vereinzelte Forscher bereits den Dreh raus haben, wie sie bei Suchanfragen in den Aggregatoren 20 Plätze weiter vorne auftauchen, ja dies sogar bereits beim Verfassen und Einpflegen des Papers berücksichtigen (Terminologie des Abstracts, Metadaten u.a.m.), dann sind wir doch längst über den Punkt hinaus, über die Sinnhaftigkeit dieser Entwicklung zu debattieren (denn wer könnte dies ernsthaft noch regulieren?) und müssten vielmehr überlegen, wie wir durch systematisches, breit angelegtes “Upskilling” der Wissenschaftler einen ausgeglicheneren und faireren Wettbewerb um Sichtbarkeit wiederherstellen. Or not? ;-)

  6. #6 Dr. Webbaer
    15. Mai 2011

    Die Sache scheint in der Tat – wie Mutti auch sagen würde – alternativlos, weil regulativ nicht viel zu machen ist bzw. regulativ der allgemeine Mehrwert noch stärker in Frage gestellt wäre.

    Streichen Sie das “noch” im letzten Satz und man ist bei einer Chance, die sich den Publizierenden bietet. Immerhin ist der diesbezügliche Wettbewerb offen und “gerecht”, wenn man mal dieses Wort im Zusammenhang mit den Märkten verwenden darf.

    Vermutlich hält sich der diesbezügliche Publikationsaufwand (“ASEO”) auch in günstigen Grenzen den Gesamtaufwand betreffend. – Zynisch ist das Ganze aber schon “ein wenig”, höhö.

    Frage: Wie stark wirkt sich das ASEO-Tuning des Publizierenden verglichen mit anderen ASEO-Parametern (bspw. die allgemeine Relevanz (gegenseitiges Referenzieren und “Credibility” des Autoren) betreffend) aus? Eher geringfügig?

    MFG
    Dr. Webbaer

  7. #7 Christian Reinboth
    15. Mai 2011

    @Alexander Gerber:

    Wenn es also um Sichtbarkeit geht und wenn vereinzelte Forscher bereits den Dreh raus haben, wie sie bei Suchanfragen in den Aggregatoren 20 Plätze weiter vorne auftauchen, ja dies sogar bereits beim Verfassen und Einpflegen des Papers berücksichtigen (Terminologie des Abstracts, Metadaten u.a.m.), dann sind wir doch längst über den Punkt hinaus, über die Sinnhaftigkeit dieser Entwicklung zu debattieren (denn wer könnte dies ernsthaft noch regulieren?) und müssten vielmehr überlegen, wie wir durch systematisches, breit angelegtes “Upskilling” der Wissenschaftler einen ausgeglicheneren und faireren Wettbewerb um Sichtbarkeit wiederherstellen. Or not? ;-)

    Wenn es um die Anpassung von Abstracts oder Titeln geht plädiere ich eher für ein “or not”, nicht zuletzt deshalb, weil Suchmaschinenoptimierung mit fragwürdigen Mitteln auch den gegenteiligen Effekt dessen hervorbringen kann, was man damit eigentlich beabsichtigt. Sehen Sie es mal aus der Geschäftsmodell-Perspektive: Das Geschäftsmodell des Betreibers einer akademischen Suchmaschine besteht darin, das inhaltlich bestmögliche Ergebnis auf eine Suchanfrage auszugeben – denn nur wer Qualität in den Suchergebnissen halten kann, kann langfristig Nutzer binden. Wenn nun mit Hilfe von ASEO weniger relevante oder interessante Paper irgendwann in den Ergebnissen dominieren, muss der Betreiber entsprechende Techniken notgedrungen abstrafen. Im täglichen Kampf kommerzieller Webseiten ist das kein so großes Problem, da deren Inhalte immer wieder modifiziert werden können – ganz im Gegensatz zu wissenschaftlichen Publikationen, die sich nachträglich nicht ändern lassen, so dass ein einmal “abgestraftes” Paper vermutlich dauerhaft im Orkus verschwinden würde…

  8. #8 Sebastian R.
    15. Mai 2011

    Ich finde es immer wieder schön über das Thema “Publizieren” auf Wissenschaftsblogs zu lesen, da mittlerweile allgemein bekannt sein sollte, dass der Bekanntheitsfaktor eine keine so geringe Rolle in der Wissenschaft spielt. Zu diesem Thema wurde vor Kurzem eine erste Studie (How Citation Boosts Promote Scientific Paradigm Shifts and Nobel Prizes) veröffentlicht, die tatsächlich beweist, dass Paper von bekannteren Wissenschaftlern öfter zitiert und diese somit u.a. besser finanziell gefördert werden. Der Wissenschaftsbetrieb besteht heutzutage eben nicht mehr nur aus reinem Forschen&Veröffentlichen, sondern auch aus eigener Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit. Das finde ich keinesfalls abwägig, solange der betreffende Wissenschaftler auch wirklich gute Arbeit leistet und dadurch Wissenschaftskommunikation betrieben wird.

  9. #9 Dr. Webbaer
    15. Mai 2011

    @Christian Reinboth
    Ihr Vorschlag ist nicht praktikabel. Denn der Suchmaschinenbetreiber ist nicht dafür da “abzustrafen”. [1] – Aber ganz bemerkenswert Ihre Denkweise.

