Vom Einfachen gibt es meist mehr als vom Komplizierten – das stimmt bei biologischen Organismen genauso wie bei Kulturgütern und Ideen. Vor allzu simplen Qualitätsbewertungen sollten wir uns hüten.

Wir Menschen sind der Höhepunkt der Evolution – so sehen wir uns gerne. Die gesamte Evolutionsgeschichte kann als Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen gesehen werden, und ganz am Ende dieser Entwicklung sehen wir uns selbst – ausgestattet mit einem atemberaubend komplizierten Gehirn, das uns ermöglicht, unsere Umwelt viel radikaler zu beeinflussen als das irgendeine andere Spezies dieses Planeten jemals konnte. Wir sind die Krönung der Evolution, wir sind die Lebewesen, die unsere Erde fest im Griff haben, alles andere ist Beiwerk.

Kommentare (10)

  1. #1 MartinB
    Mai 8, 2012

    “Insekten sind einfacher und weniger komplex gebaut als wir”
    Das überrascht mich. Woran machst du das fest, was ist dein Maß für “Komplexität”? Viel weniger Organe als ein Mensch hat eine Ameise meines Wissens nicht.

    “Das ist der Grund, warum Cholerabakterien häufiger sind als Pandabären und warum es mehr Fruchtfliegen gibt als Menschen.”
    Das würde ich so nicht sehen, jedenfalls nicht ausschließlich. Der Grund ist wesentlich simpler: Kleine Lebewesen sind häufiger als große, das ist einfach eine Konsequenz des Ressourcenverbrauchs. Um eine sinnvolle Prüfung deiner These zu haben, müsstest du gucken, ob bei Lebewesen bestimmter Größe mehr “einfache” oder mehr “komplexe” Individuen vorliegen.

    Dein Kernargument “Die Evolution begünstigt vor allem das wenig Komplexe” ist übrigens eins, das auch Kreationisten gern bringen.

  2. #2 Florian Aigner
    Mai 8, 2012

    @MartinB:
    Dass die Evolution zum weniger Komplexen führen würde, sage ich ja eben gerade nicht! Aber der Großteil der Biomasse wohnt nun mal in einfacheren Organismen.

  3. #3 DerPMO
    Mai 8, 2012

    Gefällt mir wieder sehr gut der Artikel!

    Dennoch muss ich MartinB da ein bisschen unterstützen, du nimmst als Komplexität als einzigen Maßstab und vernachlässigst dabei die Größe, Energie- und Platzverbrauch.

    Ah, warte mal jetzt check ich’s. Die Messgröße ist die gesamte Biomasse, nicht die Anzahl der Individuen. So ergibt das Sinn, kommt aber im Text nicht sofort rüber finde ich.

  4. #4 Florian Aigner
    Mai 8, 2012

    Es funktioniert sowohl mit Biomasse als auch mit der Anzahl –
    ich habe diesen Punkt bewusst nicht genauer behandelt: Es geht in dem Artikel ja genau darum, dass es absurd ist, einfach die Verbreitungszahl zu zählen und daraus auf irgendetwas zu schließen.
    Würde man sauber mit Biomasse argumentieren, müsste man streng genommen auch bei den Memen vorsichtig sein, und müsste eine größere Anzahl von kurzen, simplen Aussagen (etwa Wahlslogans) mit komplizierten, umfangreicheren Aussagen (etwa die Relativitätstheorie) vergleichen – und an diesem Punkt wird die Sache zu kompliziert für einen einzelnen Blogbeitrag.

  5. #5 MartinB
    Mai 8, 2012

    “eine ganz andere evolutive Grundregel zu sein: Was einfach ist und sich mit wenig Aufwand vervielfältigen lässt, liegt am Ende in der größten Stückzahl vor.”
    Das impliziert für mich schon einen Trend in Richtung Einfachheit.

    Was nun dein Komplexitätsbegriff ist, nach dem menschen komplexer sind als Ameisen (die haben sogar Eier, Larven und Puppen, da kann unsere simple Entwicklung kaum mithalten), ist mir immer noch nicht klar.

