Zur eigentlichen Fußnoten-Affäre ist ja im Grunde bereits alles gesagt: Inzwischen haben sich der Deutsche Wissenschaftsrat, der Deutsche Hochschulverband, der Philosophische Fakultätentag und der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften mehr als eindeutig geäußert – und bei den Kollegen von den Scilogs gibt es ein Bloggewitter zum Thema “akademische Integrität”. Dennoch eine kleine Beobachtung meinerseits.

Als aufmerksamer Beobachter der Berichterstattung der letzten Tage, komme ich nicht umhin zu bemerken, dass ich auf den Webseiten vom FOCUS, der FAZ, der Süddeutschen und anderer Medien-Outlets mit Werbung für Ghostwriter sowie “Diploma Mills” geradezu zugeschüttet werde – ganz offenbar eine Folge der Kombination kontextsensitiver Werbung und Schlüsselwort-beladener Texte, in denen von “Dissertation” über “Doktortitel” bis zu “Universität” jeder Begriff vorkommt, auf den man als Ghostwriter oder Titelhändler sinnigerweise bieten könnte. Besonders krass ist mir das beim FOCUS aufgefallen:

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Aber auch in der FAZ finden sich unter sämtlichen Plagiats-Artikeln kuriose “Fußnoten”:

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All diese Werbeanzeigen erinnerten mich wieder an einen meiner Artikel aus dem letzten Jahr – und an eine noch immer nicht zufriedenstellend beantwortete Frage:

Bemerkenswert vor allem die Tatsache, dass auch Arbeiten mit “medizinischem Anspruch” angeboten werden. Warum angesichts solcher Angebote beim Gesetzgeber nicht sämtliche Alarmglocken klingeln, ist mir unbegreiflich. Denn wer möchte sich schon von einem Arzt behandeln lassen, dessen Examen auf einem “Entwurf” basiert, der von einem der beiden verlinkten Herren angefertigt wurde – ganz zu schweigen von dem Schaden, den derartiges Ghostwriting im akademischen Betrieb anrichtet. […] Diesem Ghostwriting-Mist gehört wirklich dringend ein Riegel vorgeschoben. Wer schreibt die Petition? “Der Deutsche Bundestag möge beschließen…”

Vielleicht ist ja – bei aller Unerfreulichkeit der aktuellen Affäre für den Wissenschaftsbetrieb – dieser Zeitpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit ein günstiger, um noch einmal über die Schließung entsprechender Gesetzeslücken nachzudenken und so wenigstens die offensive Bewerbung derartig fragwürdiger akademischer Dienstleistungen einzuschränken. Daher die erneute Frage in die Runde: Wer schreibt die Petition? Und was sollte drinstehen?


Ach ja – anbei noch ein kleiner Linktipp für alle mitlesenden Parteifreunde, die sich ebenfalls daran stören, dass die für den Wissenschaftsbetrieb so wichtige akademische Integrität von Teilen der Union derzeit so kleingeredet wird:

CDU-Mitglieder für akademische Integrität | Wirb ebenfalls für deine Seite

Kommentare (15)

  1. #1 asadf
    26. Februar 2011

    P.S.:
    Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Affe vor der Tastatur per Zufall einen Text von Shakespeare eingibt, ist ja
    auch grösser als Null… (p > 0).

    Allein schon aus diesem Grund wird Guttenberg (als hypersozial perfekter höherer
    Primat) juristisch freigesprochen werden müssen — selbst dann, wenn er den “Dr.”-Titel aus hypersozialen Gründen
    einfach nur als Sprungbrett gebraucht (angeblich “missbraucht”) hat…

  2. #2 Feliks_Dzerzhinsky
    26. Februar 2011

    “die offensive Bewerbung derartig fragwürdiger akademischer Dienstleistungen einzuschränken” – jawoll, Ghostwriting muss Bückware bleiben!

  3. #3 Matthias
    27. Februar 2011

    [quote] So langsam gefällt mir “meine CDU” wieder: Unser Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, selbst übrigens promovierter Mediziner, hält das Verhalten von Minister zu Guttenberg für “weder legitim noch ehrenhaft” und spekuliert offen darüber, wie lange er nach der Affäre noch im Amt verbleiben kann. [/quote]

    Wiir sind politisch sicher komplett anderer Ansicht, das ändert nichts daran, dass sie einen sehr guten Blog hier bei Scienceblogs schreiben. Ich lese bei Ihnen wirklich gern. Nur was soll ich denn von diesem bei Facebook entdeckten Kommentar halten? Da schert ein MP aus Merkels Linie aus, was unter diesen Umständen selbstverständlich sein sollte und für Sie ist wieder Kuschelzeit bei ihrer Partei. Ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie das nicht durchschauen. “Wir-sind-die-CDU-Romantik”. Hauptsache CDU oder was?

