“Wir müssen zeigen, wie Wissenschaft eigentlich geht”, sagt Prof. Wolfgang Heckl und legt damit den Finger in eine der tiefsten Wunden der deutschen Wissenschaftskommunikation. Denn während es noch halbwegs gelingt, Forschungsergebnisse und wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeiten wissenschaftlicher Erkenntnisse zu vermitteln, wird in Medien und PR noch viel zu selten der eigentliche Prozess des “Wissenschaffens” deutlich. Sozusagen Wissenschaft als Kulturleistung. Und gleiches gilt auch für die Mechanismen eines Innovationsprozesses, die meist völlig im Dunkeln bleiben, weil Innovation medial auf Produkt-Features oder Funktionsweisen verengt wird. Selbstkritisch geben dies 80 Prozent aller befragten Wissenschaftskommunikatoren in der dieser Tage vorgestellten Trendstudie (wk-trends.de) zu.

i-d895b09a04449c891ed2f593ae34657e-einsbaer_einsam.jpg


Es ist dieses “Science in the Making”, wie es Prof. Heckl nennt, das wir in PR und Medien nur unzureichend schaffen zu vermitteln. Immer verweisen Kommunikationsforscher darauf, dass der Schlüssel zum Verständnis moderner “Wissenschaft” darin liege, auch deren Abläufe und Arbeitsweisen zu verstehen – zu erfahren, wie bereichernd es sein kann, jahrelang auf die Lösung eines bestimmten Problems hinzuarbeiten, auch auf die Gefahr hin, dabei zum allgemein unverstandenen Fachmann unter Fachleuten zu werden. Noch einmal Heckl: “Der Prozess ist der Weg, und der Weg ist interessanter als das Reiseziel.” Gehen wir also besser schon mal an den Start!

Die Notwendigkeit, neue Wege in der Kommunikation zu gehen, wird immer mehr Wissenschafts-Journalisten und -PR-Kollegen bewusst, was natürlich durchaus auch Verunsicherung schafft. So haben beispielsweise durch die Bank alle herkömmlichen Wissenschaftstitel zuletzt massiv an verkaufter Auflage eingebüßt – meist zwischen 20 und 40 Prozent in den letzten zehn Jahren, “Tomorrow” in diesem Zeitraum sogar “finale” 83 Prozent. Da hat sich das Flaggschiff “Bild der Wissenschaft” mit einem Minus von “nur” zehn Prozent geradezu bravourös geschlagen. Auf der anderen Seite kommt ein Blogportal wie scienceblogs.de inzwischen auf 300.000 Leser – das ist mehr als Bild der Wissenschaft, Spektrum der Wissenschaft und Technology Review zusammengenommen in verkaufter Printauflage. Was also geschieht hier?

Die Veränderungen gehen weit über die Frage hinaus, ob nun durch “Social Media” eine Reduzierung der Wissenschaft auf 140 Zeichen drohe oder nicht. Was sich vielmehr abzeichnet – gerade auch durch die neuen interaktiven Medien und Formate – ist der von vielen seit langem geforderte, vertrauensbildende Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Und auch hier ist für viele Umdenken gefragt. Zuhören nämlich. Antworten geben. Noch dazu auf Augenhöhe! Die Chance liegt darin, neben einem “Public Understanding of Science” auch zu einem “Scientist’s understanding of the Public” zu finden.

HINTERGRUND:
Mit insgesamt 326 Teilnehmern ist soeben die Branchenumfrage im Rahmen der 1. Trendstudie zur Wissenschaftskommunikation in Deutschland (wk-trends.de) zu Ende gegangen. Wichtige Problemstellungen wurden identifiziert und zukünftige Trends aufgezeigt.
Jetzt soll im nächsten Schritt die (noch laufende) Delphi-Studie (75 renommierte Experten) Antworten darauf geben, wo die Ursachen und Lösungsansätze für die beschriebenen Probleme in der Wissenschaftskommunikation liegen und wie sich die skizzierten Trends aktiv gestalten lassen.

Die Folien zur ersten Ergebnis-Präsentation (Forum Wissenschaftskommunikation, WiD in Berlin) mit einer ganzen Reihe zusätzlicher Daten sind jetzt online (Slideshare) >> https://www.slideshare.net/AlexanderGerber/gerber-wk-trends-2009-umfrage.