    Die Biomasse an Menschen und die an Ameisen dürfte übrigens grob vergleichbar sein, wenn ich mich nicht massiv verschätzt habe:
    https://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/09/fermiprobleme-wieviele-ameisen-gibt-es-auf-der-welt.php

    Verstehen tue ich dein Argument nach wie vor nicht – in einem nicht genau definierten Sinne sind weniger komplexe Lebewesen häufiger als komplexe, aber man muss das eventuell wegen der Größenunterschiede mit der Biomasse verrechnen, was aber nicht ohne weiteres geht und wo dann die Analogie zu den Memen, die eigentlich das Thema ist, zu kompliziert wird?

  6. #6 Spoing
    Mai 8, 2012

    “und an diesem Punkt wird die Sache zu kompliziert für einen einzelnen Blogbeitrag. ”
    Oder für etwas, was man sich einfach merken kann =)

    Ansonsten interessanter Artikel.

    Der Vergleich mit der Biomasse und Wahlslogan vs. Relativitätstheorie aus evolutionärer Sicht könnte man gut auf Grundlage des Spruchs:
    “Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzu zu fügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann”
    von (eben Google fragen) Antoine de Saint-Exupéry*1 bewerten.

    Somit kann beides in seiner Ebene “Perfekt” sein und sich von daher auch nicht mehr vergleichen lassen.

    *1 Oha, dafür das mir der Spruch recht geläufig ist, muss ich zugeben habe ich noch nie etwas von der Schriftstellerin gehört. Hätte dem Satz jetzt eigentlich Henry Ford oder so zugesprochen. Gut das es Wikiqoute gibt.

  7. #7 MartinB
    Mai 8, 2012

    @Spoing
    Saint-Exupery ist ein Mann, bekannt als Autor des “Kleinen Prinzen”…

  8. #8 Dr. Webbaer
    Mai 8, 2012

    Die selbe Argumentationslinie kann auch erklären, warum das Fernsehprogramm so schlecht ist, warum auf so vielen Radiosendern nur Musik läuft, die mit maximal drei Akkorden auskommt, und warum Monstertruckshows populärer sind als Theaterabende.

    Ganz schön ursistisch oder gar zynisch! – Auch die Sicht auf die (Moderne) Wissenschaftlichkeit gefällt.

    MFG
    Dr. Webbaer (der aber keinen Grund sieht zu schlechter Stimmung)

    BTW: Meme existieren nicht oder zumindest nur als (spekulatives) Erklärungsmuster beteiligter Erkenntnissubjekte.

  9. #9 sumo
    Mai 9, 2012

    interessant in diesem Zusammenhang ist ein Roman von S.Lem, “Der Unbesiegbare”, in welchem Herr Lem die Komplexität technischer Entwicklungen (durch den Menschen) in ihrer Begrenztheit darstellt.
    Es ist nur ein Roman, manchmal jedoch ist es erschreckend vorausschauend, was dort zu lesen ist.

  10. #10 BreitSide
    Mai 11, 2012

    Ich hab von der Komplexität das erste Mal im Buch “Das Quark und der Jaguar” gelesen. Die dort gegebene Definition von komplex erschien mir sehr sinnig als das Mittel zwischen totaler Ordnung (Kristall) und totaler Unordung (Gas).

    Nach dessen Definition ist das menschliche Hirn das komplexeste Objekt in der uns bekannten Welt.

    Die Vergleiche, welche Spezies die Erde beherrscht, hab ich in einem Evolutionsbuch gelesen, weiß aber nicht mehr, von wem. Es gibt ja, wenn ich mich da richtig erinnere, mehr Bakterienarten als alle anderen Arten zusammen.

    Und mit ihrem Vorkommen in winzigsten Felsritzen kilometertief im Erdinneren sollen Bakterien auch massemäßig vor allem anderen stehen.

    Aber so ist das eben: die Spitze einer Nahrungspyramide bricht schnell mal ab, die Basis so gut wie nie.