    Wo ist denn der Aufschrei über diese Unverschämtheit innerhalb der CDU? Ich kann das wirklich nicht begreifen. Anstand, Ehrlichkeit, nur um mal den Wertekanon der CDU zu bemühen.

    Hier geht gerade jede Moral vor die Hunde und sie freuen sich, weil bei dieser Schweinerei ein CDU-MP die Sache beim Namen nennt? Man muss bezüglich Moral in Ihrer Partei wohl schon sehr bescheiden geworden sein.

    Aufrichtig entäuscht!
    Matthias

    I

  4. #4 Christian Reinboth
    27. Februar 2011

    @Matthias: Den Aufschrei gibt es – intern – ja, nur ist er in der Öffentlichkeit derzeit noch kaum wahrzunehmen. Umso mehr freue ich mich persönlich über jeden CDU-Mandatsträger von Rang und Namen, der aus der Verteidigungslinie ausschert, zumal wenn dabei auch mal ein Begriff wie “unehrenhaft” fällt. Bislang waren das leider nicht viele (Lammert, Böhmer, Görner und – zumindest in Maßen – Vogel); umso mehr hoffe ich, dass in den kommenden Tagen noch mehr hinzukommen.

    Man muss da sich selbst gegenüber schon ehrlich sein: Nach der Bagatellisierung von Plagiaten und insbesondere nach dem Debakel bei der aktuellen Stunde am Mittwoch, dürfte die Union für den Großteil der “scientific community” schwer beschädigt sein, ein Eindruck, der sicherlich nicht so schnell verfliegen wird, selbst wenn nun doch noch ein Rücktritt erfolgt. Umso wichtiger ist es, dass innerhalb der Partei langsam die Wende hin zu einer Position eingeleitet wird, die mit den Wertemaßstäben der Wissenschaft kompatibel ist.

    Ich bin bislang immer davon ausgegangen, dass wir die schon hätten, offenbar ist das ja aber nicht der Fall. Das entsetzt mich zwar, liefert mir auf der anderen Seite aber auch einen Grund, zukünftig stärker für diese Werte zu werben – unter anderem auch bei meinen Parteifreunden auf Facebook. Und da freut man sich schon, wenn sich eine “Unionsgrande” entsprechend äußert, zumal ja noch hinzukommt, dass Wolfgang Böhmer mein Landesvater ist – hätten sich Steffen Mappus oder Peter Müller entsprechend geäußert, würde mir das auch gefallen, bei Böhmer ist für mich als Wahl-Sachsen-Anhaltiner die Erleichterung aber ungleich größer, dass wenigstens der ein brauchbares Statement abliefert…

    “Kuschelzeit” ist damit natürlich noch lange nicht angesagt 🙂

  5. #5 fj
    27. Februar 2011

    Ich hab auf GuttenPlag auch kontextsensitive Werbung gefunden. Nicht ganz so offensichtlich wie die Ebay-Beispiele in Deinem Post, aber auch ganz nett.

  6. #6 CCS
    28. Februar 2011

    Die kontextsensitive Werbung wurde auch bei Alternativlos angesprochen, außerdem, dass jetzt wohl auch beim Kern der CDU einiges an Missmut vorhanden ist. Wenn schon Ehrlichkeit und Integrität bei der CDU kein Grundwert mehr ist, was denn dann? (Als der CDU eher Abgeneigter lasse ich mal Spendenkoffer und die Kinderpornodebatte außen vor).
    Eine wichtige Frage wurde auch erwähnt: Wo bleibt eigentlich eine Aussage unserer Wissenschaftsministerin Schavan? Die müsste doch ziemlich qualifiziert sein, da etwas zu zu sagen.
    Der Podcast ist irgendwo zwischen Boulevard und Bildung, ich finde ihn jedenfalls immer wieder unterhaltsam und aufschlussreich.
    https://www.alternativlos.org/13/

  7. #7 Christian Reinboth
    28. Februar 2011

    @CCS:

    Wo bleibt eigentlich eine Aussage unserer Wissenschaftsministerin Schavan? Die müsste doch ziemlich qualifiziert sein, da etwas zu zu sagen.

