Ich habe an der Universität Wien Astronomie studiert. Das ist in Österreich ein eigenständiges Studium; im Gegensatz zu Deutschland, wo man Physik inskribieren und sich später auf Astrophysik spezialisieren muss. In Wien habe ich am Institut für Astronomie der Uni Wien gearbeitet. In Jena dann am Astrophysikalischen Institut. Ich bin Mitglied in der Österreichischen Gesellschaft für Astronomie und Astrophysik (ÖGA²), aber nicht im deutschen Pendant, der Astronomischen Gesellschaft (AG). Ich habe wissenschaftliche Arbeiten in den Zeitschriften “Astronomy and Astrophysics” und “Monthly Notices of the Royal Astronomical Society” veröffentlicht. Diese Artikel kann man beim “Astrophysics Data System (ADS) der NASA abrufen.

“Astronomie” und “Astrophysik” bezeichnen beide die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Himmelsobjekten im Universum. Aber was ist eigentlich genau der Unterschied?

Wenn ich nach meiner Ausbildung gefragt werden, dann antworte ich immer mit “Ich bin Astronom”. Viele meiner Kollegen und Bekannten bezeichnen sich selbst aber als “Astrophysiker”, und das, obwohl sie im wesentlichen die gleiche Wissenschaft betreiben wie ich. Im Gegensatz zu Paarungen wie “Astronomie/Astrologie” oder “Geophysik/Biophysik” ist bei “Astronomie/Astrophysik” völlig unklar, worin der Unterschied zwischen den beiden Begriffen besteht. Nicht einmal die Astronomen bzw. Astrophysiker selbst scheinen eine konkrete Trennung durchzuführen. Gibt es überhaupt einen Unterschied? Dazu später mehr, zuerst möchte ich von einer Umfrage berichten, die Maria Drout, Diplomandin an der Cambridge Universität (angewandte Mathematik und theoretische Physik) erstellt hat. Darin geht es um die öffentliche Wahrnehmung von Astronomie. Noch sind die Daten nicht komplett ausgewertet, bei astrobites hat Maria aber schon eine kleine Vorschau veröffentlicht, die sich speziell mit der Frage “Astronomie vs. Astrophysik” beschäftigt.

An der Umfrage haben 1630 Menschen teilgenommen, 17% davon waren Astronomen/Astrophysiker und 33% mit einem Astronom/Astrophysiker befreundet. Alle Teilnehmer wurden gefragt, ob es ihrer Meinung nach einen Unterschied zwischen Astronomie und Astrophysik gibt. So sehen die Ergebnisse aus, aufgeschlüsselt nach der Nähe zur Astronomie/Astrophysik und dem Art der Ausbildung (anklicken, dann wird das Diagramm größer):

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Als erstes fällt auf: Die Mehrheit der befragten sieht tatsächlich einen Unterschied zwischen Astronomie und Astrophysik. Allerdings sind es überwiegend Astronomen/Astrophysiker, die keinen Unterschied zwischen beiden Begriffen sehen. Besonders beim rechten Bild sieht man gut, dass die Leute, die Astronomie/Astrophysik studieren, am stärksten gespalten sind (Bei den Astro-Doktoranden waren es z.B. 46% die “strongly agree/agree” angegeben haben und 48% haben “strongly disagree/disagree” gewählt).

Interessant auch die Frage, wie “hart” die Befragten Astronomie bzw. Astrophysik als Wissenschaft einschätzen. Für “hard science” bzw. “soft science” gibt es im deutschen keine wirklich gute Übersetzung. Aber eine Wissenschaft ist umso “härter”, je “wissenschaftlicher” sie wahrgenommen wird, je akkurater ihre Fähigkeiten sind, Vorhersagen zu machen, je exakter und objektiver sie ihr Forschungsgebiet beschreiben kann. Physik ist zum Beispiel “härter” als “Soziologie” die wiederum “härter” ist als die Philosophie (und um etwaigen Diskussionen gleich zuvor zu kommen: Hier geht es nicht darum, die Qualität der Forschungsarbeit zu beschreiben). Wie auch immer – so haben die Leute geantwortet:

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Es gibt hier kaum Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppe: ALLE haben sowohl Astronomie als auch Astrophysik überwiegend als “harte” Wissenschaft eingeschätzt. Interessanterweise aber wird die Astrophysik von mehr Menschen als “hart” angesehen als die Astronomie.

Im letzten Punkt wurde gefragt, ob eine bestimmte Firma/Organisation eher einen Astronom oder einen Astrophysiker einstellen würde oder ob es egal ist:

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Diese Ergebnisse haben mich doch ein wenig überrascht. Viele Leute (meistens die Mehrheit), war der Meinung, dass es für Schulen, Finanzfirmen oder die NASA keinen Unterschied machen sollte, ob man einen Astronom oder Astrophysiker einstellt. Besonders die Astronomen/Astrophysiker selbst denken, dass es hier keinen Unterschied macht. Bei den Leuten ohne astronomischen Hintergrund aber sieht das anders aus (und das sind dann wohl auch meistens diejenigen, die darüber entscheiden, wer eingestellt wird oder nicht). 30 % davon meinen, dass Astrophysiker besser als Lehrer geeignet sind als Astronomen, 39% halten Astrophysiker in der Finanzbranche für qualifizierter und 47% denken, dass Astrophysiker bei der NASA brauchbarer sind als Astronomen (nur jeweils 8%, 3% und 5% halten Astronomen für besser qualifiziert).

Diese Daten sind alle sehr interessant (und ich bin schon sehr gespannt auf die fertige Auswertung, bei der auch die anderen Fragen inkludiert sind). Aber über den Unterschied zwischen Astronomie und Astrophysik haben wir dadurch auch nicht wirklich etwas gelernt, auch wenn nun klar ist, dass der Rest der Welt offensichtlich genauso verwirrt ist.

Ich kann leider auch keine wissenschaftlich brauchbare Analyse zur Unterscheidung von Astronomie und Astrophysik bieten (aber das ist etwas, dass auf meiner Langzeit-To-Do-Liste steht). Vorerst kann ich euch nur meine persönliche Meinung und Erfahrung anbieten. Nach allem was ich bisher gesehen und erlebt habe, bin ich eigentlich davon überzeugt, dass “Astronomie” und “Astrophysik” nicht mehr wirklich dazu verwendet werden, um unterschiedliche Dinge zu bezeichnen. Ob sich eine Wissenschaftlerin als “Astronomin” oder “Astrophysikerin” bezeichnet oder eine Forschungseinrichtung als “Astronomisches Institut” oder “Astrophysikalisches Institut” ist mehr oder weniger beliebig. Mir wäre kein Fall bekannt, wo die Bezeichnung tatsächlich einen konkreten Unterschied in der Ausrichtung der Forschung bezeichnet. Kein Institut würde sagen “Bei uns gibt es nur die Fachrichtungen X, Y und Z und kein A, B oder C, denn wir sind ein astronomisches Institut und kein astrophysikalisches”. Kein Wissenschaftler würde sagen “Frag einen Astronom, ich bin Astrophysiker und kenn mich damit nicht aus”.

Das bedeutet aber nicht, dass es früher keine derartigen Unterschiede gegeben hat. Früher gab es tatsächlich erstmal nur die Astronomie. Das Wort “Astrophysik” ist erst im 19. Jahrhundert aufgekommen, als sich die Astronomie durch die Entwicklung der Spektroskopie und der Astrofotografie komplett gewandelt hatte. Vorher konnte man im Prinzip nur Position, Bewegung und Helligkeit der Sterne aufzeichnen. Dank der neuen Techniken war es aber nun auch möglich, die Zusammensetzung der Sterne zu erforschen, die Mechanismen, die in ihnen ablaufen, man konnte eine Physik der Sterne betreiben. Diese neuen Forschungsgebiete wurden daher als “Astrophysik” bezeichnet. Wie genau dieser Prozess abgelaufen ist, wer daran beteiligt war und was dazu geführt hat, dass diese Unterscheidung heute im Wesentlichen nicht mehr existiert, ist eine andere Frage auf die ich momentan keine Antwort habe (ich habe mal darüber was in einem Buch gelesen und sobald ich mich erinnert habe, welches Buch das war, sage ich Bescheid 😉 ). Bis es soweit ist, freue ich mich über sachdienliche Hinweise. Vielleicht gibt es wissenschaftshistorische Arbeiten zu diesem Thema die meiner Recherche entgangen sind? Oder vielleicht haben sich Sprachwissenschaftler (Anatol?) sich der Sache schon einmal angenommen? Ich jedenfalls werde mich weiterhin als “Astronom” bezeichnen!

Kommentare (82)

  1. #1 Wolf
    25. November 2011

    Solange du von SB nicht wieder zum Astrologen gemacht wirst… 😉

  2. #2 Max
    25. November 2011

    In der Tat eine interessante Frage. Rein vom Gefühl her würde ich, wie du am Ende auch andeutest, die Leute, die sich z.B. mit Kern- und Neutrinophysik in Sternen beschäftigen eher als Astrophysiker bezeichnen, und die Leute, die Galaxien-, Planeten-, und Sternbewegungen etc. untersuchen eher als Astronomen. Gewissermaßen wären die Astrophysiker diejenigen, die es hauptsächlich mit Quantenphysik zu tun haben, und die Astronomen die, die sich eher mit der ART beschäftigen, wenn mans mal anhand dieser beiden Theorien ausdrücken will. Aber das ist eben nur eine gefühlte, persönliche Unterscheidung und damit sind sicher viele Astronomen und Astrophysiker nicht einverstanden 😉

  3. #3 Stephan
    25. November 2011

    wikipedia behauptet, dass Astrophysik “nur” ein Teilgebiet der klassischen Astronomie sei.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Astrophysik

  4. #4 Stephan
    25. November 2011

    Hier wird Astrophysik ebenfalls nur als ein “Fachgebiet” innerhalb der Astronomie aufgezählt:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Astronomie#Fachgebiete_der_Astronomie

    Wenn ich tippen müsste, dann würde mir aber auch kein großer Unterschied zwischen beiden Bezeichnungen einfallen. “-physik” in der Bezeichnung sorgt vielleicht psychologisch für mehr “Gläubwürdigkeit”, daher die gehäuften “Einstellungen”.

  5. #5 Stephan
    25. November 2011

    Die gleiche Einteilung auch in der englischsprachigen wiki:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Astrophysics

    https://en.wikipedia.org/wiki/Astronomy

    Astrophysics (Greek: Astro – meaning “star”, and Greek: physis – φύσις – meaning “nature”) is the branch of astronomy that deals with the physics of the universe, including the physical properties of celestial objects, as well as their interactions and behavior.

    Nur ein “branch”…

  6. #6 Stephan
    25. November 2011

    oh, ich habe ganz vergessen, dass man wikipedia nicht trauen darf und da eh nur Blödsinn drin steht und nix stimmt. Sorry für die 4 Links, mein vierfacher Fehler 😉

    Ist ja auch nur die Meinung von wikipedia, keine Ahnung, wie das andere sehen. Aber du teilst uns das sicher noch mit.

  7. #7 MartinB
    25. November 2011

    Ist es denkbar, dass – gerade bei denen, die nicht so viel Ahnung von Astro haben – Astronomie eher mit Astrologie verwechselt wurde und der Unterschied daher kommt?
    Ich hatte bisher auch immer gedacht, dass z.B. das Erstellen von Sternkarten oder Klassifizieren von Galaxien zwar Astronomie, aber keine Astrophysik ist, Astronomie war für mich immer der Oberbegriff (mit einem Schwerpunkt auf dem Beobachten) und Astrophysik das Studium der physikalischen Mechanismen im All. Aber ich lasse mich gern eines besseren belehren.

  8. #8 jens
    25. November 2011

    In meiner Wahrnehmung war Astronomie
    a) der Überbegriff für “alles in dieser Richtung” (insbes im populären Bereich)
    und gleichzeitig, aber etwas spezieller
    b) das Teilgebiet, welches sich (nur) mit der Erstellung von astronomischen Karten befasst.
    (also beobachten, aufzeichnen, dem “Stern einen Namen geben” (= eben Astronomie)

    Die Astrophysik war demnach ein Teilgebiet, in dem es um Entstehung + Entwicklung der verschiedenen Körper und Systeme geht, also um die (physikalischen) Prozesse.

    Mir ist natürlich klar, daß die Überschneidungen riesig sind. So gesehen, warte ich gespannt auf den Artikel.

  9. #9 Stephan
    25. November 2011

    Ja, sowas ähnliches wollte ich auch sagen. Vielleicht liegt es einfach daran, dass es keine global akzeptierte Definition der Begriffe gibt.
    Verschiedene Definitionen führen dann natürlich zu unterschiedlichen Antworten.

    Astrophysik beschäftigt sich also mit Physik und Astronomie eben nicht. 😉
    Ja, so muss es sein.
    Astronomen erstellen also Horoskope, Chakrenbilder und zeichnen Meridiane ein.

    Wer käme auch auf die absurde Idee, dass sich Astonomen mit Physik beschäftigen könnten. Dafür müssten Sie ja Mathematik können. Lächerlich!

    Das ist die Lösung.

    😉

  10. #10 Dietmar
    25. November 2011

    Na, wenn Du das selbst nicht weißt …

    *duck-und-wech*

  11. #11 Alderamin
    25. November 2011

    Ich hatte das bisher auch immer so verstanden, dass Astronomie der jahrtausendealte Oberbegriff für die Wissenschaft ist, unter der sich in jüngerer Zeit Spezialgebiete etabliert haben wie Astrometrie, Kosmologie, Kosmogonie, Planetenkunde, Radioastronomie, Astrochemie, neuerdings gar Astrobiologie, und eben Astrophysik. Letztere würde sich dann am ehesten mit den Fusionsprozessen innerhalb der Sterne, mit den Vorgängen in deren Atmosphären und Entstehung der Spektren, mit Schwarzen Löchern, entarteter Materie etc. beschäftigen, kurzum alle komplexen Prozesse mit bekannten physikalischen Modellen unterlegen.

    Bei der Astrometrie geht es um die Vermessung der Örter und der Berechnung der Bahnen von Himmelskörpern, wobei natürlich in Form der Newtonschen und Keplerschen Gesetze auch Physik mit im Spiel ist, aber eher die Physik, die schon im 18. Jahrhundert und davor bekannt war.

    Bei der Astrochemie geht’s wiederum um die Reaktion von Elementen in Planetenatmosphären oder auf der Oberfläche von Staubkörnern und Asteroiden u.ä..

    Astronomie ist das alles, weil es sich mit Objekten außerhalb der Erde befasst, und die verschiedenen Disziplinen haben zahlreiche Berührungspunkte untereinander.

  12. #12 Florian Freistetter
    25. November 2011

    @Stephan: “oh, ich habe ganz vergessen, dass man wikipedia nicht trauen darf und da eh nur Blödsinn drin steht und nix stimmt. Sorry für die 4 Links, mein vierfacher Fehler ;-)”

    Hat irgendwer was gegen Wikipedia gesagt? Was soll die Aufregung.

