Der Wolf-Preis ist ein bedeutender, mit 100.000$ dotierter Preis für „Verdienste zum Wohle der Menschheit und freundschaftliche Beziehungen unter den Völkern” und wird von der israelischen “Wolf Foundation” vergeben. Er ist einer der angesehensten Preise überhaupt in den Naturwissenschaften (wird aber auch noch für Kunst vergeben) unterhalb des Nobel-Preises, und ist auch ein guter Indikator für künftige Nobelpreis. Sicherlich gute Chancen auf den Nobelpreis haben auch die Quantenphysiker, die 2010 in der Kategorie Physik geehrt werden: Alain Aspect, John Clauser und der bekannte Anton Zeilinger.

Ihre Verdienste um die Erforschung der Quantenverschränkung setzten auf die Arbeit von Bell an, der wiederum einen Weg zeigte, das bekannte Einstein-Podolsky-Rosen-Paradox experimentell zu testen.

Einstein, Podolsky, Rosen

Die Geschichte beginnt bei Einstein, der sich nie recht für die Quantenphysik begeistern konnte. Ihm missfiel die Interpretation einer zufallsabhängigen Komponente der Natur, und er wollte wohl darauf hinaus, dass die Quantenmechanik nicht vollständig sei, sondern dass es “versteckte Variablen” gebe, und wenn man diese finde würde alles wieder deterministisch werden. In ihrem Paper befassen sich Einstein, Rosen und der Hauptautor Podolsky mit einem von der Quantenmechanik vorhergesagten Phänomen, der Quantenverschränkung.
Durch die Quantenverschränkung, und wir befassen und benutzen dieses Phänomen ja heute aktiv, ist das Schicksal zweier Systeme zusammengekettet. Es können zum Beispiel zwei Elektronen sein, deren Spin entweder nach oben oder nach unten zeigen kann. Solange wir nicht nachsehen, befindet sich das Elektron in einer Überlagerung beider Zustände, und erst die Messung lässt das System kollidieren. Die Wellenfunktion des Elektrons legt die Wahrscheinlichkeiten des Quantensystems fest, also beispielsweise als Summe der beiden möglichen Zustände Spin up und Spin down. Wenn ich aber zwei quantenverschränkte Elektronen habe, besteht das System aus den beiden Elektronen, und somit legt eine gemeinsame Wellenfunktion ihr Verhalten fest. Richte ich es ferner so ein, dass es immer nur erlaubt ist, dass ein Elektron Spin up hat, weiß ich dass das andere Spin down haben muss. Das hat folgenschwere Konsequenzen: Wenn ich nämlich ein Elektron ansehe und damit zwinge, sich für einen der beiden Zustände Spin up oder down zu entscheiden, erhalte ich automatisch wissen, in welchem Zustand ich das andere Elektron vorfinden werde. Da ist es egal, ob ich das andere Elektron bis zur Sonne weggetragen habe: Wenn ich am ersten Spin up gemessen habe, dann zum zweiten hinfliege, werde ich es unbedingt im Zustand Spin down vorfinden. Und wenn jemand beim zweiten Elektron sitzt und die Messung eine Minute nach meiner Messung ausführt, wird er sicher Spin down finden. Es existiert also in der Quantenwelt eine “Nichtlokalität”, denn offensichtlich kann die Information “Hey, ich bin Spin up” nicht vom ersten Elektron zum zweiten Elektron übertragen werden – das verbietet die Relativitätstheorie, denn eine Informationsübertragung bis zum zweiten Elektron bei der Sonne benötigt acht Minuten.

Ich finde es immer ein wenig erstaunlich, dass Einstein Probleme hatte, Nichtlokalität zu akzeptieren. Schließlich war er es doch, der den größten Wandel in unserem Verstehen der Welt gebracht hat – dass es das Konzept der Gleichzeitigkeit gar nicht gibt.
In ihrem Paper bauten die drei Autoren auf diesem Gedankenexperiment der Quantenverschränkung auf und kamen zu zwei möglichen Lösungen:
– Es gibt versteckte Variablen, die die Quantenmechanik nicht berücksichtigt und die die Lokalität wieder herstellen. Das wäre Einstein recht gewesen. Oder aber:
– Man muss das Konzept der Nichtlokalität aufgeben. Das wäre das Phänomen der “spukhaften Fernwirkung”, zumindest aus der Sicht der Dinge, die wir täglich um uns erleben.

Die Grenzziehung durch die Bell-Ungleichungen

Das Bell-Theorem von John Bell brachte das Gedankenexperiment in Greifweite der Experimentatoren, denn es machte experimentell überprüfbare Vorhersagen, die zwischen den beiden Möglichkeiten unterscheiden konnten. Diese wurden in Form gewisser Ungleichungen aufgestellt, die erfüllt sein mussten falls versteckte Variablen vorliegen. Der experimentelle Nachweis, dass diese Ungleichungen verletzt werden ist unser Nachweis für die Nichtlokalität in der Quantenverschränkung.
Die Ungleichungen wurden auf verschiedene Arten formuliert, und die Grenzen die sie abstecken wurden u.a. von den mit dem Wolf-Preis ausgezeichneten Forschern ausgelotet. Und so sagt uns heute unser bestes Wissen: Es gibt keine versteckten Variablen im Sinne von Einstein. Das Phänomen der Nichtlokalität ist echt.