    Die Ministerin hat sich am Wochenende in der SZ geäußert:

    Erstmals äußerte sich am Montag Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) zur Plagiatsaffäre. Als Wissenschaftlerin, die vor 30 Jahren selbst promoviert habe, schäme sie sich “nicht nur heimlich” für das Debakel um Guttenbergs Doktorarbeit, sagte Schavan der “Süddeutschen Zeitung.”

    https://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,748023,00.html

    Einen Rücktritt hält Frau Schavan allerdings nicht für angemessen. Deutlicher hat sich übrigens – erneut – Norbert Lammert geäußert (siehe gleicher Artikel):

    Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) brachte seine Missgunst über den Skandal erneut zum Ausdruck. Einem Bericht der “Mitteldeutschen Zeitung” zufolge sagte Lammert vor einer Runde von SPD-Abgeordneten, die Affäre und ihre Begleitumstände seien “ein Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie”.

  8. #8 pippen
    1. März 2011

    Ich finde den offenen Brief von Doktoranden an die Bundeskanzlerin unterstüzenswert.
    Zwar ist dieser der Kanzlerin schon zugestellt. Aber man kann online noch mitzeichenen. Schon über 50.000 Leute haben sich eingetragen. Und es werden sekündlich mehr. Dies lässt sich in einem LiveTicker verfolgen.
    Und auf Twitter werden Kommentare unter #offenerbrief hierzu verfasst.

  9. #9 pippen
    1. März 2011

    Und jetzt, 10 min nach meinem Post, lese ich auf http://www.ard.de das:

    “Guttenberg vor Rücktritt

    Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg legt nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios noch heute sein Ministeramt nieder. Um 11.15 Uhr will er ein Statement abgeben.”

    Bin gespannt…

  10. #10 CCS
    1. März 2011

    @Christian Reinboth:
    Das Interview hatte ich erst nach meinem Post entdeckt, danke!

    Naja, jetzt ist er ja zurückgetreten. M. E. gab es auch keine andere Möglichkeit.

  11. #11 Olli F.
    1. März 2011

    Triumpf empfinde ich nicht, der Schritt war richtig und wichtig, nur zu spät. Erbärmlich finde ich aber die Begründung (Quelle: Tageschau.de):

    “Er könne es nicht weiter verantworten, dass die Plagiatsaffäre auf dem Rücken der Bundeswehrsoldaten ausgetragen werde;”

    Beim Beschiss erwischt werden und jetzt die Soldaten vorschieben. Dolchstoßlegende 2.0

  12. #12 Stefan
    1. März 2011

    Habe ich mich also geirrt. Dass er seinen Titel nicht verdient hat, war schon länger klar, dass diese Geschichte zum Rücktritt führt, hätte ich doch nicht erwartet.

    Ich bleibe aber bei meiner Einschätzung, dass er nicht der einzige gewesen sein wird, und dass die Affäre ein sehr schlechtes Licht auf seinen Doktorvater und die Universität wirft.

  13. #13 IO
    1. März 2011

    Olli F.·
    01.03.11 · 12:59 Uhr

    Triumpf empfinde ich nicht, der Schritt war richtig und wichtig, nur zu spät. Erbärmlich finde ich aber die Begründung (Quelle: Tageschau.de):

    “Er könne es nicht weiter verantworten, dass die Plagiatsaffäre auf dem Rücken der Bundeswehrsoldaten ausgetragen werde;”

    Beim Beschiss erwischt werden und jetzt die Soldaten vorschieben. Dolchstoßlegende 2.0

    Ja, sehe ich genau so!

  14. #14 ninja
    1. März 2011

    @alle

    Guttenberg ist einfach zu gut für diese Welt!

    Diese furchtbar eingebildete Wissenschaftsmafia (Schavan, Lepsius, etc.) hat ihn letztlich zu Fall gebracht!

    Bücher sind sowieso Sch… (ausser Facebook und Fuckbook, natürlich), denn die liest eh kein Schwein.

    Dabei gibt es keine Wissenschaft — es gibt nur Technik und Technologie (s. Mutti bei CEBIT). Alles darüber ist eh nur Rhetorik!

    Und Guttenberg ist ein perfekter Rhetoriker mit einem perfekten hypersozialen Primatenhirn — das ganze geBILDete Volk spürt das!

    Und das Volk braucht charismatische Führer mit einer hypersozialen Intelligenz!!!!

    Darum: Guttenberg for Kanzler!!!!!

    Guttenberg will be back!!

  15. #15 armin
    2. März 2011

    Mal seh’n ob er zum Theodornator wird….

    Was mich viel mehr umtreibt, ist die Tatsache, dass im ganzen Verfahren – das immerhin zu summa cum laude geführt hat – nichts aufgefallen ist….!?

    Wer kontrolliert hier die Kontrolleure?