    Ja, ich habe auch dort nachgesehen, bevor ich den Artikel geschrieben habe. Die – quellenlose – Definition dort erschien mir jetzt aber nicht so wirklich relevant. Denn wie ich schon geschrieben habe: In der astronomisch/physikalischen Realität findet diese Trennung nicht statt.

  13. #13 Florian Freistetter
    25. November 2011

    @jens: “das Teilgebiet, welches sich (nur) mit der Erstellung von astronomischen Karten befasst. (also beobachten, aufzeichnen, dem “Stern einen Namen geben” (= eben Astronomie)”

    Hu – also seit der Antike haben Astronomen nur noch in Ausnahmefällen irgendwelchen Sternen Namen gegeben. Das “Erstellen von Karten” ist übrigens die “Astrometrie”, ein Teilgebiet der Astronomie.

  14. #14 Kuchlbacher Rudolf
    25. November 2011

    @MartinB

    Ist es denkbar, dass – gerade bei denen, die nicht so viel Ahnung von Astro haben – Astronomie eher mit Astrologie verwechselt wurde und der Unterschied daher kommt?

    Volle Zustimmung hierfür – aus meiner bescheidenen Erfahrung kann ich sehr gut bestätigen, dass diese Verwechslung häufig passiert. Astrophysik ist als Begriff nahezu unverwechselbar bzw. eindeutig.

  15. #15 Maxim
    25. November 2011

    Ich unterscheide schon zwischen Astrophysik und Astronomie.

    Astronomie ist für mich die Beobachtung von astronomischen Objekten (z.B. Spektroskopie), Bestimmung deren Bahnen, Erstellen und Überprüfen von Modellen der Dynamik im Kosmos (vor allem Sonnensystemen).

    Astrophysik ist geht einen Schritt tiefer und untersucht die Fragen, welche genauen physikalischen Prozesse für die Entstehung von Sternen und Galaxien verantwortlich sind.
    Es gibt eine sehr große Überschneidung mit Kern- und Plasmaphysik, deswegen gibt es in Masterstudiengängen auch häufig einen Schwerpunkt “Kern- und Astrophysik”.
    Ein Astronom kann gut ohne Quantenmechanik/Kernphysik leben, ein Astrophysiker nicht.

    Der Unterschied zwischen Astronomie und Astrophysik ist der wie zwischen Chemie und Molekürphysik.

  16. #16 Joha
    25. November 2011

    Ich denke da auch eher in die Richtung von Max. Wenn mich Freunde danach fragen sag ich immer (sehr vereinfacht) daß Astronomen sich eher mit direkter Beobachtung, Vermessung etc. beschäftigen, während Astrophysiker sich damit beschäftigen, “warum das alles so leuchtet”. Das ist dann aber die Erklärung für diejenigen, die mich vorher gefragt haben warum ich Astrologie studieren wollte 😉

  17. #17 Florian Freistetter
    25. November 2011

    @Joha: “Ich denke da auch eher in die Richtung von Max. Wenn mich Freunde danach fragen sag ich immer (sehr vereinfacht) daß Astronomen sich eher mit direkter Beobachtung, Vermessung etc. beschäftigen, während Astrophysiker sich damit beschäftigen, “warum das alles so leuchtet””

    Ja – nur stimmt das halt leider nicht. Es gibt genug Leute, die sich “Astronomen” nennen, und die das “warum das alles so leuchtet” erforschen. Und umgekehrt. Die Einteilung mag vielleicht historisch so entstanden sein – aber heute ist die Trennung praktisch aufgehoben. Ansonsten müsste es ja überall Institute für Astronomie und Astrophysik geben…

  18. #18 Marcus
    25. November 2011

    Naja, als Vertreter dieser Gattung unterscheide ich zw. Astronomie und Astrophysik eigentlich nur bei (potentiellen) Unterhaltungen. Wenn ich gefragt werde, was ich beruflich mache und mich mit der Person unterhalten möchte, ist die Antwort “Astronom” – das interessiert sehr viele Menschen (deswegen lesen wir doch alle hier).
    Wenn ich meine Ruhe haben will, wirkt die Antwort “Astrophysiker” (noch verschärfter: PHYSIKER) oft schon genug abschreckend, ohne irgendwie unhöflich sein zu müssen.
    (Das ist jetzt mein persönlicher Vorteil aus der Tatsache, dass Physiker leider i.A. als etwas “verschroben” gelten.)

  19. #19 Simon
    25. November 2011

    ich halte die vermutung von MartinB auch für durchaus plausibel. es ist mir nicht nur einmal passiert, dass auf meine aussage, dass ich astronomie studiere, die zögerliche nachfrage kam “was von beiden ist das nochmal?”. bei astrophysik hingegen macht das wort physik sofort klar, dass es nichts mit horoskopen zu tun hat…

    außerdem glaube ich auch, dass für einen außenstehenden das wort astrophysik “wissenschaftlicher” klingt als astronomie…mit dem astronomen wird wohl eher der sternengucker assoziiert, mit dem astrophysiker eher der theoretiker.

  20. #20 Richelieu
    25. November 2011

    Ich habe auch immer Astronomie als die gesamt Wissenschaft angesehen, und Astrophysik als eine Gebiet dieser und teile auch die Sicht von MartinB, mir scheint auch der Schwerpunkt Beobachtung wichtig, ich bin zB. der Meinung das sämtliche Teleskop- oder CCDtechniken wohl kaum zur Astrophysik gehören, aber da die Handhabung dieser wohl nur noch seltenst von Astronomen sondern wohl meist von Studenten oder Technikern gemacht wird könnte es sein das schlussendlich der Wissenschaftler selber nur noch als Astrophysiker arbeitet.
    Aber das ist nur die Sicht eines Hobby-Astronomen der übrigens keine Hobby-Astrophysiker kennt 😉

  21. #21 Alderamin
    25. November 2011

    Man denke z.B. auch mal an die Begriffe Biologie und Biophysik.

    Wenn unter den Profis nicht mehr zwischen Astronomie als Allgemeinbegriff und Astrophysik als Disziplin der Astronomie unterschieden wird, dann ist das eine Wandlung der ursprünglichen Begriffe, die vermutlich darin begründet ist, an welchen Instituten und Fakultäten Astronomie (im Sinne des Oberbegriffs) an den Universitäten verankert ist, nämlich im Umfeld der Physik. Was wiederum daran liegt, dass die moderne Physik und die Astronomie so große Überschneidungsbereiche haben. So wie man in der Physik ohne Mathematik, die nicht mal eine Naturwissenschaft ist, nicht weit kommt, so kommt man in der Astronomie nicht weit ohne Physik. Man ist längst über das Zeitalter hinausgewachsen, in welchem Astronomie nur beobachtete und sammelte, ohne die Hintergründe erklären zu können. Das war vor 2-300 Jahren noch anders.

    Wer also heute Astronomie studiert, studiert insbesondere und vor allem Astrophysik, weil diese Disziplin große Teile der Astronomie vereinnahmt hat. Trotzdem bezeichnen sie m.E. nicht wirklich dasselbe.

  22. #22 Michael Bauer
    25. November 2011

    Auch wenn der Diskussion vorgebeugt werden sollte – eines muss ich doch anmerken: Es ist zwar richtig, dass Teildisziplinen der Philosophie “softer” sind als viele andere Wissenschaften… aber für andere Teildisziplinen wie z.B. Wissenschaftstheorie/Metatheorie empirischer Wissenschaften, Kategorientheorie, Analytische Metaphysik, Analytische Philosophie des Geistes etc gilt das nicht – diese nutzen fast ausschließlich Methoden, die eher der formalen Logik nahestehen als empirischen Wissenschaften…die Methodik ist eher typisch für “Strukturwissenschaften” wie eben Mengenlehre, formale Logik und Mathematik.

    Im Unterschied zu solchen reinen Strukturwissenschaften versucht die Philosophie jedoch direkt die Methodik auf konkrete Fragen zur Erklärung von Phänomenen anzuwenden, indem Sie Positionen zu Fragen bezüglich der Erklärung der Phänomene sowie Argumente und deren Wahrheitsbedingungen mit strikter Methodik analysiert und die Ergebnisse dann mit vorhandenem Wissen abgleicht. Ebenso werden (oft strikt formale) Modelle der Phänomene erstellt die an “härte” solchen aus reinen Natur- und Strukturwissenschaften in nichts nachstehen.

    Wenn die Methoden aber nun so exakt sind, warum sind sich Philosophen dann so selten einig? Das liegt daran, dass für die Frage, welche Position man nun zu einem Thema bezieht nicht nur die Methodik ausschlaggebend ist, sondern die Auswahl der Fakten, die man mit einbezieht, und die Verknüpfungen, die man hier herausstellt. Je nachdem welche Aspekte man beleuchtet können trotz exakter Methodik und fehlerfreier Analyse gänzlich unterschiedliche Positionen herauskommen. Und da sich die Philosophie eben genau mit jenen Themen beschäftigt, die sich eher um konzeptionelle Fragen drehen, die unter den gegebenen Konzeptionen der zu erklärenden Phänomene nicht empirisch entscheidbar sind bestehen oft gänzlich unterschiedliche Ansichten. Hier versucht die Philosophie, diese Konzeptionen zu verbessern, so dass bessere Erklärungsmodelle entwickelt werden können.

    Als Beispiel einer Frage, mit der sich die Philosophie der theoretischen Evolutionsbiologie beschäftigt: Welche Phänomene gehören zu Phänotypen – ist die grenze des Organismus die Grenze des Phänotyps? Sind Modelle eines “extended phenotype” wissenschaftlich ertragreicher als klassische Modelle? Können hierdurch neue Erkenntnisse gewonnen werden? Wenn ja, welche? Oder auch: Was sind die Objekte natürlicher Selektion? Gene, Genotypen, Phänotypen, oder auch zusätzlich Gruppenstrukturen? Was wird in der Evolution reproduziert? Gene, Phänotypen, oder Lebenszyklen? Welches Modell gibt den größten Erkenntnisgewinn?

    Die Methoden zur Entscheidung ob eine Position konsistent und kohärent sind sind exakt – welche Aspekte man bez. div. Fragen betrachtet weniger. Aber die Philosophie versucht immer “bessere Fragen” zu stellen, bis das Problem irgendwann hoffentlich exakt greifbar ist – daher ist Sie auch meist an der Schaffung neuer Wissenschaftsdisziplinen, sowie den dort bestehenden Fragen auf theoretisch-konzeptionellen Ebenen essentiell beteiligt. Siehe z.B. die Entstehungsgeschichte der Kognitionswissenschaften und die Debatten, die hier heutzutage geführt werden.

    Ein sehr schönes Beispiel wie “hart” Philosophie sein kann ist der Metatheoretische Strukturalismus in der Wissenschaftstheorie, welcher wissenschaftliche Theorien, deren Änderungen auf Basis von neuen Erkenntnissen sowie intertheoretische Relationen mithilfe von Kategorientheoretischen und Mengentheoretischen Modellen darstellt. Insbesondere ist hier die Arbeit von Sneed, Suppes, Balzer und Moulines exemplarisch. Hier ein Link:

    https://plato.stanford.edu/entries/physics-structuralism/

    (der Abschnitt “Sneed’s Program” ist wohl am deutlichsten – aber auch der ist natürlich nur ein grober Überriss. In der Primärliteratur finden sich formale Herleitungen und Modell-Definitionen welche Prädikatenlogik zweiter Stufe sowie ZFC und Kathegorientheorie integrieren … über hunderte Seiten. Als ich “An Architectonic for Science” gelesen habe, musste ich erstmal schlucken – da waren Einführungstexte in die Mathematik der Quantenmechanik teilweise einfacher.)

    Ich persönlich bin gar kein Freund von den gänzlich anderen Arten von Philosophie – eigentlich all dem, was sich Ottonormalverbraucher unter “Philosophie” vorstellt… und mit Nietzsche, Schopenhauer oder Foucault verbindet… sowas nenne ich wenig liebevoll eher “freies Assoziieren” … und hier greift die Einschätzung vollkommen.

    Aber Forschungsprogramme wie das des Metatheoretischen Strukturalismus sind so weit von derartigem Geschwafel entfernt wie es nur irgend geht – die “härte” liegt eher auf dem Niveau angewandter Mathematik.

    Ach ja – und: Mal wieder ein sehr interessanter Blog-Post. Danke, Florian!

  23. #23 knorke
    25. November 2011

    @Martin B
    na ich weiß nicht ob da mit Astrologie verwechselt wird. Ich würde eher vermuten (du erwähnst es ja indirekt von deiner Wahrnehmung her auch), dass die Leute mit Astronomie das handwerkliche Fernrohrgucken und Sternenhimmel abbauschen, das sie vllt. aus der Schule kennen und wie es verklittert früher wohl auch gewesen sein könne, verbinden, und mit Astrophysik irgendwelche Rechenfritzen, die Astonomische Phänomene eher nicht zu sehen kriegen sondern nur an ihnen rum rechnen.

  24. #24 Thomas Wolkanowski
    25. November 2011

    @Alderamin: Die Kosmologie ist keine Teildisziplin der Astronomie. Es mag verlockend erscheinen sie als solche aufzuführen, jedoch ist es schon allein aus wissenschaftstheorischer Sicht nicht korrekt, was meines Wissens auch von Leuten vom Fach so gesehen wird. Die Kosmologie ist eine eigenständige Wissenschaft, weil ihr nur ein einziger Untersuchungsgegenstand zur Verfügung steht: das gesamte Universum. Somit hat sie auch immer nur an diesem die Möglichkeit Modelle oder Vorhersagen zu überprüfen, denn es gibt nur ein Universum. Das ist völlig konträr zur Astronomie oder Astrophysik.

    Zur Frage danach, ob nun Astronomie oder Astrophysik… Ich halte das ganze Problem für ein rein sprachliches. Es gibt HEUTE meiner Einsicht nach keinen signifikanten Unterschied zwischen Astrophysik und Astronomie mehr – in Deutschland hat man nur eben das Problem, dass es eigentlich keinen eigenständigen Ausbildungsweg gibt, um einen der beiden “Berufsbezeichnungen” zu erreichen. Das ist der erste Punkt, wo bereits eine gewisse Willkür Einzug hält. Man ist zunächst (immer) Physiker, spezialisiert sich während des Studiums schon mal etwas in Richtung Astronomie bzw. Astrophysik (Bezeichnungen der Veranstaltungen sind ja den Instituten vorbehalten!). Einzig über eine Promotion wird man dann Astronom bzw. Astrophysiker – hier denke ist, ist schlicht traditionell allerorts die Bezeichnung “Astronom” üblich. In Heidelberg und Bonn nennt sich der Promotionsstudiengang “Astronomie” – spielt aber alles eigentlich keine Rolle, denn der offizielle akademische Grad bleibt entweder “Dipl.-Physiker” oder “M.Sc. in Physik”. Hinzu kommt dann der “Dr.rer.nat.” bzw. hier in Frankfurt der “Dr.phil.”