Kommentare (9)

  1. #1 Arno
    02/03/2010

    Naja, Informationen werden da ja eben nicht von einem Teilchen zum anderen uebertragen. Die Nichtlokalitaet besagt doch nichts weiter, als dass nicht-separable Zustaende im Produktraum der Hilbertraeume, die die lokalen Gegebenheiten beschreiben, auftreten, ein etwaiges Kollabieren der Wellenfunktion also kein lokales Ereignis sein kann.

  2. #2 Astrotux
    02/03/2010

    Ähh.. Jörg, Du bist dir schon bewusst dass du jetzt eine Steilvorlage für alle möglichen Eso-Spinner abgeliefert hast. Bin mal gespannt wann und mit welchem Bullshit über „Alles ist mit Allem verbunden“ die hier aufschlagen. :o)
    Aber davon abgesehen ist EPR und Nichtlokalität sowie alles was damit zusammenhängt eines der spannendsten Gebiete der Quantenmechanik und ich finde Zeilinger hat den Preis verdient, zumal er auch gute Bücher über das Thema schreibt.(z.B. Einsteins Schleier)

  3. #3 Jörg
    02/03/2010

    Tut mir leid, ich versteh euren Punkt nicht ganz, ich habe doch geschrieben

    ” Es existiert also in der Quantenwelt eine “Nichtlokalität”, denn offensichtlich kann die Information “Hey, ich bin Spin up” nicht vom ersten Elektron zum zweiten Elektron übertragen werden – das verbietet die Relativitätstheorie, denn eine Informationsübertragung bis zum zweiten Elektron bei der Sonne benötigt acht Minuten.”

    Es wird KEINE Information übertragen, das verbietet die SRT.

  4. #4 Arno
    02/03/2010

    Nachdem ich die Stelle gerade noch mal gelesen habe, verstehe ich meinen Punkt auch nicht mehr 🙂

  5. #5 rolak
    02/03/2010

    Außerdem sollte es sich mit den AllesVerknüpftJüngern in Grenzen halten, da es auch noch das Phänomen der Dekohärenz gibt. Da diese Gesellen im allgemeinen aber schon Eingangs der Quantenwelt falsch abgebogen sind, kommen die auch nie zu den späteren Stationen…
    An den Bell-Experimenten finde ich besonders schön die einfache Grundidee die zu den Ungleichungen führt. Nichtsdestotrotz ists für mich schwer, den Inhalt verständlich zu vermitteln.

  6. #6 Ariakan
    02/04/2010

    Ich habe eine Frage. Zwei verschränkte Elektronen fliegen in entgegensetzte Richtungen:

    o < - -> o

    Erst beim Messen des einen Elektrons fällt die Entscheidung ob SpinUp/Down für beide. Soweit so gut. Wie verhalten sich die Elektronen wenn man sie dabei auf ein doppeltes “Doppelspaltexperiment” zufliegen lässt ?

    || o < - -> o ||

    Kann man hinter den Doppelspalten Wellen- oder Teilchenmuster erkennen ? Ist das immer gleich ? Sonst könnte man ja bei dem einen verschränkten Teilchen eine Messung vor dem Doppelspalt durchführen und so das übliche Teilchenmuster erzeugen, welches ohne Messung ja nicht vorhanden ist. Ein Beobachter am 2. Doppelspalt würde dank Verschränkung dann doch ebenfalls Muster- oder Wellenform sehen. Oder ? Ich hoffe ich hab mich deutlich genug ausgedrückt. Ich bin KEIN esofan oder sonstiges, aber mich interessiert Physik und vor allem diese beiden Phänomene. Könntet ihr mir darauf eine Antwort geben ? Danke.

  7. #7 Jörg
    02/04/2010

    @Ariakan: Also der Clou ist ja, dass die Elektronen, oder sagen wir Photonen, das geht leichter, gleichzeitig Wellen-/Teilcheneigenschaften haben. Auch ein einzelnes Photon nimmt beide Spalte eines Doppelspaltes gleichzeitig und interferiert mit sich selbst, sodass man das Interferenzmuster hinter dem Spalt sieht. Bei 2 Photonen, verschränkt oder nicht, Messung vorher oder nicht, würde sich nichts ändern: Man hätte dann hinter beiden (Doppel)spalten Interferenzmuster.

  8. #8 Ariakan
    02/04/2010

    Ok, dann hab ich was falsch verstanden. Ich dachte das Intereferenzmuster ändert sich, sobald man das vermeintliche Teilchen vor Eintritt in den Doppelspalt misst. Also ohne Messung Wellenmuster, mit Messung Teilchenmuster. Die Idee war nur an einem Spalt zu messen und dann an beiden Spalten das Teilchenmuster zu erzwingen. Dann “wüsste” ja der eine Beobachter das der andere gerade gemessen hat und man könnte morsen.

  9. #9 Gluecypher
    02/05/2010

    @Ariakan

    Die Idee war nur an einem Spalt zu messen und dann an beiden Spalten das Teilchenmuster zu erzwingen.

    Funktioniert nicht. Denn sobald Du die “welcher Weg”-Information hast, verschwindet das Interferenzmuster. Und kommt auch nicht wieder. Deswegen kann man auch keine FTL-Kommunikation auf diesem Weg übertragen. Weder mit Elektronen noch mit Photonen. Denn vor der Messung kann man keine Aussagen über Polarisations- oder Spinrichtung machen, und sobald ich gemessen habe ist das System festgelegt. Man kann nicht die Messung machen und danach den Spin des einen Elektrons bzw. die Polarisationsrichtung des Photons ändern. D.h. man könnte schon, aber dann verändert sich die Festlegung des Komplementärpartners nicht mehr.