Weitere Informationen: https://www.wk-trends.de

Kommentare (6)

  1. #1 Marcus Anhäuser
    3. Dezember 2009

    Ich sag mal so: Um Prozesse zu erklären, wie das ganze Ding funktioniert, braucht es für die Recherche meist noch mehr Zeit, als für die kompetente Ergebnisberichterstattung. Ich hab ja gerade mit dem Labortagebuch versucht, mal einen anderen Weg weg von den Ergebnissen zu suchen, zu erklären, wo und wie die Leute arbeiten. Sechs Wochen, das bezahlt kein Mensch, zumindest keine Redaktion, das ging nur mit dem Stipendiengeld.

    Wenn diejenigen sagen, dass Prozesse erklärt werden sollen (bin ich sehr für zu haben), dann erklärt bitte erst wie ihr es finanzieren wollt.

    https://www.scienceblogs.de/labortagebuch/

  2. #2 Marc Scheloske
    5. Dezember 2009

    @Marcus:

    Du hast natürlich vollkommen recht. Es ist schizophren einerseits allerorten Einsparungen vorzunehmen (Redaktionen werden eingedampft, Honorar für Freie gekürzt), andererseits einen pfiffigen, unkonventionellen und unbedingt arbeitsaufwendigen Journalismus zu fordern, der die Wissenschaft als Prozeß in den Blick rückt.

    Dennnoch darf man sich ja bestimmte Dinge wünschen. ;-)

    Und Dein Labortagebuch kam mir als allererstes in den Sinn, als ich in Berlin war (ich war selbst auf dem Forum Wissenschaftskommunikation, wo die Forderung erhoben wurde).

  3. #3 Florian Freistetter
    5. Dezember 2009

    Sowas wie das Labortagebuch sollte fast schon Standard sein…

    Wenn man z.B. die Astronomie in Deutschland nimmt, dann wäre es wohl für einen Blogger gerade noch schaffbar, alle relevabten und interessanten Entwicklungen zu verbloggen, die sich astronomisch in Deutschland tun. Und finanziell wäre eine einzige Stelle; geteilt durch alle astronomischen Institute durchaus finanzierbar. Aber realisiert werden wird sowas wohl mit großer Wahrscheinlichkeit nicht… Obwohls durchaus mal gut wäre, was anderes in der Öffentlichkeitsarbeit; abseits der klassischen Pressemeldung auszuprobieren.

  4. #4 Alexander Gerber
    6. Dezember 2009

    > …eine einzige Stelle, geteilt durch alle astronomischen Institute, durchaus finanzierbar.

    Es wird wohl wirklich neue Organisationsmodelle brauchen, das denke ich auch, und zwar nicht nur fürs Blogging. Verschiebt sich die Wissenschaftskommunikation tatsächlich nachhaltig von der klassischen PR in Richtung Social Media, dann ist ja auch ein systematisches Monitoring gefragt; Forschungseinrichtungen müssen sich mit Fragen zu Social Media Policies für ihre Wissenschaftler auseinandersetzen; diverse weitere Plattformen wollen bedient werden — Microbloggingdienste, Slideshare, Wikis, CosmIQ / FAQs u.v.m.
    Da kann das Modell “eine Stelle für alle Fakultäten bzw. eine bestimmte Disziplin” durchaus eine Lösung sein. So diskutieren wir das derzeit auch bei Fraunhofer, denn eine Umsetzung aller mittelfristig erforderlichen Maßnahmen vor Ort in allen 60 Instituten kann ja nicht die Antwort sein. In Fachkreisen wird außerdem engagiert über die Einrichtung thematischer Watchblogs gesprochen…sozusagen ein „BildBlog“ für Berichterstattung über die Geo-Wissenschaften etc. — Es tut sich also viel an dieser Front.

  5. #5 Webbaer
    6. Dezember 2009

    Sozusagen Wissenschaft als Kulturleistung.

    Schöne Formulierung.
    Vermittlung, “140 Zeichen”, Vertrauen…
    Vielleicht auch in Bezug auf die Prognostik etwas vorsichtiger sein?

    MFG, WB

  6. #6 Marcus Anhäuser
    8. Dezember 2009

    @Alexander
    sozusagen ein „BildBlog“ für Berichterstattung über die Geo-Wissenschaften etc.

    das fände ich eine guten Ansatz. Warum nur Geo-Wissenschaften? Eine Anlaufstelle, die gegen Pseudowissenschaften aufklärt mit Fraunhofer-Wissenschaftlern als Experten. Aber lasst es einen Wissenschaftsjournalisten machen … ;-)