Heute um 9:00 Uhr beginnt eine Debatte im Deutschen Bundestag, die sowohl von den Gegnern als auch den Befürwortern der sogenannten Präimplantationsdiagnostik (PID) mit großer Spannung erwartet wurde. Insgesamt liegen drei Gesetzesentwürfe zur Abstimmung vor – wie könnte das Ringen um die PID heute also ausgehen?
Wie genau die PID – ein Verfahren zur Identifikation bestimmter Erbkrankheiten, welches im Rahmen einer künstlichen Befruchtung (in-vitro-Fertilisation) zum Einsatz kommen kann – funktioniert, lässt sich bei Elmar Breitenbach in den Scilogs nachlesen – und auch auf den ScienceBlogs gab es in WeiterGen und Chemisch gesehen schon heiße Diskussionen über Nutzen und ethische Vertretbarkeit des Verfahrens. Nach einigem hin und her steht nun heute die vermutlich – vorerst – entscheidende Debatte im Bundestag an. Welche drei Optionen dabei zur Auswahl stehen, möchte ich nachfolgend kurz aufzeigen:
(1) Totalverbot der PID: Dieser Gesetzesentwurf wurde von Katrin Göring-Eckard (Grüne), Günter Krings (CDU) und unserer ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingebracht und sieht vor, Gentests an Embryonen vollständig zu verbieten. Ärzte, die im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dennoch entsprechende Tests durchführen, könnten strafrechtlich belangt werden (und möglicherweise auch ihre Approbation verlieren).
Aus dem Entwurf:
Die Anwendung der PID gefährdet die Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt und erhöht den sozialen Druck auf Eltern, ein gesundes Kind haben zu müssen. Dem liegt der Anspruch zugrunde, zwischen lebenswertem und -unwertem Leben unterscheiden zu können. Die Werteordnung des Grundgesetzes bestimmt ausdrücklich, das jeder Mensch den gleichen Anspruch auf Würde und die gleichen und unveräußerlichen Rechte auf Teilhabe besitzt. Dieses Wertegefüge würde durch die Zulassung der PID nachhaltig beschädigt werden. Aus ethischen und gesellschaftspolitischen Gründen ist die PID daher abzulehnen.
(2) Eng begrenzte Zulassung der PID: Hinter diesem Gesetzesentwurf stehen maßgeblich die Abgeordneten René Röspel (SPD) und Priska Hinz (Grüne). Er sieht vor, den allgemeinen Einsatz der PID zu untersagen, in speziellen Fällen – etwa bei Paaren, die bereits Fehl- oder Totgeburten erlitten haben – aber die Option einer Einzelfallzulassung – etwa durch einen (nicht näher definierten) Ethikrat – offenzuhalten.
Aus dem Entwurf:
Um Rechtssicherheit für die betroffenen Paare und die Ärzte herzustellen, ist das Embryonenschutzgesetz um eine Regelung zu ergänzen, wonach die genetische
Untersuchung eines Embryos im Rahmen einer künstlichen Befruchtung grundsätzlich verboten ist. Nur in Ausnahmefällen wird eine solche Untersuchung für nicht rechtswidrig erklärt. In diesen Fällen muss beiden Eltern oder einem Elternteil eine humangenetisch diagnostizierte Disposition vorliegen, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu Fehl- oder Totgeburten oder zum Tod des Kindes im ersten Lebensjahr führen kann.Weitere Voraussetzung ist die Verpflichtung, eine Beratung anzubieten sowie das positive Votum einer Ethik-Kommission. Für diese Fälle werden in das Gesetz Verfahrensregelungen aufgenommen wie die Beschränkung auf ein lizenziertes Zentrum, Einzellfallentscheidung einer Ethik-Kommission sowie Dokumentations- und Berichtspflichten.
(3) Weitestgehende Zulassung der PID: Dieser Gesetzesentwurf wurde in wesentlichem Umfang von Peter Hintze (CDU), Carola Reimann (SPD), Ulrike Flach (FDP) und Petra Sitte (Linke) erarbeitet. Danach könnte die PID auch zur Diagnostik von Krankheiten eingesetzt werden, die nicht während der Schwangerschaft oder unmittelbar nach der Geburt, sondern erst nach mehreren Lebensjahren auftreten. Auch die Suche nach sogenannten genetischen Prädispositionen, d.h. Veranlagungen im Erbgut, die das Auftreten bestimmter Krankheiten wahrscheinlicher machen – nicht aber definitiv zum Auftreten der Krankheit führen – wäre nach dieser Vorlage gestattet.
Aus dem Entwurf:
Eine Beibehaltung des derzeitigen Embryonenschutzgesetzes bedeutet für die betroffenen Paare und Ärzte eine unzumutbare Rechtsunsicherheit. Ein explizites Verbot der PID, das einschlägig vorbelasteten Paaren es praktisch unmöglich machte, eigene genetisch gesunde Kinder zu bekommen, wäre hingegen verfassungsrechtlich bedenklich und stünde im Widerspruch zu der Möglichkeit der Frau, bei einem im Wege einer Pränataldiagnostik festgestellten schweren genetischen Schaden des Embryos und bei Vorliegen der medizinischen Indikation die Schwangerschaft abbrechen zu lassen.
Ich selbst bin in der Sache hin- und hergerissen. Die meisten Unterstützer scheint derzeit Option (1) zu haben, fraglich ist aber, ob sie auch eine Mehrheit erringen kann. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass als Kompromiss letztendlich Option (2) angestrebt wird, die mir selbst derzeit auch am sympathischten ist. Option Nummer (3) scheint mir dagegen keine reellen Chancen auf eine Umsetzung zu haben – auch wenn dieser Vorschlag wie bereits Option (2) vorsieht, jeden Fall durch eine Ethik-Kommission laufen zu lassen.
Was denkt ihr?
Update um 13:50 Uhr: Der Bundestag hat sich relativ schnell und deutlich (326 zu 260) für Option (3) von Peter Hintze und Ulrike Flach – die begrenzte Zulassung der PID – und damit den weitestgehenden der drei Gesetzesentwürfe entschieden. Ich bin damit persönlich nicht ganz glücklich (vielleicht blogge ich demnächst mal zur Thematik), empfand aber die heutige Debatte im Plenum insgesamt als gelungen. Damit wird nun die Durchführung von PIDs in Deutschland zukünftig bei bestimmten, noch näher zu bestimmenden Vorerkrankungen grundsätzlich möglich sein. Wie sich die Umsetzung in der Praxis darstellt, wird – wie bei allen Gesetzen, mit denen Neuland betreten wird – die Zeit zeigen…
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