    (Man beachte: In Bonn gibt es mittlerweile auch einen Masterstudiengang, der mit “M.Sc. in Astrophysik” abschließt. Wie man sieht, relativ verwirrend…)

    Der zweite Punkt ist der schon von Florian angesprochene, dass schließlich auch Astrophysiker an Instituten für Astronomie arbeiten würden. Auch hier wieder nur ein sprachliches bzw. historisches Problem: Traditionell gab es nunmal zunächst Institute für Astronomie bzw. die Beschäftigung mit “Astro” war das Beobachten des Himmels. Allein anhand der Namensgebung eines Instituts macht es deshalb keinen Sinn mehr, wenn das Institut sich nicht a) umbenannt oder b) von vornherein präzise bezeichnet hat, wie z.B. hier:

    https://www.physik.uni-muenchen.de/forschung/schwerpunkte/astrophysik/index.html

    (Interessant, dass Kosmologie korrekt durch ein Komma getrennt wird, Astronomie und Astrophysik jedoch durch ein “und” verbunden werden 🙂 )

  25. #25 Constantin
    25. November 2011

    Ich haette gehofft, das journal “Astronomy and Astrophysics” haette eine Antwort, bin aber nicht fuendig geworden. Irgendwie fuehle ich auch, dass es einen Unterschied gibt, aber so richtig fassen kann ich ihn nicht. Vielleicht muesste man eine Liste aller Teilgebiete die mit Astronomie und/oder Astrophysik verbunden werden erstellen, und koennte eventuell darueber eine Trennlinie ziehen. Z.B. wuerde ich Astroteilchenphysik zur Teilchenphysik und Astrophysik zaehlen, aber nicht unbedingt zur Astronomie – wobei ich die Arbeit an PLANCK und HERSCHEL doch wieder zur Astronomie zaehlen wuerde. Es waere also interessant zu sehen, ob man Teilgebiete finden kann, bei denen man sich darauf einigen kann, sie nur entweder Astronomie oder Astrophysik zuzuordnen, aber nicht beiden?

  26. #26 Thomas Wolkanowski
    25. November 2011

    Oben schrieb ich von der offiziellen Geschichte. Einen intuitiven Unterschied jedoch sehe ich auch: Ich glaube, Astrophysiker sind in der einen oder anderen Form näher an der eigentlichen Physik, als es Astronomen sind – sei es vom spezifischen Untersuchungsgegenstand, der verwendeten theoretischen Methoden oder schlicht in bestimmten Aspekten der Fragestellungen. Gerade in der Interaktion zwischen letzterem und den theoretischen Methoden sehe ich die Lösung des Rätsels verborgen… Für mich betreiben Astrophysiker Physik mit außerweltlichen Gegenständen, wie Astrochemiker Chemie mit außerweltlichen Gegenständen betreiben – es gibt also von vornherein eine Fixierung, eingebettet im astronomischen Umfeld.

  27. #27 gruftspi
    25. November 2011

    @ Richelieu· 25.11.11 · 13:29 Uhr
    Aber das ist nur die Sicht eines Hobby-Astronomen der übrigens keine Hobby-Astrophysiker kennt 😉

    Hobbyphysiker , das sind in meinen Augen die “Bastler”. Hobby-Astrophysiker ist also einer der Planeten bastelt 🙂 Gibts volaeufig nur in der Sciencefiction.

  28. #28 gruftspi
    25. November 2011

    @ Richelieu· 25.11.11 · 13:29 Uhr
    Aber das ist nur die Sicht eines Hobby-Astronomen der übrigens keine Hobby-Astrophysiker kennt 😉

    Hobbyphysiker , das sind in meinen Augen die “Bastler”. Hobby-Astrophysiker ist also einer der Planeten bastelt 🙂 Gibts volaeufig nur in der Sciencefiction.

  29. #29 Stefan
    25. November 2011

    @ Alderamin· 25.11.11 · 14:06 Uhr
    “So wie man in der Physik ohne Mathematik, die nicht mal eine Naturwissenschaft ist, nicht weit kommt, …”
    Was kennzeichnet denn eine “Naturwissenschaft”?

  30. #30 Thomas Wolkanowski
    25. November 2011

    Wenn man “Wissenschaft” akzeptiert, dann kann es ja nur das Wörtchen “Natur” sein… Gegenstand der Mathematik ist nicht die Natur und auch kein Objekt der Natur, wodurch Mathematik weitläufig nicht zu den Naturwissenschaften gezählt wird.

  31. #31 Thomas Wolkanowski
    25. November 2011

    Rein zufällig habe ich zur Mathematik in meinem Blog auch gerade eine Reihe gestartet. Wer also mehr erfahren möchte…

    *Man möge mir die Eigenwerbung verzeihen 😉 *

  32. #32 Stefan
    25. November 2011

    @Thomas Wolkanowski· 25.11.11 · 16:29 Uhr
    “Gegenstand der Mathematik ist nicht die Natur und auch kein Objekt der Natur, …”
    Wieso sind Wachstumskurven oder die Kettenlinie(allg. Differenzialgleichungen) kein Bestandteil der Natur? Ebenso läßt sich ja selbst so etwas wie der Satz des Pythagoras beobachten. Auf so elementare Gegebenheiten wie Deduktion per se will ich ja (formal logisch) gar nicht eingehen… Als ein Zitat eines Mathematikers (Leopold Kronecker) ist überliefert (und sicherlich etwas aus dem Zusammenhang gerissen) “Gott schuf die Natürlichen Zahlen, alles andere ist Menschenwerk.”. Mit einer etwas moderneren Interpretation ggfs. Gott=Natur also auch die Natürlichen Zahlen nicht zur Natur gehörend? Deswegen ist wohl auch die Anzahl Kinder je Frau in Deutschland irgendwas mit 1,n und nicht ganzzahlig?
    Ach, a propo ‘Objekt der Natur’ – wie sieht es da mit quasi-Periodizitäten und Fraktalen aus?

  33. #33 Stefan
    25. November 2011

    und ums nicht langweilig werden zu lassen : Stokes-gleichungen, ‘logik Schaltkreise’ aufgrund formaler Logik – gut unsere heutigen Computer sind vielleicht nicht ganz so natürlich (Also auch Informatik keine Naturwissenschaft? .. dies vielleicht auch als direkter Beitrag zu diesem Blog: Informatik als ein Beispiel wie sich eine ‘Disziplin’ eigenstädig weiterentwickelt …).. Rubik’s Cube und Gruppentheorie….und das alles ist nicht nur ” vier Grundrechenarten ” die also so auch nicht zur Natur gehören?

  34. #34 maxfoxim
    25. November 2011

    böse Frage, ich hoffe ich kriege danach kein Hausverbot 😉
    Gibt es denn einen Unterschied zwischen Astronomie und Astrologie? 😛

  35. #35 Thomas Wolkanowski
    25. November 2011

    Da bringt ihr beide einige Sachen durcheinander.

    Wachstumskurven, Differenzialgleichungen, Stokes-Gleichungen usw…. All das hat erstmal nichts mit der materiellen Welt um uns herum zu tun. Die genannten, sagen wir mal “Entitäten”, beruhen auf rein abstrakten gedanklichen “Erfindungen” des Menschen und leben zunächst allein in seiner Vorstellung. Das ist genau das Prinzip, welches die Mathematik durchzieht wie ein roter Faden: es werden Spielregeln festgelegt und nach diesen wird gespielt. Interessanterweise wird aber mit ihnen nicht nur als Regelwerk gespielt, sondern sie selbst werden zu den Elementen des Spiels. In der Mathematik wird der Gegenstandsbereich selbst geschaffen (was sie so besonders macht).

    Was ihr meint ist ein vollkommen anderer Zusammenhang. Im Zuge der Erforschung der Natur (=materielle Welt) erkennen wir, dass diese scheinbar Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist, die wir in der Mathematik wiederfinden bzw. die wir mit der mathematischen Sprache beschreiben können. Ob wir jetzt etwas “da draußen” finden, das wir mathematisch beschreiben können, oder ob wir etwas von “da draußen” so umformulieren, dass wir es in die Mathematik packen können, spielt an dieser Stelle keine Rolle.

    Es ist natürlilch ein mögliches philosophisches Streitthema, wie genau Mathematik mit den Naturerscheinungen zusammenhängt; dazu hat Martin beispielsweise in seinem Blog einen interessanten Artikel verfasst.

    Und ja, auch die Informatik ist keine Naturwissenschaft.

    Nur um das klarzustellen, daraus folgt keine irgendwie geartete Herabstufung beider Wissenschaften. Es dient alles allein der möglichst genauen Differenzierung.

    Bestrebungen z.B. die Mathematik doch letztlich in die Gruppe der “Wissenschaften über die Natur” einzugliedern, seien jetzt mal völlig unerwähnt…

  36. #36 Gabriel
    25. November 2011

    Zunächst: Es gibt einen Unterschied!
    Aber, er ist schwer in Worte zu fassen.

    Ich versuche es immer so zu formulieren: Astronomie ist stärker von der Phänomenologie geprägt. Ein Astronom kennt einfach viel mehr Objekte, Phänomene, die er zu klassifizieren, zu erklären versucht um die Welt in der sich befindet zu verstehen. Dabei ist aber nicht das Modell oder die Theorie das treibende Element sondern die Phänomenologie und der Versuch eine Ordnung in die Dinge zu bringen.
    Die Existenz unterschiedlicher Phänomene ist hierbei bereichernd und “schön”, das finden eines besonders exotischen Phänomens wird nicht als störend sondern im Gegenteil als Erfolg gesehen.

    Astrophysik dagegen ist stark von der Modellbildung getrieben, das heißt, man versucht eine Frage zu beantworten indem man sich die dazu passenden physikalischen Ereignisse sucht. Oder man beobachtet physikalische Zusammenhänge und versucht diese zu analysieren und zu verstehen. Ziel dabei ist es ein schlüssiges Modell der Welt zu erschaffen. Aus diesem Modell heraus wird versucht die Phänomene zu verstehen, allgemein wird aber versucht möglichst wenig Klassen und Phänomene getrennt zu sehen. Es besteht das Ziel darin möglichst viele Phänomene durch wenige Modelle zu erklären. Ein Sonderfall wird eher nicht untersucht, es wird versucht allgemeingültige Theorien durch Statistiken, etc. zu bestätigen.

    Natürlich ist es sehr schwer die beiden von einander zu trennen, da die Arbeitsweisen sich eigentlich kaum unterscheiden, aber es ist doch so, das ein Astronom vom Ziel der Erforschung der Sterne geprägt ist, während ein Astrophysiker von der Physik geprägt ist und deren Methoden auf den Spezialfall Astronomie anwendet.
    Die Methoden der Astrophysik sind die stärker verwandt mit anderen Gebieten der Physik, während die Astronomie näher mit Methoden der Geologie und Meteorologie verwandt ist. Das heißt für mich: geschichtlich gewachsene phänomenologische Beschreibung ist für einen Astronomen wichtiger als für einen Astrophysiker, der es bevorzugt neue, an der Physik angelehnte Begriffe zu verwenden oder wenn möglich von Begriffen ganz weg zu kommen um reine Modelle verwenden zu können.

    Ein Beispiel mag hier die Astrometrie sein: wer von der klassischen Astrometrie kommt, wird Begriffe wie Ekliptik, Rektaszension, etc. für sehr wichtig ansehen und verwenden (Astronom), wer dagegen von der Physik kommt, wird versuchen seine Modelle beispielsweise in einem Phasenraum zu rechnen, da es für sein unwichtig ist in welchem Koordinatensystem er seine Sterne (die er Partikel nennen wird) darstellt (Astrophysiker).

    Ich würde also sagen das es sich um eine kulturelle Unterscheidung handelt, die durchaus in der Arbeitsweise aber auch der sprachlichen Prägung des Forschers wiederspiegelt, aber grundsätzlich dieselben Ergebnisse liefert, da ihr Ziel des Abbildens und Verstehens der Naturphänomens “Sterne” durch die Natur selbst korrigiert und geprüft wird.

  37. #37 Stefan
    25. November 2011

    @ Thomas Wolkanowski
    Nun mein persönlicher Standpunkt ist da , daß Mathematik sowohl “Geisteswissenschaft” als auch “Naturwissenschaft” ist (oder andersherum ;-)). Deine Darstellung des eher “geisteswissenschaftlichen” Zugangs kommt schon ‘rüber’. Aber z.Bsp. die Kettenlinie geht auf ein konkretes Problem nämlich das von Ankerketten zurück – gut über die ‘Natürlichkeit’ läßt sich streiten… Es stimmt schon es gibt Gelegenheiten in denen Theorien/theoretisch irgendetwas als mathematisches Objekt zustande kam und dann erst in der Natur entdeckt wurde aber ebenso auch umgekehrt, daß eine Naturbeobachtung gemacht wurde und dann dazu eine mathematische Modelvorstellung entwickelt wurde(bsp. Variationsrechnung/Numerik als ganze Zweige). Die Frage da ist doch dann u.U. eher warum mathematische Prinzipien nicht natürlich ( im Sinne von zur Natur gehörig) sein sollen?
    Ich verstehe allerdings nicht wie es möglich sein soll so etwas wie eine “Entität”( in der Natur) überhaupt zu zulassen wenn eine ‘1’ nicht als zur Natur gehörig angesehen wird. Also ‘Zahlen’ per se nicht Natur? Konsequent zu Ende gedacht führt Deine Argumentation dann ja auch dazu, daß Physik ( in all ihren Spielarten?) dann keine Naturwissenschaft ist – schließlich sind Farben von Gluonen ja auch nicht immer unmittelbarer Bestandteil unserer natürlichen Erfahrungswelt ebenso wenig wie ‘Spekulationen über das Innere von Schwarzen Löchern oder Vor-Urknalltheorien ( also auch Kosmologie ist keine Naturwissenschaft?)….und ich erinnere mich einer Biologin die mal zu mir kam mit partiellen Differenzialgleichungen ihrer Naturbeobachtung um damit Populationen in Mooren zu beschreiben.
    In der Natur beobachtbar … Satz des Pythagoras … auch wenn die Geometrie nur ein Teilgebiet/Disziplin innerhalb der Mathematik ist – sie läßt sich beobachten und aus diesen ebenen Geometriebeobachtungen wurden Betrachtungen die abstrahiert wurden zu nicht ebenen Geometrien …wobei eine Kugel sich ja auch beobachten läßt, aber neben dieser dann eben Minkowski-geometrien, Differentialgeometrien ( ein Schwarzes Loch läßt grüßen) etc. hervorkamen.
    Wo möchtest Du denn die Grenze ziehen zwischen dem ‘in Natur Beobachtbarem’ und dem ‘einer unserer Modelvorstellung entsprechenden Beobachtung’? – egal in welcher Wissenschaft.
    Und das wir uns jetzt so un-naturwissenschaftlicher Mittel bedienen(Computer) um über Naturwissenschaft zu diskutieren …:-)
    Für den Blog hier könnte sich dann die Frage stellen” Astronomie und Astrophysik – beides Naturwissenschaften?” ( Ist jetzt die Lie E8 ein adequates Model für den Teilchenzoo? Schließlich scheint jeder Stern Masse zu haben…)

  38. #38 Stephan
    25. November 2011

    @Stefan

    Mathematik ist weder eine Geisteswissenschaft noch eine Naturwissenschaft, sondern eine Strukturwissenschaft.

