Vor etwa 70 Millionen Jahren war Europa von Meer bedeckt. Zahlreiche Inseln ragten daraus hervor, auf denen Dinosaurier lebten, die vergleichsweise klein waren. In Rumänien lebte beispielsweise Magyarosaurus, eine Zwergform der riesigen Langhalsdinosaurier. (Auch bei mir um die Ecke lebte ein ähnlicher Saurier, der Europasaurus.)

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(Bild von Europasaurus von Wikipedia)

Von Nils Knötschke – Nils Knötschke, CC BY-SA 2.5, Link

 

Bis auf einige wenige Zähne und Knochenfragmente war jedoch von den Raubdinosauriern dieser Gegend wenig bekannt. Das hat sich nun geändert: Bühne frei für Balaur bondoc (aus Csiki et al)

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Balaur ist der Name eines Drachen aus der rumänischen Sage, bondoc bedeutet “stämmig”.
Wie man (wenn man sich für Dinos interessiert) sieht, ist Balaur ein Verwandter der Velociraptoren, die durch Jurassic Park berühmt geworden sind. Er ist auch etwa so groß wie sie: Vom Kopf bis zum Schwanz misst er, so wie hier gezeichnet, weniger als zwei Meter. (Die Velociraptoren in Jurassic Park waren “etwas” überdimensioniert – es gab zwar derartig große und ganz ähnliche Raubsaurier, die gehören aber einer anderen Gattung an.)

Balaur
lief auf den Hinterbeinen und war, den Zähnen und Krallen nach zu urteilen, ganz offensichtlich ein Fleischfresser.

Um seine Eigenheiten besser diskutieren zu können, hier ein Velociraptor-Skelett zum Vergleich (hier war mal eine Skizze, auch mit Federn, aber die war leider nicht legal auf Wikimedia gelandet…):

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Von KabacchiVelociraptor – 01
Uploaded by FunkMonk, CC BY 2.0, Link

Beide Saurier sind hier mit Federn dargestellt, Velociraptor mit Federn an den Armen und einem Federsaum, Balaur mit einem befiederten Schwanz und Federn an den Armen. Die Federn sind bei diesen beiden Sauriern nicht erhalten geblieben, aber da viele ihrer nahen Verwandten gefiedert waren, nimmt man an, dass sie selbst auch Federn hatten. (So wie man auch bei einem ausgestorbenem Löwen annehmen würde, dass er ein Fell hatte.)

Schauen wir aber lieber auf die Knochen. Am interessantesten sind die Hinterbeine: Velociraptor hat an jedem Fuss eine lange, gebogene Kralle, die ihn so populär macht. Diese Kralle war beim lebenden Tier mit Horn überzogen und vermutlich spitz, aber nicht scharf, ähnlich wie die Krallen von Katzen. Er schlitzte seine Beute vermutlich also nicht auf, sondern riss mit der Kralle Wunden. Die Kralle sitzt am zweiten Zeh, laufen tut der Velociraptor mit den Zehen II-IV, die beiden anderen sind eher verkümmert. (Man nummeriert Zehen und Finger, angefangen vom großen Zeh oder Daumen, immer mit römischen Ziffern – der Ringfinger ist also beispielsweise IV.)

Ganz anders dagegen Balaur: Er hat vier große Zehen, von denen gleich zwei eine große Kralle tragen, nämlich I (sozusagen der große Zeh) und II. Die Doppelkralle selbst ist bereits sehr ungewöhnlich – man kennt so etwas von keinem anderen Raubsaurier. Wie Velociraptor konnten die Krallen weit nach oben geklappt werden, so dass sie beim Laufen den Boden nicht berührten. Der Mittelfußknochen der ersten Zehe saß aber tief genug, um auf dem Boden aufzukommen und beim Laufen hilfreich zu sein. Hier nochmal der Fuß in Großaufnahme (aus Csiki et al):

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digit=Zeh, mt=metatarsal=Mittelfußknochen, f=fibula=Wadenbein, t=tibia=Schienbein.

Dass Balaur überhaupt vier große Zehen hat, auf denen er laufen konnte, ist sehr ungewöhnlich – die meisten der späteren Raubsaurier hatten nur drei, lediglich bei den sehr ungewöhnlichen Therzinosauriern findet man auch vier Zehen. Balaur ist mit ihnen aber nicht besonders eng verwandt, so dass er seine große erste Zehe unabhängig entwickelt haben muss.

Zwei Krallen an jedem Fuß sind natürlich ein Vorteil, weil Balaur damit größere Wunden schlagen konnte. Auf der anderen Seite nützen sie natürlich nur dann etwas, wenn auch genügend Kraft dahintersteckt. Ein Blick auf die Beinknochen zeigt, dass Balaur für seine Doppelkralle einen Preis bezahlen musste: Die Beinknochen sind deutlich kürzer und dicker als die von Velociraptor. (Deshalb auch der Artname “bondoc”=stämmig). Die Mittelfußknochen der Zehen II-V sind teilweise miteinander verwachsen, was extrem ungewöhnlich ist. Auch die Hüftknochen sind stärker verwachsen und konnten deshalb vermutlich größere Kräfte aushalten. Für große Kraft spricht auch ein vergrößerter Muskelansatz für den Oberschenkelmuskel. Die Hüftregion war insgesamt breiter als bei Velociraptor.

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Kommentare (1)

  1. #1 mari
    1. September 2010

    Großes Danke und “GEIL-EIN-DINO-ARTIKEL!!!” 😀