Manchmal äußerst sich die Schönheit der wissenschaftlichen Erkenntnis in einem beeindruckenden Bild, wie dem Hubble Deep Field. Oft, ganz oft aber kann man kein Bild malen, denn die Schönheit und Eleganz der Welt steckt in einer Gleichung.
Ein sehr berühmtes Beispiel ist die Dirac-Gleichung. Diese hat 1928 Paul Dirac aufgestellt, abgeleitet aus der Grundgleichung der Quantenmechanik, der Schrödinger-Gleichung. Dirac war auf der Suche nach einer Formulierung, die Elektronen beschreiben konnte, und deswegen auch die Effekte der Speziellen Relativitätstheorie berücksichtigen musste. Nachdem er seine Gleichung aufgestellt hatte und löste, stellte Dirac fest dass es nicht nur Lösungen für das Elektron mit positiver Energie gab, sondern auch negative Energien möglich waren. Was hätte unsereins mit so etwas gemacht? Wahrscheinlich erklärt, dass diese Lösungen unphysikalisch sind weil es keine negative Energien gibt. Dirac aber hatte so großes Vertrauen in die Korrektheit seiner mathematischen Beschreibung, dass er sicher war dass es eine zweite Lösung gab. Die bahnbrechende Idee war, dass es ein Teilchen wie das Elektron gab, aber mit positiver Ladung. Das war die Lösung! Keine negative Energie, sondern Antimaterie ergab sich aus seiner Gleichung. Zwar war Diracs Idee nicht ganz richtig, da er es als “Löcher” im Vakuum beschrieb. Aber 1932 entdeckte man experimentell das Positron, und die Existenz von Antimaterie war nachgewiesen. Dirac hatte es seit 4 Jahren gewusst.

Doch noch ein weiterer Effekt lässt sich theoretisch vorhersagen, der bis heute nicht am Elektron gemessen ist, aber jetzt an Ionen: die Zitterbewegung.

Breit hatte 1928 schon eine Seltsamkeit festgestellt, die sich aus quantenmechanischen Eigenheiten ergibt – im Prinzip daraus dass in der Quantenwelt A mal B nicht gleich B mal A ist. 1930 hat Schrödinger sich die Kiste mal ausgerechnet und eine Bewegungsgleichung aufgestellt. Darin trat ein unerwarteter Term auf. Normalerweise würde man ja bei der Bewegung erwarten, dass sich auf die Ausgangsposition noch etwas als Funktion der Zeit addiert. Aber hier kam noch ein Term hinzu – eine äußerst schnelle Oszillation. Man nennt das – auch auf englisch! – “Zitterbewegung”.

Da die Frequenz des Zitterns so hoch ist – etwas 1021 Hz – konnte man das noch nicht am Elektron messen. Und Elektronen kann man auch nicht so einfach festhalten und beobachten. Aber ein Ion kann man einfangen und beobachten – und hat daran die Zitterbewegung untersucht (Nature/arXiv).
Die Methode, die die Autoren aus Innsbruck und Bilbao verwendet haben, nennt sich Quantensimulation. Dabei sperrt man ein Ion in eine Ionenfalle und versetzt es durch ein Lasergitter in einen Zustand, der einem Elektron ähnelt. Man zwingt quasi ein Ion, ein Elektron nachzuahmen. Da das Ion aber sehr viel schwerer ist, ist die Zitterbewegung langsamer.

Die jetzt veröffentlichte Arbeit beschränkt die Bewegung auf eine Dimension, aber man konnte erfolgreich die Zitterbewegung messen. Und man kann ebenfalls zeigen, dass keine Zitterbewegung auftritt wenn das Ion so langsam wird dass es sich nicht mehr relativistisch (relevant) schnell bewegt. Es gibt ihn also tatsächlich, den verblüffenden Effekt aus relativistischen Effekten und mathematischen Eigenheiten der Quantenwelt – wenigstens bei Ionen die Elektronen simulieren.

Kommentare (2)

  1. #1 rolak
    01/10/2010

    Das ist doch mal ein schönes Beispiel für eine belastbare Theorie: Nach ca 80 Jahren werden anscheinend obskure Nebenergebnisse der Klasse ‘Wir wissen nicht, was das soll, aber wenn ich nachrechne, steht das da’ experimentell nachgewiesen… Nun ja, fast ganz 😉

  2. #2 Christian A.
    01/10/2010

    Dazu fällt mir nur ein: Science: It works, bitches!