    Die Strukturwissenschaften sehen sich selbst als universelle modellbildende Verfahren, welche im Rahmen von Formalisierungen die Grundlagen für konkrete Anwendungen und Modellierungen in der Naturwissenschaft, den Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften bereitstellen. Sie studieren Strukturen in abstracto unabhängig davon, ob es solche Dinge überhaupt gibt. Strukturwissenschaften weisen einen hohen Mathematisierungsgrad auf. Sie sind gegenstandsenthoben und verwenden allgemeine Begriffe, die jeweils in konkreten Gegenstandskontexten und disziplinären Feldern inhaltliche Schärfe erlangen können, weshalb man sie auch als Metadisziplinen bezeichnen kann, die fachübergreifend über viele Wissenschaftsgebiete hinweg wirken.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Strukturwissenschaft

  39. #39 Alderamin
    25. November 2011

    Thomas Wolkanowski·
    25.11.11 · 14:58 Uhr

    @Alderamin: Die Kosmologie ist keine Teildisziplin der Astronomie. Es mag verlockend erscheinen sie als solche aufzuführen, jedoch ist es schon allein aus wissenschaftstheorischer Sicht nicht korrekt, was meines Wissens auch von Leuten vom Fach so gesehen wird. Die Kosmologie ist eine eigenständige Wissenschaft, weil ihr nur ein einziger Untersuchungsgegenstand zur Verfügung steht: das gesamte Universum. Somit hat sie auch immer nur an diesem die Möglichkeit Modelle oder Vorhersagen zu überprüfen, denn es gibt nur ein Universum. Das ist völlig konträr zur Astronomie oder Astrophysik.

    Mmh, hatte ich bisher nicht so gesehen. Wikipedia sagt dazu:

    Die Kosmologie […] beschäftigt sich mit dem Ursprung, der Entwicklung und der grundlegenden Struktur des Universums (Kosmos) als Ganzem und ist damit ein Teilgebiet sowohl der Physik, der Astronomie als auch der Philosophie.

    Mir ist die Kosmologie immer nur in Astronomiebüchern, -kursen und -vorlesungen begegnet, daher würde ich sie in der Astronomie verorten. Sie beschäftigt sich eigentlich mit den gleichen Dingen, wie die Astronomie (den Himmelskörpern), nur mit dem Fokus auf deren gesamtheitliche Entwicklung. Das geht bis zurück in eine Zeit bevor es die Himmelskörper gab. Ist die kosmologische Hintergrundstrahlung noch Bestandteil der Astronomie?

    Zur Frage danach, ob nun Astronomie oder Astrophysik… Ich halte das ganze Problem für ein rein sprachliches. Es gibt HEUTE meiner Einsicht nach keinen signifikanten Unterschied zwischen Astrophysik und Astronomie mehr – in Deutschland hat man nur eben das Problem, dass es eigentlich keinen eigenständigen Ausbildungsweg gibt, um einen der beiden “Berufsbezeichnungen” zu erreichen.

    Man müsste eigentlich unterscheiden zwischen Ausbildung und Beruf. Man kann Astrophysik studieren und dann als Astronom arbeiten. Man kann auch gar nicht studieren und als Astronom arbeiten. Clyde Tombaugh hat zum Beispiel kein College besucht, sondern Hobbyastronomie betrieben und dann als Hilfskraft am Lowell Observatorium angefangen, wo er später Platten blinkt, um Planet X zu finden – er fand schließlich Pluto. Er war sicherlich kein Astrophysiker, aber doch Astronom. Nur gibt es solche Leute heute kaum noch, die meisten Astronomen studieren halt Physik und Astrophysik. Ich weiß nicht, wie die Berufsbezeichnung der Leute ist, die in professionellen Sternwarten vor Ort den Betrieb aufrecht erhalten. Auch sie sind vielleicht meistens keine Astrophysiker, arbeiten aber dennoch als Astronomen.

    In Deinem anderen Post bin ich völlig bei Dir.

  40. #40 Thomas Wolkanowski
    25. November 2011

    @Stefan: Ich habe nie behauptet, dass Mathematik eine Geisteswissenschaft sei. Wie Stephan schon anführte, kann Mathematik als Strukturwissenschaft klassifiziert werden (falls man sie überhaupt irgendwie einordnen möchte). Meiner Einsicht nach ist die beste und “sanfteste” Bezeichnung schlicht dadurch gegeben, wenn man sagt, Mathematik ist eine axiomatische Wissenschaft.

    “Die Frage da ist doch dann u.U. eher warum mathematische Prinzipien nicht natürlich ( im Sinne von zur Natur gehörig) sein sollen?”

    Zunächst müsstest du erklären, was du in diesem Kontext unter einem mathematischen Prinzip verstehst… Mindestens genauso wichtig für eine Naturwissenschaft ist der Bezug zum Experiment und zu (Natur-)Beobachtungen, mit denen Aussagen überprüft werden können. So etwas findest du (nicht nur strenggenommen) eigentlich nicht im Bereich der Mathematik.

    “Ich verstehe allerdings nicht wie es möglich sein soll so etwas wie eine “Entität”( in der Natur) überhaupt zu zulassen wenn eine ‘1’ nicht als zur Natur gehörig angesehen wird. Also ‘Zahlen’ per se nicht Natur?”

    Es gibt in der Natur keine Zahlen, denn auch die sind von Menschenhand gemacht, um z.B. Anzahlen zu symbolisieren – ob die Idee hinter der Zahl in der Natur realisiert ist, ist eine interessante philosophische Frage.

    “Konsequent zu Ende gedacht führt Deine Argumentation dann ja auch dazu, daß Physik ( in all ihren Spielarten?) dann keine Naturwissenschaft ist – schließlich sind Farben von Gluonen ja auch nicht immer unmittelbarer Bestandteil unserer natürlichen Erfahrungswelt ebenso wenig wie ‘Spekulationen über das Innere von Schwarzen Löchern oder Vor-Urknalltheorien ( also auch Kosmologie ist keine Naturwissenschaft?)….und ich erinnere mich einer Biologin die mal zu mir kam mit partiellen Differenzialgleichungen ihrer Naturbeobachtung um damit Populationen in Mooren zu beschreiben.”

    Nein, das führt keineswegs in diese Richtung. Ohne jeden Zweifel ist die Physik eine Wissenschaft von der Natur, denn sie hat den Anspruch, die Natur zu beschreiben und die sich darin ereignenden Phänomene zu erklären. Alles, was in der Physik eingeführt wird, hat den Anspruch letztlich im Rahmen einer Theorie in gewisser Weise “echt” realisiert zu sein. Du hast dir doch deine Frage an micht selbst beantwortet: Die Biologin wollte NICHT partielle Differentialgleichungen studieren, sondern Populationen in Mooren – damit ist doch der Untersuchungsgegenstand eindeutig festgelegt. Was die Sache mit den Farben der Gluonen anbelangt: Die Farbe ist eine Quantenzahl, die man nicht einfach so eingeführt hat, sondern sie wurde nötig, weil DIE NATUR es uns abverlangte.

    “In der Natur beobachtbar … Satz des Pythagoras … auch wenn die Geometrie nur ein Teilgebiet/Disziplin innerhalb der Mathematik ist – sie läßt sich beobachten […].”

    Nein, die euklidische Geometrie z.B. beruht auf Axiomen. Sie handelt von Punkten, Geraden usw., also von Objekten, die es in der Natur erstmal so gar nicht gibt. Der Satz des Pythagoras kann nur deshalb in der Natur “gefunden” werden, weil die Erde lokal als euklidischer Raum aufgefasst werden kann – die euklidische Geometrie ist deshalb für uns intuitiv und deshalb “natürlich”.

    “Wo möchtest Du denn die Grenze ziehen…”

    Ich hoffe, ich habe das anhand deiner Beispiele zeigen können.

    @Alderamin: Ja, da sieht man auch wieder, dass es gar nicht so einfach ist.

  41. #41 Alderamin
    25. November 2011

    @Stefan

    Oh, was habe ich da mit meinem kleinen Nebensatz ausgelöst, ich dachte, das sei Standardwissen, dass Mathematik nicht zu den Naturwissenschaften gehört. Sie beschäftigt sich im Prinzip mit sich selbst. Man stellt einige Axiome auf, definiert Objekte und Regeln, und zeigt dann, unter Befolgung der Regeln, was für Schlussfolgerungen daraus folgen. Man kann auch einen ziemlichen Ramsch definieren, etwa einen Zahlenkörper über den Polynomen.

    Bei vielen Dingen in der Realität hat sich gezeigt, dass sie sich durch Mathematik abstrakt beschreiben lassen. Ein Apfel + drei Äpfel gleich fünf Äpfel. Geschwindigkeit ist gleich Strecke pro Zeit. Erste Ableitung von Geschwindigkeit ist Beschleunigung usw. Aber da wurde zuerst beobachtet und dann die Beobachtung mathematisch beschrieben, und aus dieser Beschreibung folgen dann mathematisch gewisse Schlussfolgerungen. Die müssen aber nicht immer konstistent sein – die Mathematik beweist nichts über die Natur. Beim Auflösen quadratischer Gleichungen in der Physik ist eine Lösung meist physikalischer Unsinn. In der Stringtheorie kämpft man gegen unendliche Lösungen. Aber mit Mathematik kann man die Realität beschreiben. Man könnte auch eine völlig andere Realität beschreiben, wo Gravitation proportional zu 1/r^3,5 wäre oder so was. Deswegen sagt einemm Mathematik alleine nichts über die Natur. Wir haben fröhlich mit Newton gerechnet bis wir merkten, dass die Beschreibung irgendwann nicht mehr stimmte. Dann haben wir die mathematische Beschreibung so verändert, dass sie die beobachtete Realität wiedergibt, wobei bei großen Gravitationsfeldern auf kleinstem Raum wieder Unsinn herauskommt…

    Mathematik hat mit Naturwissenschaft ungefähr so viel zu tun, wie Poesie mit Schrift, oder Musik mit Noten. Poesie geht auch mit Sprache und Musik nur mit Instrumenten, aber mit Schrift und Noten kann man sie beschreiben. Mathematik kann aber auch ganz alleine bestehen und sich mit Dingen befassen, die es in der Realität gar nicht gibt. So wie man vielleicht Noten aufschreiben kann, die zu hoch oder zu tief für ein musikalisches Instrument sind, oder Wörter mit Buchstaben hinschreiben, die keine Bedeutung haben.

  42. #42 Stefan
    25. November 2011

    @ Stephan
    Irgendwie sind solche Wissenschaftskategorisierungen immer etwas zweifelhaft. Gibt es da Antworten der Wissenschaftstheorie zu?
    Carl Friedrich von Weizäckers Idee (: „Die beliebte Frage, ob Mathematik eine Natur- oder Geisteswissenschaft sei, geht von einer unvollständigen Einteilung aus. Sie ist eine Strukturwissenschaft.“)da eine eigene Art/Typus von Wissenschaft einzuführen geht ja in die Richtung. Als philosophierender Physiker (oder physikalischer Philosoph ?) hatte er da sicherlich auch seinen eigenen Blick auf die Mathematik – die sicherlich sehr gut in das von Dir gebrachte Wiki-Zitat passt, insbesondere der hohe Mathematisierungsgrad 🙂 – er hatte bspw. immer gewisse Vorbehalte gegenüber mehrwertiger Logik. – In dem ‘Strukturwissenschaft’- Wiki-Artikel steht auch “Zu den Strukturwissenschaften werden von den Befürwortern dieser Wissenschaftskategorie folgende Forschungsbereiche gezählt:” und dann folgt eine Liste mit sehr vielen Teilgebieten der Mathematik + anderes. Hmm – allgemeiner Konsens klingt normalerweise etwas anders als das von ‘Befürwortern’ gesprochen wird…
    Zu einem gewissen Teil geht wohl diese Wissenschaftsartkategorisierung auch auf hiesige Tradition zurück – als Beispiel im angelsächsischen Sprachgebrauch social science üblicherweise mit Sozialwissenschaften übersetzt aber eigentlich ‘die Wissenschaft sozialer Beziehungen’ – also eher so in dem Sinne Wissenschat die sich mit dem oder jenem beschäftigt. Und ja, sicherlich beschäftigt sich Mathematik mit ‘Struktur/Strukturen’. Aber irgendwie führt das wieder darauf zurück solche Fragen u.U. an Wissenschaftstheoretiker zu stellen.
    Mißversteh mich bitte nicht, der Wiki-Artikel ist durchaus interessant …und sicherlich läßt sich so etwas wie ‘Strukturwissenschaft’ ‘klassifizieren’. …über den Mathematisierungsgrad?
    Da ist auch folgendes Zitat zu finden: “Im Jahre 2008 schrieb B. O. Küppers zusammenfassend über die Gebiete der komplexitätsorientierten Strukturwissenschaften: „Die Strukturwissenschaften … sind heute mächtige Instrumente zur Erforschung der komplexen Strukturen der Wirklichkeit. Ihre Gliederung erfolgt nach den gegenstandsübergreifenden Ordnungs- und Funktionsmerkmalen, welche die Wirklichkeit strukturieren, und die wir mit Oberbegriffen wie System, Organisation, Selbststeuerung, Information und dergleichen beschreiben. Neben den bereits als klassisch einzustufenden Disziplinen der Kybernetik, Spieltheorie, Informationstheorie und Systemtheorie haben die Strukturwissenschaften so wichtige Wissenschaftszweige wie Synergetik, Netzwerktheorie, Komplexitätstheorie, Semiotik, Chaostheorie, Katastrophentheorie, Theorie der Fraktale, Entscheidungstheorie und die Theorie der Selbstorganisation hervorgebracht. Auch die von mir anvisierte Theorie der Randbedingungen mag sich eines Tages zu einer eigenständigen Strukturwissenschaft weiterentwickeln.“
    Man beachte:”Instrumente zur Erforschung der komplexen Strukturen der Wirklichkeit”. Also durchaus der konkrete Bezug zur “Wirklichkeit”.
    Wiki sagt beispielsweise zu “Naturwissenschaft” : “Als Naturwissenschaften werden jene Wissenschaften bezeichnet, die sich mit der Erforschung der unbelebten und der belebten Natur befassen, indem sie diese beobachten, messen, mit mathematischen Methoden analysieren, um ihr Verhalten schließlich in der Form allgemeiner Naturgesetze beschreiben und vorhersagen zu können. Als Natur wird in diesem Zusammenhang die Gesamtheit aller empirisch zugänglichen Phänomene von Materie und Energie betrachtet.”
    Entschuldigt bitte diese vielen Wiki-Zitate aber es erscheint wir sinnvoll um damit gewisse Grundlagen dieser Diskussion darzustellen.
    Also auch für Naturwissenschaft entsprechender Mathematisierungsgrad(messen , analysieren, allgemeine Naturgesetze). Natur als ” die Gesamtheit aller empirisch zugänglichen Phänomene von Materie und Energie ” – gut; Also sind neurophysiologische Vorgänge im Gehirn als Forschungsgebiet der Psychologie Natur – analysiert mit mathematischen Methoden…und damit ist Psychologie eine Naturwissenschaft… Und auch hier bitte mißversteht dies nicht, dies ist in keinster Art und Weise bewertend gemeint – es zeigt nur auch wieder wie zweifelhaft dies ‘hard & soft science’ ist, insbesondere unter den Bedingungen wie sie in Wiki zu finden sind…Astronomie & Astrophysik gibt es da bevorzugte Forschungsgebiete derjenigen die sich selbst als dem einen oder dem andere zugehörig sehen? Falls die Astronomen/Astrophysiker selbst da keinen Unterschied sehen sollten sie vielleicht eine Übereinkunft zum Sprachgebrauch finden – bei Zwergplaneten ging es ja auch…
    Nun “Materie und Energie” — E=mc² ist ja nicht zu unbekannt in dieser Runde…Wikipedia als schnelle Übersichtsinfoquelle -ok; als ‘wissenschaftlicher Beleg’ – eher zweifelhaft…
    Primzahlen – empirisches Phänomen in unserem Universum also eines von Energie?
    Koordinatensysteme – sicherlich strukturell aber auch empirisches Phänomen der Ortsbestimmung – Bezugssysteme ganz allgemein kein empirisches Phänomen von Energie & Materie?
    ‘Energie und Materie’ läßt sich auch irgendwie gemein für Photonen interpretieren: keine Ruhemasse – keine Materie und somit keine “Energie und Materie” also Photonen keine Natur?

