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Und das noch praktisch vor meiner Haustür! Tja, und ich hätte das fast verpasst, weil ich nicht regelmäßig ins US-Vorabend-Fernsehprogramm schaue. Seit dem Dienstag Abend läuft hier, wenn ich der sicher nicht unironisch gemeinten Überschrift in der New York Times glauben darf, ein Kampf zwischen Menschen und Computern, und nichts weniger als unsere Zukunft steht auf dem Spiel: A Fight to Win the Future: Computers vs. Humans. Gemeint ist die Quizshow Jeopardy, die vom 14. bis zum 16. Februar den Wettkampf zweier menschlicher Champions gegen einen IBM-Supercomputer mit dem “Künstlernamen” Watson (die Abbildung rechts ist sein Jeopardy-“Gesicht”) zeigen wird. Die Sendung wurde in den Räumen des Massachusetts Institute of Technology aufgezeichnet (will heißen: das Ergebnis steht schon fest – wir wissen’s nur noch nicht), das auch ein wesentliches Software-Element zu Watson beigetragen hat: START, ein seit 1993 operierendes Programm, das Fragen in natürlicher Sprache verstehen und auch eine Antwort in natürlicher Sprache geben kann:

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Wie diese START-Antwort schon verrät, würde dieser Computer wohl erst mal nur über die Englisch sprechende Welt herrschen können, wenn er denn die Weltherrschaft anstrebt. Aber natürlich ist das ganze Weltherrschaftsgerede nur ein Showelement, eine Übertreibung im Stil eines P.T. Barnum, um den “Kampf” – bei dem eigentlich für den Computer mehr auf dem Spiel steht als für die Menschheit – spannender zu machen.

Denn erstens ist Jeopardy eine eher lexikalische Wissensshow, in der eine Superdantenbank wie Watson also schon allein dank seiner gespeicherten Daten im Vorteil ist. Dass hier die “Antwort” in Form einer Frage gestellt werden muss, ist zwar eine schnurrige Besonderheit, aber letztlich egal (und für einen Computer sogar noch egaler) – es sind ja keine tiefsinnigen Fragen, sondern lexikalische Abfragen. Und zweitens dürfte der Umgang mit doppeldeutigen oder Scherzfragen – was unter Programmierern gelegentlich als das Paris-Hilton-Problem bezeichnet wird – den Entwicklern bei IBM sowie den Software-Spezialisten des MIT Computer Science and Artifical Intelligence Laboratory, der University of Massachusetts in Amherst sowie fünf weiterer Hochschulinstitute so weit gelungen sein, sonst huatten sie Watson ja gar nicht erst an den Start geschickt (in der ersten Runde lag Watson tatsächlich Kopf an Kopf mit dem menschlichen Jeopardy-Champion Brad Rutter). Wenn also a) die Frage in natürlicher Sprache verstanden wird und b) Doppeldeutigkeiten geknackt werden können, dann sind praktisch alle Vorteile auf der Seite des Computers.

Nicht ganz zufällig erinnert mich dieses Match an den Schaukampf zwischen Garri Kasparow und dem IBM-Computer Deep Blue im Mai 1997, bei dem – in den Worten Kasparows – “die Ehre der Menschheit” auf dem Spiel stand. Ich hatte mir das Match im New Yorker Equitable Center angeschaut und darüber auch Reportagen geschrieben; wer interessiert ist, kann eine davon

hier

nachlesen.) Und trotz der Niederlage des Menschen (Kasparow gewann zwei von sechs Partien und erzwang ein Remis) haben die Maschinen nicht die Weltherrschaft angetreten. Sicher, seit damals haben Computer in viele Bereiche unseres Lebens Einzug gehalten, die bis dahin als essentiell human(istisch) galten. Wir haben heute Facebook und Twitter, haben Smartphones und Navis. Telefonauskunft ist eine maschinelle Angelegenheit geworden, wie überhaupt das Beantwortet-haben-Wollen von Fragen fast zwingend zum Dialog mit dem Computer führt (googeln).

Und es besteht kein Zweifel, dass ein System wie Watson (das ja nicht für TV-Spielshows ersonnen wurde, sondern für Anwendungen in der Wirtschaft) menschliche Arbeitsplätze ersetzen wird. Der Haken ist nur, dass die meisten dieser Arbeitsplätze sowieso schon in Call-Center in Kerala und Bangalore abgewandert sind.


So, und jetzt werde ich mich schon mal vor den Fernseher setzen und zuschauen, wie sich Watson gegen die Menschheit schlägt …

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