    Er kann natürlich an der Relevanz ein wenig “finetunen”, also was einzelne Papers betrifft, aber gerade das scheint ethisch höchst problematisch. – Man stelle sich die öffentliche Diskussion vor, wenn’s rauskommt. Zudem das interne Erpressungspotential, das so auf Seiten des Betreibers entstehen könnte…

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] Zudem könnte das Exploiten seiner Algorithmen ihm selbst zugerechnet werden. Waren diese vielleicht nicht ausgefeilt genug? Sind diese publik geworden? – Dass der Suchmaschinenbetreiber ein originäres Interesse haben muss die Qualität der Suche hoch zu halten, ist immerhin erkannt worden…

  10. #10 Christian Reinboth
    16. Mai 2011

    @Webbaer: Natürlich ist “Abstrafen” keine Kernaufgabe eines Suchmaschinenbetreibers – sehr wohl aber das Liefern gehaltvoller Suchergebnisse, was wiederum die Entfernung von Einträgen voraussetzt, die sich fragwürdiger Methoden bedienen um gut gelistet zu werden. Zur Manipulation des Google-Algorithmus waren etwa lange Zeit “unsichtbare” Texteinträge auf Webseiten (z.B. weiße Schrift auf weißem Grund), sogenannter “hidden text” beliebt, mittlerweile kann Google solche Seiten jedoch ganz gut filtern.

    Zudem könnte das Exploiten seiner Algorithmen ihm selbst zugerechnet werden. Waren diese vielleicht nicht ausgefeilt genug? Sind diese publik geworden?

    Allein die Tatsache, dass Google ein eigenes Formular nur für die Meldung von Webseiten vorhält, die auf entsprechende Exploits setzen, scheint mir ein starkes Indiz für die Annahme zu sein, dass Suchmaschinenbetreiber per se kein Problem damit haben einzuräumen, dass Manipulationen möglich sind. Und warum sollten sie auch?

  11. #11 Alexander Gerber
    16. Mai 2011

    @Christian Reinboth: Indeed, das ist sozusagen “systemimmanent”.
    ;-)
    Aber nochmals die Frage: Wenn SEO nun auch auf die Wissenschaft übergreift (und es eigentlich ja schon längst hat), wie können wir dann gewisse Grundkenntnisse dazu gewährleisten? Muss “elektronisches Publizieren” (Entwicklungen wie OpenAccess, OpenScience, Techniken wie Metadaten und SocialMedia…) zu einem Pflicht-Tutorium für Doktoranden werden? Nur dann wäre ja wieder halbwegs “Waffengleichheit” hergestellt.

  12. #12 Dr. Webbaer
    16. Mai 2011

    @Reinboth
    “Fragwürdige Methoden” sind leider erst einmal undefiniert. ITler sind sich übrigens grundsätzlich darüber einig, dass Systeme von manuellen Eingriffen weitgehend freizuhalten sind. Man setzt üblicherweise Rahmenbedingungen und geht nicht in den einzelnen Datensatz. – Übrigens gilt diese Regel (eine der wichtigeren Regeln :-) auch für IT-fremde Systeme, bestimmte Politiker kriegen es diesbezüglich auch nicht gebacken…

    Ihr “starkes Indiz” ist wahrscheinlich zu einem Großteil dem “alten Trick” geschuldet Proxyinhalte (“Scheininhalte”) aufzubauen, um über verstärktes Verweisen in der Google-Relevanz aufzusteigen. – Hier hilft in der Tat zuverlässig nur der manuelle Eingriff. Der Schreiber dieser Zeilen kann sich ein ähnliches Vorgehen bei den wissenschaftlichen Publikationen aber im Moment nicht vorstellen, LOL.

    @Gerber
    Sie dürfen gerne noch ein paar Zeilen zur Frage, ob ASEO-Finetuning auch effizient ist und ggf. wie effizient, schreiben. – Sofern dies konveniert.

    MFG
    Dr. Webbaer

  13. #13 Christian Reinboth
    17. Mai 2011

    Der Schreiber dieser Zeilen kann sich ein ähnliches Vorgehen bei den wissenschaftlichen Publikationen aber im Moment nicht vorstellen, LOL.

    Auch bei wissenschaftlichen Artikeln gibt es in der Regel ein Keyword-Feld, dass man zumüllen könnte. In Jöran Beel, Bela Gipp, & Erik Wilde (2010). Academic Search Engine Optimization (ASEO): Optimizing Scholarly Literature for Google Scholar and Co. Journal of Scholarly Publishing, 41 (2), 176-190 : 10.3138/jsp.41.2.176 wird z.B. angedeutet, dass man ältere Artikel in neuer, “optimierter” Fassung auf der eigenen Webseite veröffentlichen knnte, Google Scholar Artikel mit gleichem Titel gemeinsam indiziert und ältere Artikel auf diese Weise für Suchbegriffe gefunden werden können, die darin eigentlich gar nicht auftauchen…

  14. #14 Dr. Webbaer
    19. Mai 2011

    @Reinboth
    Gemeint war das Einstellen von Scheininhalten, die verweisend die Relevanz einer bestimmten Publikation erhöhen. So kann man Google&Friends gut täuschen.

    Bei wissenschaftlichen Publikationen kann so ein Vorgehen aber fast ausgeschlossen werden.

    Das “Zumüllen” der Metadaten einer Publikation dagegen sollte von einer Suchmaschine erkannt werden und fürs Ranking folgenlos bleiben.

    Jedenfalls für die verweisende Publikation, nicht aber für die verwiesene. – Sie sehen also diesbezügliche Versuche “Partnerpublikationen” zu pushen? Hmm, dafür hat man dann in der Tat ein Meldeformular.

    Aber nüscht spricht dagegen die Publizierenden an ihre Auszeichnungspflicht zu erinnern und zu trainieren?!

    MFG
    Dr. Webbaer

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