  43. #43 Stephan
    26. November 2011

    @Stefan

    ?

    Ich habe nicht den leisesten Schimmer, auf was du eigentlich hinaus willst, bzw. was du mir/uns sagen willst. Was willst du erklären, was ist dein Ziel, was ist deine eigentliche Aussage?

    Sorry, aber vielleicht ist es zu spät und mein Hirn funktioniert nicht mehr so gut.

  44. #44 Adent
    26. November 2011

    @Alderamin

    1 Apfel und 3 Äpfel gleich Fünf Äpfel

    Oha, habe ich etwa die neuesten Entwicklungen in der Mathematik verpaßt?
    Ist schon spät ;-).

  45. #45 Stefan
    26. November 2011

    @ Thomas Wolkanowski
    bzgl. den ‘Kategorisierungen’ von Wissenschaften liegen wir ja gar nicht so weit auseinander – und irgendwie ist das tatsächlich ein “akademischer Streit” . Kontroverse teilweise auch durch Berufen auf Wiki hervorgerufen? …andererseits hat Florian ja selbst dieses ‘hard & soft science’ Klassifikation schon anfänglich mit eingebracht. Und das führt zu meßbaren (mathematischen) Bedingungen?
    Bzgl. ‘Experiment’ in der Mathematik da muß ich Dir widersprechen. Bspw. sind viele Lösungen von Differentialgleichungen nicht theoretisch sondern durch Versuch und Irrtum gefunden worden. Ebenso ist ein gängiges Verfahren zu einem falschen Beweis (eines Theorems) nicht notwendigerweise die formale Unrichtigkeit nachzuweisen sonder dies durchaus auch mit einem Beispiel zu bewerkstelligen. Ebenso ist das methodische Vorgehen um einen Beweis für eine Behauptung zu finden durchaus an den ‘üblichen wissenschaftlichen Vorgehensweisen’ orientiert – vielleicht geht es so, wenn nicht muß etwas anderes versucht werden. Ups- was hab ich denn da ‘gefunden’ passt das überhaupt zu dem sonstig bekannten. Die Beobachtung von Phänomenen bspw. Primzahlen und dann der Versuch die dazu allgemein gültigen Gesetze zu formulieren…
    zu “Die Farbe ist eine Quantenzahl, die man nicht einfach so eingeführt hat, sondern sie wurde nötig, weil DIE NATUR es uns abverlangte.”
    das halte ich für eine gewagte Behauptung – nein nicht die Quantenzahl, aber das es “nötig wurde weil die Natur es uns abverlangte” – ist es nicht eher so, daß unsere Modelvorstellung von der Natur/Wirklichkeit so einfach konsistenter wurde?
    Zu Pythagoras und ebener Geometrie – die Axiomatik der euklidischen Geometrie ist eine ‘Erfindung’ der Neuzeit – nicht das Euklid in seinen Elementen nicht auch schon etwas zu Axiomen gesagt hätte aber um mittels Axiomensystemen dann zu solch global/universell verschiedenartigen Modellen insbesondere nicht-euklidischer Geometrien zu kommen ist eine ‘Erfindung’ der Neuzeit. Thales und Pythagoras waren allerdings vor Euklid und ‘rechte Winkel’ (Thales) wurden wohl schon beim Pyramidenbau benutzt aus durchaus anschaulich direkt umzusetzenden Problematiken des täglichen Bedarfs. Abgesehen vom Zählen selbst…Zu der ‘Idee hinter der Zahl in der Natur’ – kann da nicht die “Unterscheidbarkeit von Verschiedenem ( und als Mathematikerscherz: bis auf Isomorphie)” als einstieg dienen?

  46. #46 Stefan
    26. November 2011

    @Stephan
    das Zeit Problem trifft fast alle 🙂

    Nun ich fand ( kam nicht von Dir) “.. Mathematik, die nicht mal eine Naturwissenschaft ist,…” unangebracht und fand, daß ich das nicht widerspruchslos hinnehmen wollte.
    Und dann kamen Wiki-Beiträge als Begründung – und das halte ich auch nicht für vorbehaltlos hinreichend – daher meine Argumentation mit ‘Wiki-Definitionen’ über Wissenschaftsklassifizierung/-kategorisierung.

    Was ist/war denn so schwierig an meiner ursprünglichen Frage was denn eine Naturwissenschaft charakterisert?
    Abgesehen davon, daß selbst eine Kategorisierung als “Strukturwissenschaft” imho nicht impliziert, daß “Gegenstand der Mathematik ist nicht die Natur und auch kein Objekt der Natur,…”.
    Aber dadurch sollten wir uns alle nicht die Nachtruhe verderben lassen 😉

  47. #47 Stefan
    26. November 2011

    @ Alderamin
    “Sie beschäftigt sich im Prinzip mit sich selbst. Man stellt einige Axiome auf, definiert Objekte und Regeln, und zeigt dann, unter Befolgung der Regeln, was für Schlussfolgerungen daraus folgen. Man kann auch einen ziemlichen Ramsch definieren, etwa einen Zahlenkörper über den Polynomen.”

    Was machen andere Wissenschaften ( insbesondere Naturwissenschaften) da denn anderes? Chemie beschäftigt sich mit Chemie, Physik mit Physik …
    Man stellt eine Behauptung auf mit entsprechenden Randbedingungen/Gültigeitsbereichen(Axiome) definiert gewisse Objekte( man kann dazu dann manchmal auch Versuch sagen) die man beobachten will und stellt unter Beachtung anerkannter/definierter Regeln Folgerungen an, was denn nun aus dem Beobachteten zu schließen sei.
    Daneben gibt es dann noch unbeabsichtigte Beobachtungen ‘zufällige Entdeckungen’ die natürlich nach einem Erklärungsmodel verlangen.
    Und so folgt aus dem ‘Konzept Zahl’ eben auch ‘Zahlkörper über Polynomen’.
    Und zu den unbeabsichtigten Beobachtungen: Niemand hat da bspw. die Natürlichen Zahlen konstruiert um Primzahlen zu erhalten. Das strukturelle Konzept der Natürlichen Zahlen zeigt das Phänomen Primzahlen

  48. #48 Lohengrin
    26. November 2011

    Ein Freund von mir ist der letzte Elektroinstallateur seiner Art. Der nächste Jahrgang heißt Haus- und Gebäudetechniker. Im alltäglichen Sprachgebrauch heißen sie weiterhin Elektriker.
    Kennt jemand den Unterschied zwischen Haus und Gebäude?

  49. #49 Alderamin
    26. November 2011

    Adent·
    26.11.11 · 00:11 Uhr

    @Alderamin
    1 Apfel und 3 Äpfel gleich Fünf Äpfel
    Oha, habe ich etwa die neuesten Entwicklungen in der Mathematik verpaßt?
    Ist schon spät ;-).

    Sag’ mir bitte, dass ich das nicht geschrieben habe… ich brauch’ wohl mal Urlaub. Oder wenigstens ‘ne Blogpause.

  50. #50 gruftspi
    26. November 2011

    @Lohengrin , Gebäudetechniker

    Mein Gott wie “bieder”. Der Hauswart heisst schon lange “Facility-Manager” 🙂

  51. #51 gruftspi
    26. November 2011

    Da kanns nicht lange dauern bis der Gebäudetechniker “Building-Physicist” heisst 🙂

  52. #52 Kallewirsch
    26. November 2011

    Was machen andere Wissenschaften ( insbesondere Naturwissenschaften) da denn anderes? Chemie beschäftigt sich mit Chemie, Physik mit Physik …

    Ganz so sehe ich das nicht. In der Chemie bzw. Physik ist da ja immer noch die Realität, die mit eine Überprüfung meiner Axiome erlaubt. Ich kann definieren so lange ich lustig bin, dass ich aus Sauerstoff durch Reaktion mit Chlor, Glod erhalte. Nur die Realität spielt das nun mal nicht. In der Mathematik kann ich aber Dinge definieren, die nur in sich widerspruchsfrei sein müssen/sollten, dann ist der Mathematiker schon zufrieden.

    Ich denke bei Mathe muss man unterscheiden zwischen Mathematik per se und angewandter Mathematik. Letzters ist die Mathematik, die von anderen Wissenschaftsdisziplinen benutzt wird. Reine Mathematik, da bin ich bei Alderamin, ist eigentlich mehr Selbstzweck. Was natürlich nicht heißt, dass sie keine Erkentnisse/Ergebnisse hervorbringt. Über den Weg der angewandten AMathe finden die dann als Werkzeuge Eingang in die Naturwissenschaften.

  53. #53 Alderamin
    26. November 2011

    Stefan·
    26.11.11 · 01:23 Uhr

    @ Alderamin
    “Sie beschäftigt sich im Prinzip mit sich selbst.”

    Was machen andere Wissenschaften ( insbesondere Naturwissenschaften) da denn anderes? Chemie beschäftigt sich mit Chemie, Physik mit Physik …

    Nein, so war das nicht gemeint. Physik beschäftigt sich mit physischen Abläufen in der Natur. Chemie mit den Stoffen und ihren Reaktionen. Astronomie mit den Objekten des Sternenhimmels. Mathematik beschäftigt sich hingegen mit Objekten, die sie selbst definiert hat: Zahlen, Operationen, Vektoren, Funktionen etc.

    Sind Zahlen etwa nicht real? So real wie musikalische Noten: sie beschreiben eine bestimmte Eigenschaft, die Mächtigkeit einer Menge, bei den Noten einen Ton einer bestimmten Länge und Frequenz. Aber genau so, wie es nicht eine bestimmte Note in der Realität gibt, sondern nur die Geräusche verschiedener Instrumente, die alle der gleichen Note entsprechen, so gibt es nur Mengen von allen möglichen Objekten, die alle die gleiche Mächtigkeit als Zahl ausgedrückt haben, aber nicht die Zahl selbst. Es gibt in der Realität keine Eins. Es gibt nur ein Haus, einen Baum, einen Menschen. Es braucht immer eine Maßeinheit, wie es für die Note immer ein Instrument braucht, um einen hörbaren Ton daraus zu machen.

    Neben den Objekten ist aber vor allem wichtig, was das Ziel der ganzen Geschichte ist. Physik könnte sich ja z.B. damit befassen, was wäre, wenn das Gravitationsgesetz völlig anders aussähe. Kann sein, dass es einige Leute gibt, die so was tun – dann aber wohl, um herauszufinden, warum unsere Welt so ist, wie sie ist, und ob sie so sein musste. Die Physik versucht die reale Welt zu beschreiben, keine selbstdefinierten Welten. Die Mathematik stört sich hingegen nicht an der realen Welt, sie befolgt nur elementare Logikregeln, die sie auf ihre selbstgeschaffenen Objekte anwendet.

    Für manche, aber nicht alle diese Objekte finden sich dann manchmal Entsprechungen in der Natur. Die komplexen Zahlen wurden sicher nicht erfunden, um damit Wellen zu beschreiben, sondern einfach, um der Wurzel aus negativen Zahlen einen Wert zu geben und mal zu schauen, was daraus folgt. Witzigerweise kann man damit dann Impedanzen und Phasen von Wellen beschreiben. Was im übrigen auch auch komplett reell geht, es gibt mehr als eine Möglichkeit, die Realität mathematisch zu beschreiben.

    Und zu den unbeabsichtigten Beobachtungen: Niemand hat da bspw. die Natürlichen Zahlen konstruiert um Primzahlen zu erhalten. Das strukturelle Konzept der Natürlichen Zahlen zeigt das Phänomen Primzahlen

    Korrekt, aber Primzahlen sind nichts anderes als eine Definition: Zahlen, die nur durch 1 oder sich selbst teilbar sind, was physikalisch ohne jede Bedeutung ist. In der Realität gibt es keinen Prozess, der sie erzeugt. Sie werden immer als Paradebeispiel aufgeführt, was eine außerirdische Zivilisation senden sollte, um ihr Signal von natürlichen Prozessen unterscheidbar zu machen.

    Die Mathematik kann sich aber herrlich damit beschäftigen, wie man Primzahlen finden kann, ob es unendlich viele mit bestimmten Eigenschaften gibt (Primzahlzwillinge, zum Bleistift) usw., reiner Selbstzweck. Wie ich in Wikipedia lese, haben schon die Ägypter Primzahlen gekannt. Und 3000 Jahre später finden die Kryptologen, das man auf ihnen Public Key Kryptosysteme aufbauen kann. Daran haben die Ägypter garantiert nie gedacht.

  54. #54 Alderamin
    26. November 2011

    Stefan·
    26.11.11 · 01:23 Uhr

    Argh, jetzt habe ich fast eine Stunde lang eine Antwort hierauf getippt, ohne irgendwelche Weblinks, und der Spamfilter hat sie wegen irgendeines Worts gefressen. Und der Blogmaster ist unterwegs…

  55. #55 Kallewirsch
    26. November 2011

    Nein, die euklidische Geometrie z.B. beruht auf Axiomen. Sie handelt von Punkten, Geraden usw.,

    die euklidische Geometrie ist deshalb für uns intuitiv und deshalb “natürlich”.

    Interessant, dass du das aufbringst. Denn unter den Axiomen Euklids gibt es ja eines, das keineswegs so ‘natürlich’ ist: das Parallelenaxiom. Alle Versuche es auf die anderen zurückzuführen sind gescheitert (was für die Qualität der Arbeit Euklids spricht). Später versuchte man einen anderen Ansatz: Das Parallelenaxiom verneinen und damit dann zeigen, dass sich eine widersprüchliche Geometrie ergibt. Aber das seltsame war: man konnte Satz um Satz aus den Axiomen herleiten und es zeigte sich kein Widerspruch. Bis es dann den Leuten zu blöd wurde und sie einfach erklärten, dass die sich ergebende Geometrie “der Natur zuwider laufe”. Erst zu Zeiten Gauss dämmerte es langsam, dass es durchaus eine Nichteuklidische Geometrie geben kann, wenn auch keiner wusste wozu das gut sein sollte.

  56. #56 Stefan
    26. November 2011

    @Kallewirsch
    “In der Chemie bzw. Physik ist da ja immer noch die Realität, die mit eine Überprüfung meiner Axiome erlaubt.Ich kann definieren so lange ich lustig bin, …”

    Es besteht ein Unterschied zwischen Axiom und Definition. Als Analogon zu Axiomen können ggfs. “Postulate” genommen werden. Definitionen sind eher “zusammengesetzte Objekte”. Und dann wird überprüft ob die Axiome widerspruchsfrei sind ( ein leichter Verweis auf Kurt Gödel sei gestattet) – um das Chemiebeispiel aufzugreifen: Da wird in der Mathematik nicht “definiert” O+Cl = Au ( ich nehme mal an Du meintest Gold und nicht Glod ;-)) sondern aufgrund des Axioms das sich zwei Substanzen mit bestimmten Eigenschaften (e.g. freie Elektronen) miteinander verbinden/auf bestimmte(ggfs. axiomatisch gegebene oder bereits “bewiesene” Ableitungen) Art miteinander reagieren so gibt es ein Reaktionsprodukt und dann wird gefolgert/Eigenschaften vorausgesagt aufgrund von bestehenden “Erkenntnissen” – Sicherlich kann man auch ohne hergeleitete Notwendigkeit Objekte definieren, ggfs. muß man dann aber auch in Kauf nehmen , daß diese dann nicht widerspruchsfrei in den Axiomen/Realitätsrahmen passen. Also Mathematik als Erkenntniswissenschaft ? Welche Wissenschaft fällt da nicht rein? Als Definition würde dann genommen werden : dieses Reaktions’produkt’ wird Glod genannt. (Glod da ‘Gold’ ja schon belegt ist!). Das erleichtert dann den Gebrauch des Reaktionsproduktes – ich muß nicht jedesmal “Das blabla-reaktionsprodukt von Sauerstoff und Chlor” sagen sondern rede einfach von “Glod”.
    Du bringst da einen interessanten psychologischen Aspekt, nämlich das wir als physische Wesen nahezu gezwungen sind unsere Welt/Realität ‘begreifbar’ zu erfahren. Vielleicht ist “Realität vorweg nehmen” ein Zugang – was ich damit meine ist u.U. folgendes Beispiel : Atom = unteilbar Kleinstes — Atombausteine – Atommodel – Elektronenbahnen – Aufenthaltswahrscheinlichkeiten von “um den Atomkern kreisenden” Elektronen.
    Inwiefern ist den da “Realität” und nicht nur eine Verfeinerung unseres Models von “der Realität”?
    Und wieder das Geometrie Beispiel: nicht euklidische Geometrie nur ein Konstrukt und dann doch die allg. RT. Also das ‘anfassen’ der nicht euklidischen Geometrie. Und Differentialgeometrie als angewandte Mathematik?
    Der Unterschied ( so wir denn einen ziehen wollen) zwischen reiner und angewandter Mathematik ist da eher der, daß letztere sich eher mit den “Rechenergebnissen” beschäftigt als mit den “Rechenwegen”. Wobei auch dies nur eine ziemlich grobe Möglichkeit ist… öfters wird “Wahrscheinlichkeitstheorie” in die Schublade “angewandte Mathematik” gesteckt und das bei der Menge Toplology und Algebra – ich bin mir da auch manchmal nicht sicher ob entsprechende Autoren da nicht eher “Wahrscheinlichkeitsrechnung” meinen….
    Gruppentheorie – Zuordnung: reine Mathematik – was aber ist denn an dem Verhalten regelmäßiger Körper bzgl Abbildungen auf sich selbst ( e.g. Würfeldrehen) nicht “anfaßbar”? und wieder ein Beispiel diese hoch abstrakte 248 dimensionale Lie-gruppe E8 – angewandte Mathematik da sie sich anscheinend ganz passable eignet den Teilchenzoo zu beschreiben? – und ja ist mir schon klar , das da “Realitätsversuche” am CERN stattfinden um unsere Modelvorstellung zu perfektionieren.
    Gamma-funktion – reine Mathematik , schöne Funktionalgleichung und auch noch mit Bezug zu Primzahlen – hoppla, angewandte Mathematik da grundlegend für die Stringtheorie?

    Und noch ein Beitrag zum (ursprünglichen)Blogthema:
    Ich als nicht Astronom/Astrophysiker und meine Assoziationen zu diesen Begriffen:
    Astronomie: beeindruckende , wundervolle Bilder des Universums egal ob in Falschfarben oder nicht, Modelle von Sonnensystemen(incl. Asteroiden/Meteoren etc), auch Bilder von der Sonne. Spektralreihen, Hauptreihen von Sternen ….
    Astrophysik: Kernprozesse der Sterne , Temperaturkurven, Bewegungen in Sonnensystemen ( Dreikörperproblem u.ä.) eher theorieorientiert…
    und skuriller weise Kosmologie: RT , Urknall , Stringtheorie usw. eher als Disziplin der Astronomie als der Astrophysik…
    …wie gesagt dies ist nur eine spontane rein persönliche Zuordnung von teilweise sich sogar überschneidenden Bereichen eines nicht in diesen Gebieten Tätigen.

  57. #57 Stefan
    26. November 2011

    @ Alderamin· 26.11.11 · 12:44 Uhr
    cite:”Mathematik beschäftigt sich hingegen mit Objekten, die sie selbst definiert hat: Zahlen, Operationen, Vektoren, Funktionen etc. ”

    Zum Unterschied Axiom und Definition schrieb ich ja schon etwas. Jede Wissenschaft soweit mir bekannt beschäftigt sich i.W. mit den Objekten die sie selbst definiert hat. Gut es gibt manche Begriffe die übergreifend mit allgemein gültiger Bedeutung benutzt werden und wenn ein ‘neues Objekt’ definiert wird sollte es nach Möglichkeit allgemein in der ihm zugeschriebenen Bedeutung universell in den Wissenschaften benutzt werden. z.Bsp. welche Bedeutung hat den
    “Trachee” in der Physik bzw. noch weitergehend wo wird das denn in der Astronomie benutzt?
    “Kognitive Ressonanz” – ja unverzichtbar für elementare Newton’sche Physik, oder?
    “Schwarzschild Radius” abgesehen von u.U. existenzieller Bedeutung wenn man im unmittelbaren “Anfassen” und Erleben durchaus etwas spüren mag ist doch die Definition/dieses Objekts in den Ingenieurswissenschaften eher von untergeordneter Bedeutung.
    Also eher die Bedeutung von (definierten)Objekten für unser tägliches Erleben oder von der “Tiefe der existenziellen” Bedeutung?
    Klar vermutlich würde ohne Cygnus 1A unsere Welt eine andere sein – existenzielle Bedeutungstiefe?
    Wie du selbst angeführt hast ‘Public Keys’ – kaum ‘wegzudenken’ aus unserem täglichen Leben – existenziell? unmittelbar eher weniger…
    Der Begriff der ‘rekursiven Konvergenz’ nicht existenziell obwohl nicht unwesentlich für “Evolution”?
    Du sagst: “..aber Primzahlen sind nichts anderes als eine Definition: Zahlen, die nur durch 1 oder sich selbst teilbar sind,…”
    Korrekt, der Begriff Primzahl ist eine Definition für nicht-Einheiten ohne weitere Teiler. Aber diese Definition ist nicht der Grund dafür das sich diese Phänomen zeigt, nämlich z.Bsp. innerhalb der Natürlichen Zahlen bzgl der Multiplikation Zahlen zu finden die außer sich selbst und der ‘1’ keine weiteren Teiler besitzen. Hier scheinst Du etwas falsch zu verstehen. Es gibt nicht (natürliche) Zahlen die nur durch ‘1’ und sich selbst teilbar sind weil ‘Primzahl’ definiert wurde sondern die Definition ‘Primzahl’ erweist sich als brauchbar da es das Phänomen ‘Primzahl= nur durch 1 und sich selbst (ganzzahlig)teilbar’ gibt.
    Zitat zu Primzahlen: “In der Realität gibt es keinen Prozess, der sie erzeugt.” Nun es gibt Algorithmen die Primzahlen erzeugen … und wenn ich mit einem Blatt Papier und Bleistift da sitze oder per Computer mir die Ergebnisse berechnen lasse so ist dies durchaus eine unmitelbare Realitätserfahrung eines Prozesses der Primzahlen erzeugt — also wieder ein Beispiel , daß Vorsicht geboten ist per se von “Realität” zu sprechen?

    Um zwischen ‘purer Eigenschaft’ und ‘Bedeutung (für die Realität)’ zu unterscheiden sprichst Du von “Es braucht immer eine Maßeinheit,…” (falls ich das falsch interpretiere so entschuldige dies) – Nun, welche Maßeinheit haben denn Skalarfelder?

    Doch noch mal zu Axiomen. Erst gibt es sogenannte “Urbegriffe” – z.Bsp. Punkt , Energie(?) u.ä. Axiome beschreiben dann irgendetwas nur unter Benutzung dieser “Urbegriffe” und dann erst kommen Definitionen. D.h. wenn wir hier tatsächlich über “Realität” und nicht über “realitätsbeschreibende Begriffe(Definitionen)” sprechen wollen ist das, so wie ich es sehe, eher eine Diskussion über “Urbegriffe”.
    Axiom und Postulate – warum sollen denn Postulate richtig sein? Nur weil noch kein ‘Verstoß’ dagegen beobachtet wurde und/oder weil sie logisch Widerspruchsfrei ein konsistentes Realitätsmodel zulassen/ermöglichen?

  58. #58 Constantin
    26. November 2011

    @Stefan

    Gruppentheorie an sich hat aber noch nichts mit Anwendungen zu tun. Gruppen werden abstrakt definiert und ihre Eigenschaften studiert. Dass Gruppentheorie bei Festkoerpern z.B. angewandt wird, ist Gegenstand der Physik. Die Mathematik selbst beschaeftigt sich aber mit den Gruppen an sich, und von unendlich vielen moeglichen Lie Gruppen aus der Mathematik sind ja nur eine kleine Zahl von Gruppen in der Natur verwirklicht!

  59. #59 Stefan
    26. November 2011

    @Constantin

    I behaupte ja nicht, daß Gruppentheorie so einfach zur ‘angewandte Mathematik’ gehört – meine Bemerkung dazu bezieht sich auf die (nicht von mir gemachte) Unterscheidung/Beschreibung ‘angewandter Mathematik’ als in (sonstigen) Wissenschaften benutztes Gebiet der Mathematik gegenüber der ‘reinen Mathematik’ als den Teil der Mathematik der eben (aktuell) ‘nur’ in der Mathematik selbst eine Rolle spielt.
    Kallewirsch· 26.11.11 · 12:32 Uhr:
    “Ich denke bei Mathe muss man unterscheiden zwischen Mathematik per se und angewandter Mathematik. Letzters ist die Mathematik, die von anderen Wissenschaftsdisziplinen benutzt wird.”
    Und wenn man dies als Kriterium nimmt würde die ‘logische’ Folgerung einfach sein das Gruppentheorie angewandte Mathematik ist , da Ergebnisse der Gruppentheorie in Wissenschaftsdisziplinen benutzt wird.

    Und bzgl. dem “nur eine kleine Anzahl in der Natur verwirklicht” ist doch auch mit dem Zusatz “soweit bekannt” zu versehen – oder?

  60. #60 Stefan
    26. November 2011

    @ Alderamin· 25.11.11 · 22:46 Uhr
    “Mathematik hat mit Naturwissenschaft ungefähr so viel zu tun, wie Poesie mit Schrift, oder Musik mit Noten. Poesie geht auch mit Sprache und Musik nur mit Instrumenten, aber mit Schrift und Noten kann man sie beschreiben. Mathematik kann aber auch ganz alleine bestehen und sich mit Dingen befassen, die es in der Realität gar nicht gibt.”
    ….und Realität kann ohne Mathematik existieren – schon klar – aber Realität braucht auch keine Physik – und in beiden Fällen treten trotzdem Ursache-Wirkungs Phänomene auf die sich an mathematisch logische Verhaltensweisen und physikalische Vorgänge halten…
    “… und sich mit Dingen befassen, die es in der Realität gar nicht gibt.”
    Ganz so wie Physik mit dem Äther oder M-Branen oder der Stringtheorie oder imaginärer Zeit oder Tachyonen oder die große vereinheitlichende Theorie?
    Hat eigentlich die Alchemie mittlerweile die Suche nach dem Stein der Weisen überwunden… Die Astronomie hat sich da wenigstens ziemlich sauber von der Astrologie getrennt.
    Auch in der Mathematik werden ‘ungeeignete’ Konzepte verworfen – als ein Beispiel möge da die Entwicklung der Mengenlehre gelten. Dies führte ja auch zu dem Axiomatischen Modelansatz gegenüber den ‘Gott gegebenen Zahlen’.
    Bitte nicht falsch verstehen – ja, es kann imaginäre Zeit( und einige der anderen Bsp.) geben aber die Frage ob es sie gibt ist doch gegenwärtig nicht geklärt,oder?

    Alderamin· 26.11.11 · 12:44 Uhr
    “Neben den Objekten ist aber vor allem wichtig, was das Ziel der ganzen Geschichte ist. Physik könnte sich ja z.B. damit befassen, was wäre, wenn das Gravitationsgesetz völlig anders aussähe. Kann sein, dass es einige Leute gibt, die so was tun – dann aber wohl, um herauszufinden, warum unsere Welt so ist, wie sie ist, und ob sie so sein musste. Die Physik versucht die reale Welt zu beschreiben, keine selbstdefinierten Welten. ”
    siehe oben. Etwas vermessen anderen Wissenschaften zu unterstellen sie wären nicht daran interessiert durch ihr Tun herausfinden zu wollen warum die Welt so ist wie sie ist….
    und weiter cite:”Die Mathematik stört sich hingegen nicht an der realen Welt, sie befolgt nur elementare Logikregeln, die sie auf ihre selbstgeschaffenen Objekte anwendet.”
    Was veranlasst Dich anzunehmen, daß elementare Logikregeln nicht Bestandteil der realen Welt sind?

  61. #61 Stefan
    26. November 2011

    @ Alderamin· 25.11.11 · 22:46 Uhr
    “Mathematik hat mit Naturwissenschaft ungefähr so viel zu tun, wie Poesie mit Schrift, oder Musik mit Noten. Poesie geht auch mit Sprache und Musik nur mit Instrumenten, aber mit Schrift und Noten kann man sie beschreiben.”

    Es hat etwas gedauert, bis ich das verstanden habe – Die Vergleiche gefallen mir unabhängig davon, was auch immer ich jetzt noch dazu schreibe ( Schreiben als kreativer Prozeß ;-))
    Mathematik — Naturwissenschaft
    Poesie — Schrift ; Poesie – Sprache
    Musik — Noten ; Musik – Instrument(e)
    Schrift/ Noten zur Beschreibung von Poesie /Musik ….. Mathematik in der Rolle der Poesie und Musik und Naturwissenschaft als Schrift /Noten oder Sprache/Instrument? Deiner sonstigen Argumentation nach vermute ich eher, dass Du die Naturwissenschatf(en) in der Rolle der Poesie und Musik siehst und die Mathematik in der Rolle einer Schrift/Sprache bzw. Noten/Instrumentes ?
    Btw “…Musik nur mit Instrumenten, aber mit Schrift und Noten kann man sie beschreiben.” Zumindest von zwei Komponisten (die mir spontan einfallen) ist es wohl mehr oder weniger verbürgt ihre Kompositionen schon ‘gehört’ zu haben ohne das sie dazu die Instrumente gehabt/benutzt hätten – Beethoven und Schostakowitsch und von Helmut Lachenmann und Anton Webern gibt es wohl ähnliche Aussagen…(aber nagel mich da bitte nicht fest…)

  62. #62 Stefan
    26. November 2011

    @Thomas Wolkanowski· 25.11.11 · 22:24 Uhr
    “Die Biologin wollte NICHT partielle Differentialgleichungen studieren, sondern Populationen in Mooren – damit ist doch der Untersuchungsgegenstand eindeutig festgelegt.”
    Ja – korrekt; der biologische Untersuchungsgegenstand sind die Populationen in Mooren. Und der Untersuchungsgegenstand in der Mathematik ist die partielle Differenzialgleichung. Nur warum dies deswegen ein Beispiel dafür sein soll das partielle Differentialgleichungen nicht Bestandteil der Realität sein sollen leuchtet mir nicht ein.

  63. #63 Stefan
    27. November 2011

    Ein Zitat das ich grad in der Zeitung las:

    Thomas Henry Huxley (1825 – 1895, engl, Biologe):
    “Es ist eine Tragödie aller empirischer Wissenschaften, dass wunderschöne Hypothesen von hässlichen Tatsachen ermordet werden.”

  64. #64 Alderamin
    27. November 2011

    Stefan·
    26.11.11 · 22:08 Uhr
    ….und Realität kann ohne Mathematik existieren – schon klar – aber Realität braucht auch keine Physik – und in beiden Fällen treten trotzdem Ursache-Wirkungs Phänomene auf die sich an mathematisch logische Verhaltensweisen und physikalische Vorgänge halten…

    Du drehst immer die Argumentation um, und dann stimmt sie nicht mehr.

    Meine Aussage: Physik braucht Realität (die reale Welt).
    Daraus machst Du: Realität braucht keine Physik. Das stimmt zwar, ist aber nicht mein Punkt. VW ist Auto, Auto ist aber nicht immer VW. Physik braucht die reale Welt, es ist ihr Ziel, diese zu beschreiben; Mathematik braucht sie nicht. Die reale Welt braucht beides nicht, aber das tut hier nichts zur Sache.

    “… und sich mit Dingen befassen, die es in der Realität gar nicht gibt.”
    Ganz so wie Physik mit dem Äther oder M-Branen oder der Stringtheorie oder imaginärer Zeit oder Tachyonen oder die große vereinheitlichende Theorie?

    Falsch, der Äther war einfach ein Irrtum, der sofort verworfen wurde, wie er als falsch erkannt wurde. Die Stringtheorie und die GUTs (Stringtheorie ist ja eine solche) sind der in der Entstehung befindliche Versuch, die Quantenwelt und die Relativitätstheorie zusammenzubringen, weil beide im Allerkleinsten nicht widerspruchsfrei ineinander übergehen, obwohl es wohl Mini-Black-Holes und die Beinahe-Singularität am Anfang des Universums gegeben hat. Hier besteht die Notwendigkeit, die bewährten, aber in einem bestimmten Bereich unzureichenden Beschreibungen der Natur an die natürlichen Gegebenheiten anzupassen. So was gibt’s in der Mathematik nicht.

    Und Tachyonen sind eine Gedankenspielerei. Man kann ja durchaus ausloten, ob hinter physikalischen Formeln mehr steckt, als man bisher beobachtet hat (macht man ja üblicherweise, um diese zu verifizieren) und dann mal schauen, ob sich so was nachweisen lässt. Was sich nicht nachweisen lässt, ignoriert der Physiker üblicherweise.

    Auch in der Mathematik werden ‘ungeeignete’ Konzepte verworfen – als ein Beispiel möge da die Entwicklung der Mengenlehre gelten.

    Wann hat denn die Mathematik die Mengenlehre verworfen? Als Konzept für den Schulunterricht, ja, aber es gibt in der Analysis doch so gut wie keinen Beweis ohne Quantoren (“es gibt mindestens ein Element”, “für alle Elemente gilt”). Schon die verschiedenen Zahlentypen sind Mengen.

    Alderamin· 26.11.11 · 12:44 Uhr
    “Neben den Objekten ist aber vor allem wichtig, was das Ziel der ganzen Geschichte ist. Physik könnte sich ja z.B. damit befassen, was wäre, wenn das Gravitationsgesetz völlig anders aussähe. Kann sein, dass es einige Leute gibt, die so was tun – dann aber wohl, um herauszufinden, warum unsere Welt so ist, wie sie ist, und ob sie so sein musste. Die Physik versucht die reale Welt zu beschreiben, keine selbstdefinierten Welten. ”
    siehe oben. Etwas vermessen anderen Wissenschaften zu unterstellen sie wären nicht daran interessiert durch ihr Tun herausfinden zu wollen warum die Welt so ist wie sie ist….

    Wieder ein umgedrehtes Argument. Aus: “die Physik versucht, die reale Welt zu beschreiben” folgt nicht “alle anderen Wissenschaften versuchen nicht, die reale Welt zu beschreiben”. Aber die Mathematik versucht dies nicht als Definition ihrerselbst, wohl jedoch in Teilbereichen (z.B. angewandte Mathematik). Sie geht vor allem über die Beschreibung der realen Welt hinaus. Die Physik tut das eher nicht (Ausnahmen gibt’s immer, siehe Tachyonen).

    und weiter cite:”Die Mathematik stört sich hingegen nicht an der realen Welt, sie befolgt nur elementare Logikregeln, die sie auf ihre selbstgeschaffenen Objekte anwendet.”
    Was veranlasst Dich anzunehmen, daß elementare Logikregeln nicht Bestandteil der realen Welt sind?

    Und zum dritten mal non sequitur: Aus “die Mathematik folgt elementaren Logikregeln” folgt nicht “die reale Welt tut das nicht”. Natürlich tut sie das, sonst ließe sich die Mathematik ja nicht darauf anwenden. Aber es ist der Mathematik schnurz, ob die reale Welt das tut. Insbesondere kann sie sich Regeln aufstellen, die in der Natur nicht realisiert sind. Z.B. rechnen mit Unendlichkeiten (de L’Hôpital-Regel) oder nicht-kausale Effekte (z.B. die Impulsantwort eines Rechteck-Filters.

    “Mathematik hat mit Naturwissenschaft ungefähr so viel zu tun, wie Poesie mit Schrift, oder Musik mit Noten. Poesie geht auch mit Sprache und Musik nur mit Instrumenten, aber mit Schrift und Noten kann man sie beschreiben.”

    Es hat etwas gedauert, bis ich das verstanden habe – Die Vergleiche gefallen mir unabhängig davon, was auch immer ich jetzt noch dazu schreibe ( Schreiben als kreativer Prozeß ;-))
    Mathematik — Naturwissenschaft
    Poesie — Schrift ; Poesie – Sprache
    Musik — Noten ; Musik – Instrument(e)

    Gemeint war:
    Natur = Poesie, Musik
    Mathematik = Schrift, Noten

    Die Mathematik ist eine Sprache, die auf die Natur angewendet werden kann, um sie zu beschreiben – dafür wird sie in der Physik benutzt. Die Mathematik ist aber eine Abstraktion der Natur, die unabhängig von dieser existieren und Dinge tun kann, die es in der Natur nicht gibt. Und die über die Natur hinausgeht und sich völlig von ihr verselbstständigt hat. Die Physik und andere Naturwissenschaften bleiben haben jedoch stets zum Ziel, die Natur zu beschreiben und nichts anderes. Deswegen ist Physik eine Naturwissenschaft und Mathematik nicht.

    So, genug zu dem Thema gesagt, wenn Dich das nicht überzeugt – es müssen ja nicht alle Menschen stets die gleiche Meinung haben.

  65. #65 Julia
    27. November 2011

    Hm, also als ein Dozent uns nach unseren Vorkenntnissen in Astrophysik gefragt hat und ich einige Vorlesungen genannt habe, die ich gehoert hatte, unter anderem eine “Einfuehrung in die Astrophysik” meinte er, dass es sich dabei eher um eine “Einfuehrung in die Astronomie” gehandelt habe, da sie nicht von einem Theoretiker wie ihm, sondern von einem Dozenten eines Instituts gehalten wurde, an dem mehr experimentell gearbeitet wird. Er schien da einen sehr grossen Unterschied zu sehen.

    Das scheint auch generell ein sehr heikles Thema zu sein, die Angehoerigen des eher experimentell ausgerichteten Instituts fuehlen sich durch diese Kategorisierung genauso beleidigt wie der Theoretiker ueber die Gleichsetzung seiner Arbeit mit der des experimentellen Instituts. 😉

  66. #66 Stefan
    27. November 2011

    @Alderamin

    ” … es müssen ja nicht alle Menschen stets die gleiche Meinung haben.”

    Da sind wir uns einig – bei in den Raum gestellten Behauptungen sieht es möglicherweise anders aus:

    “Falsch, der Äther war einfach ein Irrtum, der sofort verworfen wurde, wie er als falsch erkannt wurde.”

    Wieso falsch? Physik/Physiker haben sich da mit etwas beschäftigt was es so ja wohl nicht gibt – Warum ist es dann falsch darin ein Beispiel zu sehen, das auch in der Physik sich mit ‘Sachen’ beschäftigt wird die so nicht existieren?

    ” ” Auch in der Mathematik werden ‘ungeeignete’ Konzepte verworfen – als ein Beispiel möge da die Entwicklung der Mengenlehre gelten. ”
    Wann hat denn die Mathematik die Mengenlehre verworfen? Als Konzept für den Schulunterricht, ja, aber es gibt in der Analysis doch so gut wie keinen Beweis ohne Quantoren (“es gibt mindestens ein Element”, “für alle Elemente gilt”). Schon die verschiedenen Zahlentypen sind Mengen.”

    Wo siehst Du da bei mir die Behauptung die Mathematik hätte die Mengenlehre verworfen? Ich spreche von der Entwicklung der Mengenlehre; von dem ‘naiven’ Mengenbegriff(-konzept) hin zu einer axiomatischen Basis – das Du u.U. die Mengenlehre als solche als ungeeignetes Konzept ansiehst – das mag als Meinung durchgehen..
    Ganz nebenbei, der Existenz- und der Allquantor stammen aus der Prädikatenlogik und nicht aus der Mengenlehre; und das auf das Du vermutlich abzielst nämlich möglicherweise 0={} , 1={{}} usw. ist nur die Mengentheorethische Beschreibung der natürlichen Zahlen oder meintest Du da sogar nur die Zusammenfassung auf gewisse Árt gleichartiger aber wohlunterscheidbarer Objekte wie die ‘Menge der Natürlichen Zahlen’ , “die Menge der Komplexen Zahlen” , “die Menge der Kardinalzahlen” usw, ?

    “Alderamin· 26.11.11 · 12:44 Uhr “Neben den Objekten ist aber vor allem wichtig, was das Ziel der ganzen Geschichte ist. Physik könnte sich ja z.B. damit befassen, was wäre, wenn das Gravitationsgesetz völlig anders aussähe. Kann sein, dass es einige Leute gibt, die so was tun – dann aber wohl, um herauszufinden, warum unsere Welt so ist, wie sie ist, und ob sie so sein musste. Die Physik versucht die reale Welt zu beschreiben, keine selbstdefinierten Welten. ” siehe oben. Etwas vermessen anderen Wissenschaften zu unterstellen sie wären nicht daran interessiert durch ihr Tun herausfinden zu wollen warum die Welt so ist wie sie ist….

    Wieder ein umgedrehtes Argument. Aus: “die Physik versucht, die reale Welt zu beschreiben” folgt nicht “alle anderen Wissenschaften versuchen nicht, die reale Welt zu beschreiben”.

    Mein “Etwas vermessen anderen Wissenschaften zu unterstellen sie wären nicht daran interessiert durch ihr Tun herausfinden zu wollen warum die Welt so ist wie sie ist…. ”
    bezieht sich auf Deine Formulierung ( Poesie 😉 )
    “Physik könnte sich ja z.B. damit befassen, was wäre, wenn das Gravitationsgesetz völlig anders aussähe. Kann sein, dass es einige Leute gibt, die so was tun – dann aber wohl, um herauszufinden, warum unsere Welt so ist, wie sie ist, und ob sie so sein musste. ”
    Hatte ich aber wohl nicht so klar an der Stelle herausgestellt….

    Bzgl. diesen ‘was wäre wenn’ Spekulationen ist doch auch das “Multiversum”-Model ein Denkansatz und der geht ja sogar soweit (Teil-)Universen(Universii ?) zuzulassen in denen “Naturgesetze” realisiert sind die völlig anders geartet sind als in dem uns zugänglichen Bereich und da spricht doch auch nichts dagegen dann solche zu haben in denen “mathematische Modelle” realisiert sind die in unserem ggfs. nicht realisiert sind.
    Dann hätten auch die Kosmologen vielleicht mehr als nur ein Untersuchungsobjekt — etwas Spass muß sein …;-)

  67. #67 ML
    28. November 2011

    Ich würde sagen als Astronom ist man automatisch Physiker, aber nicht umgekrehrt. Um es mathematisch zu formulieren:
    Die Menge der Astronomen ist echte Teilemnge der Menge der Physiker.
    Im Übrigen würde ich die Bezeichnung Astrophysiker präferieren, einfach weil hier schneller deutlich wird, dass man Physiker ist. Es ist doch so, dass die meisten Leute denken, dass Astronomen die Leute an den Teleskopen sind, die das Weltall erforschen. Das mag stimmen. In vielen Fällen sind Astronomen aber Leute, die hinter einem PC sitzen, Daten auswerten und damit im Grunde genommen Physik machen…

  68. #68 Florian Freistetter
    28. November 2011

    @ML: “Ich würde sagen als Astronom ist man automatisch Physiker, aber nicht umgekrehrt.”

    D.h. du meinst, Astronomie ist Teilgebiet der Physik? Dem würde ich entschieden widersprechen. Ich auf jeden Fall habe “nur” ein Studium der Astronomie absolviert. Für ein Physikstudium war ich nie eingeschrieben und hab auch keins abgeschlossen.

    “Es ist doch so, dass die meisten Leute denken, dass Astronomen die Leute an den Teleskopen sind, die das Weltall erforschen. Das mag stimmen. In vielen Fällen sind Astronomen aber Leute, die hinter einem PC sitzen, Daten auswerten und damit im Grunde genommen Physik machen…”

    Astronomen stehen am Teleskop und “erforschen das Weltall”. Dann fahren sie an ihr Institut zurück, sitzen dort am PC und werten die Daten aus.

  69. #69 Alderamin
    28. November 2011

    @Stefan

    “Falsch, der Äther war einfach ein Irrtum, der sofort verworfen wurde, wie er als falsch erkannt wurde.”

    Wieso falsch? Physik/Physiker haben sich da mit etwas beschäftigt was es so ja wohl nicht gibt – Warum ist es dann falsch darin ein Beispiel zu sehen, das auch in der Physik sich mit ‘Sachen’ beschäftigt wird die so nicht existieren?

    Der Äther wurde deswegen angenommen, weil die Physiker damals nur Wellen kannten, die sich in einem Medium ausbreiteten – bei einer Welle musste irgendetwas schwingen, wie beim Schall die Luft oder bei Wasser ebendieses. Man nahm an, dass es diesen Äther wirklich gibt. Irrtümer sind aber nun mal üblich in der Wissenschaft, so geradlinig, wie Naturwissenschaften in der Schule gelehrt werden, ist ihre Entwicklung nicht verlaufen. Aber selbst wenn man z.B. Strings und Branes nur als sehr abstrakte Modelle einer Realität, die man sich nicht wirklich vorstellen kann, nimmt, so orientiert man sich doch immer noch an der Realität, denn diese soll modelliert werden. Auch wenn das Modell abstrakt ist.

    Stefan: “Auch in der Mathematik werden ‘ungeeignete’ Konzepte verworfen – als ein Beispiel möge da die Entwicklung der Mengenlehre gelten. ”

    Alderamin: “Wann hat denn die Mathematik die Mengenlehre verworfen? Als Konzept für den Schulunterricht, ja, aber es gibt in der Analysis doch so gut wie keinen Beweis ohne Quantoren (“es gibt mindestens ein Element”, “für alle Elemente gilt”). Schon die verschiedenen Zahlentypen sind Mengen.”

    Stefan: Wo siehst Du da bei mir die Behauptung die Mathematik hätte die Mengenlehre verworfen?

    In dem Satz: “Auch in der Mathematik werden ‘ungeeignete’ Konzepte verworfen – als ein Beispiel möge da die Entwicklung der Mengenlehre gelten. ”

    Ich spreche von der Entwicklung der Mengenlehre; von dem ‘naiven’ Mengenbegriff(-konzept) hin zu einer axiomatischen Basis – das Du u.U. die Mengenlehre als solche als ungeeignetes Konzept ansiehst – das mag als Meinung durchgehen..

    Es war nicht meine Aussage (und schon gar nicht meine Meinung), die Mengenlehre sei ein ungeeignetes Konzept, sondern mein Verständnis Deiner obigen Aussage.

    oder meintest Du da sogar nur die Zusammenfassung auf gewisse Árt gleichartiger aber wohlunterscheidbarer Objekte wie die ‘Menge der Natürlichen Zahlen’ , “die Menge der Komplexen Zahlen” , “die Menge der Kardinalzahlen” usw, ?

    Ja, die meinte ich.

    Bzgl. diesen ‘was wäre wenn’ Spekulationen ist doch auch das “Multiversum”-Model ein Denkansatz

    Es gab hier durchaus schon einmal eine Diskussion, ob das noch Physik ist, oder nicht. Im wesentlichen hängt das daran, ob es sich grundsätzlich verifizieren lässt oder nicht. Das Konzept der kosmischen Inflation nach Alan Guth liefert z.B., dass die Inflation nur lokal enden kann, indem sich eine Art “Blase” nicht-inflationärer Ausdehnung bildet, während der Raum drumherum weiter inflationär wächst. Das führt zwangsläufig zu vielen solchere Blasen, einem Multiversum. Auch kann man untersuchen, ob Naturkonstanten in großen Entfernungen von der Erde vielleicht andere Werte haben (hatten), und neulich hatte ich mal (ich glaube im Plauderthread) einen Artikel verlinkt, wo eine Gruppe behauptet, bei der Feinstrukturkonstanten fündig geworden zu sein. Aber es gibt durchaus auch genug Physiker, die sagen, Multiversen seien eher Esoterik.

  70. #70 Alderamin
    28. November 2011

    @ML

    Ich würde sagen als Astronom ist man automatisch Physiker, aber nicht umgekrehrt. Um es mathematisch zu formulieren:
    Die Menge der Astronomen ist echte Teilemnge der Menge der Physiker.

    Ich sehe es eher so: wer professionell astronomisch arbeitet, ist Astronom. Der muss nicht mal Physiker sein.

    Clyde Tombaugh, der Entdecker von Pluto, hat nicht mal das College besucht, war aber so enthusiastisch, dass man ihn am Lowell-Observatorium einstellte, wo er den Himmel fotografierte und die Aufnahmen nach einem neuen Planeten durchsuchte.

    Gestern las ich in der Novemberausgabe von Sky & Telescope von einem Amateurastronomen, hauptberuflich zunächst Fotograf, der nach erdnahen Asteroiden (NEOs) suchte, und dabei so professionell und erfolgreich arbeitete, dass die NASA ihn unter Vertrag nahm, so dass er seinen Beruf aufgab und mit seinen drei z.T. selbstgebauten Teleskopen (60, 75 und 80 cm-Spiegel, ein 1,25 m-Gerät ist in der Mache) in 2010 mehr NEO-Positionen vermaß, als jedes professionelle Programm einschließlich WISE. Auch der ist kein Physiker, aber sehr wohl Astronom.

  71. #71 Stefan
    28. November 2011

    Nach dem zuvor gesagten/geschriebenen wäre es doch dann naheliegend als ‘Astrophysik’ den Bereich der Astronomie und der Physik zu bezeichnen der beiden gemein ist. Ähnlich Biologie, Chemie und Biochemie u.ä. – mit der Konsequenz das Astronomie und Astrophysik in Tat nicht identisch wären/sind.

  72. #72 Stefan
    28. November 2011

    … ggfs. mit dem Zusatz bezogen auf astronomische Objekte, sofern man nicht eine gewisse Eigenständigkeit der Astrophysik gegenüber ‘der Physik ‘ aufgeben möchte.

  73. #73 Stefan
    28. November 2011

    @Alderamin

    Im wesentlichen hängt das daran, ob es sich grundsätzlich verifizieren lässt oder nicht.

    Ja, für die “Theoretischen” war es schon immer relativ unproblematisch den “Experimentellen” etwas auf den Hof zu stellen mit der Bemerkung: ” Bastelt mal daraus einen Versuch”… 🙂

  74. #74 ML
    28. November 2011

    @ FF: D.h. du meinst, Astronomie ist Teilgebiet der Physik? Dem würde ich entschieden widersprechen. Ich auf jeden Fall habe “nur” ein Studium der Astronomie absolviert. Für ein Physikstudium war ich nie eingeschrieben und hab auch keins abgeschlossen.
    Wow, das ist interessant. Also zumindest in Deutschland ist es doch so, dass wer Astronom werden will dieses Fach nicht im Grundstudium studieren kann. Man studiert dann Diplom-Physik oder BSc-Physik und setzt dann noch den Master, Dr.rer.nat. etc in Astronomie oder Astrophysik drauf.
    Ich finde es recht interessant, dass du Astronomie nicht als Teilgebiet der Physik siehst. Aber eigentlich hast du schon recht, wenn ich genauer drüber nachdenke.
    FF: Astronomen stehen am Teleskop und “erforschen das Weltall”. Dann fahren sie an ihr Institut zurück, sitzen dort am PC und werten die Daten aus.
    Frage: Müssen denn Astronomen zwangsläufig Experimentatoren/Beobachter sein oder gibts in der Zunft auch „reine“ Theorektiker? Deine Sicht als Insider würde mich da echt mal interessieren…

  75. #75 Florian Freistetter
    28. November 2011

    @ML: “Frage: Müssen denn Astronomen zwangsläufig Experimentatoren/Beobachter sein oder gibts in der Zunft auch „reine“ Theorektiker? Deine Sicht als Insider würde mich da echt mal interessieren… “

    Es gibt Beobachter und Theoretiker. Die Beobachter gehen beobachten und werten ihre Daten danach aus. Die Theoretiker (so wie ich) machen nur Theorie und schauen selten bis nie durchs Teleskop.

  76. #76 Explikianer
    2. Dezember 2011

    Ein Volk das ebenso mit der Beobachtung von Sternen eine lange Tradition hinter sich hat und natürlich auch die Modernste Betrachtungsweise der Physik sich zu eigen machte, sind die indischen Astronomen und Astrophysiker.

    Beides widerspiegelt sich in einem umfassenden Werk über “the Vortex Solar System proved by Dr. Keshava Bhat”, deren Inhalt für den westlichen Forscher zunächst etwas irritierend erscheint. 😉

    Titel: Helical Helix: Solar System a Dynamic Process,
    This Book is a free gift by the late and Great by Dr. Pallathadka Keshava Bhat (PDF / 24.6 MB)
    https://www.feandft.com/Helical%20Helix%20PDF%20format..pdf

    …ein kritischer Blick könnte sich lohnen 😉

  77. #77 Lutz Clausnitzer
    3. Dezember 2011

    Ich möchte zum Ausgangspunkt dieser nützlichen Diskussion zurückkehren: Besonders für die Popularisierung der Himmelskunde ist ein allgemein verständliches Begriffssystem mit klar definierten Begriffen förderlich. Ein solches findet man in Zimmermann, H.; Gürtler, J.: ABC Astronomie, 9. Auflage, Spektrum Verlag, Heidelberg 2008. Dort liest man: „Astronomie, Sternkunde, Himmelskunde, die Wissenschaft von der Materie im Weltall, ihrer Verteilung, Bewegung, ihres physikalischen Zustandes, ihrer Zusammensetzung sowie ihrer Entwicklung. … Astrometrie und Himmelsmechanik, die bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. praktisch die ganze A. ausmachten, werden unter dem Begriff klassische A. zusammengefasst. … Gegenwärtig nimmt die Astrophysik bei weitem den breitesten Raum in der astronomischen Forschung ein.“ Ich stimme den Autoren voll zu, dass „Astronomie“ der Oberbegriff aller wissenschaftlicher Disziplinen bleiben sollte, deren Hauptaugenmerk dem Kosmos gilt. Damit sind Astroarchäologen, Astrogeologen, Astrophysiker, Astrobiologen, Kosmologen usw. automatisch auch Astronomen. Folgende Übersicht lehnt sich an die genannte Quelle an und bewährt sich zumindest in der Schulastronomie hervorragend:
    https://www.lutz-clausnitzer.de/as/asunte/BegriffeAstronomie.pdf
    Weil sie weder auf Vollständigkeit abzielt noch Querverbindungen und Überschneidungen herausarbeitet, ist sie knapp und übersichtlich genug, um schon Neulingen der Astronomie zu zeigen, wie hoch komplex und doch wohlstrukturiert diese interdisziplinäre Wissenschaft ist.

  78. #78 Lutz Clausnitzer
    5. Dezember 2011

    Vielleicht sollte ich meinen Blogeintrag bezüglich Florians Kernfrage zusammenfassen: Die Astrophysik ist ein echtes Teilgebiet der Astronomie, weil es Themen und sogar ganze Teilgebiete der Astronomie gibt, die sich nicht vordergründig bzw. gar nicht astrophysikalischer Methoden bedienen. Von ganz entscheidender Bedeutung ist diese Feststellung für die Schulastronomie, wo es zunächst um die Orientierung am Sternhimmel, kulturhistorische Aspekte der Astronomie, den Aufbau des Sonnensystems und einfache Grundlagen der Himmelsmechanik gehen sollte, ehe man zu astrophysikalischen Inhalten vordringt. Wenn man an den Astrometriesatelliten Hipparcos und seine Nachfolger, die Astro-Chronologie und die Erforschung der Planeten, Monde und Kleinkörper des Sonnensystems denkt, wird rasch klar, dass es aber auch in der heutigen astronomischen Forschung nicht nur um Astrophysik geht.
    Zu der vorgestellten Übersicht nehme ich übrigens (hier oder an lutz.clausnitzer@t-online.de) sehr gern Verbesserungsvorschläge entgegen.
    Näheres über aktuelle Probleme der Schulastronomie findet man in https://www.lutz-clausnitzer.de/as/ProAstro-Sachsen/Clausnitzer_AstroAllgemeinbildung_August2010.pdf .

  79. #79 Explikianer
    4. Januar 2012

    Eine virtuelle Reise so wie es uns gefällt… 😉

  80. #80 junker karl heinz
    24. August 2013

    hi bin mit 58 anfänger im internet ich weiss nicht ob meine frage hierher gehört es wird von astronomen immer wieder die folgen aufgezeigt die ein einschlag auf der erde haben würde von klima veränderung bis zum auslöschen der menschheit ich habe mich gefragt mit welchen folgen muss mann rechnen wenn der mond das ziel eines aufschlages währe da der mond wichtig für eine stabile achse der erde ist da auf einmal die gezeiten wohl nur noch von der schwerkraft der sonne beeinflusst wird die erdachse ins schlingeln kommt dadurch die pole sich verschieben und so weiter die folgen sind bestimmt nicht weniger dramatisch als ein einschlag auf der erde die folgen währen wohl nicht sofort spührbar aber dennnoch sie sind da es währe mal interresant mal darüber eine meinung zu hören oder zu lesen eine doko noch besser ich danke für ihre geduld es währe nett eine antwort zu bekommen

  81. #81 Florian Freistetter
    24. August 2013

    @junker karl heinz: “ich habe mich gefragt mit welchen folgen muss mann rechnen wenn der mond das ziel eines aufschlages währe “

    Ein Einschlag auf dem Mond würde die Erde nicht stören. Der Mond wird durch einen Asteroideneinschlag nicht zerstört; sein Einfluss auf die Erde bleibt mit oder ohne Einschlag der selbe. Damit der Mond zerstört wird, braucht es eine Kollision mit einem anderen Planeten und da gibt es keinen, der gefährlich werden könnte.

  82. #82 Louise
    2. Januar 2015

    in #8 steht das AstroNOMIE etwas mit den NAMEN der Sterne zu tun hat. Mir bekannt ist aber, dass nomos (o.ä.) im Griechischen GESETZ heißt, somit wäre Astronomie (für) mich die Lehre von den Gesetzen der Sterne…… oder so. Im Unterrichtsfach (ja, kein Geheimnis, ich bin noch Schülerin) welches Astronomie heißt, behandeln wir aber auch die Physik hinter den Dingen, die wir lernen.
    Danke für den Blogeintrag!